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Winterspaziergang

********iler Mann
767 Beiträge
Themenersteller 
Winterspaziergang
Ich habe vor sieben Tagen folgende Kurzgeschichte geschrieben und mir heute noch einmal zum Lesen auf Wiedervorlage gelegt. War ich letzte Woche noch vom Inhalt überzeugt, empfinde ich jetzt beim Lesen zu wenig Emotionen. Ich finde nur noch schwer hinein. Warum auch immer.
Da ich aber noch nicht wirklich daran herumfuschen will, weil dann meist alles irgendwie doch neu geschrieben wird und die Gefahr besteht, dass es nicht besser sondern schlimmer wird, stellte ich den Text einfach hier mal ein.
Vielleicht fällt euch ja dazu etwas ein, mit welchen Stilmittel ich da noch mehr Emotionalität hineinbringen könnte. Oder teilt ihr vielleicht meinen Anfangseindruck von vor einer Woche, dass die Geschichte so doch inhaltlich ganz i.O. ist.

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Winterspaziergang

Mit dem Blick aus dem Fenster ist sich Pepe gewahr. Ja, es ist Winter. Allein der Gedanke daran versetzte ihm einen Schauer. Noch fester klammert er sich an seine Tasse, während er die Bäume betrachtet, die ihm jetzt wie Ungeheuer mit Tausenden Fingern erscheinen. Nichts, was sie an Schönheit im Frühling, Sommer und Herbst bereithielten, ist jetzt noch vorhanden. Tot erscheinen sie ihm. Zu tot. Sein Blick wandert weiter in Richtung Horizont. Die Flur ist bereits mit einer dünnen weißen Schicht gepudert und in der Ferne scheint es, als würden neue Kristalle die Leinwand, die Pepe von seinem Fenster aus betrachtet noch weiter von allen Farben befreien wollen.

Der Geruch seines Salbeitees, der in kleinen Schwaden aus seiner Tasse bis zu seiner Nase aufsteigt, vermischt sich mit dem Geruch des Holzes, das knisternd im Kamin gegen die Flammen kämpft. Es ist Kirschholz. Sein Duft lässt ihn an das Frühjahr denken. Daran, wie die Lebenslust in den Menschen aufsteigt und der Frohsinn in den Gesichtern erkennbar ist. Pepe erinnert sich an den Osterspaziergang, an das Maifest. Unter Leuten sein. Freude. Genuss. Neue Eindrücke, Erlebnisse und Geschichten.
Und dann sieht er am linken Rand seines Fensters, dort, wo sich die Eiskristalle in den Ecken ein Plätzchen zum Wachsen gesucht haben, kleine Schatten. Erst beim näheren Hinsehen, beim neu Fokussieren erkennt er die kleine Gruppe von Personen, die sich hinausgewagt hat in den für ihn toten Raum. Pepe erkennt, wie sich die Gruppe auf sein Haus, sein Grundstück zubewegt, das er doch nur deshalb ausgesucht hatte, weil es sich einige hundert Meter abseits des Dorfes befindet.
Nicht einmal im Winter würde er hier also Ruhe haben, denkt er sich und zieht die Augenbrauen nach oben. Er will nicht warten, nicht zusehen, wie der Tross immer näherkommt und ihn aus der Einsamkeit reist. Wenn, dann wollte er schon selbst entscheiden, wann und ob ihm diese Einsamkeit genügte. Als er sich vom Fenster wegdreht, fällt sein Blick auf seinen Schreibtisch.
Genau aus diesem Grund hatte er das Haus mit den vielen alten Obstbäumen auf dem Grundstück gekauft. Er wollte seine Ruhe haben. Wollte Fantasien entwickeln und diese zu Papier bringen. An sechs Monaten im Jahr klappte dies. Nur im Winter, da riss ihn zu vieles aus den vielen Welten, die er in seinem Kopf ersann.
Gerade noch im Augenwinkel sieht er, wie die kleine Gruppe an seinem Fenster vorbeizieht. Er hört dumpf eine Melodie und dreht sich neugierig zum Fenster. Die Menschen sind gut gelaunt. Sie singen. Ziehen vereinzelt Bollerwagen hinter sich her. Musik ist deutlich wahrnehmbar. Sie überschallt von draußen sogar das Knistern im Kamin. Trotz der roten Nasen, die aus den sonst blassen Gesichtern hervorstechen, scheinen alle vergnügt. Pepe ist verwundert. Wer freut sich schon darüber zu frieren? Kopfschüttelnd setzt er sich an seinen Schreibtisch, zieht ein Blatt Papier aus einem Stapel hervor und beginnt es still zu studieren. Nicht für lang, denn eine für ihn lästige Pflicht, reißt ihn aus seinen Gedanken. Er muss Feuerholz nachlegen. Noch einmal schaut er aus dem Fenster, die Gruppe ist im aufziehenden Dunst verschwunden. Die Musik längst verstummt. Unweigerlich entstehen in Pepes Kopf Bilder, die sich zu einer Geschichte zusammenfügen.
Das eben noch so interessante Papier ist nebensächlich geworden. Stattdessen öffnet er seinen Laptop und beginnt zugleich zu schreiben:

„Wie lange sie schon unterwegs waren, das wusste keiner von ihnen. Die zehnköpfige Gruppe hatte nur ein Ziel. Ankommen. Wo, das wusste niemand von ihnen, doch ihr Weg, die Hoffnung hielten sie am Leben. Immer dichter wurde der Nebel, immer dunkler die Wolken. Die blattlosen Bäume und Sträucher am Wegrand nahmen sie kaum mehr war. Allein die Richtung des Weges konnten sie höchstens noch auf 20 vielleicht 30 Meter erahnen. Die schweren Wagen, die sie zogen, waren beladen mit den Dingen, die sie retten konnten und ihnen wichtig waren. Sie waren geflüchtet, von Hunger und Sehnsucht gequält. Wovor sie flüchteten, das wussten nur sie, denn einen anderen Menschen fanden sie in den vielen Tagen, an denen sie bereits unterwegs waren, nicht. Immer mal wieder kamen sie in die Nähe einer Ortschaft, mieden es jedoch hineinzugehen oder gar in deren Nähe zu rasten. Zu groß war die Angst, entdeckt und nach Haus geschickt zu werden. Als sie sich auf den Weg machten, da war die Welt bunt vom Herbstlaub der Bäume und dunkel vom Rauch der Feuer, die unzählige Granaten entfacht hatten. Die Sonne damals schien, wenn auch nicht mehr so kräftig wie noch einige Woche zuvor. Jetzt ist sie alles grau und kalt. Ob sie sich ihren Weg so vorgestellt hatten, das konnte sie niemand fragen. Sie waren da und doch nicht vorhanden. Sie waren wandelnde Tote. Gestorben beim Verlassen ihrer Heimat. Gehüllt in viel zu dünne Gewänder, geführt von einem Drang zur Sicherheit, die ihnen auf dem Weg nicht gegeben ist.“

Pepe stockt. Schaut von seinem Schreibtisch aus über den Bildschirm in Richtung Fenster. Sein Blick ist starr. Kein Gedanke durchfließt ihn. Dann erwacht er plötzlich und schüttelt sich.
`Nein, die Gruppe vorhin sang. Sie hatten Spaß. Niemand singt, ohne Spaß daran zu haben. Niemand spielt Musik, wenn er sich nicht daran erfreuen will. Und überhaupt, wie sollte eine Gruppe von Geflüchteten hier bei ihm vorbeikommen. Woher überhaupt und vor was geflüchtet?`
Keine Ruhe findend entschließt er sich selbst hinauszugehen in diesen für ihn für tot erklärten Raum. Hinaus in die Kälte. Er will fühlen, wie es da draußen ist. Wie es ist, kilometerweit zu laufen ohne ein festes Ziel. Die Knöpfe seines Mantels schließt er bewusst. Einen nach dem anderen bis hoch an den Hals. Als der Stoff der Mütze über sein Haar und seine Kopfhaut gleitet, ist es wie ein Streicheln einer unbekannten Hand. Die Schnürsenkel seiner Stiefel zieht er fest. So fest, dass die Füße unweigerlich beginnen zu pochen. Es muss so eng sein, redet Pepe sich ein und schließt die Tür hinter sich. Erst jetzt fällt ihm ein, dass er nicht auf die Handschuhe verzichten sollte und auch ein Schal für das Gesicht sicher angebracht ist. Der kurze Moment im Freien reicht, um ihm klar werden zu lassen, dass es in seinem Haus viel zu warm ist. Darum will er sich aber später kümmern. Irgendetwas zieht an ihm. Zieht in nach draußen vor das Grundstück und auf den wenig befestigten Feldweg zu seinem Haus.
Mit den Händen in den Taschen, den Atem sichtbar in die Luft abgebend, schaut er auf dem Weg stehend nach rechts und links. Nein, in Richtung des Dorfes will er nicht. Kurz fragt er sich, ob er die Gruppe wohl noch einholen wird, wenn er seine Schritte zügiger setzen würde. Nach gut 100 Metern ist er sich sicher: Nein. Die kalte und nasse Luft beißt in seiner Lunge. Sein Mund steht unter dem bis zu den Augen hochgezogenen weißen Schal weit offen. Er spürt die Nässe im Stoff, die sein Atem verursacht hat. Bemerkt sogar, dass sein Schal leicht gefroren ist und ihm deshalb das Atmen so schwerfällt. Und doch entscheidet er sich, den Schal über dem Mund und den Wangen zu belassen. Zu sehr fürchtet er sich vor der Brutalität des Winters in seinem Gesicht.
Wohin mögen sie wohl gegangen sein, die, die da singend an seinem Fenster vorbeiliefen? Diese Frage stellt er sich immer wieder im dicken Nebel, der ihm die Sicht bereits völlig nimmt. Angst verspürt er deshalb nicht. Er kennt sich hier aus. In wenigen Hundert Metern würde ein Abzweig kommen, der den Weg, auf dem er gerade läuft, teilte. Noch immer die Hände in den Taschen, das Gesicht tief im Schal und dem Kragen des Mantels vergraben läuft Pepe gegen die Wand, die der Dunst vor ihm aufgebaut hatte, an. Sich gewahr zu wissen, wo er sich befindet. `Es können nur noch wenige Meter sein, bis zum Abzweig` spricht er zu sich, während er die Hände bereits zu einer Faust geballt und die Zehnen eingerollt hat. Derbe zieht die Kälte durch seine Kleidung bis in seinen Körper. Nur die Bewegung hindert ihm am Frieren.

So läuft er weiter und weiter. Meint nach gut zwei Stunden Musik zu vernehmen. Seine Augen weiten sich. Für ihn ist sie deutlich. Es ist ein bekanntes Kinderlied. Dass der Frau Holle. Sicher darin, dass es sich um die Gruppe handelt, die an seinem Fenster vorbeizog, biegt er vom Weg ab auf unstetiges Gelände. Den Kinderstimmen entgegengehend stolpert er immer wieder. Doch unbeirrt folgt er den Tönen die vom eisigen Wind an ihn herangetragen werden. Unter seinen schweren Schritten brechen die Schneekristalle hörbar. Seine Nase läuft und das Sekret sickert bis an seine Lippen. Mit tiefen Atemzügen versucht er sich Luft zu verschaffen, dann hört er ein Knacken. Unweigerlich beleibt er im Nebel stehen. Ruft: „Hallo? Ist da jemand?“ Noch einmal versichert er sich selbst: Niemand sonst als die Gruppe würde hier draußen Musik spielen. Eine Antwort auf sein Rufen erhält er nicht. Nur der Wind antwortet ihm mit seinem typischen Pfeifen und Rauschen. Die Musik verloren wächst ihn ihm die Angst. Pepe beginnt zu rennen. `Nein die Holle holt mich nicht`. Das Knacken jedoch wird mit jedem Schritt lauter. Pepe erschrickt. Er kann doch nicht auf den See geraten sein und verneint diese an sich selbst gestellte Frage zugleich. Der See liegt auf der anderen Seite des Dorfes. Jene Richtung, die er nicht einschlug. Als er den Boden unter den Füßen verliert und das kalte Wasser seine Haut erreicht, ist er sich sicher. Er wird erfahren wie es ist tot und doch lebendig zu sein. Wie ein Flüchtling. Man wird ihn suchen, nicht finden und vermuten er sei fortgefahren. Niemand wird ihn für tot halten. Er wird in den Köpfen der Menschen lebendig sein und gleichzeitig tot und einsam auf dem Grund des Sees liegen. Immer schwerer werden seine Sachen. Und als bereits seine Kräfte schwinden die ihn über Wasser halten, ist sein Geist noch wach. Von ihm bleiben würden nur seine Werke. Die Tragik an seinem Ertrinken erkennt er noch in diesem Moment nicht in seinem Ableben, sondern in dem Gedanken, dass so vieles von ihm nicht mehr geschrieben werden wird. Noch einmal schreit er nach Hilfe, dann ruft nur noch der Wind. Er erzählt von dem Mann, der im Kreis lief, um eine Gruppe zu finden, die sich nur wenige Hundert Meter von seinem Haus entfernt an einem Feuer eingefunden hatte, um ihren Winterspaziergang feuchtfröhlich und mit gutem Essen ausklingen zu lassen.
*****ine Mann
911 Beiträge
Meine vorläufige Ansicht nach dem ersten, flüchtigen Darüberlesen: zu viel gewollt. Zuviel in einen Text zu zwängen versucht, dadurch wurde es langatmig und schwatzhaft, und die Grundstimmung zerfasert. Dadurch geht die Emotion verloren. Und der Schluss wirft eher Verwirrung auf. Die komplette Struktur müsste nochmal unter die Lupe.
**********henke Mann
9.666 Beiträge
Zitat von ********iler:
Mit dem Blick aus dem Fenster ist sich Pepe gewahr. Ja, es ist Winter. Allein der Gedanke daran versetzte ihm einen Schauer. Noch fester klammert er sich an seine Tasse, während er die Bäume betrachtet, die ihm jetzt wie Ungeheuer mit Tausenden Fingern erscheinen. Nichts, was sie an Schönheit im Frühling, Sommer und Herbst bereithielten, ist jetzt noch vorhanden. Tot erscheinen sie ihm. Zu tot. Sein Blick wandert weiter in Richtung Horizont. Die Flur ist bereits mit einer dünnen weißen Schicht gepudert und in der Ferne scheint es, als würden neue Kristalle die Leinwand, die Pepe von seinem Fenster aus betrachtet noch weiter von allen Farben befreien wollen.

Spielt "Pepe" als Name noch irgendeine Rolle im Text? Wenn nicht, dann würde ich ihn gegen "er" ersetzen. Zusätzlich wäre zu überlegen, zu personaler Perspektive zu wechseln, um es emotionaler zu machen.

Zitat von ********iler:
Der Geruch seines Salbeitees, der in kleinen Schwaden aus seiner Tasse bis zu seiner Nase aufsteigt, vermischt sich mit dem Geruch des Holzes, das knisternd im Kamin gegen die Flammen kämpft. Es ist Kirschholz. Sein Duft lässt ihn an das Frühjahr denken. Daran, wie die Lebenslust in den Menschen aufsteigt und der Frohsinn in den Gesichtern erkennbar ist. Pepe erinnert sich an den Osterspaziergang, an das Maifest. Unter Leuten sein. Freude. Genuss. Neue Eindrücke, Erlebnisse und Geschichten.
Und dann sieht er am linken Rand seines Fensters, dort, wo sich die Eiskristalle in den Ecken ein Plätzchen zum Wachsen gesucht haben, kleine Schatten. Erst beim näheren Hinsehen, beim neu Fokussieren erkennt er die kleine Gruppe von Personen, die sich hinausgewagt hat in den für ihn toten Raum. Pepe erkennt, wie sich die Gruppe auf sein Haus, sein Grundstück zubewegt, das er doch nur deshalb ausgesucht hatte, weil es sich einige hundert Meter abseits des Dorfes befindet.

Vielleicht versuchst du anstelle von "aufsteigt" "kräuselt" (aufsteigen ist sehr dynamisch) und lass das "knisternd" weg, das geht schon daraus hervor, dass das Holz gegen die Flammen kämpft. "Fokussieren" passt nicht, ich würde "scharfstellen" besser finden.

Nur meine *my2cents* ...
********iler Mann
767 Beiträge
Themenersteller 
Gut, dass Du für Dich empfindest, dass da zu viel Bildhaftes eingeflossen ist, mag deinem Geschmack entsprechen. Das kann dann schon dafür sorgen, dass für dich die Emotionen verloren geht, weil Du eben die Bilder im Kopf hast. Das verstehe ich. Hier könnte ich durchaus durch bestimmte Worte mehr vom optischen auf olfaktorische oder sensible herüberleiten.

Bei der Struktur des Textes jedoch bin ich vollkommen raus, was Du damit meinst sie "nochmal unter die Lupe" nehmen zu wollen.
Die Struktur ist doch klar- zumindest für mich.
Der rote Pfaden ist von Anfang bis zum Ende der Tod in seinen vielen Formen und Fassetten.
Einen Bruch in den Informationen und in der Handlung kann ich ebenfalls nicht erkennen.
Die Erzählperspektive behalte ich doch auch bei.

Vielleicht kannst Du das für mich noch ein wenig spezifizieren?
********iler Mann
767 Beiträge
Themenersteller 
@ Kamelienschenke

Danke, da schau ich gern noch mal drüber.
Bei "Er" statt Pepe könnte sich tatsächlich ein besserer Lesefluss ergeben.
Das Knistern schmeiß ich raus. Da stimme ich Dir zu.

Scharfstellen hört sich für mich wiederum zu technisch an. Wie nach einer Kamera. Er schaut aber doch mit seinen Augen.
Soweit ich weiß steigt Wasserdampf auf. Wie kräuselt der sich denn? Bei Kräuseln denke ich bspw. an Haare.
*****ine Mann
911 Beiträge
Überleg dir erstmal, ob du wirklich Rückkopplung zu deinem Text haben möchtest oder nur Applaus. Und dann komm nochmal neu.

Und "Faden" schreibt man ohne P.
**********silon
6.622 Beiträge
ich finde, die geschichte hat was, also die idee an sich. da lässt sich was gutes draus machen. *zwinker*

ich konnte teilweise sogar mitgehen, emotional. aber an manchen stellen wars mir dann auch zuviel des guten. ich finde das bei so "endzeitstimmungen" auch immer sehr heikel, weil es schnell eben halt zuviel werden kann.

ich versuche da später noch mal drüber zu gehen, vielleicht kann ich dir das dann an beispielen verdeutlichen.
********iler Mann
767 Beiträge
Themenersteller 
Ach Du je! Was ist Dir denn über die Leber gelaufen!
Ich habe Rückkopplung gegeben und sogar freundlich nachgefragt, was Du gemeint hast.
Ist das schon zu viel?

Ich habe doch sogar die Lösungsansätze formuliert.
Läuft das bei Dir immer so? Na dann Happy Birthday!
********iler Mann
767 Beiträge
Themenersteller 
Zitat von **********silon:
ich finde, die geschichte hat was, also die idee an sich. da lässt sich was gutes draus machen. *zwinker*

ich konnte teilweise sogar mitgehen, emotional. aber an manchen stellen wars mir dann auch zuviel des guten. ich finde das bei so "endzeitstimmungen" auch immer sehr heikel, weil es schnell eben halt zuviel werden kann.

ich versuche da später noch mal drüber zu gehen, vielleicht kann ich dir das dann an beispielen verdeutlichen.

Sehr gerne! Ich freue mich drauf! *g*
**********silon
6.622 Beiträge
p.s. und danke für deinen mut, @********iler das muss man hier erst mal können / abkönnen. lass die geschichte auch erstmal a weng liegen und gewinn n bisserl abstand dazu. und dann druck sie dir mal aus, schön groß und ließ dir selbst mal mit betonung laut vor. so merkst du besser, wo es nicht stimmt und es fallen eher auch fehler auf.
erhebende 11 Zentimeter...
*****a99 Frau
3.553 Beiträge
Eine düstere, kleine Story, aber mit Potenzial, denke ich.
Müsste gründlich Korrektur gelesen werden, da haben sich einige Fehler eingeschlichen. Aber das kann man sich ja für eine Endfassung aufheben *g*

Lege für Dich fest, welche Botschaft die Story vermitteln soll. Worum geht es im Kern? Das geht nämlich unter, es ist zu viel "schmückendes Beiwerk" drumherum, zu viel, was auf unnötige Fährten und dadurch am Kern vorbeiführt.
Welche Rolle spielt die Story, die er schreibt? Das ist mir z.B. nicht klar geworden.
Bevor er nach draußen geht, fehlen mir Empfindungen des Protagonisten. In welcher Stimmung ist er? Was löst die Wandergruppe in ihm aus? Irgendwas muss es ja sein, sonst würde es ihn nicht nach draußen ziehen.

Zitat von ********iler:
Der Geruch seines Salbeitees, der in kleinen Schwaden aus seiner Tasse bis zu seiner Nase aufsteigt, vermischt sich mit dem Geruch des Holzes, das knisternd im Kamin gegen die Flammen kämpft. Es ist Kirschholz. Sein Duft lässt ihn an das Frühjahr denken. Daran, wie die Lebenslust in den Menschen aufsteigt und der Frohsinn in den Gesichtern erkennbar ist.
Besser variieren: ... wie die Lebenslust in den Menschen wächst/aufkeimt/auflebt

Zitat von ********iler:
Erst beim näheren Hinsehen, beim neu Fokussieren erkennt er die kleine Gruppe von Personen, die sich hinausgewagt hat in den für ihn toten Raum.
Das 'neu Fokussieren' könnte man eigentlich streichen, das 'nähere Hinsehen' ist Beschreibung genug. Dann gibt es auch kein Problem, ob die Begrifflichkeit passend ist oder nicht *zwinker*

Zitat von ********iler:
Wenn, dann wollte er schon selbst entscheiden, wann und ob ihm diese Einsamkeit genügte. Als er sich vom Fenster wegdreht, fällt sein Blick auf seinen Schreibtisch.
Genau aus diesem Grund hatte er das Haus mit den vielen alten Obstbäumen auf dem Grundstück gekauft. Er wollte seine Ruhe haben. Wollte Fantasien entwickeln und diese zu Papier bringen. An sechs Monaten im Jahr klappte dies. Nur im Winter, da riss ihn zu vieles aus den vielen Welten, die er in seinem Kopf ersann.
Für mich stört der Satz an dieser Stelle, relevant ist er auch nicht. Lieber den Gedanken konsequent durchziehen, warum er dieses Haus gekauft hat - was ich auch chronologisch umstellen würde:
Wenn, dann wollte er schon selbst entscheiden, wann und ob ihm diese Einsamkeit genügte. Er wollte seine Ruhe haben. Wollte Fantasien entwickeln und diese zu Papier bringen. Genau aus diesem Grund hatte er das Haus mit den vielen alten Obstbäumen auf dem Grundstück gekauft. An sechs Monaten im Jahr klappte dies. Nur im Winter, da riss ihn zu vieles aus den vielen Welten, die er in seinem Kopf ersann.
'zu vieles aus zu vielen Welten' - der Doppler ist unnötig, denn 'Welten' ist ja schon Plural *zwinker*

Zitat von ********iler:
Er hört dumpf eine Melodie und dreht sich neugierig zum Fenster. Die Menschen sind gut gelaunt. Sie singen. Ziehen vereinzelt Bollerwagen hinter sich her. Musik ist deutlich wahrnehmbar. Sie überschallt von draußen sogar das Knistern im Kamin.
Für mich ist das ein Widerspruch. Wenn die Musik den Kamin überschallt, ist die Melodie nicht nur dumpf zu hören.

Zitat von ********iler:
Kopfschüttelnd setzt er sich an seinen Schreibtisch, zieht ein Blatt Papier aus einem Stapel hervor und beginnt es still zu studieren.
Ein leeres Blatt Papier?

Zitat von ********iler:
Wovor sie flüchteten, das wussten nur sie, denn einen anderen Menschen fanden sie in den vielen Tagen, an denen sie bereits unterwegs waren, nicht.
Die Begründung passt nicht. Würden sie auf jemanden treffen, könnte er ihnen auch nicht sagen, wovor sie flüchten.

Zitat von ********iler:
Irgendetwas zieht an ihm. Zieht in nach draußen vor das Grundstück und auf den wenig befestigten Feldweg zu seinem Haus.
Das würde ich weiter ausbauen. Was genau zieht ihn - Erinnerungen? Eine Ahnung? Hat ihn der Tod gerufen? Warum will er die Gruppe einholen? Damit lockst Du den Leser mit nach draußen und hast die Möglichkeit, ein wenig Spannung aufzubauen.
Dafür würde ich die Geschichte in der Geschichte weglassen oder auf ein Minimum reduzieren. Sie lenkt zu sehr vom Kern der Story ab.

Zitat von ********iler:
Keine Ruhe findend entschließt er sich selbst hinauszugehen in diesen für ihn für tot erklärten Raum.
Zitat von ********iler:
Mit den Händen in den Taschen, den Atem sichtbar in die Luft abgebend, schaut er auf dem Weg stehend nach rechts und links.
Zitat von ********iler:
Den Kinderstimmen entgegengehend stolpert er immer wieder.
Für mein Empfinden zu viel passive Schreibweise, das nimmt Emotion raus. Lass ihn aktiv agieren.
Da er keine Ruhe findet (oder: ruhelos / von einer inneren Unruhe getrieben), entschließt er sich, ...
Vor seinem Haus hält er inne, die Hände tief in die Taschen vergraben und von einer Atemwolke umgeben und schaut nach rechts und links.

Er geht den Kinderstimmen entgegen und stolpert dabei immer wieder.
**********silon
6.622 Beiträge
@*****a99 Danke, so ähnlich würde ich das wohl auch anmerken. Nur kannst du das, glaube ich, besser als ich, und damit kann jemand, der nicht so schreiberversiert ist bzw. gänzlich ein Neuling auch handwerklich etwas anfangen, als wenn wer einen "allgemeingültigen" verbalen Rundumschlag abliefert, dem man nicht entnehmen kann, (Beispiele) was die kritische Stimme nun eigentlich genau meint. Allgemeinplätze verunsichern Neulinge nur. Da kannste dann nicht mit arbeiten.

*blumenschenk*
********iler Mann
767 Beiträge
Themenersteller 
@*****a99

Super, super, super!
Ich setz mich morgen gleich noch einmal dran. Vor allem an die Leitgedanken des Protagonisten. Ich glaube auch, das ist des Pudels Kern, der mir einfach nicht begreiflich sein wollte, der aber die Unsicherheit bewirkt hat.

Ich stell die Geschichte dann hier nochmal neu ein.

Vielen, vielen Dank *love4*
**********silon
6.622 Beiträge
Ach ja, und versuche mal bei deinen Sprachbildern / Adjektiven zu schauen: Was ist wirklich wichtig / nötig? was beißt sich evtl.? Ich weiß, das ist die hohe Kunst des Schreibens, aber manchmal lohnt es sich, wieviel explizite Umschreibungen braucht eine Sache.
**********henke Mann
9.666 Beiträge
Passende Verben sind oft sprechender als (überbordende) Attribute und Adverben.

"Die Flamme blakte." sagt mehr als "Das blakende Feuer brannte hell."
**********silon
6.622 Beiträge
Bis gerade eben kannte ich das Wort blaken gar nicht. *zwinker* Habs grad nachgeschaut. und ja, du hast recht. Als Verb wirkt das ganze auch aktiver gestaltet.
********iler Mann
767 Beiträge
Themenersteller 
Ich habe die benannten Punkte mal versucht aufzunehmen und in der Geschichte umzusetzen.
Die Grundstory und die jeweiligen Intentionen des Protagonisten dürften jetzt deutlicher sein. Hoffe ich zumindest.

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Winterspaziergang

Mit dem Blick aus dem Fenster ist sich Pepe gewahr. Ja, es ist Winter. Allein der Gedanke daran versetzte ihm einen Schauer. Noch fester klammert er sich an seine Tasse, während er die Bäume betrachtet, die ihm jetzt wie Ungeheuer mit Tausenden Fingern erscheinen. Nichts, was sie an Schönheit im Frühling, Sommer und Herbst bereithielten, ist jetzt noch vorhanden. Tot erscheinen sie ihm. Zu tot. Sein Blick wandert weiter in Richtung Horizont. Die Flur ist bereits mit einer dünnen weißen Schicht gepudert und in der Ferne scheint es, als würden neue Kristalle die Leinwand, die Pepe von seinem Fenster aus betrachtet noch weiter von allen Farben befreien wollen.
Der Geruch seines Salbeitees, der in kleinen Schwaden aus seiner Tasse bis zu seiner Nase aufsteigt, vermischt sich mit dem Geruch des Holzes, das gegen die Flammen kämpft. Es ist Kirschholz. Sein Duft lässt ihn an das Frühjahr denken. Daran, wie die Lebenslust in den Menschen von Neuem erwacht und der Frohsinn in den Gesichtern erkennbar ist. Pepe erinnert sich an das Osterfeuer, an das Maifest. Unter Leuten sein. Freude. Genuss. Neue Eindrücke, Erlebnisse und Geschichten.
Und dann sieht er am linken Rand seines Fensters, dort, wo sich die Eiskristalle in den Ecken ein Plätzchen zum Wachsen gesucht haben, kleine Schatten. Erst beim näheren Hinsehen erkennt er die kleine Gruppe von Personen, die sich hinausgewagt hat in den für ihn toten Raum. Pepe erkennt, wie sich die Gruppe auf sein Haus, sein Grundstück zubewegt, das er doch nur deshalb ausgesucht hatte, weil es sich einige hundert Meter abseits des Dorfes befindet.
Nicht einmal in dem von ihm so verhassten Winter würde er hier also Ruhe haben, denkt er sich und zieht die Augenbrauen nach oben. Er will nicht warten, nicht zusehen, wie der Tross immer näherkommt, möglicherweise hält und ihn aus der Einsamkeit reist. Wenn, dann wollte er schon selbst entscheiden, wann und ob ihm diese Einsamkeit genügte.

Zwei Mal schon hatte er schmerzlich erfahren müssen, wie grausam der Winter sein kann. Nein, der Winter und er, sie würden keine Freunde mehr werden.
Der Gedanke an seine Kindheit, an jenen Tag, als er mit seinem Großvater einen Schneemann baute, die Karotte ins Gesicht des Kugelrunden steckte und die Kohlestücke seine Hände schwarz färbten. Es war der Tag nach dem nur noch Tage und Jahre ohne seine Eltern und seinen Bruder folgten. Sie waren fort und kehrten nicht zurück und doch waren sie immer bei ihm. Wuchsen und alterten mit ihm mit. Bei jedem Geburtstag, zu jedem Fest. Eine Schneewehe auf der Straße hatte ihr Schicksal besiegelt. In seinen Erinnerungen findet sich jene Tage verknüpft mit dem, was er heute tut. Schreiben. Denn das Sprechen hatte er nach dem Unfall für lange Zeit aufgegeben. Stattdessen schrieb er erst kurze Sätze, dann Reime, später überließ er denen um sich herum, die sich um ihn kümmerten nur noch kurze Geschichten aus denen hervorging, was er dachte, träumte, mochte und wünschte.
Erst seine Frau holte seine Stimme zurück, ließ ihn die Trauer überwinden und zugleich neue finden. Auch sie ist von ihm gegangen. Der Tod hat sie in einem zerknüllten Bahnwagen geholt, am Vorweihnachtstag. Und Pepe…

Als er sich vom Fenster wegdreht, fällt sein Blick auf seinen Schreibtisch.
Genau aus diesem Grund hatte er das Haus mit den vielen Obstbäumen auf dem Grundstück gekauft. Er wollte seine Ruhe haben. Wollte niemanden mehr in sein Herz, in sein Leben lassen. Wollte Fantasien entwickeln und diese zu Papier bringen. An sechs Monaten im Jahr klappte dies. Nur im Winter, da riss ihn zu viel aus den Welten, die er in seinem Kopf ersann.
Gerade noch im Augenwinkel sieht er, wie die kleine Gruppe an seinem Fenster vorbeizieht. Er hört eine Melodie und dreht sich neugierig zum Fenster. Die Menschen sind gut gelaunt. Sie singen. Ziehen vereinzelt Bollerwagen hinter sich her. Musik ist deutlich wahrnehmbar. Sie überschallt von draußen sogar das Knistern im Kamin. Trotz der roten Nasen, die aus den sonst blassen Gesichtern hervorstechen, scheinen alle vergnügt. Pepe ist verwundert. Wer freut sich schon darüber zu frieren? Kopfschüttelnd setzt er sich an seinen Schreibtisch, zieht ein Blatt Papier aus einem Stapel hervor und beginnt es still zu studieren. Es ist eine Novelle, die er schrieb, als er hier einzog. Es war der Versuch, seinen Verlust in Worte zu fassen, dem Tod zu gratulieren und dem Winter ewigen Hass zu schwören. Immer wieder schüttelt er beim Lesen der Zeilen den Kopf. Nicht für lange, denn eine für ihn lästige Pflicht, reißt ihn aus seinen Gedanken. Er muss Feuerholz nachlegen. Noch einmal schaut er aus dem Fenster, die Gruppe ist im aufziehenden Dunst verschwunden. Die Musik längst verstummt. Unweigerlich entstehen in Pepes Kopf Bilder, die sich zu einer Geschichte zusammenfügen.
Das eben noch so melancholisch wirkende Papier ist nebensächlich geworden. Stattdessen öffnet er seinen Laptop und beginnt zugleich zu schreiben:

„Wie lange sie schon unterwegs waren, das wusste keiner von ihnen. Die zehnköpfige Gruppe hatte nur ein Ziel. Ankommen. Wo, das wusste niemand von ihnen, doch ihr Weg, die Hoffnung hielten sie am Leben. Immer dichter wurde der Nebel, immer dunkler die Wolken. Die blattlosen Bäume und Sträucher am Wegrand nahmen sie kaum mehr war. Allein die Richtung des Weges konnten sie höchstens noch auf 20 vielleicht 30 Meter erahnen. Die schweren Wagen, die sie zogen, waren beladen mit den Dingen, die sie retten konnten und ihnen wichtig waren. Sie waren geflüchtet, von Hunger und Sehnsucht gequält. Wovor sie flüchteten, das wussten nur sie, denn einen anderen, dem sie es hätten erzählen können, fanden sie in den vielen Tagen, an denen sie bereits unterwegs waren, nicht. Immer mal wieder kamen sie in die Nähe einer Ortschaft, mieden es jedoch hineinzugehen oder gar in deren Nähe zu rasten. Zu groß war die Angst, entdeckt und nach Haus geschickt zu werden. Als sie sich auf den Weg machten, da war die Welt bunt vom Herbstlaub der Bäume und dunkel vom Rauch der Feuer, die unzählige Granaten entfacht hatten. Die Sonne damals schien, wenn auch nicht mehr so kräftig wie noch einige Woche zuvor. Jetzt ist sie alles grau und kalt. Ob sie sich ihren Weg so vorgestellt hatten, das konnte sie niemand fragen. Sie waren da und doch nicht vorhanden. Sie waren wandelnde Tote. Gestorben beim Verlassen ihrer Heimat. Gehüllt in viel zu dünne Gewänder, geführt von einem Drang zur Sicherheit, die ihnen auf dem Weg nicht gegeben ist.“

Pepe stockt. Schaut von seinem Schreibtisch aus über den Bildschirm in Richtung Fenster. Sein Blick ist starr. Kein Gedanke durchfließt ihn. Dann erwacht er plötzlich und schüttelt sich.
`Nein, die Gruppe vorhin sang. Sie hatten Spaß. Niemand singt, ohne Spaß daran zu haben. Niemand spielt Musik, wenn er sich nicht daran erfreuen will. Und überhaupt, wie sollte eine Gruppe von Geflüchteten hier bei ihm vorbeikommen. Woher überhaupt und vor was geflüchtet?`
In ihm steigt eine innere Unruhe auf, die er zunächst versucht, durch das Weiterschreiben zu überwinden. Schnell erkennt er, dass die Worte, die er aneinanderreiht, nichts mehr in ihm auslösen. Er schafft es nicht, Teil davon zu werden und springt auf. Noch einmal schaut er aus dem Fenster. Überlegt und entschließt sich endlich selbst hinauszugehen in diesen für ihn für tot erklärten Raum. Hinaus in die Kälte. Er will fühlen, wie es da draußen ist. Wie es ist, kilometerweit zu laufen ohne ein festes Ziel. Er will erleben, fühlen, begreifen, denn das war es, was Pepe seit seinen Kindertagen das Papier füllen ließ.

Die Knöpfe seines Mantels schließt er bewusst. Einen nach dem anderen bis hoch an den Hals. Als der Stoff der Mütze über sein Haar und seine Kopfhaut gleitet, ist es wie ein Streicheln einer unbekannten Hand. Die Schnürsenkel seiner Stiefel zieht er fest. So fest, dass die Füße unweigerlich beginnen zu pochen. Es muss so eng sein, redet er sich ein und schließt die Tür hinter sich. Erst jetzt fällt ihm ein, dass er nicht auf die Handschuhe verzichten sollte und auch ein Schal für das Gesicht sicher angebracht ist. Der kurze Moment im Freien reicht, um ihm klar werden zu lassen, dass es in seinem Haus viel zu warm ist. Darum will er sich aber später kümmern. Irgendetwas zieht an ihm. Zieht in nach draußen vor das Grundstück und auf den wenig befestigten Feldweg zu seinem Haus.

Beim Betrachten der sich vom Schnee biegenden Äste seiner Obstbäume kommt ihm etwas Neues in den Sinn. Wie schwer sie wohl zu tragen haben? ´Wie sehr sie wohl gegen den Winter kämpfen. So sehr, dass sie sich selbst ihre Rüstung, der Blätter entledigen, um freier, beweglicher zu sein. Jahr um Jahr.´
Plötzlich wird ihm bewusst. Auch er, seine Seele, trägt Jahr um Jahr schwer an den Wintern. Doch anders als die Bäume kann er sich schütteln. Kann die Last abwerfen, wenn er es nur will.
Es kommt ihm vor, als würde er sich auf eine Reise begeben müssen. Bereit für den Kreuzzug gegen den Winter. Gegen das, was der Winter für ihn ist. Der Tod. Selbstbewusst steckt er seine Brust hervor. Die Hände in den Taschen zu einer Faust geballt, von einer Atemwolke umgeben, schaut er auf dem Weg stehend nach rechts und links. Nein, in Richtung des Dorfes will er nicht. Er will kämpfen. Gegen die Kälte, gegen den Nebel, gegen den Schnee unter seinen Füßen und gegen die Last in sich selbst. Kurz fragt er sich, ob er die Gruppe wohl noch einholen wird, wenn er seine Schritte zügiger setzen würde. Sein Ziel ist ihr Frohsinn, von dem er sich erhofft, sich von der inneren Last befreien zu können. Nach gut 100 Metern ist er sich sicher: Nein! Die kalte und nasse Luft beißt in seiner Lunge. Sein Mund steht unter dem bis zu den Augen hochgezogenen weißen Schal weit offen. Er spürt die Nässe im Stoff, die sein Atem verursacht hat. Bemerkt sogar, dass sein Schal leicht gefroren ist und ihm deshalb das Atmen so schwerfällt. Und doch entscheidet er sich, den Schal über dem Mund und den Wangen zu belassen. Zu sehr fürchtet er sich vor der Brutalität des Winters in seinem Gesicht. Vor dem Feind, den er nie wirklich kannte und doch bis heute bei sich trägt.

Wohin mögen sie wohl gegangen sein, die, die da singend an seinem Fenster vorbeiliefen? Diese Frage stellt er sich immer wieder im dicken Nebel, der ihm die Sicht bereits völlig nimmt. Angst verspürt er deshalb nicht. Als großer Streiter geht er seinen Weg in die Zukunft. Zudem kennt sich hier in der Mark aus. In wenigen Hundert Metern würde ein Abzweig kommen, der den Weg, auf dem er gerade läuft, teilte. Noch immer die Hände in den Taschen, das Gesicht tief im Schal und dem Kragen des Mantels vergraben läuft Pepe gegen die Wand, die der Dunst vor ihm aufgebaut hatte, an. Sich gewahr zu wissen, wo er sich befindet. `Es können nur noch wenige Meter sein, bis zum Abzweig` spricht er zu sich, während er die Zehnen bereits eingerollt hat. Derbe zieht die Kälte durch seine Kleidung bis in seinen Körper. Nur die Bewegung hindert ihm am Frieren. So läuft er weiter und weiter. Meint nach gut zwei Stunden Musik zu vernehmen. Seine Augen weiten sich. Für ihn ist sie deutlich. Es ist ein bekanntes Kinderlied. Dass der Frau Holle. Sicher darin, dass es sich um die Gruppe handelt, die an seinem Fenster vorbeizog, biegt er vom Weg ab auf unstetiges Gelände. Jetzt würde er es schaffen können. Jetzt würde er den Winter besiegen. Mit Gesang, mit Gesellschaft, mit Ausgelassenheit. Mutig läuft er den Kinderstimmen entgegengehend, stolpert dabei immer wieder. Doch unbeirrt folgt er den Tönen, die vom eisigen Wind an ihn herangetragen werden. Unter seinen schweren Schritten brechen die Schneekristalle hörbar. Seine Nase läuft und das Sekret sickert bis an seine Lippe. Mit tiefen Atemzügen versucht er sich Luft zu verschaffen, dann hört er ein Knacken. Unweigerlich beleibt er im Nebel stehen. Ruft. „Hallo? Ist da jemand?“ Noch einmal versichert er sich selbst: Niemand sonst als die Gruppe würde hier draußen Musik spielen. Eine Antwort auf sein Rufen erhält er nicht. Nur der Wind antwortet ihm mit seinem typischen Pfeifen und Rauschen. Die Musik verloren wächst ihn ihm die Angst. Er beginnt zu rennen. `Nein die Holle holt mich nicht`. Das Knacken jedoch wird mit jedem Schritt lauter. Pepe erschrickt. Er kann doch nicht auf den See geraten sein und verneint diese an sich selbst gestellte Frage zugleich. Der See liegt auf der anderen Seite des Dorfes. Jene Richtung, die er nicht einschlug. Als er den Boden unter den Füßen verliert und das kalte Wasser seine Haut erreicht, ist er sich sicher. Er wird erfahren, wie es ist, tot und doch lebendig zu sein. Wie ein Flüchtling. Er wird das nächste Opfer des Winters. Wie seine Eltern, sein Bruder, seine Frau. Man wird ihn suchen, nicht finden und vermuten, er sei fortgefahren. Niemand wird ihn für tot halten. Er wird in den Köpfen der Menschen lebendig sein und gleichzeitig tot und doch einsam auf dem Grund des Sees liegen. Kalt wie sein Haus, in dem das Kaminfeuer längst erloschen ist. Immer schwerer werden seine Sachen. Und als im Todeskampf strampelnd bereits seine Kräfte schwinden, die ihn über Wasser halten, ist sein Geist noch wach. Von ihm bleiben würden nur seine Werke. Die Tragik an seinem Ertrinken erkennt er noch in diesem Moment nicht in seinem Ableben, sondern in dem Gedanken, dass so vieles von ihm nicht mehr geschrieben werden wird. Noch einmal schreit er nach Hilfe, dann ruft nur noch der Wind. Er erzählt von dem Mann, der im Kreis lief, um eine Gruppe zu finden, die sich nur wenige Hundert Meter von seinem Haus entfernt an einem Feuer eingefunden hatte, um ihren Winterspaziergang feuchtfröhlich und mit gutem Essen ausklingen zu lassen. Pfeifend erzählt er von dem Mann, der auszog den Winter zu besiegen und dessen Opfer wurde.
**********henke Mann
9.666 Beiträge
Zitat von ********iler:
Winterspaziergang

Mit dem Blick aus dem Fenster ist sich Pepe gewahr. Ja, es ist Winter. Allein der Gedanke daran versetzte ihm einen Schauer. Noch fester klammert er sich an seine Tasse, während er die Bäume betrachtet, die ihm jetzt wie Ungeheuer mit Tausenden Fingern erscheinen. Nichts, was sie an Schönheit im Frühling, Sommer und Herbst bereithielten, ist jetzt noch vorhanden. Tot erscheinen sie ihm. Zu tot. Sein Blick wandert weiter in Richtung Horizont. Die Flur ist bereits mit einer dünnen weißen Schicht gepudert und in der Ferne scheint es, als würden neue Kristalle die Leinwand, die Pepe von seinem Fenster aus betrachtet noch weiter von allen Farben befreien wollen.
Der Geruch seines Salbeitees, der in kleinen Schwaden aus seiner Tasse bis zu seiner Nase aufsteigt, vermischt sich mit dem Geruch des Holzes, das gegen die Flammen kämpft. Es ist Kirschholz. Sein Duft lässt ihn an das Frühjahr denken. Daran, wie die Lebenslust in den Menschen von Neuem erwacht und der Frohsinn in den Gesichtern erkennbar ist. Pepe erinnert sich an das Osterfeuer, an das Maifest. Unter Leuten sein. Freude. Genuss. Neue Eindrücke, Erlebnisse und Geschichten.
Und dann sieht er am linken Rand seines Fensters, dort, wo sich die Eiskristalle in den Ecken ein Plätzchen zum Wachsen gesucht haben, kleine Schatten. Erst beim näheren Hinsehen erkennt er die kleine Gruppe von Personen, die sich hinausgewagt hat in den für ihn toten Raum. Pepe erkennt, wie sich die Gruppe auf sein Haus, sein Grundstück zubewegt, das er doch nur deshalb ausgesucht hatte, weil es sich einige hundert Meter abseits des Dorfes befindet.

Ich schreib jetzt mal so, wie ich die beiden Absätze formulieren würde:

Pepe blickte aus dem Fenster. (Verbalstil, show, don't tell) Winter! Der Gedanke allein schauerte ihn. Seine Finger graben sich in seine Tasse. Gleichen die Bäume Ungeheuer mit Tausenden Fingern? Maigrün, Blüte, Herbstlaub - dahin. Tot erscheinen sie ihm. Zu tot. Leicht hebt er den Kopf/Blick. Es wirkt wie gepudert auf den Feldern. Goethe hätte gesagt: Die Flur ist mit einem weißen Tuch bedeckt, und in der Ferne fallen neue Kristalle auf die Leinwand, die Pepe vor seinem Fenster meint.
Der Salbeigeruch des Tees, der aus seiner Tasse in seine Nase schwadet, vermischt sich mit dem Geruch des Holzes, das schwer verbrennt. Es ist Kirschholz. Der Duft riecht wie die Blüten im Frühjahr. Erinnerung. Ans Frühjahr, wenn die Lebenslust in den Menschen von Neuem erwacht und der Frohsinn in den Gesichtern erkennbar ist. Das Osterfeuer, das Maifest! Pepe schaut in die Flammen. Unter Leuten sein. Freude. Genuss. Neue Eindrücke, Erlebnisse und Geschichten.

Pepe schaut durch die Eisblumen am linken Rand seines Fensters. Kleine Schatten! Ein paar Menschen, die sich hinausgewagt hat[in den für ihn toten Raum - wo kommt dieser tote Raum her? Was ist Pepes Problem?]. Pepe erkennt, wie sich die Gruppe auf sein Haus, sein Grundstück zustapft, sein Haus, das er sich doch nur deshalb ausgesucht hatte, weil es einige hundert Meter abseits des Dorfes lag.


Wie gesagt, das ist jetzt mein Stil, in dem ich diese Skizze schreiben würde.
erhebende 11 Zentimeter...
*****a99 Frau
3.553 Beiträge
Die Version gefällt mir schon besser als die erste *g*

Ich weiß, dass ausführliche Beschreibungen Dein Stil sind, daran mag ich erst mal nicht rütteln, Anmerkungen dazu gab es ja schon von anderer Seite.

Das Schreiben ist bisher für Pepe eine Art Ventil gewesen, die Möglichkeit, Erlebtes zu verarbeiten - so weit, so klar. Dass ihm das jetzt zu wenig ist und er nach einer anderen Möglichkeit sucht, aktiv werden will, wird auch klar.
Aber:
Warum muss der von ihm geschriebene Text ausführlich in der Story stehen? Für eine Vergangenheitsbewältigung ist er mir zu banal, er offenbart nichts - keine Trauer, Verzweiflung, Wut oder ähnliches. Ich würde ihn komplett streichen.
Wichtig ist, dass er überhaupt geschrieben hat und dass er fühlt, dass das nicht genug für ihn ist. Denn genau DAS führt zu seinem Entschluss und dieser dann zu seinem verhängnisvollen Ende.

Mein "Gerüst" für die Story sähe so aus:
Er entdeckt die Gruppe und beginnt zu schreiben. Bisher hat ihn das beruhigt, ihm geholfen, ihn erleichtert. Doch nach ein paar Sätzen spürt er, dass es ihn nicht erfüllt, er fühlt sich leer, ausgebrannt, machtlos. Die Enttäuschung darüber macht ihn wütend, er klappt den Laptop zu und weiß, er muss etwas anderes finden. Er beschließt, sich in der unwirklichen Landschaft draußen seinem größten Feind zu stellen, seinem persönlichen Dämon, dem verhassten Winter. Will seinem Gefühlschaos ein Ende setzen, ein für alle Mal. Erhofft sich vielleicht Trost von der fröhlichen Gruppe, will sie deswegen einholen. Doch auf fatale Weise holt er nicht die Gruppe ein, sondern wird von seinem eigenen Dämon eingeholt.
*******tia Mann
5.162 Beiträge
Ich finde das Düstere in dem Text faszinierend.
Mehr Emotionalität hätte ich vielleicht dadurch versucht, dass in ihm aufkommende Freude bemerkbar wird, während er auf der Suche nach der Gruppe ist. Freude oder Hoffnung, seinen Dämon zu besiegen - umso tragischer, dass die Suche so fatal im See endet.
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