Der Abgrund (6)
Kurt trat hinaus ins Freie, sog tief die noch etwas ungewohnte Luft ein und begann mit einer kleinen Erkundungstour durch die Straßen der Siedlung. Niemand hielt ihn auf und er war sich sicher, dass der Alte jederzeit genau wusste wo er sich befand. Die Kuppelbauten schienen öffentliche Gebäude zu sein, denn überall gingen Menschen jeden Alters ein und aus, unterhielten sich zwanglos und angeregt und schenkten ihm einen freundlichen Blick, oder nickten ihm zu, wenn er vorbei ging. Als er in einem Gebäude über die Außenleiter die nächst höhere Etage betrat, fühlte er sich augenblicklich an seine Schulzeit erinnert. Eine kleine Gruppe von etwa zwölf bis siebzehnjährigen Jungen und Mädchen saßen im Kreis um ein steinernes Modell des Sonnensystems, dass auf dem Boden stand und lauschten aufmerksam der Stimme eines jungen Mannes mit sehr langen, tiefschwarzen Haaren. Auch in den Stockwerken darüber wurde Wissen vermittelt, erörtert und diskutiert. Kurts Begeisterung für diese Menschen wuchs mit jeder Minute, dennoch verspürte er vages Unbehagen bei der Vorstellung für immer hier zu bleiben
Als er das Gebäude verließ, gesellte sich Heinz an seine Seite und begleitete ihn auf seinem Rundgang. Geduldig beantwortete er all seine Fragen und wies ihn auf kleine Besonderheiten hin, die Kurt bis dahin entgangen waren. Die grauen Augen des Alten nahmen jede Regung in seinem Gesicht zur Kenntnis und er fragte sich, was wohl im Kopf seines Begleiters vorging.
Als sie das Ende der Siedlung erreicht hatten, blieb Heinz plötzlich stehen und deutete Kurt an das selbe zu tun. Über einen der Pfade, die aus dieser Richtung in das Tal hinein führten, schritt ein Mann von etwa vierzig Jahren auf sie zu. Er trug einen maßgeschneiderten, hellgrauen Anzug, ein dunkelgraues Hemd mit perlgrauer Krawatte, elegante Lederschuhe und eine schmale, lederne Aktenmappe in der linken Hand. Bei diesem unerwarteten Anblick entfuhr Kurt ein überraschtes Schnaufen und er trat unwillkürlich einen Schritt zurück, als der Neuankömmling direkt auf sie zu kam und dem Alten die Mappe reichte.
„Die USA werden an der Versammlung der Nationen zum Umweltschutzprogramm teilnehmen“, sagte er zu Heinz und umarmte diesen zur Begrüßung herzlich. „ Gut gemacht, mein Sohn. Wir werden uns später ausführlich darüber unterhalten.“
Dieser nickte und wandte sich Kurt zu, “herzlich willkommen, Herr Brenner“, sagte er. Dann setzte er seinen Weg in die Siedlung fort.
„Sie können den Mund jetzt wieder schließen, Herr Brenner“, sprach ihn der Alte freundlich an und berührte ihn am Arm. Ein verschmitztes Lächeln umspielte seine Mundwinkel, als Kurt aus seiner Starre erwachte und ihn fassungslos anblickte.
„Sehen sie Kurt, ich sagte ihnen ja bereits das wir eine Aufgabe in dieser Welt da draußen haben. Unsere besten Schüler stehen den Mächtigen und den Regierungen dieser Welt mit Rat und Hilfe zur Seite.. Anfangs war es recht schwierig, wie sie sich denken können, aber über viele Jahre hinweg wurde eine Art Vereinbarung getroffen, die zur Beiderseitigen Zufriedenheit funktioniert.
Ihre Sorge, dass sie das Tageslicht nie wieder erblicken würden, sollten sie sich entscheiden hier zu bleiben, ist also unnötig. “Kurt musste sich setzen. Er ließ sich zu den Füßen des Alten in den Staub sinken, um des eben gehörte zu verarbeiten. „ Soll das bedeuten, dass sie die Weltpolitik manipulieren?“ Das sie den Politikern sagen was sie zu tun und zu denken haben?“
Heinz nahm neben ihm auf dem Boden platz und sah ihm fest in die Augen. „Ganz so einfach ist es leider nicht, Herr Brenner. Wir können nur beraten und versuchen die Welt in einen etwas besseren und sichereren Ort für uns alle zu verwandeln. Bei all den Unterschiedlichen Interessen und der Unvernunft und Rücksichtslosigkeit vieler Menschen ist das ein sehr langwieriges und schwieriges Unterfangen. Einige Katastrophen konnten wir schon abwenden, aber es wird noch sehr, sehr lange dauern bis die Erde sich wieder erholt hat und wir alle in einer Welt leben, die sicher und lebenswert für uns alle, und das Gleichgewicht der Natur wieder hergestellt ist.“
Heinz erhob sich und streckte Kurt seine Hand entgegen. „Wollen sie uns dabei helfen, Herr Brenner“? Kurt ergriff die dargebotene Hand, drückte sie fest und ließ sich von dem Alten auf die Füße helfen. Er hielt sie auch noch fest als er Heinz in die Augen schaute und mit fester Stimme sagte,“ Das will ich, Heinz! Das will ich wirklich“.
ENDE.
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