Lilith
„Ich schenke dir einen Himmel voller Motten“, hatte er ihr verheißungsvoll versprochen, bevor er auf Nimmerwiedersehen verschwunden war und nie wieder etwas von sich verlauten gelassen hatte. So stand sie nun mit seinem Kleid aus Pfauenfedern im Regen und weinte sich die Augen ihrer verehrten Nachtfalter aus dem Leib, um sehenden Herzens dem weisen Kalb zu folgen und ihrer Kinderstube vergangenen Zeiten am modernen Televisor ihrer Rockzipfeltasche in die Arme zu nehmen.
„Ich hab‘ dich lieb“, sagte sie zu sich selbst. „Wie den Tau auf den Distel- und Kaktusblüten in meinem Garten vor dem alten Blockhaus, dass ich auf die Beine eines Wetterhahnes gestellt habe, damit es mit mir einherwandeln kann, wenn mich die Unruhe und der Unfrieden umtreibt“, flüsterte sie dem Windhauch zu, der über ihre dürren Arme strich und ihre langen Haare immer weiter verzettelte, so dass mal wieder ein Krähennest daraus entstand.
„Aber sage mir nicht, dass ich nie mehr ankern werde - in den Untiefen der Menschlichkeit. Denn das steht dir nicht zu, mein Lieber“, fuhr sie fort und wob das Gespinst der Nacht zum ersten Grau des Morgens, damit die Nachtschwärmer zu Bett gehen und die Frühaufsteher ihr Tagwerk beginnen konnten. Damit alle nicht sehen würden, dass sie es war, die die Welt am Leben erhielt und dennoch spüren würden, dass ihre Herzen in ihrem Rhythmus, getreu der Lilith, noch schlugen …
© CRSK, Le, 07/2022