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Vergangene Zukunft

nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Ja
er kann und ich bin grad mitten im Kulturschock ...

Lass mich das mal verarbeiten und irgendwie ...

gehts schon wieder weiter ...

He! Ich glaub, das schreit nach einer Nachtschicht! HEINRICH!!!


HEINRICH!!!! Du bist schuld *haumichwech*


*bussi* Herta
Herbst 2018
***to Mann
4.270 Beiträge
Ich bin schuld.
Und die Anderen werdens mir danken.

Ach ja ich geh jetzt... *heia*
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Schlaf schön ... ich schreib noch weiter, dann hast du morgen was zu lesen *lol* ... mit soviel Gedanken kann ich sowieso kein Auge zutun.

Danke - diese Zeit wird mir irgendwie wieder so Nahe wie vor 15 Jahren.

Herzlichst
Herta
Herbst 2018
***to Mann
4.270 Beiträge
Ach du meinst das mit dem Einreiben...
*zwinker*

Heinrich
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Hä?
wer reibt wen ein und vor allen Dingen - wann? *gruebel* *panik*

egal ...

... ich verzieh mich wieder ins Würm ... *undwech*
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Mae beobachtete den Fremden. Er bemühte sich wirklich, war aber so sehr fremdartig, dass ihm sogar die einfachsten Handgriffe schwer fielen. Sie fragte sich, ob er nicht doch geistig etwas zurück geblieben war. Er konnte nicht einmal Feuer machen. Das einzige das er zusammen brachte, war Tiere häuten. Aber das war nun wirklich nicht sonderlich kompliziert, wenn man wusste, wo man den ersten Schnitt ansetzen musste. Wenn der richtig gesetzt war, zog sich der Balg fast von alleine ab.

Alex wurde immer zurückgezogener. Je fremdartiger er sich fühlte, desto mehr sonderte er sich von der Gemeinschaft ab. Die Einzige, dich sich mit ihm verständigen wollte, war Mae. Die Männer waren wieder auf Jagd, die jungen Frauen zogen täglich los um Kräuter, Samen, Wurzeln, Beeren oder ähnliches zu ernten. So war er viel alleine. Mae leistete ihm Gesellschaft.

Oft saßen sie schweigend beisammen und Alex fühlte immer mehr den Stachel der Einsamkeit. Dann kletterte er den Abhang hinauf, stellte sich an die Klippe und schrie seine Frustration in den Wind.

Zusammengekrümmt lag er nur einen Handbreit vor der Schlucht. Er heulte sich die Augen aus. So fremdartig hatte er sich nicht einmal bei den Eumeriern gefühlt.
„Niet! Das kann doch alles nicht wahr sein. Das gibt es nicht. Niet! Niet!“ Er hämmerte mit den Fäusten auf den Felsen, schluchzte und schrie. So fand ihn schließlich Mae.

Sie nahm ihn in die Arme und wiegte ihn tröstend. Dabei murmelte sie fremdartige Worte, die beruhigend wirkten. Dann wurde ihr Tonfall schärfer. Sie wies ihn an, ihr zu folgen.
„Aks! Geh mit! Ich glaube nicht, dass du dumm bist, du bist nur anders“, sagte sie. Er verstand nur seinen Namen und ihr Handzeichen. Also stand er auf und folgte ihr den Weg hinab zur Höhle.

Von diesem Tag an hatte er weniger Zeit, sich über seine Andersartigkeit Gedanken zu machen. Mae lehrte ihn ihre Sprache.
„Es ist wirklich an der Zeit, zu lernen, wie diese Menschen reden“, sagte er sich. Jeden Tag lernte er mehr. Er hatte keine Wahl, er musste.

Er sehnte die Zeit herbei, die er mit Mae alleine verbrachte. Sie brachte ihm alle Worte bei und schon bald konnte er sich, wenn auch holprig, verständlich machen
Besonders wenn er mit Mae und den alten Leuten allein war, hatte er das Gefühl doch dazu zu gehören. Aber wenn die jungen Leute, die produktiven, von ihrer Tagesarbeit zurückkamen, fürchtete er, nur im Weg zu sein. Noch verstand er von den subtilen Zeichen und abstrakten Worten zuwenig. Abends wenn alle zusammen saßen, verzog er sich in seinen Winkel und beobachtete nur. Manchmal war er erstaunt über den Ausdrucksreichtum ihrer Gesten und Mimik. Die Sprache schien vielmehr aus Gesten zu bestehen, als aus Worten. Aber er verstand davon zuwenig. Damit musste man aufgewachsen sein. Als Erwachsener war es fast unmöglich zu lernen, die subtilen Zeichen richtig zu deuten oder auch nur passend einzusetzen. So wurde er häufig missverstanden.

Aus Langeweile hatte er wieder angefangen zu schnitzen. Das Material war zwar ungewohnt. Die Messer aus Flint lagen ungewohnt in der Hand. Seine Hände bluteten, aber er war zufrieden als er fertig war und das Ergebnis betrachtete.
Aus einer alten Wurzel hatte er das Abbild eines Mammuts geschnitzt. Sorgfältig hütete er die Figur, noch wollte er sie keinem zeigen, nur Mae wusste davon. Er hatte einige Messer verbraucht. Der Steinhauer, er wurde Groch genannt, war darüber nicht sehr erfreut. Groch war einer der Ältesten in der Sippe. Eer schaffte die langen Jagdzüge der Männer und jungen Frauen nicht mehr. Also blieb er in der Höhle und verbrachte seine Zeit damit, aus den Steinen Messer, Stichel, Speerspitzen und andere nützliche Gegenstände zu schaffen. Es war eine mühselige Aufgabe und es dauerte lange aus einem Stück Stein eine gute Spitze zu schaffen oder ein brauchbares Messer.

Alex beobachtete ihn oft. Eines Tages kam ihm die Idee, etwas Nützliches zu machen. Sehr zum Missvergnügen von Mae ging er allein in den Wald.
„Mae, ich gebe acht. Ich tu mir nichts“, versprach er in seiner holprigen Sprache. Er hatte wirklich nicht die Absicht, etwas Unüberlegtes zu tun. Er suchte nur ein Stück Holz, das für seine Idee geeignet erschien. Er wanderte mehrere Stunden alleine, ließ die Gedanken wandern, weit zurück in die Vergangenheit – oder Zukunft. Es war eine Sache der Perspektive. Als Zeitreisender in einer fernen Vergangenheit gefangen zu sein, das wünschte er nicht einmal seinem schlimmsten Feind. Es war mehr als furchterregend. Nein, es war unfassbar! Gegen Mittag ließ er sich an einem Bachlauf nieder, trank von dem kühlen Wasser und aß von den mitgebrachten Vorräten, obwohl er keinen Hunger verspürte, aber er hatte es Mae versprochen. Wie er so am Bach saß, dachte er wieder an den Kapitän. Wieder sah er sie vor sich, wie sie in der überheblichen Art von seinem Volk gesprochen hatte. Alex war sicher, dass die Samek bald nicht mehr existieren würden. Er war der letzte seines Volkes und sie wussten nichts davon. Oder war er der Anfang? Es war alles so paradox. Eigentlich dürfte es solche Situationen gar nicht geben. „Zeitreisen sind gegen die Natur und gegen jede Vernunft“, erklärte er den Vögeln, die in den Zweigen über ihm zwitscherten. „Sie schaffen nur unwirkliche Situationen, die ein normaler Mensch nicht fassen kann. Ach, Scheiße, was mache ich nur hier? Ich bin unnützer als der älteste oder das jüngste Sippenmitglied.“ Wieder umfasste ihn der Strudel der Unzulänglichkeit. Verstandesmäßig wusste er was ein Kulturschock ist, aber so richtig erlebt hatte er ihn erst hier. Mittlerweile war Alex mehrere Monate bei der Sippe, und er fühlte die Fremdartigkeit nach wie vor. „Es wird schwerer werden, wenn die Männer vom Jagdzug zurückkommen“, prophezeite er den Steinen auf denen er stand. „Grah tötet mich, wenn ich unnütz oder gefährlich bin – und wenn ich unnütz bin, bin ich eine Gefahr für die Gruppe. Es ist hart genug für alle den Winter zu überstehen und wenn sie noch mich mitfüttern müssen, wird es umso härter werden. Ich muss mir was überlegen. Irgendwas. Nur was?“ Stundenlang quälte sich Alex durch den Wald und das Dickicht seiner Gedanken. Es war schon weit nach Mittag als er sich auf den Rückweg machte. Mit Schrecken stellte er fest, dass er weiter gewandert war, als er wollte und es die Zeit bis zum Dunkelwerden zuließ. Er beschleunigte seinen Schritt und lief fast. Da stolperte er über eine Unebenheit. Der Länge nach fiel er und blieb liegen.
„Alles habe ich diesen Menschen zu verdanken und ich kann ihnen nichts geben“, brüllte er, als er so am Boden lag. Am liebsten hätte er sich jetzt in das weiche Erdreich vergraben. Nur der Gedanke an Mae, die sich Sorgen machen würde, heilt ihn davon ab, etwas Unüberlegtes zu tun. Da fand er rein zufällig genau das passende Stück Holz, nach dem er ausgezogen war. Es hatte die richtige Größe und Beschaffenheit. Er ging wieder am Bachlauf entlang. Als er an einer Stauung ankam, beschloss er ein Bad zu nehmen. Er zog sich aus, auch die Kleidung hatte ihm Mae geschenkt, und stieg ins Wasser. Unterwegs hatte er Zwergseifenkraut gefunden und sich in weiser Voraussicht einige Blüten mitgenommen. Jetzt gedachte er dieses Saponaria zu testen. Er zerrieb die Blüten zwischen zwei Steinen und gab etwas Wasser dazu. Als sich Schaum bildete begann er sich mithilfe eines Stücks Moos abzuschrubben. „Endlich geht der ganze Dreck runter. Ich hasse es zu stinken wie ein Iltis in der Brunft“, sagte er dem Wind und dem Wasser. Als er das Gefühl hatte, dass er nun wirklich sauber war, stieg er aus dem Wasser und kramte in seinen Sachen nach einem flachen Messer. Er hatte es zu seinem Schutz mitgenommen.Obwohl es zweifelhaft war, dass dieses Stück Stein ihm Schutz gewähren konnte, hatte es ihm das Gefühl der Sicherheit gegeben. Damit begann er nun im Blindflug den Bart abzuschaben. Es war mühsam und dauerte eine Ewigkeit. Glücklich fasste er sich an das haarlose Kinn. Tränen der Freude stiegen in ihm hoch. Dann genehmigte er sich noch ein Bad, jetzt rein an der Freude am Schwimmen. Hier war der Bach so weit aufgestaut, dass er ein wenig schwimmen konnte.

Die ganze Zeit wähnte er sich unbeobachtet. Hier konnte er sein, wie er war. Ein Mann des dritten Jahrtausends. Er durfte er selbst sein, auch wenn er in einer fernen Vergangenheit einer fremden, furchterregenden Zukunft entgegensah. „Alex Smirnov“, sagte er dem Spiegelbild im Wasser. „Du bist Alex Smirnov. Vergiss dich nicht, Junge.“

Als es dämmerte machte er sich auf den Rückweg. Er hatte die Taschen voller Seifenkraut und das Stück Holz nach dem ihm der Sinn stand.

Mae stand am Höhleneingang und starrte angestrengt in die zunehmende Dämmerung. Groch und die zurückgebliebenen Frauen fanden ihre Unruhe unbegründet und unnötig. Wenn sich der Fremde verirrte und starb, war das nicht ihr Problem – es löste eher eines. Bis jetzt hatte er sich als unbrauchbar erwiesen auch wenn er keine Gefahr für ihr unmittelbares Leben darstellte, wusste doch jeder, dass im Winter jeder zu Fütternde einer zuviel war. Und der Fremde war einer zuviel. Doch Mae hatte ihr Urteil gesprochen und so fügten sie sich. Mae war die Mutter, die Weise. Sie wusste, wo die Herden zogen, welche Kräuter bei welchem Leiden halfen. Mae konnte mit den Geistern der Pflanzen reden.

Endlich sah sie ihn. Und sie war schockiert. Er war kahl im Gesicht. „Aks!“, schrie sie. „Aks, was ist mit deinem Gesicht?“
„Nichts, nichts, Mae. Ich mich gewaschen und Haar weg. Gefunden.“ Er zeigte seine Sammlung an Seifenkraut. Nur das Stück Holz hielt er noch in einem Beutel verborgen. Daraus wollte er etwas schnitzen, was sie noch nicht hatten. Er hoffte, ihnen damit eine Freude zu bereiten. Aber erst musste er es herstellen.
Mae betrachtete ihn ungläubig. Sie fasste ihm ins Gesicht. Noch nie hatte sie einen erwachsenen Mann ohne Bart gesehen. Er wirkte fremd, aber nicht abstoßend und wie sie fand nicht unattraktiv. ‚Aks scheint sich ohne Haare wohl zu fühlen. Es steht ihm’, dachte sie und schluckte ihre zornige Rede hinunter. Sie war neugierig, was er für Kräuter mitgebracht hatte. Manchmal war sein Wissen erstaunlich.
„Nicht nützlich“, sagte sie, als er es ihr zeigte.
„Doch, viel tun“, erwiderte er. Dann holte er eine Schüssel Wasser, zwei Steine und zeigte ihr, wie man Seifenkraut verwendet. Mae hatte das in der Form noch nie gesehen und schaute interessiert zu.
‚Der weiß mehr als ich dachte. Ich hatte recht’, dachte sie zufrieden.

Alex blieb abends noch immer lieber für sich, zu groß war die Angst vor Zurückweisung. Wenn alle mit Essen fertig waren stand er auf und bat Mae um seinen Anteil. Manchmal war es mehr, meistens weniger. Das machte ihm nicht sonderlich viel aus. Mit der Schüssel begab er sich dann an sein zugiges Feuer und aß für sich alleine, tief in Gedanken versunken. Er wusste, dass er unter Depressionen litt, nur hatte er noch kein Kraut dagegen gefunden. Vielleicht ließ sich sein Leiden auch erst heilen, wenn er sich hier heimisch fühlte.
Nur wenn Abends die Sonne unter ging spürte er die Einsamkeit tiefer und je früher sie unter ging, desto tiefer stach sie ihn.

Schlimmer wurde es für ihn als die Männer und jungen Frauen vom letzten Jagdzug des Jahres zurückkamen. Mae hatte bereits einen Abend vorher ihre Ankunft angekündigt. Am Morgen wurde ein Kind auf den Felsen geschickt um Ausschau zu halten. Und tatsächlich gegen Abend kamen die Leute mit viel Fleisch in der Höhle an. Ein Teil davon war bereits getrocknet.
Grah war sehr zufrieden mit sich und den Jägern. Sie hatten reichlich Beute gemacht und es sah danach aus, als würden sie damit den Winter überstehen können. Dann viel Grah’s Blick auf Alex und sein Ausdruck wurde finster.
„Was? Der ist noch da?“, fragte er.
„Ja, er kennt Kräuter, die ich noch nicht kannte“, erwiderte Mae. „Er ist nicht gefährlich“, fügte sie hinzu.

Aber Alex verzog sich unter dem feindseligen Blick des Jagdführers in den letzten Winkel, ganz nah an den Höhleneingang drückte er sich, raffte die Felle um sich und fühlte sich einsamer als je zuvor. Er wagte sich nicht ans Gemeinschaftsfeuer. Dort ging es lange lustig zu. Es wurde gefeiert, gelacht und gegessen. Alex wusste, dass er nach dem Gesetz der Clans hier keinerlei Rechte hatte. Wieder war er am Bodensatz der Gemeinschaft angelangt. Manchmal fühlte er den Blick der Mutter auf sich ruhen. Aber er tat als schliefe er. Er wollte sie nicht sehen. Das Mitleid in ihren Augen konnte er nicht ertragen. Sei schien ihm bis in die Seele zu blicken.

Gegen Morgen ertrug er die Fröhlichkeit nicht mehr. Alex dachte, sich unbemerkt aus der Höhe stehlen zu können. Aber Mae hatte ihn beobachtet.

Tränenblind rannte er hinaus, hinauf auf den Felsen, der ihm Zuflucht geworden war, dort schrie er: „Warum nur hast du mich hierher geschickt? Was bringt es dir? Welche Befriedigung schafft es euch, verdammten Eumeriern, andere zu unterdrücken? Ich kann das nicht! Ich kann das nicht mehr aushalten! Niet, so nicht. So nicht.“ Heulend sank er zu Boden. So fand ihn wiederum Mae.
„Aks, komm. Aks! Alex“, sagte sie streng.
Er hob den Blick. Seine tränenverhangenen Augen zeigten ihm ein Bild der absoluten Schönheit. Mae. Seine Retterin.
„Alex, steh auf“, sagte sie wieder.
Er stand auf und wandte sich ihr zu, sah nur ihre ausgebreiteten Arme und warf sich in sie. Ganz fest drückte er sich an sie, küsste sie, immer heftiger. Dass sie seine Küsse erwiderte, bemerkte er nicht wirklich. Er küsste sie mit der Leidenschaft eines Ertrinkenden. Fühlte nur das Feuer der Einsamkeit, dass er mit ihrer Gegenwart löschen konnte.
Plötzlich wurde ihm bewusst, dass sie einen anderen Gefährten hatte und er ließ erschrocken von ihr. Wieder hatte er Angst gegen eines der ungeschriebenen Clangesetze verstoßen zu haben, wie schon öfter in den vergangenen Monaten. Er rannte den Abhang weiter hinauf und ließ eine verwirrte Mae zurück. Doch diese verstand die Zeichen zu deuten. Nachdenklich ging sie den Weg zur Höhle zurück. Ihr geliebter Gefährte Grah war noch wach und unterhielt sich mit Groch über den vergangenen Jagdzug.
„Grah, wir müssen reden“, sagte sie einfach. Der bedeutete Groch sich zu entfernen und wandte seine Aufmerksamkeit der Gefährtin zu.
„In welcher Funktion willst du mit mir reden, Mae?“, fragte er.
„Ich weiß es nicht, Grah. Es ist wegen Alex. In den letzten Monaten habe ich ihn gut kennen gelernt. Er ist nicht dumm, weißt du“, sagte sie einleitend.
„Willst du ihn in dein Bett einladen? Du weißt, dass du dir dein Vergnügen jederzeit holen kannst“, erwiderte er. „Ich halte es ja nicht anders.“
„Nein, das ist es nicht. Wenn es nur das wäre, gäbe es keine Probleme.“ Sie machte eine nachdenkliche Pause. „Ich glaube, er ist so sehr fremd, dass er es nicht fassen kann. Er ist so voller Angst. Du weißt es nicht, aber ich hole ihn fast jeden Tag vom Felsen herunter. Dort oben kauert er und weiß nicht, ob er springen soll oder nicht. Dabei hätte er uns sicher vieles zu lehren. Er ist nicht dumm, nur glaube ich, haben ihm die Geister einen Streich gespielt.“ Dann holte sie das Mammut hervor, das er geschnitzt hatte. Grah war erstaunt. So ein schönes Schnitzwerk hatte er noch nie gesehen. Es war so genau getroffen, dass man den Wind im Fell sehen konnte.
„Er hat das gemacht?“, fragte er, obwohl er die Antwort erahnte.
„Ja, Grah. Er hat das gemacht. Ich denke, er kann mit den Geistern reden, nur ist er so voller Angst, dass er sich selbst nicht mehr sieht. Alex besteht aus Angst.“
„Ist das sein Name? Aks?“
„Ja, und ich wollte dich bitten, wenn du nicht zu erschöpft nach deiner langen Reise und erfolgreichen Jagd bist, ob du nicht mit ihm reden könntest.“
„Warum? Ich sah ihn zuletzt am Höhleneingang. Er schien zu schlafen.“
„Nein, er ist hinausgelaufen, hinauf auf den Felsen.“
„Ich werde ihn für dich suchen, geliebte Gefährtin.“
„Ich danke dir, mein Geliebter, es liegt mir viel daran.“


Alex riss sich ernüchtert von Mae los. Er begehrte sie, mehr als jede Frau zuvor, aber sie hatte einen anderen Gefährten und in dieser Gesellschaft war er nichts. Deshalb entfernte er sich und lief den Weg weiter hinauf auf den Felsen. Tränen liefen seine Wangen hinab. Er hatte solche Angst wieder allein zu sein, abgeschnitten von ihr, jetzt wo ihr Gefährte wieder da war. Noch wusste er zuwenig über die Lebensweise des Clans. Unsicherheit und Angst vor Zurückweisung ließen ihn immer weiter laufen. Er lief und lief, bis ihm die Luft ausging. Sterne tanzten vor seinen Augen. Schwach fühlte er sich, schwach war er, hatte er doch seit dem Abend des vergangenen Abends nichts mehr zu sich genommen. Er wollte der Gemeinschaft so wenig wie möglich zur Last falle, also hielt er sich zurück und das Hungergefühl wurde mit der Zeit weniger. Nur der Hunger nach Zuneigung nahm zu. Je weniger Nahrung er zu sich nahm, desto größer wurde sein Hunger nach Liebe, nach Anerkennung, nach Zuwendung, nach Zugehörigkeit.
„Ich möchte doch nur ...“, schluchzte er in die Flechten unter sich. „Hat mich denn keiner mehr lieb?“, fragte er den versinkenden Mond. „Du hättest mich besser töten sollen! Verdammt seien eure Gesetze, nachdem es euch nicht mehr freisteht ein Todesurteil zu unterzeichnen!“, rief er dem Morgenrot zu.

Grah fand ihn so, schreiend, heulend. Aber er tat als bemerkte er ihn nicht. Er setzte sich einfach und redete seinerseits mit der Morgensonne.
„Ich verstehe zwar kein Wort, das der Verwandte da spricht, aber ich bin auch zornig, wenn er es ist. Sonnenaufgang hörst du mich?“
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Dann berichtete Grah von der Jagd. Wie erfolgreich sie gewesen waren und wie viel Fleisch sie hatten, dass es locker über den langen Winter reichen würde. Niemand müsste hungern, auch wenn die Sippe unerwartet gewachsen war. Er erzählte dem Morgen von dem sonderbaren Mann, der einfach vor ihre Höhle gefallen war und dem die Clanmutter sehr zugetan war, wie er von seinem Wissen teilte, ohne davon etwas zu ahnen, von der Rücksicht die er dem Clan gegenüber zeigte, indem er auf sein Essen verzichtete. Er erzählte von der Qual des Fremden, der sich hier nicht heimisch fühlen konnte, weil er so voller Angst und Zweifel war. Grah sagte viel, mehr als er wusste brachte er in dem Nichtgesagten unter.

Alex hörte stumm zu, konnte die Anerkennung in den Worten des Anführers nicht glauben, nicht fassen, dass er damit gemeint war. So weinte er umso mehr, weil er dachte, diese Worte nicht verdient zu haben. Zu oft in seinem Leben war ihm gesagt worden, dass er minderwertig war, unwert. Seit der Zeit auf der Universität war er als unwertes Lebewesen abgestempelt worden. Alles kam in den Worten Grah’s wieder hoch. Alex weinte um sein Leben, um die vergeudeten Momente, die nicht gesagten Worte. Wie gerne hätte er sich noch einmal von seinen Eltern verabschiedet.

Jetzt lag er hier im Plaistozän und wusste sich nicht zu helfen. Alle Schulbildung schien ihm unnütz, sein Leben war am Ende. So sah er sich – und der Abgrund lockte.

„Aber irgendwie Morgensonne, müssen wir den Mann davon überzeugen ein Mensch zu sein“, hörte er den Anführer weiterreden. „Mae glaubt er ist einer von uns, also glaube ich es auch. Mae ist die Mutter, sie weiß alles.“

„Mutter! Mutter!“, rief nun Alex. „Mutter, komm doch zu mir! Hilf mir! O Mutter, hilf mir!“

Grah verstand nicht die Worte, aber den Sinn der dahinter stand. Rasch rannte er zur Höhle und holte Mae.
„Er braucht eine Frau“, war alles was er sagte.

Mae fand den Verzweifelten am Abhang stehen. Noch immer rang er mit sich, wie jeden Tag. „Alex, tu es nicht“, sagte sie. „Bleib bei uns. Sei einer von uns.“ Sanft berührte sie ihn an der Schulter. „Komm zu mir, ich will dich.“
Alex stand still, wusste nicht, was er denken und glauben sollte, war doch sein Minderwertigkeitskomplex so tief verankert, dass er nicht so schnell daraus hervor konnte.
„Alex, dreh dich bitte um und schau mich an. Blick mir in die Augen.“
Langsam drehte er sich um und schaute in die feuchten braunen Augen der Frau, die ihn vom ersten Augenblick an angenommen hatte.
„O Mae!“, rief er. „O Mae! Wenn du wüsstest, aber du wirst es nie wissen.“ Er sank an ihre Brust und hielt sich krampfhaft an ihr fest. In dem Moment war sie die Mutter für ihn, nicht mehr die Frau, in die er sich in den letzten Monaten verliebt hatte.
„Nein, ich werde es nie verstehen, Alex. Aber du kannst einer von uns werden.“ Bestimmt nahm sie sein Gesicht in die Hände, wischte sie Tränen fort und blickte ihm fest in die Augen. „Du kannst einer von uns sein, du musst es nur selbst wollen.“
„Ja, Mae.“
Dann nahm sie ihn an der Hand und führte ihn in die Höhle.

Dort dachte Alex, er würde vor Schreck versteinern, sein Platz am Höhleneingang war leer. Suchend blickte er sich um. Da sah er Grah winken.
„Dort ist es zu kalt“, sagte er einfach. „Und jetzt schlafen wir alle mal den Tag über und feiern am Abend. Es gibt einiges zu feiern, Leute. Schlaft wohl.“ Damit rollte sich der Anführer in die Felle und schnarchte.

Mae zog Alex lächelnd an das Feuer der Anführer. Er wusste nicht, wie ihm geschah, womit er sich diese Ehre verdient hatte, denn eine Ehre war es.
„Denk nicht an das was gewesen ist, Alex“, sagte sie und zog ihn zu sich heran. Doch Alex war noch so gefangen von sich widerstreitenden Gefühlen, dass er kaum denken konnte. „Alex, willst du mich nicht mehr?“
Das brachte ihn in die Gegenwart. Er sah Mae, die ihn erwartungsvoll anblickte, Grah, der zustimmend lächelte und sich dann in seinen Fellen wieder umdrehte. Er verstand diese Kultur nicht. Hier war so vieles anders als zuhause. Nur, daheim würde sonst nirgends mehr sein. Das einzige Zuhause, das sich anbot war hier – bei Mae. Da wollte er sein.

Ein tiefer Seufzer entrang sich seiner Brust und er nahm sie ganz fest in die Arme.
„Du weißt gar nicht, wie sehr ich dich will“, flüsterte er.


Seit diesem Tag bin ich wieder ein Mensch. Der Clan hat mich vieles gelehrt und nun stehe ich auf dem Felsen, blicke ins Tal und frage mich, ob es nicht doch klüger gewesen wäre, mich von den wilden Tieren zerfleischen zu lassen.
Herbst 2018
***to Mann
4.270 Beiträge
Liebe Herta.
Vielen herzlichen Dank für diese Geschichte und deine tolle Fortsetzung.

Ich mag einfach Geschichten mit Zukunft.

Die ohne werden auf der Erde genug gezeigt...

Heinrich
@anhera
Oh man, schnief, und das am frühen Morgen. Ich habe gerade die ganze Geschichte am Stück durchgelesen und mir sind die Tränen nur so runtergelaufen. Da ist wohl so einiges bei mir berührt worden, das mir nicht bewusst war.

Danke liebe Anhera, für diese wunderbar menschliche und so berührende Geschichte.

Geht sie noch weiter? (Hoffnungsvoll fragend)

So wie Alex wird es auch heute Millionen Menschen gehen, die ihr Land verlassen (müssen) und in einer neuen Welt stranden und mit all dem Andersartigen konfrontiert werden. Dabei wollen sie wohl alle nur ein friedliches, menschenwürdiges Leben führen.

Die Nordfrau
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Danke
Danke, danke. *blume*


Ja, sie geht weiter ...

Liebe Grüße
Herta
Wie schön...
... dann freu ich mich schon mal darauf und bin gespannt auf´s *les* !

Bis dann

Liebe Grüße von
Simone
Wieder mal die aktuellen (oder niemals endenden) Fehler der menschlichen Rasse in den Sucher genommen und in eine fulminante Geschichte gepackt *top2*
Die Entwicklung gefällt mir - ich bin gespannt wohin seine wiedersprüchlichen Gefühle Deine Hauptfigur noch führen werden .

Gespannt auf die Fortsetzung wartend.......
Joe.
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Diesem Kommentar von Joe kann ich mich unumwunden anschließen!

Ich frag mich nur, ob wir Menschen es jemals lernen. Oder warum so viele es ums Verrecken nicht lernen wollen ...

Und ich bin ebenfalls gespannt.

(Der Antaghar)
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Danke
*rotwerd*

Ich arbeite am Schluss ... ihr werdet staunen *smile*
Ich staune selber, aber mehr über mich. *oh*


Liebe Grüße
Herta
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Alex lebte sich jetzt etwas ein. Er war zwar nach wie vor wortkarg und hielt sich zurück. Einerseits hatte er soviel Wissen in sich, das er den Menschen hier geben konnte, andererseits nagte der Zweifel an ihm, ob es so gut wäre, es zu teilen.
„Es ist ein Eingriff in die Vergangenheit. Ich kann ihnen nicht einfach so etwas von der Zukunft geben“, murmelte er. Oft redete er mit sich selbst in seiner Sprache. Mae beobachtete es mit Besorgnis. Sie fürchtete, dass er wieder in diese sonderbare Schwermut zurückfiel. Nur zögernd hatte sie zugestimmt, als er sein Lager wieder am Höhleneingang aufschlagen wollte.
„Mae, mir geht’s gut. Danke, aber ich brauche einen Platz nur für mich“, hatte er ihr glaubhaft versichert. Er war noch immer fremdartig, das würde sich wohl nie ändern. Schon alleine sein Äußeres sprach Bände. Er war größer als die meisten und er entfernte sich täglich den Bart, darauf schien er großen Wert zu legen. Auch auf ein Bad im nahen Bach verzichtete er selten. Anfangs hatte sie das belustigt und sie war ihm ein paar Mal heimlich gefolgt und hatte ihn beobachtet.

Alex suchte oft den kleinen Biberteich auf, schwamm dort einige Runden und verwendete dann das Seifenkraut. Hier fühlte er sich nicht unter Druck und ließ seinem Selbst freien Lauf. Er redete mit den Bäumen, schlanke Birken wuchsen hier, mit den Kräutern am Ufer und mit den Vögeln. „So viele Erkenntnisse habe ich gewonnen. Kein Mensch aus meiner Zeit wird das je erfahren – und ich wünsche es auch niemanden. Ich werde ihnen etwas geben, etwas, das die Zukunft nicht verändern kann, oder doch nicht so sehr, dass es gefährlich werden könnte“, sagte er und tauchte unter. Das Wasser war klar und kalt. Bis zum Grund tauchte er hinab und ahnte nicht, dass Mae vor Schreck aus ihrem Versteck gelaufen kam. Erst als er freudestrahlend wieder auftauchte und atemlos lachte, bemerkte er sie. Abrupt verstummte er. „Alex, du hast mir Angst gemacht“, war alles was sie sagte. Schon wollte sie umkehren, aber er rief sie zurück. „Warte. Warte. Ich wollte dir keine Angst einjagen. Sieh nur, was ich da unten Schönes gefunden habe“, sagte er und stieg aus dem Wasser. Er hielt seinen Fund in der ausgestreckten Hand und sie betrachtete den Stein bewundernd.
„Er gehört dir. Nimm ihn, Mae.“ Energisch drückte er ihr den Stein in die Hand und schloss die Finger darum. Dann wickelte er sich in die Felle und band sie mit einer Sehne fest. „Eine Nadel!“, schrie er. „Das ist es! Mae! Das kann ich euch geben!“ Er führte einen Freudentanz auf und Mae fragte sich, ob er jetzt komplett durchdrehte. Alex sprang zwischen den Birken herum, sang und redete in seiner Sprache, das verwirrte Mae noch mehr.
„Komm, lass uns zurück gehen. Ich muss mit Groch reden.“
„Was hast du?“
„Eine Idee, Mae, eine Idee, wie ich mich nützlich machen kann.“
Noch nie hatte sie ihn so glücklich gesehen. Die Freude sprang aus den blauen Augen und zuckte um seinen Mund. Danach lachte er nie wieder.

Bei der Höhle angekommen näherte er sich langsam Groch, er hockte an seinem Platz und bearbeitete gerade einen Stein. Alex fragte sich, ob ihn der Steinbearbeiter verstehen würde. Beiden fehlten die richtigen Worte um zu sagen was sie meinten.
Er ließ sich neben Groch nieder und wartete bis dieser seinen Schlag ausgeführt hatte, erst dann sprach er ihn an. Geduld war etwas, das er mühsam wieder lernen hatte müssen. Zeit spielte hier keine Rolle – sie hatten nicht einmal eine Bezeichnung dafür.
Pling – machte es und Groch brummte zufrieden.
„Schön“, sagte Alex bewundernd und er meinte es so. Es war eine perfekte Speerspitze geworden. Nun hatte er die Aufmerksamkeit des anderen Mannes.
„Groch, ich weiß, du magst mich nicht besonders, weil ich so viele Messer verbrauche. Aber ich möchte dich um noch eines bitten.“
„Was willst du damit machen? Sie stellen sich nicht so von selbst her“, erwiderte er unwirsch.
„Ich weiß, Groch. Nur noch eines, wenn dir nicht gefällt, was ich herstelle, dann werde ich dich nie wieder um Werkzeug bitten.“
Neugierig geworden gab er schließlich nach. Alex nahm unter vielen Verbeugungen und Danksagungen das Messer entgegen. Dann verzog er sich an sein kleines Herdfeuer, entfachte es erneut, weil es hier kälter als draußen in der Sonne war – die letzten Herbststrahlen fielen sanft vom Himmel. Aber alles erzählte bereits vom Winter. Alex wollte nicht an die kalte Jahreszeit denken. Dagegen war es in seiner Heimat warm gewesen und er wäre hier eingesperrt, könnte nicht an den Bachlauf und im Bibersee tauchen. Er musste dann wieder seine Persönlichkeit beschneiden um hier bestehen zu können. Einzig Mae und wenn ihm der Sinn danach stand, auch Grah begegneten ihm freundschaftlich. Das Bett hatte er noch einige Male mit Mae geteilt, aber er fühlte sich nicht gut dabei. Es war nicht, dass ihn alle beobachteten, es war eher so, dass sie ihn holte, wenn ihr danach war. Das bedrückte ihn und er hatte begonnen diese Begegnungen abzulehnen.

So schlug er jetzt die Beine unter, betrachtete die Knochen, die er aus einem Haufen geholt hatte. Er wählte verschiedene aus und begann zu schnitzen. Feine Späne flogen davon, landeten im Feuer oder auf seinen Schlaffellen. Er achtete nicht darauf, sondern senkte seine Konzentration in den Knochen und den Stein in der Hand. Blut tropfte zu Boden. Auch darauf achtete er nicht. Während er schnitzte, sang er leise vor sich hin. Es war ein Spottlied, dass die Kommilitonen in der Uni immer gesungen hatten, wenn er mal wieder das Wochenende alleine verbracht hatte: „Alex der Mönch … was kann er schon, was ist er schon, verschwend kein Ton, er ist ein Hohn – Smirnov, Smirnov, schnür dir lieber die Kehle zu, Sumpfratte du. Samek, Samek lass das …“ Erschrocken hörte er auf, die Ungeheuerlichkeit was er da gesungen hatte, kam ihm urplötzlich zu Bewusstsein. Und das Lied war viel länger und gemeiner. Er betrachtete das Messer, das wie zufällig an der Arteria radialis zu liegen gekommen war. Nur ein kleiner Schnitt um das Leben mit dem Tod zu verbinden. Gedankenlos saß er da und merkte nicht, wie ihn die Clanmitglieder anstarrten. Sie hatten seinem Lied gelauscht und an seiner Haltung ihre Schlüsse über den Inhalt gezogen.
‚Er ist noch immer keiner von uns – ich glaube er wird es nie’, dachte Mae und wandte sich ab und bedeutete auch den anderen zu gehen.
‚Solange er an den Schnee des letzten Winters denkt, wird sich nichts ändern. Aber vielleicht kann er das nicht, vielleicht sind die Wurzeln zu tief. Ich weiß es nicht. Mutter, wie kann ich ihm helfen? Ich habe nicht verstanden, wie fremd er wirklich ist. Er hat einmal versucht es mir zu sagen, aber dafür gibt es keine Worte.’

Entschlossen schluckte Alex die aufkommende Wut hinunter, legte das Messer zur Seite und betrachtete die Ahle. Sie war noch nicht ganz fertig. Wieder war er in Gedanken versunken und sang vor sich hin. Er schritt in die Dämmerung hinaus und ging zum Arbeitsplatz des Steinhauers hinüber. Der war ihm misstrauisch gefolgt. Aber Alex suchte nur in den Abfallsteinen herum, den unbrauchbaren mit Fremdgestein durchzogenen Bruchstücken. Er nahm zwei flache, runde Bruchstücke und ging wieder an seinen Platz. Mittlerweile war es dort fast zu dunkel um noch zu arbeiten. Er legte einen Ast auf das Feuer und es wurde etwas heller. Ganz in die Ahle versunken, legte er die Stirn in Falten und spitzte den Mund. Ein leiser Pfiff entfuhr ihm.

Am Gemeinschaftsfeuer wurde gelacht, erzählt und gegessen. Alex bemerkte es nicht. Er war in Gedanken gar nicht in der Höhle – weit weg war er, in einer anderen Zeit, einer anderen Umgebung, unter Leuten die ihn nicht mochten oder die ihre Sympathie nicht zu zeigen wagten. Während er an die vielen Menschen dachte, denen er nie wieder begegnen würde, feilte er an der Spitze der Ahle. Dazu legte er einen Stein mit der rauen Seite nach oben auf den Boden, die Ahle obenauf. Vorsichtig strich er langsam mit dem anderen Stein darüber. Er hielt die Luft an, als er glaubte fertig zu sein. Dann betrachtete er sie im Schein des Feuers und er stieß den Atem in einem Zischlaut aus.
„Gerade ist sie nicht geworden. Mal sehen, ob sie funktioniert“, murmelte er und entfernte die Fußlinge. Dann legte er sie auf einen flachen Stein und begann damit am Rand Löcher zu machen. Als das erledigt war nahm er die Sehne und schob sie mit der Rückseite der Ahle durch das erste Loch. Einmal oben durch, einmal unten durch. Bis er einmal rundum war, dann probierte er den Fußling, ob er noch passte.
„Juhu! Alex ist kein Volltrottel, nein, nein, nein ihr verdammten Staubfresser, ihr Wichser!“ Er hopste um die Feuerstelle herum und schrie und sang immer wieder den gleichen Satz, bis ihn Grah zornig unterbrach.
„Aks! Was soll das? Hier versuchen Leute zu schlafen und du machst soviel Lärm!“
Erschrocken erstarrte Alex mitten in der Bewegung und senkte den Blick. Er hatte ganz vergessen, wo er sich befand und wie spät es geworden war, während er in seine Arbeit vertieft gewesen war.
„Entschuldige Grah. Ich bin leise“, sagte er und setzte sich. Grah brummte und begab sich wieder an seine Lagerstatt.
Jetzt erst merkte Alex, dass er hungrig war und durstig. Er hatte vergessen, sich etwas zu holen und nun wagte er nicht ans Gemeinschaftsfeuer zu gehen, aus Angst jemanden zu wecken. Also schlich er hinaus.

Die Nachtluft war frostig und verkündete den nahenden Winter. Der Bachlauf hatte schon Eisränder, die wie lange Finger ins Wasser ragten. Zitternd legte er sich auf den Boden und schöpfte mit der hohlen Hand Wasser. Das Eis warf ein verschwommenes Spiegelbild und er erkannte seinen Fehler.

Mit heftig klopfendem Herzen richtete er sich auf, lehnte sich an den nächsten Baum und dachte nach. Er sah sich mit den Augen des Wissenschafters. „Ich darf nicht vergessen, wer ich bin“, sagte er sich wieder einmal. „Ich darf ihnen kein Geschenk machen, niet, niemals, darf ich ihnen von meinem Wissen schenken.“ Das Entsetzen dieser Erkenntnis trieb ihm den Schweiß auf die Stirn. Er sprang auf und rannte zu seinem Feuer. Dort riss er hektisch die Fußlinge runter und überlegte, wie er sie entsorgen konnte. Dann suchte er nach der Ahle und betrachtete sie lange. Tränen rannen ihm übers Gesicht, als er sie mit einem schweren Stein zerschlug. Mit den Fußlingen ging er wieder hinaus. Der Morgen nahte. Ganz ferne im Osten sah er einen blassen Schimmer.

„Niemals darf ein Zeitreisender in die Entwicklung einer Kultur eingreifen, ganz gleich was es ihn selbst kosten mag“, zitierte er sich selbst. Er hatte ein Buch über historische Zeitreisen verfasst, es war in bestimmten Kreisen zu einem Bestseller geworden. „Ich darf ihnen nichts schenken und keine Kinder zeugen – niemals, sonst ändert sich alles. Das darf nicht geschehen, auch wenn ich es mir wünsche und ersehne. Ich muss der dumme Aks bleiben.“ Dann vergrub er die Fußlinge.

Mae hatte seinem Treiben zugesehen und seinen fremden Worten gelauscht. Sie würde ihn so gerne verstehen, seine Gedanken teilen, aber er ließ es aus einem ihr unbekannten Grund nicht zu. Es hatte sie auch gekränkt, dass er nicht mehr die Felle mit ihr teilen wollte. Der Gedanke daran machte sie wütend. Wie konnte er nur so ein Geschenk zurückweisen und nun benahm er sich schon wieder so eigenartig.

Alex erhob sich, drehte sich um und wäre fast mit Mae zusammen gestoßen. Sie funkelte ihn zornig an.
„Was denkst du eigentlich, wer du bist? Wir helfen dir und du benimmst dich immer undankbarer! Ich bedaure schon, dich hier überhaupt willkommen geheißen zu haben. Sag mir, wer du bist und was du bist!“
„Mae, ich – ich – ich kann es dir nicht erklären. Du hast keine Worte dafür.“
„Versuch es!“ Ihre Stimme klang schneidend.
„Ich komme aus, aus, aus einer Zeit, die unzählige Winter vor dir liegt. Ich bin nicht dumm, wie ihr vielleicht denkt, aber mein Wissen könnt ihr nicht brauchen.“ Er verschwieg ihr, dass sein Wissen sie in der Entwicklung weit voran bringen könnte.
„Du lügst!“
„Nein, Mae, es ist die Wahrheit. Und es ist mir verdammt schwer gefallen es dir zu sagen.“
„Du lügst!“, rief sie wieder.
Jetzt war es an Alex wütend zu werden. „Glaub doch was du willst, verdammt noch mal. Ich bin es leid – ich bin es so leid, immer nur der Letzte zu sein, das kannst du mir glauben.“ Damit drehte er sich um und stapfte in den Wald. Dass er barfuss war und zuwenig Kleidung anhatte war ihm egal. Er wollte nur weg – weg von Mae und ihren Anschuldigungen.

Lang lief er so dahin, immer den Bachlauf entlang, das Hirn leer, die Füße wund. Immer wieder stolperte er über Wurzeln und Steine, schlug sich die Knie auf und lief weiter. Endlich holte er sich selbst ein. Es hatte keinen Zweck. Hier konnte er nicht weglaufen – und schon gar nicht vor sich. Laut schreiend sank er an einer geraden Birke herab und warf seinen Kopf immer wieder dagegen.
„Ich will nicht immer der Letzte sein! Ich will auf gleicher Höhe stehen, nicht auf die Gnade anderer angewiesen sein, ihre Hilfe erbetteln müssen und mich dafür dumm stellen. Niet! Dmitro Smirnov, dein Sohn ist nicht dumm, er ist Akademiker! Myra Smirnova dein Sohn lebt noch!“, rief er den kahlen Bäumen zu, so laut, dass die Krähen aufschreckten und laut kreischend davon flogen. „Nein, nicht tot und nicht dumm – aber beides ist er, für alle Zeit und alle Welt“, schloss er resigniert.

Blutverschmiert lehnte er am Baum und schöpfte Atem. Der Kopf tat ihm weh, die Knie und die zerschnittenen Hände. Die Einsamkeit hatte sich durch seine wissenschaftliche Analyse der Situation noch vertieft. Er beschloss hart zu werden, sich nichts mehr anmerken zu lassen. Wenn er leben wollte, musste er es tun, er musste eine Mauer errichten, die dicker war als je zuvor. Ganz tief musste er sich zurück ziehen. Es genügte, wenn er funktionierte.

Also stand er auf. Atmete ein paar Mal tief durch und ging langsam zum Lager zurück. Die Sonne stand schon hoch am Himmel, sie musste die Mittagsstunde bereits überschritten haben, als er die Leute am Höhleneingang bemerkte. Mae drehte sich um, als sie ihn sah und ging hinein.

Stumm ging er an den anderen vorbei, hin zu ihrem Feuer. Dort verharrte er in demütiger Haltung bis sie ihn ansah. „Es tut mir leid“, sagte er schließlich leise. „Ich habe gelogen, du hast recht.“ Sie nickte nur und er ging müde zu seinem kleinen Lager am Höhleneingang. Dort rollte er sich zusammen und zwang sich zu schlafen.

Ich bin hart geworden – beinhart ist meine Schale. Nichts kann sie durchdringen. Nur so kann ich überleben. Mein Glaube an die Menschen ist versiegt. Ich glaube nichts mehr.
Irgendwann werden mich die wilden Tiere zerfleischen, wenn ich es nicht selber mache. Ich habe gelernt mich selbst zu verleugnen, ich bin der letzte in der Reihe, der letzte meiner Ahnen – dabei wollte ich nur auf gleicher Höhe stehen.
Aber es gibt kein Zurück – die Zukunft muss ihren Lauf nehmen.


(c) Herta 1/2010
Zweimal Gänsehaut , einmal Brrrrr und ein..... .ach verdammt.....am Ende.

*bravo*

OhnewortevordemRechnersitzt
Joe
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Tja, was soll ich schreiben?

Am besten nichts - bin beeindruckt und sprachlos ...

(Der Antaghar)
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****ia Frau
22.263 Beiträge
und ich habe so sehr auf ein glückliches Ende gehofft!
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Danke
fürs Lesen und Mitfühlen - ich bin noch immer etwas zittrig von der Schreiberei und den ganzen Gefühlen auf die ich mich da eingelassen habe.

Das Ende konnte nur so sein. Es gibt kein Zurück, man kann das Rad der Zeit nicht zurückdrehen. Ich habe lange überlegt mir alle möglichen Szenarien durch den Kopf gehen lassen, die Reaktionen der Protagonisten und wie sich das auf eine nicht näher beschriebene Zukunft auswirkt oder auswirken könnte.

Ein rational denkender Wissenschafter konnte sich nur so entscheiden.


*sonne* Herta
Und wegen wem, wegen was
sieht es jetzt auf der Welt so aus?
Weil "schlaue" rationale, also ihr Wissen und Fühlen portionierende Menschen aus Rücksicht, oder Angst oder später Habsucht und Machtgier angefangen haben, Mauern zu bilden. In sich und um sich.
Jetzt hat er statt einer Nadel, die sowieso erfunden wurde, die Saat des Einmauerns und Versteckens gesät.
Und er hat die Verantwortung, die Aufgabe, die ihm sein Wissen gibt, die Möglichkeit, ein Teil seiner Gruppe zu werden,verweigert.
Wer weiß, wie so manche Erfindung gefunden oder gebracht wurde. Ewig lange nur in einem kleinen Winkel der Erde existiert hat und wenn die Zeit reif war, sich endlich verbreitet.
Vielleicht hat er damit ja verheerend eingegriffen?
Da ich weiß, dass wir ziemlich ähnlich ticken, und ich auch ein Zögerling bin, der Angst vor der eigene Courage hat, seinen Talente fast verkommen läßt, bevor er sie nutzt...... habe ich den Verdacht, dass du, wie ich es auch bei mir kenne, der ängstlichen Vernuft (anstatt der weisen Voraussicht, wie es aussehen soll) die Herrschaft über die Richtung deines Denkens gegeben hast.
Aber es kann natürlich auch sein, dass das nur mein Film ist, da auch ich vor Macht und der Verantwortung des Scheitern, des möglichen Mißbrauchs und dem was sich daraus entwickeln könnte, zurückschrecke. Obwohl ich mir immer öfter eingestehen muß, dass ich das vorschiebe, um eben nicht schuldig zu werden.
Dabei werde ich es gerade deshalb. Nur habe ich jetzt einen Weiße Weste und die Anderen sind die Bösen. In meinem Fall, wurde ich gerade deshalb schon zu oft zum Opfer. Oder Täter?!

Damit will ich nur zeigen, dass ich mitgefühlt habe, mitfühle und leide.
Deine Geschichte und deine Schreibe haben mich richtig mitgenommen
und das macht sie grandios!!!!!!!!!!!
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
@ Olove
Zuerst einmal Danke *blume*

Und dann: Ja, ich habe da die sprichwörtliche Hose runter gelassen und mich hier ein Stück weit selbst präsentiert, leider ist es mir viel zu spät bewusst geworden, nämlich erst vor zwei Stunden *oh*

Aber ich wollte auch keine rosarote Zukunft kreieren.

Ich stelle mir einen Menschen vor, der aus einer hochtechnisierten Welt in die Steinzeit geschleudert wird - da tickt nichts mehr normal, absolut nichts mehr. Da ist die Bezeichnung "Kulturschock" nur mehr eine freundliche Umschreibung. Stell dir vor, du kennst nichts mehr, die Welt sieht ganz fremd aus. Die Leute sehen anders aus, jeder begegnet dir mit Misstrauen, alle deine Fähigkeiten sind nichts mehr wert.

Dann ist der einzige Schutz den man hat, der eigene Verstand um nicht den Verstand zu verlieren.

Nochmals vielen Dank für dein Kompliment *freu*


Herta


PS.: Das hab ich noch vergessen: Wer weiß, wie es aussieht, wenn ich die Geschichte gründlich überarbeitet habe *smile*
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Olaf ist schuld ...
ich sags nur mal so, dass ich die Geschichte noch ein bissl weiterspinne *zwinker*

*freundchen* na warte, wenn ich dich mal erwische, dann bekommst du *bussi* gelle *zwinker*


Herta *tipp* und weiter im Plaistozän verharrt *frier*
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Der Schluss hat eine Fortsetzung bekommen ;-)
Ja, die Zukunft muss ihren Lauf nehmen. Laufen wird sie so oder so, ganz gleich was ich mache oder nicht. Wieder stehe ich an der Klippe und betrachte das Land.

Lange hatte Alex gebraucht um sich in die Gemeinschaft zu integrieren. Immer wurde er von der Angst vor Ablehnung begleitet. Noch immer bewohnte er das Lager am Höhleneingang aber er war immer öfter auch am Gemeinschaftsfeuer anzutreffen. Mae sah es mit Befriedigung. Nach dem heftigen Streit war sie so wütend gewesen, dass sie die Wahrheit seiner Worte nicht sehen wollte. Er zog sich danach immer mehr zurück, das gab ihr zu denken. ‚Vielleicht hat er mir am Bach doch die Wahrheit gesagt’, überlegte sie in einer langen Winternacht. Draußen pfiff der Wind und schickte immer wieder etwas Schnee durch den Windschutz. Alex hatte es mit Mühe geschafft sein Feuer selbsst in Gang zu bringen. Er wurde immer geschickter, was den Umgang mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln anging. Groch gab ihm keines seiner Werkzeuge mehr, also hatte er angefangen, sich selber Messer zu machen. Er war dem Werkzeugmacher gefolgt um zu sehen, wo er sich die Steine besorgte. Dann hatte er ihn genau beobachtet und es selbst versucht. Im langen Winter der vor ihnen lag, konnte man viele Werkzeuge machen und auch andere Dinge herstellen.

Mae registrierte auch das mit einem Lächeln. Sie hoffte, dass das Anderssein irgendwann einmal keine Rolle mehr spielen würde. ‚Ich muss mit ihm sprechen. Es geht nicht, dass er mir ausweicht’, dachte sie. Aber so schnell fand sich keine Gelegenheit. Es galt zuerst die Vorräte zu sichten und in Sicherheit zu bringen. Der Vorrat an Feuerholz musste ergänzt werden und Vielerlei andere Kleinigkeiten waren zu erledigen. Alex half überall mit, zumeist wortlos. Er schonte sich nicht und schleppte täglich Unmengen an Holz heran. Damit würden sie leicht über den Winter kommen.

Alex hatte sich überwunden und ging nun zum abendlichen Essen ans Gemeinschaftsfeuer. Er hielt sich noch immer zurück, sagte nichts und hielt die Mauer aufrecht. Aber daran schien sich keiner zu stören. Er war sehr stolz als er seine erste Schüssel geschnitzt hatte. Das war nicht so einfach gewesen, wie er anfangs dachte. Das Holz war hart gewesen und das Messer nicht gerade von der Qualität, wie sie Groch herstellte. Aber er hatte es mit einer guten Portion Sturheit geschafft. Außerdem war es eine Ablenkung, wenn er nicht raus konnte.

Wenn draußen ein Sturm tobte, blieb er meistens für sich an seinem Feuer und bearbeitete Holz oder Stein. Manchmal kam ihm das Spottlied über die Lippen. Er wusste selbst nicht, warum er sich das immer wieder antat, aber es ging automatisch, ohne sein bewusstes Zutun waren die Worte im Kopf und lähmten ihn. Jahrelange Unterdrückung lassen sich nicht innerhalb einiger Monate überwinden.

Es war ein sonniger Wintertag, der Sturm hatte sich in der Nacht gelegt und draußen glitzerte eine Schneelandschaft. Jeder der konnte, ging hinaus. So auch Alex. Er nahm seine Felle, alle die er hatte, einen dicken Stock, seinen Beutel mit dem Seifenkraut und ging in den Wald. Mae erschrak als sie ihn so bepackt davon stapfen sah, also ging sie ihm nach. Vielleicht ergab sich ja eine Gelegenheit zum Reden.

Alex fühlte sich seit Wochen wieder frei. Er sog die frische Luft gierig ein, sogar ein Lächeln stahl sich in sein Gesicht. „Hallo Biberburg, na, alter Nager, schläfst du gut“, sagte er als er am Teich ankam. Dann legte er seine Sachen ab und ging mit dem dicken Stock auf das Eis. Mae blieb hinter einem Gebüsch stehen und beobachtete ihn, wie er begann das Eis aufzuhacken.

Als er ein ausreichend großes Loch geschaffen hatte, sprang er hinein. Sie hörte ihn kurz keuchen wegen der Kälte, aber dann war sie doch überrascht als er lachte. Seit Monden hatte er nicht mehr gelacht. Dann machte er den reinigenden Schaum und begann sich abzuschrubben, dabei pfiff er vor sich hin. Mae verwirrte das Verhalten. Hier war er immer ganz anders als in der Höhle. „Na, du neugieriger Hase, mach, dass du fort kommst bevor ich einen Stein erwische und du in meinem Kochtopf landest“, sagte er lächelnd. Ihr fiel auf, dass er nicht mehr sooft in seiner Sprache redete und auch wie verständlich er sich ausdrückte. Nach dem Einseifen tauchte er wieder laut prustend unter. Wieder an Land wickelte er sich in alle mitgebrachten Felle und versuchte sich aufzuwärmen. Mae hatte nicht gewusst, dass er sogar im Winter baden ging.

Als er entspannt dalag, die Augen in den Himmel gerichtet, trat sie aus ihrem Versteck.
„Alex, wir müssen reden. Es tut mir leid, dass ich dir nicht geglaubt habe. Ich hatte einfach Angst vor dem was du mir gesagt hast“, sagte sie rasch bevor sie der Mut verließ.
Mit einem Ruck saß er aufrecht da und starrte sie an. Noch immer war sie für ihn die schönste Frau die er kannte, auch wenn sie fremdartig war und nicht dem Schönheitsideal seiner Herkunft entsprach. Das war ihm gleichgültig. Mae’s Schönheit ging tiefer.
So saß er jetzt nur sprachlos da und starrte sie an.
„Ich möchte wissen, was du in jener Nacht geschaffen und dann in deiner Verzweiflung zerstört hast.“
Alex schluckte ein paar Mal. Er hatte gehofft, dass ihm Fragen dieser Art erspart blieben. Aber früher oder später mussten sie auftauchen.
Er erhob sich, wickelte die Felle fester um sich, breitete eines auf den Boden und lud sie mit einer Handbewegung ein, darauf Platz zu nehmen.
„Es wird vielleicht länger dauern, Mae und es ist weniger kalt auf einem Fell zu sitzen, wenn wir nicht in der Höhle darüber reden wollen.“
Als sie so nebeneinander saßen, ihre Körper sich beinahe berührten, wusste er vor Beklemmung nicht was er sagen sollte. Das Schweigen zog sich in die Länge und er hatte keine Idee, wie er anfangen sollte.
Mae half ihm. „Wir waren am Tag davor hier. Du hast mir einen schönen Stein geschenkt und dann bist du wie von Sinnen herumgelaufen, hast gelacht und gesagt, du könntest dich nützlich machen. Ich meine, du machst dich auch jetzt nützlich, packst überall mit an. Woran hast du in der Nacht gearbeitet. Es muss etwas geworden sein, weil deine Freudenschreie die ganze Höhle geweckt haben. Und kurz darauf habe ich dich mit einem Stein etwas zertrümmern sehen. Ich hatte den Eindruck, dass du dich damit selbst erschlagen hast.“
Alex starrte sie nur an. Er hatte keine Ahnung gehabt, dass sie ihn so genau beobachtet hatte. Dann kramte sie in einer Tasche und zog die Fußlinge hervor, die er mit der Ahle gemacht hatte. „Wie stellt man das her? Ich will das lernen“, sagte sie einfach.
„Weiß sonst noch jemand was damals passiert ist?“
„Nein – nur wir beide. Aber das mit den Löchern ist so eine gute Idee. Die Sachen halten besser. Was braucht man da für ein Werkzeug? Schaffst du es noch einmal so etwas zu machen?“
„O Mae“, war alles was er dazu sagte. In ihm stritten der hartnäckige Wissenschafter der ihn immer wieder an seine Vorschriften erinnerte, Vorschriften die fast fünfzehntausend Jahre in der Zukunft lagen, und einem Mann der sich beweisen wollte, der dazu gehören wollte. Dann schrie er in seiner alten Sprache: „Ach Scheiß drauf, Professor! Was nutzt mir das ganze theoretische Geschwafel. Ich bin hier!“ Dann blickte er Mae an und fuhr in ihrer Sprache fort: „Ich bin hier. Ich glaube langsam komme ich an. Irgendwann werde ich dir von meiner Reise hierher erzählen und du wirst mir wieder nicht glauben wollen. Aber zuerst werde ich dir eine Nadel machen. Aber dafür brauche ich ein besseres Messer als ich herstellen kann und einen Schaber und zwei raue Steine.“

Die Zukunft schert sich nicht darum was ein Einzelner macht. Es ist mir egal. Ich bin hier! Ich und niemand sonst der meine Vergangenheit mit mir geteilt hat.
Es wird Zeit zu leben.
Ich drehe mich um und verlasse die Klippe.

*les* *heul2* *g* *sonne*
*****har Paar
41.020 Beiträge
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Liebe Herta!

Ich teile Deine Meinung nicht uneingeschränkt, dass uns nur der Verstand davor schützt, den Verstand zu verlieren. Weit mehr Menschen sind verrückt (also ver-rückt = "nicht mehr am richtigen Platz"), weil sie ihr Herz verloren haben.

Aber ich finde, Du übertriffst Dich hier immer wieder selbst. Und bietest damit vielen die Chance, allein durchs Lesen diese Geschichte manches in sich wieder an den richtigen Platz zu rücken!

(Der Antaghar)
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