Auf der Suche
Auf der SucheDas gelbe Licht brannte unbarmherzig vom Himmel. Vor ihr erstreckte sich eine weite braune Ebene. Hinter ihr dasselbe Bild. Sie ging weiter. Immer voran, Schritt für Schritt.
Die Einsamkeit bohrte sich tief in ihr Bewusstsein. Es gab nichts, nur sie. Einen unsichtbaren Weg und irgendwo ein Ziel. Schon lange wusste sie nicht mehr, was sie suchte. Dennoch machte sie weiter. Immer weiter. Irgendwo in der Ferne musste es noch jemanden geben.
Sie war gefangen in dieser weiten unwirtlichen Landschaft. Eine blassgelbe Sonne brannte unablässig auf ihren Kopf.
‚Müde – ich bin so müde’, dachte sie, und schleppte sich weiter. Hinlegen hätte Aufgabe bedeutet. Sie durfte ihr Ziel nicht verlieren. Immer geradeaus. Ging sie noch geradeaus? Es gab keinerlei Bezugspunkte. Sie hatte nichts, wonach sie sich richten konnte. Nur den gelben Punkt am Himmel.
Die Zunge klebte schon an ihrem Gaumen, war dick und pelzig. Die Lippen aufgesprungen, rau und geschwollen. Die Augen brannten und juckten. Der Verstand gaukelte Bilder vor. Bilder von anderen Menschen, Häusern, Bäumen, Schatten und Wasser.
„Wasser“, sagte sie laut und blieb vor Schreck stehen.
‚Wer hat das gesagt?’ Nervös schaute sie sich um – niemand da. Nur sie stand in der Ödnis. ‚War das meine Stimme? Natürlich, wer hätte sonst sprechen sollen.’ Sie antwortete sich selbst. Die Antwort klang ungeduldig in ihrem Kopf und verursachte ihr eine Gänsehaut. Diese innere Stimme, die sie immer weiter trieb und anstachelte.
‚Geh weiter, dummes Ding.’ Auf diesen inneren Befehl hin marschierte sie voran.
‚War das Gott?’, fragte eine andere Stimme in ihr. Die Höhnische antwortete mit einem Lachen. Sie hasste dieses Lachen. Beide Stimmen konnten sich nicht leiden.
Ihre Uniform klebte am Körper, war bereits mit der Haut verschmolzen. Es wurde immer heißer oder kam es ihr nur so vor.
Der gelbe Punkt am Himmel wanderte weiter, gab die Richtung vor.
Mit der Dämmerung wurde es kühler. Sie hatte schon oft daran gedacht, nachts zu wandern, aber es gab kein Licht und sie war bei ihren Versuchen immer im Kreis gelaufen.
Also entschied sie sich für die heiße Variante. Wenn nicht bald etwas passierte oder sie wenigstens Wasser fand, würde sie hier sterben.
Ihrem Bewusstsein war das klar. Deshalb hatte es sich im hintersten Winkel ihres Selbst versteckt und ließ nur ab und zu die beiden Stimmen sprechen. Die Ängstliche wollte sie immer zurückhalten, während sie die andere vorwärts trieb, sie anstachelte ihr letztes zu geben.
Zu lange Schlafphasen waren gefährlich. Ihre Ohren hörten bereits ohne ihr zutun. Sie registrierten jedes sich nähernde Geräusch. Nachts krochen hier immer sonderbare Käfer herum. Sie hatte versucht einen zu fangen aber die Dinger ließen sich einfach nicht erwischen.
„Caren, geht weiter“, sagte jemand. Erschrocken erhob sie sich, sie hatte zu lange geschlafen und zu tief. Die Sonne brannte bereits auf ihren ungeschützten Körper.
‚Caren? Bin ich das?’
‚Natürlich, Dummerchen’, herrschte sie die Stimme an.
Sie ging weiter, immer weiter auf der Suche nach Wasser oder was auch immer. Mittlerweile wusste sie nicht mehr was sie finden sollte oder wollte.
Einmal glaubte sie in der Ferne ein blaues Band gesehen zu haben. Sie beschleunigte den Schritt, nur um frustriert und erschöpft festzustellen, dass es hier nichts gab.
Aber etwas war anders. Sie fühlte es im Sand, am Brennen der Sonne.
Caren drehte sich einmal um die eigene Achse, da sah sie es.
Die Kapsel!
Das kannte sie. So rasch sie vermochte ging sie darauf zu. Kaum angekommen presste sie den Daumen auf den Öffnungsmechanismus und die Tür glitt auf. Mit einem Stoßseufzer ließ sie sich reinfallen.
„Licht! Wasser!“, befahl sie den internen Sensoren. Sie bekam beides, umgehend.
„Das war knapp, Caren“, sagte eine Männerstimme. „Noch so eine Simulation und du bist hinüber. Mach das nie wieder, ich will dich nicht verlieren!“
„Nein. Einmal reicht. Jetzt gib mir das Wasser und dann lass mich duschen und schlafen.“
Der Mann trat auf sie zu und nahm sie in den Arm. „Schön, dass du wieder da bist. Du bekommst alles.“ Dann ließ er sie los, blickte sie streng an und fuhr im Kommandoton fort: „Morgen um nullneunhundert Abschlussbesprechung.“
„Ey Sir!“, brachte sie noch heraus, bevor sie endgültig zusammenbrach.
(c) Herta 2009/2010