Mae beobachtete den Fremden. Er bemühte sich wirklich, war aber so sehr fremdartig, dass ihm sogar die einfachsten Handgriffe schwer fielen. Sie fragte sich, ob er nicht doch geistig etwas zurück geblieben war. Er konnte nicht einmal Feuer machen. Das einzige das er zusammen brachte, war Tiere häuten. Aber das war nun wirklich nicht sonderlich kompliziert, wenn man wusste, wo man den ersten Schnitt ansetzen musste. Wenn der richtig gesetzt war, zog sich der Balg fast von alleine ab.
Alex wurde immer zurückgezogener. Je fremdartiger er sich fühlte, desto mehr sonderte er sich von der Gemeinschaft ab. Die Einzige, dich sich mit ihm verständigen wollte, war Mae. Die Männer waren wieder auf Jagd, die jungen Frauen zogen täglich los um Kräuter, Samen, Wurzeln, Beeren oder ähnliches zu ernten. So war er viel alleine. Mae leistete ihm Gesellschaft.
Oft saßen sie schweigend beisammen und Alex fühlte immer mehr den Stachel der Einsamkeit. Dann kletterte er den Abhang hinauf, stellte sich an die Klippe und schrie seine Frustration in den Wind.
Zusammengekrümmt lag er nur einen Handbreit vor der Schlucht. Er heulte sich die Augen aus. So fremdartig hatte er sich nicht einmal bei den Eumeriern gefühlt.
„Niet! Das kann doch alles nicht wahr sein. Das gibt es nicht. Niet! Niet!“ Er hämmerte mit den Fäusten auf den Felsen, schluchzte und schrie. So fand ihn schließlich Mae.
Sie nahm ihn in die Arme und wiegte ihn tröstend. Dabei murmelte sie fremdartige Worte, die beruhigend wirkten. Dann wurde ihr Tonfall schärfer. Sie wies ihn an, ihr zu folgen.
„Aks! Geh mit! Ich glaube nicht, dass du dumm bist, du bist nur anders“, sagte sie. Er verstand nur seinen Namen und ihr Handzeichen. Also stand er auf und folgte ihr den Weg hinab zur Höhle.
Von diesem Tag an hatte er weniger Zeit, sich über seine Andersartigkeit Gedanken zu machen. Mae lehrte ihn ihre Sprache.
„Es ist wirklich an der Zeit, zu lernen, wie diese Menschen reden“, sagte er sich. Jeden Tag lernte er mehr. Er hatte keine Wahl, er musste.
Er sehnte die Zeit herbei, die er mit Mae alleine verbrachte. Sie brachte ihm alle Worte bei und schon bald konnte er sich, wenn auch holprig, verständlich machen
Besonders wenn er mit Mae und den alten Leuten allein war, hatte er das Gefühl doch dazu zu gehören. Aber wenn die jungen Leute, die produktiven, von ihrer Tagesarbeit zurückkamen, fürchtete er, nur im Weg zu sein. Noch verstand er von den subtilen Zeichen und abstrakten Worten zuwenig. Abends wenn alle zusammen saßen, verzog er sich in seinen Winkel und beobachtete nur. Manchmal war er erstaunt über den Ausdrucksreichtum ihrer Gesten und Mimik. Die Sprache schien vielmehr aus Gesten zu bestehen, als aus Worten. Aber er verstand davon zuwenig. Damit musste man aufgewachsen sein. Als Erwachsener war es fast unmöglich zu lernen, die subtilen Zeichen richtig zu deuten oder auch nur passend einzusetzen. So wurde er häufig missverstanden.
Aus Langeweile hatte er wieder angefangen zu schnitzen. Das Material war zwar ungewohnt. Die Messer aus Flint lagen ungewohnt in der Hand. Seine Hände bluteten, aber er war zufrieden als er fertig war und das Ergebnis betrachtete.
Aus einer alten Wurzel hatte er das Abbild eines Mammuts geschnitzt. Sorgfältig hütete er die Figur, noch wollte er sie keinem zeigen, nur Mae wusste davon. Er hatte einige Messer verbraucht. Der Steinhauer, er wurde Groch genannt, war darüber nicht sehr erfreut. Groch war einer der Ältesten in der Sippe. Eer schaffte die langen Jagdzüge der Männer und jungen Frauen nicht mehr. Also blieb er in der Höhle und verbrachte seine Zeit damit, aus den Steinen Messer, Stichel, Speerspitzen und andere nützliche Gegenstände zu schaffen. Es war eine mühselige Aufgabe und es dauerte lange aus einem Stück Stein eine gute Spitze zu schaffen oder ein brauchbares Messer.
Alex beobachtete ihn oft. Eines Tages kam ihm die Idee, etwas Nützliches zu machen. Sehr zum Missvergnügen von Mae ging er allein in den Wald.
„Mae, ich gebe acht. Ich tu mir nichts“, versprach er in seiner holprigen Sprache. Er hatte wirklich nicht die Absicht, etwas Unüberlegtes zu tun. Er suchte nur ein Stück Holz, das für seine Idee geeignet erschien. Er wanderte mehrere Stunden alleine, ließ die Gedanken wandern, weit zurück in die Vergangenheit – oder Zukunft. Es war eine Sache der Perspektive. Als Zeitreisender in einer fernen Vergangenheit gefangen zu sein, das wünschte er nicht einmal seinem schlimmsten Feind. Es war mehr als furchterregend. Nein, es war unfassbar! Gegen Mittag ließ er sich an einem Bachlauf nieder, trank von dem kühlen Wasser und aß von den mitgebrachten Vorräten, obwohl er keinen Hunger verspürte, aber er hatte es Mae versprochen. Wie er so am Bach saß, dachte er wieder an den Kapitän. Wieder sah er sie vor sich, wie sie in der überheblichen Art von seinem Volk gesprochen hatte. Alex war sicher, dass die Samek bald nicht mehr existieren würden. Er war der letzte seines Volkes und sie wussten nichts davon. Oder war er der Anfang? Es war alles so paradox. Eigentlich dürfte es solche Situationen gar nicht geben. „Zeitreisen sind gegen die Natur und gegen jede Vernunft“, erklärte er den Vögeln, die in den Zweigen über ihm zwitscherten. „Sie schaffen nur unwirkliche Situationen, die ein normaler Mensch nicht fassen kann. Ach, Scheiße, was mache ich nur hier? Ich bin unnützer als der älteste oder das jüngste Sippenmitglied.“ Wieder umfasste ihn der Strudel der Unzulänglichkeit. Verstandesmäßig wusste er was ein Kulturschock ist, aber so richtig erlebt hatte er ihn erst hier. Mittlerweile war Alex mehrere Monate bei der Sippe, und er fühlte die Fremdartigkeit nach wie vor. „Es wird schwerer werden, wenn die Männer vom Jagdzug zurückkommen“, prophezeite er den Steinen auf denen er stand. „Grah tötet mich, wenn ich unnütz oder gefährlich bin – und wenn ich unnütz bin, bin ich eine Gefahr für die Gruppe. Es ist hart genug für alle den Winter zu überstehen und wenn sie noch mich mitfüttern müssen, wird es umso härter werden. Ich muss mir was überlegen. Irgendwas. Nur was?“ Stundenlang quälte sich Alex durch den Wald und das Dickicht seiner Gedanken. Es war schon weit nach Mittag als er sich auf den Rückweg machte. Mit Schrecken stellte er fest, dass er weiter gewandert war, als er wollte und es die Zeit bis zum Dunkelwerden zuließ. Er beschleunigte seinen Schritt und lief fast. Da stolperte er über eine Unebenheit. Der Länge nach fiel er und blieb liegen.
„Alles habe ich diesen Menschen zu verdanken und ich kann ihnen nichts geben“, brüllte er, als er so am Boden lag. Am liebsten hätte er sich jetzt in das weiche Erdreich vergraben. Nur der Gedanke an Mae, die sich Sorgen machen würde, heilt ihn davon ab, etwas Unüberlegtes zu tun. Da fand er rein zufällig genau das passende Stück Holz, nach dem er ausgezogen war. Es hatte die richtige Größe und Beschaffenheit. Er ging wieder am Bachlauf entlang. Als er an einer Stauung ankam, beschloss er ein Bad zu nehmen. Er zog sich aus, auch die Kleidung hatte ihm Mae geschenkt, und stieg ins Wasser. Unterwegs hatte er Zwergseifenkraut gefunden und sich in weiser Voraussicht einige Blüten mitgenommen. Jetzt gedachte er dieses Saponaria zu testen. Er zerrieb die Blüten zwischen zwei Steinen und gab etwas Wasser dazu. Als sich Schaum bildete begann er sich mithilfe eines Stücks Moos abzuschrubben. „Endlich geht der ganze Dreck runter. Ich hasse es zu stinken wie ein Iltis in der Brunft“, sagte er dem Wind und dem Wasser. Als er das Gefühl hatte, dass er nun wirklich sauber war, stieg er aus dem Wasser und kramte in seinen Sachen nach einem flachen Messer. Er hatte es zu seinem Schutz mitgenommen.Obwohl es zweifelhaft war, dass dieses Stück Stein ihm Schutz gewähren konnte, hatte es ihm das Gefühl der Sicherheit gegeben. Damit begann er nun im Blindflug den Bart abzuschaben. Es war mühsam und dauerte eine Ewigkeit. Glücklich fasste er sich an das haarlose Kinn. Tränen der Freude stiegen in ihm hoch. Dann genehmigte er sich noch ein Bad, jetzt rein an der Freude am Schwimmen. Hier war der Bach so weit aufgestaut, dass er ein wenig schwimmen konnte.
Die ganze Zeit wähnte er sich unbeobachtet. Hier konnte er sein, wie er war. Ein Mann des dritten Jahrtausends. Er durfte er selbst sein, auch wenn er in einer fernen Vergangenheit einer fremden, furchterregenden Zukunft entgegensah. „Alex Smirnov“, sagte er dem Spiegelbild im Wasser. „Du bist Alex Smirnov. Vergiss dich nicht, Junge.“
Als es dämmerte machte er sich auf den Rückweg. Er hatte die Taschen voller Seifenkraut und das Stück Holz nach dem ihm der Sinn stand.
Mae stand am Höhleneingang und starrte angestrengt in die zunehmende Dämmerung. Groch und die zurückgebliebenen Frauen fanden ihre Unruhe unbegründet und unnötig. Wenn sich der Fremde verirrte und starb, war das nicht ihr Problem – es löste eher eines. Bis jetzt hatte er sich als unbrauchbar erwiesen auch wenn er keine Gefahr für ihr unmittelbares Leben darstellte, wusste doch jeder, dass im Winter jeder zu Fütternde einer zuviel war. Und der Fremde war einer zuviel. Doch Mae hatte ihr Urteil gesprochen und so fügten sie sich. Mae war die Mutter, die Weise. Sie wusste, wo die Herden zogen, welche Kräuter bei welchem Leiden halfen. Mae konnte mit den Geistern der Pflanzen reden.
Endlich sah sie ihn. Und sie war schockiert. Er war kahl im Gesicht. „Aks!“, schrie sie. „Aks, was ist mit deinem Gesicht?“
„Nichts, nichts, Mae. Ich mich gewaschen und Haar weg. Gefunden.“ Er zeigte seine Sammlung an Seifenkraut. Nur das Stück Holz hielt er noch in einem Beutel verborgen. Daraus wollte er etwas schnitzen, was sie noch nicht hatten. Er hoffte, ihnen damit eine Freude zu bereiten. Aber erst musste er es herstellen.
Mae betrachtete ihn ungläubig. Sie fasste ihm ins Gesicht. Noch nie hatte sie einen erwachsenen Mann ohne Bart gesehen. Er wirkte fremd, aber nicht abstoßend und wie sie fand nicht unattraktiv. ‚Aks scheint sich ohne Haare wohl zu fühlen. Es steht ihm’, dachte sie und schluckte ihre zornige Rede hinunter. Sie war neugierig, was er für Kräuter mitgebracht hatte. Manchmal war sein Wissen erstaunlich.
„Nicht nützlich“, sagte sie, als er es ihr zeigte.
„Doch, viel tun“, erwiderte er. Dann holte er eine Schüssel Wasser, zwei Steine und zeigte ihr, wie man Seifenkraut verwendet. Mae hatte das in der Form noch nie gesehen und schaute interessiert zu.
‚Der weiß mehr als ich dachte. Ich hatte recht’, dachte sie zufrieden.
Alex blieb abends noch immer lieber für sich, zu groß war die Angst vor Zurückweisung. Wenn alle mit Essen fertig waren stand er auf und bat Mae um seinen Anteil. Manchmal war es mehr, meistens weniger. Das machte ihm nicht sonderlich viel aus. Mit der Schüssel begab er sich dann an sein zugiges Feuer und aß für sich alleine, tief in Gedanken versunken. Er wusste, dass er unter Depressionen litt, nur hatte er noch kein Kraut dagegen gefunden. Vielleicht ließ sich sein Leiden auch erst heilen, wenn er sich hier heimisch fühlte.
Nur wenn Abends die Sonne unter ging spürte er die Einsamkeit tiefer und je früher sie unter ging, desto tiefer stach sie ihn.
Schlimmer wurde es für ihn als die Männer und jungen Frauen vom letzten Jagdzug des Jahres zurückkamen. Mae hatte bereits einen Abend vorher ihre Ankunft angekündigt. Am Morgen wurde ein Kind auf den Felsen geschickt um Ausschau zu halten. Und tatsächlich gegen Abend kamen die Leute mit viel Fleisch in der Höhle an. Ein Teil davon war bereits getrocknet.
Grah war sehr zufrieden mit sich und den Jägern. Sie hatten reichlich Beute gemacht und es sah danach aus, als würden sie damit den Winter überstehen können. Dann viel Grah’s Blick auf Alex und sein Ausdruck wurde finster.
„Was? Der ist noch da?“, fragte er.
„Ja, er kennt Kräuter, die ich noch nicht kannte“, erwiderte Mae. „Er ist nicht gefährlich“, fügte sie hinzu.
Aber Alex verzog sich unter dem feindseligen Blick des Jagdführers in den letzten Winkel, ganz nah an den Höhleneingang drückte er sich, raffte die Felle um sich und fühlte sich einsamer als je zuvor. Er wagte sich nicht ans Gemeinschaftsfeuer. Dort ging es lange lustig zu. Es wurde gefeiert, gelacht und gegessen. Alex wusste, dass er nach dem Gesetz der Clans hier keinerlei Rechte hatte. Wieder war er am Bodensatz der Gemeinschaft angelangt. Manchmal fühlte er den Blick der Mutter auf sich ruhen. Aber er tat als schliefe er. Er wollte sie nicht sehen. Das Mitleid in ihren Augen konnte er nicht ertragen. Sei schien ihm bis in die Seele zu blicken.
Gegen Morgen ertrug er die Fröhlichkeit nicht mehr. Alex dachte, sich unbemerkt aus der Höhe stehlen zu können. Aber Mae hatte ihn beobachtet.
Tränenblind rannte er hinaus, hinauf auf den Felsen, der ihm Zuflucht geworden war, dort schrie er: „Warum nur hast du mich hierher geschickt? Was bringt es dir? Welche Befriedigung schafft es euch, verdammten Eumeriern, andere zu unterdrücken? Ich kann das nicht! Ich kann das nicht mehr aushalten! Niet, so nicht. So nicht.“ Heulend sank er zu Boden. So fand ihn wiederum Mae.
„Aks, komm. Aks! Alex“, sagte sie streng.
Er hob den Blick. Seine tränenverhangenen Augen zeigten ihm ein Bild der absoluten Schönheit. Mae. Seine Retterin.
„Alex, steh auf“, sagte sie wieder.
Er stand auf und wandte sich ihr zu, sah nur ihre ausgebreiteten Arme und warf sich in sie. Ganz fest drückte er sich an sie, küsste sie, immer heftiger. Dass sie seine Küsse erwiderte, bemerkte er nicht wirklich. Er küsste sie mit der Leidenschaft eines Ertrinkenden. Fühlte nur das Feuer der Einsamkeit, dass er mit ihrer Gegenwart löschen konnte.
Plötzlich wurde ihm bewusst, dass sie einen anderen Gefährten hatte und er ließ erschrocken von ihr. Wieder hatte er Angst gegen eines der ungeschriebenen Clangesetze verstoßen zu haben, wie schon öfter in den vergangenen Monaten. Er rannte den Abhang weiter hinauf und ließ eine verwirrte Mae zurück. Doch diese verstand die Zeichen zu deuten. Nachdenklich ging sie den Weg zur Höhle zurück. Ihr geliebter Gefährte Grah war noch wach und unterhielt sich mit Groch über den vergangenen Jagdzug.
„Grah, wir müssen reden“, sagte sie einfach. Der bedeutete Groch sich zu entfernen und wandte seine Aufmerksamkeit der Gefährtin zu.
„In welcher Funktion willst du mit mir reden, Mae?“, fragte er.
„Ich weiß es nicht, Grah. Es ist wegen Alex. In den letzten Monaten habe ich ihn gut kennen gelernt. Er ist nicht dumm, weißt du“, sagte sie einleitend.
„Willst du ihn in dein Bett einladen? Du weißt, dass du dir dein Vergnügen jederzeit holen kannst“, erwiderte er. „Ich halte es ja nicht anders.“
„Nein, das ist es nicht. Wenn es nur das wäre, gäbe es keine Probleme.“ Sie machte eine nachdenkliche Pause. „Ich glaube, er ist so sehr fremd, dass er es nicht fassen kann. Er ist so voller Angst. Du weißt es nicht, aber ich hole ihn fast jeden Tag vom Felsen herunter. Dort oben kauert er und weiß nicht, ob er springen soll oder nicht. Dabei hätte er uns sicher vieles zu lehren. Er ist nicht dumm, nur glaube ich, haben ihm die Geister einen Streich gespielt.“ Dann holte sie das Mammut hervor, das er geschnitzt hatte. Grah war erstaunt. So ein schönes Schnitzwerk hatte er noch nie gesehen. Es war so genau getroffen, dass man den Wind im Fell sehen konnte.
„Er hat das gemacht?“, fragte er, obwohl er die Antwort erahnte.
„Ja, Grah. Er hat das gemacht. Ich denke, er kann mit den Geistern reden, nur ist er so voller Angst, dass er sich selbst nicht mehr sieht. Alex besteht aus Angst.“
„Ist das sein Name? Aks?“
„Ja, und ich wollte dich bitten, wenn du nicht zu erschöpft nach deiner langen Reise und erfolgreichen Jagd bist, ob du nicht mit ihm reden könntest.“
„Warum? Ich sah ihn zuletzt am Höhleneingang. Er schien zu schlafen.“
„Nein, er ist hinausgelaufen, hinauf auf den Felsen.“
„Ich werde ihn für dich suchen, geliebte Gefährtin.“
„Ich danke dir, mein Geliebter, es liegt mir viel daran.“
Alex riss sich ernüchtert von Mae los. Er begehrte sie, mehr als jede Frau zuvor, aber sie hatte einen anderen Gefährten und in dieser Gesellschaft war er nichts. Deshalb entfernte er sich und lief den Weg weiter hinauf auf den Felsen. Tränen liefen seine Wangen hinab. Er hatte solche Angst wieder allein zu sein, abgeschnitten von ihr, jetzt wo ihr Gefährte wieder da war. Noch wusste er zuwenig über die Lebensweise des Clans. Unsicherheit und Angst vor Zurückweisung ließen ihn immer weiter laufen. Er lief und lief, bis ihm die Luft ausging. Sterne tanzten vor seinen Augen. Schwach fühlte er sich, schwach war er, hatte er doch seit dem Abend des vergangenen Abends nichts mehr zu sich genommen. Er wollte der Gemeinschaft so wenig wie möglich zur Last falle, also hielt er sich zurück und das Hungergefühl wurde mit der Zeit weniger. Nur der Hunger nach Zuneigung nahm zu. Je weniger Nahrung er zu sich nahm, desto größer wurde sein Hunger nach Liebe, nach Anerkennung, nach Zuwendung, nach Zugehörigkeit.
„Ich möchte doch nur ...“, schluchzte er in die Flechten unter sich. „Hat mich denn keiner mehr lieb?“, fragte er den versinkenden Mond. „Du hättest mich besser töten sollen! Verdammt seien eure Gesetze, nachdem es euch nicht mehr freisteht ein Todesurteil zu unterzeichnen!“, rief er dem Morgenrot zu.
Grah fand ihn so, schreiend, heulend. Aber er tat als bemerkte er ihn nicht. Er setzte sich einfach und redete seinerseits mit der Morgensonne.
„Ich verstehe zwar kein Wort, das der Verwandte da spricht, aber ich bin auch zornig, wenn er es ist. Sonnenaufgang hörst du mich?“