Das dritte Türchen
Wer heute auf die liebe
@*********ynter gesetzt, dem wird ein Punkteregen diesen kalten Dezembertag versüßen. (An diesem sprachlichen Bild ist alles schief, aber heh, es ist Samstag und viel zu früh.)
In der heutigen Geschichte begegnet uns ein Drache, der sich im Gegensatz zum Drachen aus meiner uralten Erzählung (von 2012?) artgerecht verhält. Ich mag diese Geschichte
Elle voilà:
Es geschah zu jener Zeit, als das Fest der Geburt des Herrn vor der Tür stand.
In der Stadt Dudikolorium herrschte große Aufregung und viel Betriebsamkeit. Überall liefen die Einwohner kreuz und quer umeinander, um letzte Besorgungen zu machen.
Die Kinder drückten sich die Nasen an den Schaufenstern der Spielzeugläden und Zuckerbäckereien platt.
Anders, die Erwachsenen. Sie schauten immer wieder verstohlen nach Osten. Dorthin, wo der schwarze Berg Podragu seine schroffen Zinnen in den Himmel reckte. Es war ein verfluchter Ort. Üble Dämpfe stiegen aus seinem Inneren empor. Nicht Strauch, nicht Baum wuchs an seinen Hängen. Und weder Mensch noch Tier betraten sie jemals.
Augustin war spät dran. Er hatte sich mal wieder zu lange bei seinen Hühnern aufgehalten.
Nun lief er geschwind, die Breite Straße in Richtung Schlosspark entlang.
An der nächsten Kreuzung musste er warten, denn die Wachen des Regenten hatten sie gesperrt. Also wartete er, so wie die anderen Bürger auch.
Dann sah Augustin die goldene Kutsche des Regenten die Lange Straße herunterkommen.
Er fragte sich, ob sie wohl in der Kutsche säße.
Sie, das war die Tochter des Regenten. Die wunderschöne Julinka.
Augustin erinnerte sich noch ganz genau an den Tag im Mai, als sie ihm zugelächelt hatte.
Er war, wie an jedem Tag, im Park des Schlosses seiner Arbeit nachgegangen.
Augustin war einer der hiesigen Spuckesammler. Alles andere, als eine angesehene Beschäftigung. Immerhin nicht so schlimm, wie seinen Lebensunterhalt als Pisspage oder noch schlimmer, als Kotkellner verdienen zu müssen.
Diese armen Burschen schleppten den ganzen Tag schwere Metalleimer mit sich herum und warteten darauf, dass jemand aus der besseren Gesellschaft ihre Dienste benötigte.
Winkte sie jemand in seiner oder ihrer Notdurft herbei, hielten sie ein großes Laken hoch, sodass die feinen Herren und Damen, unbeobachtet ihr Geschäft verrichten konnten.
Er hatte nur darauf zu achten, dass, wenn jemand in die Rabatten und Beete spuckte, er den Auswurf schnell wieder entfernte. Dabei wurde er von trainierten Frettchen unterstützt, die quiekend angeflitzt kamen und ihn zu seinem nächsten Einsatzort leiteten. Zur Belohnung erhielten diese dann ein frisches Taubenherz.
Davon fielen in der Schlossküche täglich mehrere Dutzend an, da der fette Regent nichts lieber aß, als gebratene Tauben.
An dem besagten Maitag lief eines der Frettchen vor die Kutsche des Regenten und wurde von einem der schweren Räder zermalmt.
Während er die traurigen Überreste aufhob, wurde er von dem Hauptmann der Wache aufs Übelste beschimpft.
Da wurde plötzlich der Vorhang des Türfensters beiseite geschoben und Augustin hörte die lieblichste Stimme, die er jemals vernommen hatte.
„Schimpft nicht so mit dem Jungen. Er kann doch nichts dafür.“
Augustin blickte empor und schaute in das wunderschöne Antlitz der Regententochter. Wie von Donner gerührt stand er da. Noch nie, hatte er etwas so Schönes und Reines erblickt.
„Vielen Dank, edle Dame“, stammelte er.
„Schon gut. Hier, für dich.“ Mit diesen Worten warf sie ihm einen Goldtaler zu, und ihr liebliches Gesicht verschwand mit einem Lächeln wieder im Inneren der Kutsche, die sich sogleich in Bewegung setzte.
Die goldene Karosse rumpelte über die Kreuzung und riss ihn aus seinem Tagtraum. Er versuchte einen Blick auf die Insassen zu erhaschen, doch die Vorhänge waren geschlossen.
Enttäuscht setzte er, zusammen mit den anderen Wartenden, seinen Weg fort.
Der Tag schleppte sich dahin. Hin und wieder kam eines der Frettchen und hüpfte in Erwartung seiner Belohnung vor ihm umher. Er folgte ihnen lustlos, klaubte den Speichel auf, ließ ihn in seinen kleinen Blecheimer tropfen und verteilte ein Taubenherz.
Heute war der große Tag. Wie jedes Jahr würde der Regent seinen Untertanen zeigen, wie großherzig er war. Es gab ein großes Bankett und alle waren eingeladen.
Im Schlosspark waren mehrere Tafeln aufgebaut worden. Je bedeutender die Untertanen, desto näher am Schloss durften sie sitzen.
Die Stimmung war ausgelassen und fröhlich. Die Kinder tollten umher und erfüllten die Luft mit ihrem Lachen. Dazu mischte sich die Musik der Gauklertruppen, die extra angereist waren und ihre Possen zum Besten gaben. Die Tische bogen sich unter der Last der Speisen und der Wein floss in Strömen.
Augustin hatte sich, in der Hoffnung seine Angebetete zu sehen, von seinem Platz weit hinten im Park nach vorn geschlichen. Und in der Tat, da war sie. Aufrecht und wunderschön saß sie neben ihrem fetten Vater. Während der Regent sich über einen Berg von gebratenen Täubchen hermachte, nahm sie mit spitzen Fingern hin und wieder eine Traube und ließ sie hinter ihren vollen, roten Lippen verschwinden.
Augustin war wie gefangen von so viel Liebreiz und Anmut.
Da durchbrach ein einzelnes Trompetensignal die festliche Atmosphäre.
Und während sich noch alle verwundert umsahen, ertönten auch schon die Alarmglocken der Stadt. Überall wurde gemurmelt und die Menschen blickten sorgenvoll gen Osten.
Schon fielen die ersten zu Boden und reckten flehend die Hände in den Himmel
„Er kommt.“ „Gott steh uns bei.“ „Er ist zurück.“ „Das ist das Ende.“
Die Kinder begannen zu weinen.
Und dann kam er tatsächlich.
Das Rauschen seiner riesigen Flügel klang wie ein Wintersturm, als er über die Festgesellschaft
hinwegfegte.
Zum Zeichen seiner Macht öffnete er sein Maul und spie seinen feurigen Atem auf die Hütten am nördlichen Teil der Stadt. In Sekunden verwandelte sich das Mühlenviertel in ein flammendes Inferno.
Mit ausgebreiteten Flügeln ließ sich der Drache auf der Schlossmauer nieder.
Ein Teil der Stadtwache rückte aus, um ihren Regenten und seine Familie zu beschützen. Die restlichen Männer spannten ihre Bögen und ließen einen Hagel aus Pfeilen auf das Untier niedergehen. Doch diese nutzlosen Versuche erzürnten die Feuerechse nur, sodass sie auch den halben Schlosspark in Schutt und Asche legte.
Der Regent erkannte, dass Widerstand zwecklos war und befahl seinem Hauptmann, die Waffen niederzulegen.
Dann trat er vor den Drachen und sprach: „Oh, mächtiger Drache, was begehrst du von uns, um unsere Stadt zu verschonen?“
Der Drache senke sein mächtiges, gehörntes Haupt und antwortete: „Deine Tochter.“
Der Regent wurde leichenblass.
„Ich gebe dir alles Gold, das sich in der Stadt befindet“, bot er dem Drachen an.
„Dein Gold will ich nicht, ich habe Hunger“, antwortete das Ungetüm und leckte sich mit seiner gespaltenen Zunge über das zähnestarrende Maul.
Augustin, der sich hinter einer alten Eiche versteckte, sah, wie Julinka, die Tochter des Regenten, in Ohnmacht fiel und von einer ihrer Zofen aufgefangen wurde.
Er musste sich irgendetwas einfallen lassen, um zu verhindern, dass der Drache seine Angebetete verspeiste. Der Gedanke daran ließ ihn schwindeln. Er fasste sich ein Herz und schlich sich dichter an das Geschehen heran.
Um seiner Forderung nach einem jungfräulichen Appetithappen Nachdruck zu verleihen, setzte der Drache den Burgfried in Brand. Mehrere Menschen stürzten sich brennend und schreiend in die Tiefe.
„Das Leben deiner Tochter gegen das deiner ganzen Stadt. Ich warte nicht mehr lange.“
Dem Regenten lief die Zeit davon und der Schweiß von der Stirn.
Sie war doch sein einziges Kind. Aber er würde nicht mehr lange Regent sein, sollte er sich der Forderung des Drachen verweigern.
Vor fünfzig Jahren hatte der Drache das Leben seiner Schwester gefordert, und sein Vater hatte nicht gezögert, es ihm zu geben. Noch heute hörte er ihre verzweifelten Schreie in seinen Träumen. Er hatte immer befürchtet, dass dieser Tag einst kommen würde.
„Nun gut! Du sollst haben, was du verlangst.“
Damit gab er seinem Hauptmann ein Zeichen.
Mit Entsetzen sah Augustin, was vor sich ging. Er hatte sich inzwischen dichter an den Ort des Geschehens herangearbeitet. Gerade überquerte er den Marktplatz unterhalb der Schlossmauer, auf der der Drache hockte.
Der Hauptmann ging mit zwei weiteren Soldaten auf die noch immer bewusstlose Julinka zu.
Die beiden Wachen nahmen sie ihre Mitte, während ihr Anführer die weinenden Zofen abhielt.
„Bringt sie hinunter auf den Marktplatz“, befahl der Drache.
'Sie bringen sie hierher', dachte Augustin. Seine Gedanken rasten. Was konnte er nur tun, um das Unvermeidliche aufzuhalten? Verzweifelt sah er sich auf dem Marktplatz nach einer brauchbaren Waffe um. Doch womit konnte man einen Drachen überhaupt aufhalten?
Da trugen die Schergen des Regenten auch schon das unglückliche Opferlamm heraus. Verzweifelt wand sich die wieder erwachte Julinka in ihren Händen. Jedoch vergebens.
Man hatte sie an Händen und Füßen gefesselt. Und um dem ebenso unglücklichen Vater die Schreie seiner geliebten Tochter zu ersparen, hatte sie die Wachen ebenfalls geknebelt.
„Nehmt ihr den Knebel heraus!“, fauchte der Drache. „Ich will hören, wie sie um Gnade winselt. Und entfernt ihre Kleider. Die verderben mir sonst noch den Magen.“
Widerstrebend, doch machtlos, gehorchten die Männer den Befehlen der Bestie.
Schon hallten die angsterfüllten Schreie der armen Julinka über den Platz und von den hohen Mauern wieder.
„Ja, schrei nur, mein süßes Täubchen. Es wird dir nichts nützen.“ Damit erhob sich das Monstrum in die Lüfte und ließ sich neben seiner Beute nieder.
Als Augustin seine Angebetete so nackt und hilflos dort liegen sah, verlor er fast den Verstand.
In rasendem Zorn und alle Vorsicht fahren lassend, stürmte er aus seinem Versteck hervor und warf seinen Blecheimer nach dem Drachen.
Ein verzweifelter Versuch, das Unabwendbare doch noch irgendwie zu verhindern.
Der kleine Eimer segelte, einen Spuckeschauer aussendend, durch die Luft und traf den erstaunten Drachen über dem rechten Auge.
Dort steckte seit Jahrhunderten eine abgebrochene Speerspitze, die ein ebenso furchtloser wie glückloser Ritter dort hinterlassen hatte.
Die unbändige Wut des Werfers, verlieh dem blechernen Eimer eine solche Wucht, dass die metallene Spitze durch die dünne Knochenschicht drang, die sie von dem verschlagenen Reptiliengehirn des Drachen trennte.
In einer Mischung von Überraschung und rasendem Schmerz schwang sich das verwundete Untier in den Abendhimmel auf. Höher und höher schraubte es sich empor. Gewaltige Feuerstöße verließen sein weit geöffnetes Maul. Doch langsam erlahmten seine Flügelschläge. Für eine gefühlte Ewigkeit hing der Drache einfach dort am Himmel. Dann gewann die Schwerkraft die Oberhand. Sich um sich selbst drehend und überschlagend stürzte er hinab. Immer schneller werdend fiel er der Erde entgegen, bis er schließlich mit einer gewaltigen Erschütterung auf der Flanke des Berges Podragu niederging.
Es herrschte Totenstille über der Stadt. Niemand konnte so recht begreifen, was er da gerade gesehen hatte.
Doch dann ertönte ein lautes Jubelgeschrei. Die Menschen lagen sich in den Armen und weinten vor Glück. Andere priesen den Herrn. Fanfaren wurden geblasen und Glocken geläutet.
Augustin jedoch, kümmerte all dies nicht. Er rannte so schnell er konnte zu Julinka. Dort angekommen, kniete er nieder und bedeckte ihren bloßen Leib mit seinem abgewetzten Mantel. Er löste ihr die Fesseln und sprach beruhigend auf sie ein.
Da traf ihn plötzlich der Tritt des Hauptmannes, und er wurde unsanft auf den Rücken geschleudert. Bevor er sich versah, spürte er auch schon die Spitze eines Schwertes an seiner Kehle.
„Wie kannst du es wagen, Hand an die Tochter des Regenten zu legen, du Wurm?“
„Hauptmann Zoric!“ Die glockenhelle Stimme der Regententochter, war schneidend und fest.
„Dieser mutige Junge hat gerade mein Leben gerettet, das ihr so bereitwillig zu Markte getragen habt. Wagt es ja nicht, ihm ein Haar zu krümmen. Holt mir lieber eine Decke.“
„Jawohl, Hoheit“, murmelte der so Zurechtgewiesene und eilte davon.
Während um sie herum der Jubel kein Ende nahm, ging das junge Mädchen zu ihrem Retter und reichte ihm die Hand. Er aber zögerte sie zu ergreifen.
„Was ist? Willst du meine Hand nicht nehmen?“
„Doch, es ist nur … es ziemt sich nicht“, murmelte er.
„Du bist der Held des Tages“, sagte sie lachend. „Du hast mich gerettet und die Stadt für immer von diesem feuerspeienden Übel befreit. Mein Vater wird dir jeden Wunsch erfüllen.“
Nun nahm er ihre Hand und erhob sich. Sie standen einander gegenüber und sahen sich an.
„Was wünscht sich denn ein mutiger Bursche wie du?“, fragte sie ihn.
„Nichts, was euer Vater mir geben könnte“, antwortete Augustin verlegen.
„Aha. Und was könnte das sein?“
„Ein Kuss von euch.“ Augustin konnte selbst nicht glauben, dass er das gesagt hatte.
„Den Wunsch will ich euch mit Freuden gewähren“, sagte Julinka und küsste den verdutzten Augustin auf den Mund.
Als sie sich wieder voneinander lösten, schaute Julinka ihm tief in die Augen.
„Das könnt ihr also auch. Habt ihr noch mehr Talente?“
Bevor Augustin antworten konnte, schallte die Stimme des Regenten über den Platz.
„Oh, mein liebes Kind. Ihr seid am Leben. Gott war uns gnädig.“
Als er sie schwer atmend erreicht hatte, warf er einen skeptischen Blick auf den Retter seiner Tochter.
„Nun, Bursche, wie heißt du?“, wollte er wissen.
„Mein Name ist Augustin“, antwortete dieser und verneigte sich vor seinem Herrn.
„Was hast du dir nur dabei gedacht?“, fragte der Regent mit schroffem Ton. „Wir hätten alle sterben können.“
„Das wäre mir egal gewesen“, antwortete Augustin mit fester Stimme. „Ich wollte nur eure Tochter retten.“
„Ach, was du nicht sagst. Und warum liegt dir so viel an ihr, dass du dafür das Leben aller aufs Spiel setzt?“
„Ich liebe eure Tochter, seit ich sie das erste Mal gesehen habe.“
„Du bist der Spuckesammler, dessen Frettchen wir im Frühjahr überfahren haben!“, rief Julinka entzückt.
„Ein Spuckesammler?!“ Der Regent lief rot an. „Das wird ja immer schöner. Ich sollte dich aufspießen lassen“, rief er.
„Das werde ich mit Freuden übernehmen“, sagte Hauptmann Zoric, der mit einer Decke für Julinka zurückgekehrt war und sie ihr um die Schultern legte.
Sie aber, herrschte ihn an: „Untersteht euch!“
Dann wandte sie sich an ihren verwirrten Vater.
„Wenn du ihm etwas antust, werde ich nie wieder ein Wort mit dir reden. Und wenn du uns nicht vermählst, gehe ich ins Kloster.“
„Das kann doch nicht dein Ernst sein. Er ist ein Spuckesammler.“
„Mag sein, doch er hat mich vor dem Drachen gerettet, als niemand den Mut hatte mich zu beschützen.“
Inzwischen waren immer mehr Bürger der Stadt zusammengelaufen und hörten staunend, was hier besprochen wurde.
Schon wurden erste Rufe laut, die dem Paar gratulierten.
„Die schöne Julinka wird ihren Retter heiraten!“ „Ein Hoch auf das junge Glück!“
Konsterniert gab der Regent nach.
„So sei es!“, rief er laut. „Sehet, meine Tochter und ihren zukünftigen Gemahl. Augustin.“
Erneut brandete Jubel auf.
Am Ostersonntag wurden die beiden getraut, und es gab ein so rauschendes Fest, wie es keiner der Anwesenden zuvor erlebt hatte.
Sie lebten glücklich und zufrieden, hatte viele gesunde Kinder.
Als der alte Regent starb, wurde Augustin sein Nachfolger und regierte weise und gütig.
Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute.