Mehr brandheiße Inhalte
zur Gruppe
Curvy Couples Austria
182 Mitglieder
zur Gruppe
Easy Life
447 Mitglieder
zum Thema
Vergangenheit als Prostituierte offenlegen?169
Ihr Lieben. ich muss die Frage in den Raum werfen da mich das Thema…
zum Thema
Von der Escort zum Escort-Coach157
Wir haben uns mit Vanessa Eden zusammengesetzt und sie ein wenig zu…
Das Thema ist für dich interessant? Jetzt JOYclub entdecken

Zukünftige Vergangenheit

********k_ni Frau
728 Beiträge
ja die habe ich gelesen...und ich finde toll wie du jetzt Verbindungen schaffst und Querbrücken baust...wobei ich mir eigentlich dachte das Alex in der anderen Story sicherlich erfindungsreicher hätte sein können....bei dem Wissen welches er besitzt
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Du musst dir den immensen Kulturschock vorstellen. Es ist eine Sache, die Vergangenheit zu erforschen, eine andere aber, wenn man sich plötzlich in einer Zeit wieder findet, in der es nichts gibt, das man kennt. Wo die Leute ganz anders aussehen. Eine Zeit, in der die Welt ganz anders ausgesehen hat.

Feuermachen mit Feuerstein und Flint oder mit zwei Stöcken, das muss man können und auch das Wissen welche Steine geeignet sind. Welche Pflanzen sind eßbar - ich würde im Zweifel keinen Selbstversuch wagen *zwinker*

Fachwissen hat nichts mit Erfahrung zu tun - er hat es erst lernen müssen. Mit Steinwerkzeugen umzugehen hat schon seine Tücken und erfordert mehr Geschick als mit einem Messer, so wie wir es kennen, zu schneiden oder zu schnitzen.


Danke *smile* Die Querverbindungen sind wichtig, weil sonst der Spannungsbogen nicht klappt, wie ich ihn mir vorstelle (hoffentlich wirds so wie ich es im Kopf hab)

So, ich muss jetzt mal was über Gentechnologien lesen *wink*
Mit jedem Wort
wird die Frau besser!
sapperlottolaf
Herbst 2018
***to Mann
4.270 Beiträge
Gentechnologien???
Du weißt doch wie Vererbung funktioniert, oder?

Vielleicht erinnerst du dich ja.

Das geht so: *pimper* *popp* *bananen*
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
@ Olove und Heinrich
*rotwerd* Danke Olaf ... jetzt muss ich mich aber zusammen nehmen, damit es so bleibt *ggg*

Öhm, Heinrich, darüber müssen wir bei Gelegenheit einmal diskutieren *lol*
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Ein bisschen gehts weiter ... aber nur wenig ;-)
Wütend wollte er die Tür zuschlagen, da bemerkte er Agnes, die nur in ein Badetuch gehüllt, auf dem Bett lag und schlief. So beherrschte er sich und schloss leise ab. Auf Zehenspitzen ging er hin und deckte sie zu, dann kramte er im Kasten nach Papier und Stift und begann eine Liste zu fertigen. Er schrieb alle Namen der Leute auf, die ihm einen Gefallen schuldig waren und vielleicht etwas wussten. Als er diese fertig hatte, es waren weniger Namen als er erwartet hatte, schrieb er auf, wen er außerhalb des Stützpunktes kannte. Das waren noch weniger Leute. Auf einem Extrabogen schrieb er: Alex, Agnes, Zeit, DNA-Proben, welcher Arzt und welches Projekt? Was wird erforscht? Geht es um Genmanipulation? Er schrieb alles auf, was ihm in den Sinn kam, so unsinnig es sich auf den ersten Blick auch las. Dann nahm er das Blatt, ging damit ins Badezimmer und verbrannte es. Es durften keine Spuren übrigbleiben. Die Asche spülte er den Ausguss hinab und dann goss er noch Chlor nach um wirklich alles zu vernichten.

Dann ging er wieder in den Wohnschlafbereich und betrachtete nachdenklich die schlafende Frau. ‚Ich kann ihr vertrauen, hoffe ich. Ich muss es einfach wagen’, dachte er und wollte sich gerade umdrehen und sich selbst einen Schlafplatz richten, als sie erwachte. Sie drehte sich um, öffnete die Augen und wäre vor Schreck beinahe aus dem schmalen Bett gefallen.
„Scheiße. Entschuldige, dass ich hier einfach so eingeschlafen bin. Ich sollte wohl in meine Unterkunft gehen. Wie spät ist es eigentlich?“
„Zu spät. Wenn sie dich um diese Zeit draußen erwischen, bist du dran.“
„Aber wenn mich morgen früh der Leutnant beim Wecken nicht vorfindet bin ich auch dran.“ Sie klang jetzt verzweifelt. Auf irgendeine Art und Weise würde sie wieder einmal bestraft werden. Das Loch hing über ihr wie ein Damoklesschwert und sie dachte gerade intensiv an die Zeit der Einzelhaft.
„Nein, das werden sie nicht noch einmal machen können. Du hast gearbeitet. Ich kann es bezeugen. Jetzt bin ich dein Vorgesetzter, auch wenn du praktisch mehr von dem Modul verstehst als ich und die Untersuchung leitest.“
„Das ist alles so unsinnig.“
„Bleib liegen“, sagte er, als sie aufstehen wollte. „Du hast nichts an.“
„Tut mir leid. Ich wollte mich nach dem Duschen nur etwas ausruhen und bin dann eingeschlafen. Wo warst du?“
„Ich habe etwas nachgeprüft. Wusstest du, dass sie dir Eizellen entnommen haben und DNA-Proben? Weißt du noch, wer der Arzt auf der Medamb war?“
„Dieser verdammte Mistkerl!“, schrie sie, kaum dass er geendet hatte. „Natürlich kenne ich den. Wir waren zur selben Zeit an der Uni. Dieses Ekel, dieses Arschloch. Frederik Hauser, was führst du im Schilde?“
Jetzt war sie doch aufgesprungen und lief im Zimmer auf und ab. Die Müdigkeit war wie weggewischt. Erik hatte sich errötend umgedreht und starrte die Tür zum Badezimmer an, als wäre sie das Interessanteste, das er je gesehen hatte. „Ähm, Agnes, leg dich wieder hin oder zieh dir was an, bitte.“
„Oh“, machte sie nur und kroch wieder ins Bett.
Beide schwiegen eine Weile, jeder aus einem anderen Grund. Agnes musste es erst verdauen, dass ohne ihr Wissen etwas aus ihr entnommen worden war und Erik brauchte dringend Ruhe um die Gedanken wieder in eine Reihe zu bringen. Es gab soviel zu bedenken und zu bereden und dann kamen da Gefühle, die er glaubte nicht zu haben, die kein Eumerier haben durfte. Er schluckte ein paar Mal bevor er das Schweigen brach.
„Agnes, ich wollte dir etwas geben. Aber ich weiß nicht, ob jetzt ein guter Zeitpunkt ist. Du bist sehr aufgeregt.“
„Ja, das stimmt. Obwohl aufgeregt würde ich nicht dazu sagen, ich koche vor Wut.“ Nur mühsam konnte sie sich beherrschen und liegen bleiben. Sie wollte ihn nicht noch einmal in Verlegenheit bringen.
„Aber ich würde gerne wissen, was du mir geben willst.“
„Wenn du bereit bist. Dann werde ich es auch sein. Einen Moment noch. Bleib einfach ruhig liegen und schließ die Augen. Ich werde dir nicht wehtun, sondern zu deinem Geist sprechen. Ich werde dir zeigen, was ich denke.“
„Erik! Ich dachte das ist nicht möglich“, sagte sie und öffnete die Augen wieder. Blanker Unglaube war darin zu sehen.
„Möglich ist es schon, mit meinem Talent. Aber es erfordert ein hohes Maß an Vertrauen. Ich vertraue dir. Die Frage ist nun, vertraust du mir? Du musst dich mir blindlings hingeben, sonst geht es nicht.“ Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, schaute er ihr direkt in die Augen.
„Puh, lass mich einen Moment nachdenken.“ Agnes war unsicher, ob sie ihm glauben konnte. Alex hatte sie blind vertraut, vom ersten Tag ihrer Zusammenarbeit. Dann dachte sie wieder an das gemeine Lied, das sie gedichtet hatte und wie sehr sie sich danach geschämt hatte und es noch immer tat. Wenn sie seine Anweisungen und seine Arbeit hier fortführen wollte, dann musste sie jemandem vertrauen auch auf die Gefahr hin, dass es ihr später Leid tun könnte. Sie war es ihm schuldig.
„Ich weiß, es ist ein Risiko, Agnes. Du kennst mich nicht und dennoch hast du darauf bestanden, mit mir alleine zu arbeiten. Warum, wenn du mir nicht schon vertraut hast?“
„Ja, aber das jetzt nüchtern zu überlegen und nicht einfach so aus dem Bauch heraus zu entscheiden, ist etwas anderes.“
„Dann überlege nicht lange, sondern handle nach deiner Intuition.“
Entschlossen atmete sie einige Male tief ein und aus bevor sie zustimmte.
„Was muss ich tun?“
„Leg dich entspannt hin und schließ die Augen. Ich werde dich führen.“
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Ich bin nicht müde - weiter geht's ;-)
Sie schloss die Augen, hatte kurz den Eindruck als würde sie gleich wieder einschlafen und dann fühlte sie die Berührung. Es tat nicht weh aber es war eigenartig, so als würde sie jemand an einer intimen Stelle berühren. Sie merkte wie sie schluckte und entspannte sich bewusst. „Vertrau mir, ich werde dir nichts tun“, flüsterte er, setzte sich neben sie und nahm ihre Hand. Dann sah sie ihn. Die Familie Landmann und ihren Stolz auf ihre Herkunft, den ältesten Sohn, der sich nicht um den Namen scherte, sondern lieber an Fahrzeugen schraubte und auch mehr Talent dazu hatte als zum Offizier. Trotzdem folgte er den Anweisungen und absolvierte die Akademie. Aber in ihm keimte schon lange Widerstand. Heimlich hatte er P1 abgesetzt und tat nur noch so als würde er sie nehmen.
Dann zeigte er ihr seine Befürchtungen was die Maschine anging. Agnes keuchte auf vor Schreck. Es war genau das Bild, das sie in sich trug. Während sie diese Befürchtungen teilten, stiegen Erinnerungen auf, die Bilder der Vergangenheit. Daran wollte sie nicht denken. Sie konnte es nicht mehr zurückhalten. Bald fühlte sie Tränen über die Wangen laufen. Es hatte in den letzten dreitausend Jahren so viel Elend und Unterdrückung, Folter und politische Morde gegeben. Agnes sah jedes Bild, das sie in den Archiven gefunden hatte und Erik sah es mit ihr. Seine Hand verkrampfte sich und sie fühlte die Fingernägel tief ins Handgelenk schneiden.
„Aus!“, rief sie als sie das Gefühl hatte, nicht mehr zu können.
„Ja, aus“, flüsterte Erik und ließ los. Beide atmeten schwer und Schweiß stand ihnen auf der Stirn.
„Danke für dein Vertrauen. Hast du mir die Vergangenheit gezeigt?“
„Ja, alles, was ich in den Archiven fand. Aber ich habe es nicht absichtlich getan. Sie waren einfach da.“
„Ist schon gut. Wie geht es dir?“
„Müde.“
„Dann schlaf jetzt. Wir reden morgen früh darüber, oder besser heute Abend. In zwei Stunden geht die Sonne auf.“
„Was ist mir dir? Du solltest dich auch ausruhen und ich blockiere dein Bett.“
„Schlafen, Gefreite, das ist ein Befehl, kümmern Sie sich nicht um den Hauptmann.“
„Wie du meinst.“ Kurze Zeit später waren nur mehr leise Atemgeräusche von ihr zu vernehmen. Erik ging zum Fenster und riss es auf. Er brauchte Luft, dringend. Die Bilder, diese verfluchten Bilder, hatten sich in ihn gebrannt. Sie waren so real gewesen – irgendwann einmal waren sie das ja auch – aber gerade so, als wäre das gestern erst geschehen. Vielleicht war es ja auch erst gestern? Wer weiß schon wie Zeit funktioniert?

Er stand am Fenster, ließ die kalte Morgenluft rein und fragte sich, warum er soviel von ihr gesehen hatte. Es war mehr als nur die Archivbilder gewesen. Das wollte er alles nicht wissen und es beschäftigte ihn trotzdem. Von nun an musste er vorsichtiger mit seinen Gedanken umgehen. Die Gefahr einer unbewussten Weiterleitung dieser ungebetenen Erinnerungen war einfach zu groß. ‚Sie kennt ebenfalls einige Leute auf der Liste.’ Entschlossen drehte er sich um und verbrannte auch die Listen. Dann duschte er ausgiebig, zog sich um und weckte Agnes.
„Komm, wir müssen los. Wenn wir jetzt schon im Labor sind, kann dir keiner was anhaben. Ich warte draußen bis du fertig bist.“

Sie waren bereits an der Arbeit, als ein zorniger Leutnant das Labor stürmte. Knapp und zackig grüßte er den Hauptmann, dann legte los: „Gefreite! Komm raus da! Was soll das? Du warst die letzte Nacht nicht in deinem Quartier! So wird das nichts mit deinem freien Tag! Gefreite, komm jetzt da raus!“
Agnes rührte sich nicht. Sie war wie versteinert. Es war das eingetroffen das sie gefürchtet hatte. Sie blieb wo sie war und bekam deshalb nicht mit, was außerhalb des Moduls vor sich ging.
Erik baute sich vor dem Leutnant auf und schaute ihn nur an, bis diesem unbehaglich wurde.
„Leutnant, wenn Sie sich meiner Untergebenen gegenüber nicht mäßigen, wird das Folgen haben. Wir haben die Nacht über gearbeitet. Sie können das einfach nachprüfen, sollten Sie mir nicht glauben schenken.“ Er hatte ganz ruhig und beherrscht gesprochen, darunter lag aber eine große Kraft und Willensstärke.
Es war ein Kampf, den Erik leicht gewann. Der andere war ihm an geistigen Fähigkeiten weit unterlegen und von Rang sowieso.
„Na schön. Aber das nächste Mal sagt mir Bescheid. Ich bin für sie verantwortlich“, brummte er schließlich.
„Diese Verantwortung können Sie gerne an mich abgeben. Wir werden mit Sicherheit die eine oder andere Nacht durcharbeiten. Hier muss endlich was weiter gehen.“ Während er sprach warf er einen Blick auf das Modul. „Ich kläre das mit Ihren Vorgesetzten. Sie können dann wegtreten.“
Dem Leutnant blieb nichts weiter übrig als sich zurück zu ziehen.
Erik wartete einige Minuten, dann sagte er: „Du kannst rauskommen, er ist weg. Ich habe dir doch gesagt, dass ich mich darum kümmern werde.“
Agnes steckte noch immer in ihrer Erstarrung und in einer Gedankenendlosschleife, in der sich alles um Einzelhaft und Gedankenkontrolle drehte. Als sie nicht reagierte, stieg Erik ein und berührte sie am Bein, es war das einzige, das er erreichen konnte.
„Lasst mich doch endlich einmal in Ruhe ihr verdammten Penner!“, rief sie erschrocken. „Ich will doch nur in Ruhe gelassen werden.“ Ihre Stimme wurde immer leise, während sie fortfuhr: „Wieder ich sein. Ich will einfach nur sein dürfen. Was habt ihr nur alle gegen mich? Ich habe keinem was getan. Ich wollte nur in Ruhe meinen Forschungen nachgehen.“ Ihre Stimme ging in Schluchzen über.
Erik war erschüttert über den Ausbruch von Verzweiflung und Einsamkeit. Er hatte es in der Nacht schon gefühlt, aber nicht in diesem Ausmaß.
„Komm her, Agnes. Ich habe nichts gegen dich“, das wiederholt er mehrmals, bis sie den Kopf hob und sich ihm zuwandte.
„Erik? Bist du das? Ich kann nichts mehr erkennen.“
„Ja, ich bin es. Soll ich … soll ich dich halten?“, fragte er zögernd. Es war etwas, das in Eumeria nicht selbstverständlich und auch nur zwischen Ehepartnern gestattet war.
Agnes drehte sich um und sank schluchzend in seine Arme. Beide wussten nicht so recht, wohin mit den Händen. Aber für Agnes war es genug, die Anwesenheit eines freundlichen Menschen zu spüren. So verharrten sie mehrere Minuten bis sie sich wieder völlig beruhigt hatte. Sie schniefte kurz und sagte dann: „Entschuldige Erik. Ich bringe dich nur in Verlegenheit.“
„Nein, das tust du nicht. Wir müssen uns jetzt überlegen, was wir mit dem Geniestreich hier anfangen. Wie lange schätzt du, können wir sie hinhalten? Die anderen Techniker werden neugierig werden und zu fragen beginnen, sollten wir zu lange mit irgendwelchen Ergebnissen warten.“
Diese nüchterne Feststellung hatte sie wieder in die Realität gebracht. Sie einigten sich darauf, einige wichtige Teile auszubauen und sie heimlich zu vernichten. Das nahm mehrere Tage in Anspruch. Jeden Tag musste Erik dem General Bericht über die Fortschritte und das Benehmen der Gefreiten erstatten. Diese ständige Kontrolle nervte ihn und es kostete ihn täglich immense Energiemengen, sein Gedankenkonstrukt aufrecht zu erhalten. Die lesbaren Gedanken hatte er sich mühsam zu recht gelegt, es war ein Gespinst aus Lüge und Wahrheit, dabei musste er noch ehrlich wirken und die Mauer um die Wahrheit geschlossen halten.

Im Labor hatten sie sich Feldbetten aufstellen lassen und eine Ordonanz brachte ihnen das Essen. Es war so vom General angeordnet worden, nach dem sich Erik beschwert hatte, weil Agnes soviel Zeit beim täglichen Marsch in ihr Quartier verlor. So hatte er sich wenigstens in diesem einen Punkt durchgesetzt.

Sie bauten gerade eine Chipkarte aus als das Kom-Gerät zu rauschen begann. „Hauptmann Landmann wird zum Rapport gebeten“, sagte die Computerstimme.
„Ich war erst heute früh bei ihm. Was mag er nur wollen?“, grübelte er. Es gab seitdem keine neuen Erkenntnisse.
„Ruh dich in der Zwischenzeit aus, ich geh am besten gleich zu ihm.“
„Mich lässt das nichts Gutes ahnen, Erik. Ich habe kein gutes Gefühl dabei.“

Agnes wanderte ziellos im Labor herum. Sie nahm hier einen Gegenstand auf und legte es an einer anderen Stelle wieder ab. Dann sortierte sie die Werkzeuge neu und kroch schließlich in das Modul. Normalerweise machte sie sich keine Gedanken, wenn Erik zum Rapport gerufen wurde, diesmal machte sie sich aber Sorgen.

Erik fuhr so schnell es ging zum Hauptgebäude und meldete sich beim General.
„Hauptmann Landmann meldet sich wie befohlen zum Rapport, Sir!“
„Rühren, Landmann.“ Der General blickte auf und nickte ihm kurz zu. Die Landmanns waren eine alte, ehrbare Familie und über jeden Verdacht erhaben. Dennoch hatte der General den Eindruck, dass im Forschungslabor nicht alles so lief, wie es sollte.
„Ab morgen wird das gesamte Team mitarbeiten. Sie sind zu langsam. Ich brauche Ergebnisse und zwar so schnell es geht.“
„Ja, Sir. Obwohl ich nicht sehe, was sieben oder acht Ingenieure machen können, wenn jeweils nur einer am Modul arbeiten kann. Aber ich würde es nicht wagen, Ihrem Befehl nicht nach zu kommen, Sir. Wer wird das Kommando übernehmen?“ Er hielt den Atem an und hoffte, dass er der Teamleiter sein würde.
„Bis auf Widerruf werden Sie das Kommando haben. Aber ich behalte Sie im Auge. Wenn in absehbarer Zeit keine Ergebnisse bei mir eintreffen, dann bekommen Sie Probleme.“
„Ja, Sir!“ Erleichtert atmete er aus. Der General deutete das als Freude über das Kommando und entließ den Untergebenen.
Bevor er das Büro verließ, räusperte er sich und fragte in unterwürfigem Ton: „General, Sir. Ich habe eine große Bitte. Die Gefreite Lindstrom und ich, wir arbeiten seit Monaten beinahe Tag und Nacht an dem Modul, da wollte ich um ein oder zwei freie Tage bitten. Jetzt, wo sie in Sunflower die Raritätenshow neu bestückt haben.“
„Wenn die anderen jetzt übernehmen, spricht nichts dagegen. Die Raritätenshow ist sehenswert. Und Sie übernehmen die Verantwortung für die Gefreite! Wann wollen Sie fliegen?“
„Ich dachte in zwei Tagen. Bis dahin sind die neuen Ingenieure auch eingearbeitet und ich konnte sie einweisen.“
„Gut, Hauptmann. Sie bekommen zwei freie Tage. In drei Tagen haben Sie einen Flug. Und jetzt weggetreten.“
„Ja, Sir. Danke Sir.“

Erik eile ins Labor zurück und berichtete was vorgefallen war.
„Was ist da Neues im Raritätenkabinett?“
„Ich habe es vorhin gehört und beschlossen, dass wir handeln müssen. Sie haben die letzten Samek ausgestellt. Die Familie Nikitin haben sie hergeschleppt“, sagte er matt und ließ sich auf das Feldbett fallen.
„Nein. Nein, das kann nicht sein. Sag, dass das nicht wahr ist. Bitte, Erik, das kann nicht sein“, bettelte sie und wusste doch, dass es so war.
„In drei Tagen fliegen wir hin und unternehmen etwas. So kann man nicht mit Menschen umgehen. Agnes, bist du dabei?“
Sie war so wütend, dass sie nicht hörte was er sagte. „Du willst sie begaffen, sie anstarren und demütigen. Wie kannst du nur?“
„Agnes! Agnes, wach auf! Hör zu was ich sage.“ Er schüttelte sie und sie schaute ihn erstaunt aus tränenverschleierten Augen an. „Beruhige dich. Ich bin doch der gleichen Meinung wie du. Aber zuerst müssen wir hier alles auf die Reihe bekommen. Morgen treffen die anderen Ingenieure und Techniker wieder ein. Ich muss mir für die noch was überlegen und du baust jetzt die restlichen gefährlichen Teile aus, aber flott, Gefreite. An die Arbeit!“
Vor Verlegenheit wurde Agnes rot. „Du hast recht. Es tut mir leid, Erik. Ich mach jetzt weiter. Wir müssen es völlig unbrauchbar machen.“ Entschlossen kroch sie wieder unter das Armaturenbrett und begann damit die wichtigen Platinen auszubauen. Innerlich kochte sie aber vor Wut. So etwas durfte es nicht mehr geben. In alten Aufzeichnungen aus dem Ende des ersten Jahrtausends hatte sie gelesen, dass die Europäer Menschen mit anderer Hautfarbe ausgestellt und nach ihrem Tod präpariert hatten, damit sie weiter bestaunt werden konnten. Sie ekelte sich in Erinnerung an die gemalten Bilder dieser armen, benutzten, aus ihren Heimen gerissenen Menschen. ‚Wie kann man jemanden nur so etwas antun?’, fragte sie sich während sie Schraube um Schraube löste und mit Säure über die Platinen pinselte. Als diese unbrauchbar geworden waren, setzte sie sie wieder ein und machte weiter. Es dauerte fast bis zum Morgen, dann hatte sie es geschafft und das Modul konnte mit Sicherheit kein einziges System mehr starten.

Müde und mit steifem Rücken kroch sie hervor und fand sich alleine im Labor wieder. Plötzlich durchfuhr sie Angst. Alles schien so verlassen und still. Während sie gearbeitet hatte, war es ihr nicht so aufgefallen. Jetzt fragte sie sich, wo Erik wohl hingegangen war.
„Erik? Herr Hauptmann, Sir!“, rief sie ängstlich. Aber sie bekam keine Antwort.
Durch ein Fenster konnte sie sehen, dass die Sonne bereits aufging und die ersten Techniker trafen ein. Feindselig blickten sie auf Agnes, bis diese ordnungsgemäße Haltung annahm und salutierte. Es wurde von ihr verlangt, auch wenn sie die Expertin war. So stand sie stramm und wartete auf den Befehl zum Rühren, der nicht kam. Erik brüllte als er eintraf: „Gefreite, rühren! – Ah, die Kollegen sind eingetroffen. Sehr schön. Wir haben schon einiges herausgefunden, aber wir würden uns über Ihre Mithilfe jetzt sehr freuen, weil wir auch mal einen freien Tag brauchen.“ Dann wandte er sich an Agnes: „Gefreite, du kannst dich jetzt ausruhen. Hier, nimm meine Schlüssel und geh in mein Quartier, dort hast du Ruhe. Wir sehen uns in fünf Stunden wieder.“ Damit war Agnes entlassen.
„Danke Sir. Aber ich brauche eine Erlaubnis von Ihnen, damit ich in Ihr Quartier komme.“
„Alles ist geregelt.“
So froh war sie schon lange nicht mehr gewesen. Sie durfte in einem richtigen Bett schlafen und sie konnte duschen. Erik hatte ihr noch gedanklich eine warme Mahlzeit zugesichert, die in seinem Quartier auf sie wartete. Auch darauf freute sie sich. Das war ein Luxus, den sie schon lange entbehren hatte müssen.
Noch einmal nahm sie Haltung an und hob die Hand zum Gruß, dann ging sie.

Erik wies die Techniker nun in das Modul ein und berichtete über alle Entdeckungen, die sie während der letzten Monate gemacht hatten. Er war sehr erfindungsreich, was diese Enthüllungen anging, aber er vermied Übertreibungen.
Verschiedentlich waren „Aha“ und „Mhm“ zu hören, aber ansonsten enthielten sich die Kollegen vorerst eines Kommentars. Erst als er geendet hatte begannen sie durcheinander zu reden und Theorien aufzustellen.
„Ruhe!“, befahl Erik. „Damit das klar ist. Ich leite diese Aktion hier, das heißt keine Alleingänge von Ihrer Seite. Jedes Teil, das jemand ausbaut, bekomme ich zur Ansicht oder Doktor Lindstrom, die das Ding ja mit gebaut hat. Noch Fragen? Nein? Dann werde ich mich jetzt auch mal zur Ruhe begeben. Ich habe die letzten vierundzwanzig Stunden durchgearbeitet. Wenn etwas ist, dann rufen Sie mich über Kom. An die Arbeit!“
Damit drehte er sich um und verließ in sehr strammer Haltung das Labor. Fünf verblüffte Techniker und Ingenieure blieben zurück und begannen sofort ihre Theorien zu erörtern. Damit hatte Erik gerechnet. So schnell würde von denen keiner am Modul zu schrauben beginnen.

Nach einer ausgiebigen Dusche und einem sehr guten Abendessen schlief Agnes rasch ein. Ihre Sorgen hatte sie in den Hintergrund gedrängt. Es wäre niemandem geholfen, wenn sie vor Müdigkeit einging.
Erik trat leise ein und betrachtete sie. Sie tat ihm unendlich leid in ihrer Einsamkeit. Noch nie hatte er so einen verlorenen Menschen wie sie getroffen. Außer sich selbst und Agnes kannte er keinen der unter dieser Art der Einsamkeit litt. Ein Leiden war es, das war ihm bewusst geworden, als er seine Gedanken mit ihren verband. Entschlossen schnitt er diese Gedanken ab und richtete sich ein Lager auf dem Boden. Es war hart und unbequem aber er war so müde, dass es ihm nichts ausmachte. Vorher aß er die Reste vom Frühstück, das eigentlich das gestrige Abendessen gewesen war. Die Ordonanz hatte den Befehl tadellos ausgeführt. ‚Ich muss ihn noch loben’, dachte er und schlief ein.

Agnes träumte von Alex, der verloren in einer weiten, kalten Steppe wanderte, verzweifelt nach Wasser suchte und schließlich von einem Rudel Hyänen zerrissen wurde. Dann träumte sie von der letzten Samek-Familie, die gesichtslos blieb. Hinter Gitter standen sie und wurden von den Zuschauern begafft. Auch sie stand dort und zeigte auf die Menschen und machte sich lustig über sie. Durch einen lauten Schrei erwachte sie. Zitternd saß sie im Bett und konnte sich nicht orientieren. Erik saß an ihrer Seite und war sich unsicher was er tun sollte. „Halt mich“, sagte sie schließlich leise. „Bitte.“ Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, nahm er sie in den Arm, diesmal fester und fast selbstverständlich.
„Danke“, murmelte sie an seiner Schulter und ließ sich wieder ins Bett sinken. Erik legte sich an ihre Seite und so aneinandergeschmiegt und sich haltend schliefen sie wieder ein. Wenn sie jemand so gefunden hätte, wären beide in große Schwierigkeiten geraten. Die Administration war sehr hart, was Berührungen anging. Es durfte sich höchstens die Hand gereicht werden. Zwischen Ehepartnern war das etwas lockerer. Aber Kinder wurden im Labor gezeugt. Jemanden ein Kind der Natur zu nennen, war eine Beleidigung und kaum mit etwas zu überbieten. Nur jemand der im Labor erzeugt worden war, war wirklich ein Mensch, ein genetisch einwandfrei erzeugtes Produkt, das dann einer Gebärfrau eingepflanzt wurde und nach der Geburt den Spendern übergeben wurde. So funktionierte alles reibungslos. Die einflussreichen, wichtigen Leute hatten die Kinder, die sie sich wünschten und alle anderen hatten eine gut bezahlte Arbeit und auch irgendwann einmal ein Kind, das stand jedem Paar in Eumeria zu. Ein Kind wurde vom Labor bezahlt, musste aber von der Spenderin selbst ausgetragen werden.

Drei Tage später saßen sie im Flugzeug nach Sunflower.
einfach irre .........

Da kann ich wirklich nur noch sagen, unsere armen Urenkel .........
Herbst 2018
***to Mann
4.270 Beiträge
Hallo Herta.
Wann stellst du den Bauplan für das Modul hier rein?

Ich hab da n paar nette Mädelz in der Vergangenheit verloren...

Das klappt doch? Ich meine das mit ner neuen Chance un so?

Sensationelle Geschichte.
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Es gibt keinen Bauplan, den hat nur Alex Smirnov im Kopf und Agnes Lindstrom hat die Platinen vernichtet *ggg*

Nix is mit de Mädelz aus der Vergangenheit - I'm so sorry *fiesgrins*
Herbst 2018
***to Mann
4.270 Beiträge
Wenn das schon nix wird, dann
mach wenigstens weiter.

Deine Geschichte ist ne echte Alternative.
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Es geht bald weiter. Ich muss noch den neuen Teil korrigieren, weil so ganz ohne gehts auch im Flow nicht - sonst muss ich mich schämen, wenn sich zu viele Fehler reinschleichen. Es sind so schon genug drinnen.

Vielen Dank für das Kompliment *blumenschenk**freu*
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Es geht weiter hinein ins kontrollierte Chaos des 5.Jtds
Sie redeten kaum miteinander. Beiden war es peinlich, dass sie Arm in Arm eingeschlafen waren.
Ein leerer Mannschaftstransporter brachte sie zur Basis in Sunflower. Der Flug dauerte nur eine Stunde. Aber Agnes kam er wie eine Ewigkeit vor. Das Schweigen zog sich in die Länge und es war saukalt in dem Ding. Wegen ihnen wurde nicht geheizt, so zitterte Agnes dahin und wusste nicht, ob sie vor Kälte, unterdrücktem Zorn oder vor Scham zitterte.
Erst nach der Landung sagte Erik: „Bin ich froh, dass wir hier sind. Als erstes müssen wir uns zivile Kleidung besorgen. So fallen wir zu sehr auf.“
„Ich habe doch nichts mehr“, entgegnete sie.
„Wir müssen uns etwas kaufen. Ich habe ein wenig Geld, das muss reichen für unser Vorhaben. Weißt du, wo man hier gut einkaufen kann? Das müssen wir zuerst erledigen, dann gehen wir in die Ausstellung.“
Agnes dachte darüber nach. Dann stimmte sie, wenn auch widerwillig zu. Erik hatte Recht, wenn sie in Uniform dort hin gingen, würde man sich auf jeden Fall an sie erinnern.
In der Innenstadt kleideten sie sich günstig ein und fuhren dann in den Außenbezirk zur Raritätenshow.

Für beide war der Anblick deprimierend. Was hier so alles präsentiert wurde, war einfach nur erschreckend. Verängstigte Menschen eingepfercht und zur Schau gestellt wie Vieh. Da waren Menschen mit Behinderungen dazwischen standen Tiere herum und dann die Familie Nikitin. Agnes ging ganz nahe ans Gitter und flüsterte: „Wir holen euch da raus. Irgendwie werden wir es schaffen. Ich verspreche es.“
Die Älteste trat vor und flüsterte: „Mädchen, wie willst du das schaffen? Wir sind hier eingesperrt und gut bewacht. Hier werden wir sterben und niemand wird es ändern können.“
„Doch, wir werden euch helfen.“ Agnes hatte sehr bestimmt gesprochen und mehr Sicherheit in die Worte gelegt als sie selbst fühlte.
„Geh, bevor die Wachen auf dich aufmerksam werden.“
„Agnes, sie hat recht, komm“, sagte jetzt auch Erik. Er wagte nicht, sie in der Öffentlichkeit zu berühren. Am liebsten hätte er sie gepackt und fortgezerrt.
„Ich habe gesehen, was ich wollte, jetzt gehen wir, aber schnell. Komm endlich und wisch dir die Tränen fort. Du machst uns verdächtig.“
Jetzt sah auch Agnes den in grün gekleideten Parkwächter auf sie zukommen. Schon von Weitem rief er: „Gnädigste haben Se irgendwelche Probleme?“
Agnes fühlte wie ihr der Schweiß ausbrach und in Bächen den Rücken runter floss. Hastig überlegte sie eine passende Antwort, aber ihr wollte nichts einfallen, so starrte sie nur etwas dümmlich in der Gegend rum. Da rettete sie der Zufall. Den Weg weiter zurück, ging eine Familie und der Junge fing an, mit Stöcken gegen das Gitter zu schlagen und Steine ins Gehege zu werfen. Als der Parkwächter das sah, ließ er Agnes links liegen und begab sich zu den anderen Leuten. Lautstark schimpfte er schon von weitem mit dem Kind.

Agnes wandte sich noch einmal an die Nikitins, aber diese hatten sich zurückgezogen, als der Wachmann erschienen war. Sie kämpfte sich aus dem Trauerloch und folgte Erik, der bereits weitergegangen war.
„Tut mir leid, ich konnte nicht anders“, sagte sie, als sie ihn eingeholt hatte.
„Wir müssen nüchtern überlegen, sonst gehen wir alle drauf dabei. Ich habe gesehen was ich wollte. Lass uns hier noch ein Weilchen marschieren und dann kehren wir um. Wir müssen sie informieren.“
Erik schritt forsch aus. Er war so zornig über das was er hier gesehen hatte. Agnes ging es nicht anders. In ihr brodelte die Wut in einem heißen Feuer. Am liebsten hätte sie laut geschrien. Aber ein Blick auf Eriks geraden Rücken und sie biss sich auf die Zunge. Energisch blinzelte sie die Tränen weg.
Eriks Gehirn arbeitete fieberhaft. Er überlegte einen Weg, wie sie die Gefangenen befreien konnten. Für die behinderten Menschen sah er keinen Weg zurück in die Freiheit. Die waren so mental an die Aufseher gebunden, dass sie beim Anblick eines Fremden in ihrem Quartier zu schreien anfangen würden.
Dann stieg eine Erinnerung in ihm hoch. Als fünfzehnjähriger hatte er seinen Physiklehrer manipuliert, sodass er ihm die Prüfungsfragen gegeben hatte mitsamt den Antworten. Der Lehrer hatte nicht bemerkt, was Erik mit seinem Gedächtnis angestellt hatte, aber sehr wohl die Eltern. Daraufhin wurde er in eine andere Schule versetzt und musste monatelang Strafdienst versehen. Schweigend hatte er sämtliche Internatstoiletten geputzt und die Böden der Schlafsäle auf den Knien geschrubbt. Er wurde von allen Mitschülern gemieden und die Lehrer hatten ihn besonders im Auge. So ging es den Rest der Schulzeit. Auch während des Studiums und der Militärzeit war er viel allein gewesen. Sein Talent war ihm zur Falle geworden. Keiner wollte zuviel mit ihm zu tun haben. Entschlossen drängte er die anderen Reminiszenzen in den Hintergrund, sie brachten ihn hier nicht weiter.
Es war ein Wunder, dass sie damals keine Veränderung an seiner Fähigkeit vorgenommen hatten. Davor hatte ihn wahrscheinlich der Familienname geschützt.

„Agnes, so geht’s. So machen wir es. Aber es wird hart werden“, sagte er und wandte sich um. Am liebsten hätte er sie jetzt in den Arm genommen und ganz fest gedrückt. Er war dahinter gekommen, dass ihm die Berührung gut tat und Agnes schien es auch so zu gehen. Aber hier in der Öffentlichkeit hätten sie nur vermeidbares Aufsehen erregt.

„Wir warten bis es dunkel wird. Jetzt muss ich noch etwas erledigen.“ Er kehrte um und zwang sich lässig zu schlendern. Agnes versuchte es ebenfalls. Beim Gehege angekommen rief er: „Na, da haben wir ja mal ein paar seltene Exemplare. Wie lange sie wohl aushalten werden?“ Der Aufseher, der gerade mit der „Fütterung“ begann, grinste breit und merkte nicht, dass Erik bereits in seinem Gehirn war. Er suggerierte dem Mann die Schlüssel bereits weggesteckt zu haben und dass alles in Ordnung ist. ‚Die Schlüssel sind sicher verwahrt und heute war ein ruhiger Tag ohne Vorkommnisse. Ich gehe jetzt nachhause und dann ins Bett. Ich bin müde.’ Immer wieder sagte er ihm diese Unwahrheiten.

Der Aufseher ging tatsächlich davon, ohne den Schlüssel mitzunehmen. Erik atmete erleichtert auf. Die Anstrengung des erzwungenen Gedankenrapports stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er schwankte. So hatte er es nicht mehr in Erinnerung gehabt. Früher war ihm das leichter gefallen. Agnes eilte herbei und stützte ihn, sonst wäre er auf dem Boden gelandet.
„Was hast du gemacht? Du bist weiß wie die Wand“, flüsterte sie ängstlich.
„Ich habe … Lass mich irgendwo hin setzen. Langsam werde ich wohl alt.“
Agnes führte ihn zu einer nahen Bank. Dann fragte sie wieder: „Was hast du nur angestellt?“
„Ich habe etwas Verbotenes gemacht“, flüsterte er. „Es ist besser, wenn du es nicht weißt. Endlich konnte ich mein Talent einmal für etwas Nützliches einsetzen, so es denn klappt und wir ungeschoren davon kommen.“
Er vergrub das Gesicht in den Händen und beugte sich ganz weit nach vor. Ein Bild des Jammers.
„Erik, Erik, was soll ich nur sagen?“ Kurz blickte sie sich um, als sie niemanden mehr sah, drückte sie ihn ganz fest an sich.

Langsam wurde es dunkel. Es waren keine Besucher und keine Aufseher mehr zu sehen. Sie versteckten sich noch in einem kleinen künstlichen Waldstück und warteten darauf, dass es noch dunkler wurde. Endlich wagten sie sich aus dem Versteck.
Ihr Plan war, soweit ihn Agnes verstanden hatte, die Gefangenen rauszulassen und dann mit ihnen abzutauchen. Erik hatte vor, das Flugzeug, das sie am nächsten Tag abholen sollte, zu stehlen. Agnes war darüber entsetzt. „Das geht nicht, wir haben dann die Armee auf den Fersen.“
„Das haben wir so oder so. Mit dem Flugzeug sind wir schneller.“
„Kannst du es denn fliegen?“
„Nein. Aber ich kenne jemanden der es kann und der wird morgen auch auf dem Rollfeld sein. Wir müssen nur schnell und unauffällig arbeiten, dann klappt es schon.“
„Du hast viel organisiert, während ich an dem Modul herumsabotiert habe.“

Jetzt schlichen sie an die Rückseite des Gebäudes und öffneten. Erik tastete sich in der Dunkelheit nach vor und sagte so laut er es wagte: „Leute, kommt, nehmt eure Sachen, wir verschwinden jetzt. Aber ihr müsst leise und schnell sein.“
Ein ungläubiges Murmeln hob an. „Pscht. Leise und kein Licht.“
Dann zog er sich vorsichtig zurück. Das Warten fühlte sich lang an, aber es dauerte in Wirklichkeit nicht mehr als ein paar Minuten, dann kamen sieben müde Gestalten aus dem Haus. „Da fehlt noch jemand“, zischte Agnes.
„Oma Nikitina hat gesagt, dass sie bleibt, sie ist zu langsam für die Flucht und würde uns nur aufhalten“, antwortete eine junge Frau.
„Mist. Aber es lässt sich wohl nicht ändern. Wenn die ihr Gedächtnis sondieren, werden sie wissen, wer euch befreit hat. Egal jetzt, wenn wir nicht sofort machen, dass wir wegkommen, sind wir gleich dran. Bis wir alle in Sicherheit sind, habe ich das Kommando.“
Alle nickten zustimmend.
„Wartet“, sagte Agnes, ihr war noch etwas eingefallen. Schnell rannte sie zurück und schloss das Haus wieder sorgfältig ab. Dann steckte sie die Schlüssel ein und wischte die Tür gründlich ab, bevor sie zu den anderen rannte. Atemlos bildete sie den Schluss der Reihe.

Sie krochen wie Geister durch ein Waldstück und gelangten schließlich zu einer hohen Mauer, die mit Stacheldraht gekrönt war. Dort entlang führte sie Erik bis sie an eine Seitentür kamen. „Bleibt ruhig. Ich werde versuchen das Tor zu öffnen.“ Einige Male atmete er ganz bewusst und tief ein und aus. Dann begann er damit sich zu erden, er stellte sich vor, mit dem Boden verwachsen zu sein und direkt Energie von der Erde zu bekommen. Als er glaubte, die Kraft zu spüren, fokussierte er die Gedanken auf das Tor. Langsam drang er in das dicke Holz ein und begann damit die atomare Struktur zu verformen. Er seufzte als das Holz zu brechen begann. Vorsichtig blickte er durch das entstandene Loch. Es war nichts zu sehen.
„Raus hier“, befahl er und kippte um. Die Anstrengung die Holzfasern nur mit dem Willen zu brechen, war einfach zu groß gewesen.
„Erik! Wartet, Leute, wir dürfen ihn nicht einfach so liegen lassen.“
Sieben bleiche Gestalten blickten zurück. Dann kam der Kräftigste von ihnen und hob Erik hoch. „Freund, ich werde dich jetzt eine Weile tragen. Nur wohin sollen wir gehen?“
„Das weiß nur Erik“, antwortete Agnes verzweifelt.
„Dann bleiben wir vorerst hier im Wald. Er wird sich hoffentlich bald erholen. Du hast einen tapferen Freund. Wer seid ihr eigentlich?“
„Zuerst müssen wir hier weg, dann bekommt ihr die Antworten.“
Jetzt ging Agnes voran. Sie schlichen tiefer in den Wald hinein.
Als sie merkte, selbst nicht mehr zu können machte sie Rast. Es war beinahe Mitternacht und es war kalt geworden. Der Herbst schritt voran. Hier war es ihr wärmer vorgekommen als in Zurick, aber nachts war es auch hier ganz schön frisch.
„Pause. Erik sollte langsam wieder zu sich kommen.“ Ihre Stimme klang sorgenvoll und ihr Blick klebte an ihm, auch wenn sie in der Dunkelheit nicht viel erkennen konnte.
„Wer seid ihr?“, fragte wieder der Mann, der Erik getragen hatte.
„Ich bin eine Freundin von Alex Smirnov und heiße Agnes Lindstrom, das da ist Erik Landmann.“
„Freut uns. Eine Freundin von Alex ist auch unsere Freundin. Wir wussten nicht, dass er hier Freunde hatte. Warum helft ihr uns? Ihr Eumerier, besonders die mit den Talenten wie dein Freund hier, kümmert euch herzlich wenig um andere.“
„Das stimmt, leider. Wir möchten etwas ändern. So kann es nicht weiter gehen. Unsere Regierung unterdrückt das eigene Volk, macht es mittels Pillen gefügig. Alles ist verboten und wird kontrolliert. Sie wollen alle vernichten, die nicht so sind wie sie. Das wird auf Dauer die Erde noch kaputter machen, als sie ohnehin schon ist. Menschen zur Schau zu stellen ist nur eine der Perversitäten der Administration.“
Lange Zeit herrschte Ruhe. Das mussten die Befreiten erst einmal verdauen. Bevor sie sich selbst vorstellen konnten, regte sich Erik.
„Wo bin ich? Mir ist so kalt“, sagte er mit klappernden Zähnen. Agnes stürzte auf ihn zu und nahm ihn in den Arm. „Was hast du nur wieder gemacht? Deine Begabung ist erschreckend“, flüsterte sie ihm ins Ohr. Sie versuchte etwas von ihrer Körperwärme abzugeben und drückte ihn ganz fest an sich. Langsam ließ das Zittern nach und er begann leise zu sprechen: „Ich weiß jetzt warum ich gezüchtet worden bin.“ Er machte eine Pause, das Reden war anstrengend. „Agnes, ich bin eine Waffe. Sie haben mich als perfekten Soldaten gezüchtet. Ich mag das nicht sein.“ Er klang entsetzt und schien total verloren zu sein. Diese Gefühle drangen tief in Agnes ein.
„Lass die Trauer und die Wut raus. Ich werde dich halten, Erik. Alle hier werden dich halten“, sagte sie bestimmt und die sieben Leute rückten enger um sie. Sie bildeten einen Kreis und berührten sich gegenseitig.
„Erik, ich kann dich fühlen. Lass die Trauer endlich raus, sonst bringt sie dich um.“
„Wir haben keine Zeit dafür“, redete er bestimmt entgegen.
„Die müssen wir haben. Im Dunkeln können wir nicht weiter gehen.“
„Agnes, wir verpassen das Flugzeug, wenn wir uns jetzt wegen mir hier aufhalten.“
„Vergiss den Flieger. Du bist wichtig. Wenn wir nicht auf uns Rücksicht nehmen, dann brauchen wir erst gar nicht damit beginnen, die Welt verändern zu wollen.“ Sie drehte sich etwas, damit er ihr Gesicht erkennen konnte, hielt ihn aber weiterhin fest umschlungen. „Erik, es macht nichts, wenn wir das Flugzeug verpassen. Irgendwie werden wir es schaffen.“
„Aber ich wollte die Leute wieder nachhause bringen.“
„Ich weiß. Aber du bist mir auch wichtig.“
„Hör auf deine Freundin, Erik Landmann. Du hast schon viel für uns getan. Wir werden es schon schaffen, irgendwie nachhause zu kommen oder anderswo ein neues zu finden.“ Eine Frau mittleren Alters hatte gesprochen.
„Du bist Sainkoh, nicht wahr“, sagte Erik. „Wir haben dich gesucht.“
„Woher? – Ja, es stimmt. Warum habt ihr mich gesucht? Es ist wegen Alex, er schickt euch. Aber warum nur?“
„Er hat gedacht, dass du etwas weißt“, antwortete Agnes. Sie hielt Erik noch immer umklammert.
„Da muss er sich getäuscht haben. Ich weiß nichts. Aber vielleicht …“, sie brach grübelnd ab. Die Stirn in Falten gelegt redete sie schließlich weiter: „Vielleicht war er in der Zukunft und er hat etwas gesehen. Wo ist er?“
„Er ist weg und wird nicht wiederkommen.“ Agnes klang resigniert und müde. Sehr gerne hätte sie den Kollegen und Freund wieder gesehen.
Alle schwiegen betreten. Die Nacht kroch langsam weiter und machte der Morgendämmerung platz.

„Agnes, du kannst mich jetzt loslassen. Mir ist wieder warm und mir geht es gut. Wir müssen weg hier. Kommt Leute.“ Erik stand auf, streckte die steifen Gliedmaßen und half dann Agnes, die so verkrampft war, dass sie nicht von alleine hochkam. Die Gedanken und Gefühle hatte er wieder unter Kontrolle. Agnes hatte ihm geholfen einen Teil davon anzunehmen, aber rauslassen konnte er sie nicht – noch nicht.
„Wir beide ziehen jetzt wieder unsere Uniformen an und dann gehen wir zum Flugplatz. Ich möchte an meinem Plan festhalten, so lange es geht. Noch ist Zeit.“
Er kramte im Rucksack und gab Agnes ihre Sachen. Schnell waren sie umgezogen und dann marschierten sie weiter. Erik bildete die Spitze des Zuges, Agnes machte den Schluss. So sah es aus, als hätten sie jemanden gefangen genommen oder für den Militärdienst requiriert.

Als sie an die Straße kamen wurde es einmal brenzlig. Eine Polizeikontrolle hielt auf sie zu. In Eumeria durften nie mehr als maximal drei Personen in einer Gruppe unterwegs sein. Ab vier Leuten wurde man der Polizei suspekt und musste mit unangenehmen Fragen rechnen. Als die Polizisten aber einen Hauptmann an der Zugspitze erkannten hoben sie nur die Hand zum Gruß und gingen weiter.
„Wir haben wohl mehr Glück als Verstand“, flüsterte Agnes ganz hinten. Das Herz war ihr beim Anblick der schwarzen Uniformen in die Hose gerutscht. Wieder einmal hatte ihr die Ausstrahlung des Hauptmanns das Leben gerettet. „Ich sollte mehr Vertrauen in ihn haben“, murmelte sie und versuchte mit den anderen Schritt zu halten, das war von jeher ein Problem für sie gewesen – Schritt halten und Vertrauen schenken. Bis jetzt sah es so aus, als würde sich Erik ständig in Gefahr begeben. Plötzlich hatte sie das Gefühl nur eine Last zu sein, wieder einmal das Anhängsel eines anderen, der besser mit Situationen zu recht kam. Ihre Gedanken kreisten um dieses Thema während sie immer weiter gingen, die schnurgerade Straße entlang.

So marschierten sie beinahe zwei Stunden als sie vor sich den Tower erkannten. Jetzt mussten sie nur noch ungehindert auf das Rollfeld kommen und die Maschine entern.
‚Wenn Erik eine Waffe ist, warum hat er sich dann nicht als Menschenhasser entwickelt?’, fragte sich Agnes. ‚Er tut mir so unendlich leid. Soviel Kummer und Elend, ich konnte es kaum ertragen. Da ist noch mehr Einsamkeit drin als in mir. Verdammt.’ Sie gab sich keine Gelegenheit ihre Wut auf das System abkühlen zu lassen. Jetzt hatte sie neue Nahrung bekommen. Die züchteten Menschen mit bestimmten Genstrukturen, und machten sie zu Werkzeugen. Als sie sich dem Tor näherten zwang sie sich zu der typischen Lindstrom Maske. Augen geradeaus, kein Muskelzucken im Gesicht. Normale Atmung, Schultern entspannt, Rücken gerade, so durchschritt sie als Letzte das Tor.
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Nächster Teil ;-)
Erik ging zum Piloten, Agnes wies den Leuten ihre Plätze zu. Sie wollte sich gerade selbst einen Sitz suchen, als Erik zurückkam. Er war kreidebleich und schwankte zur Tür.
„Erik, warte, was machst du?“, rief Agnes erschrocken.
„Ihr fliegt, ich bleibe hier. Es ist noch etwas zu erledigen, das ich beinahe in der vergessen hätte.“
„Was? Was ist so wichtig, dass du wieder aussteigst?“ Agnes war ihm nachgelaufen.
„Geh wieder auf deinen Platz. Die Maschine startet in fünf Minuten.“ Er klang müde aber bestimmt.
„Nicht bevor du mir gesagt hast, was du tun willst.“
„Ich werde deinem Kumpel einen Besuch abstatten und dabei ein ganzes Labor in die Luft jagen. Setz dich. Du fliegst mit.“
„Nein, ich komme mit dir. Ich werde mich nicht in Sicherheit bringen und dich hier allein zurücklassen. Entweder, wir fliegen beide oder keiner von uns. Was ist übrigens mit dem Piloten?“
„Ich habe ihn hypnotisiert. Mit etwas Glück hält sie an bis ihr gelandet seid. Und jetzt lass mich gehen.“
Agnes drehte sich kurz um, schaute die Samek der Reihe nach an, so als wollte sie abschätzen, wie sie reagieren würden. Dann ging sie zu Sainkoh. „Ihr müsst alleine zu recht kommt. Die Maschine fliegt euch nach Sibirien, ich weiß nur nicht wohin. Aber es ist eure Heimat.“
Sainkoh schaute sie nur an. Schließlich sagte sie: „Geh mit ihm. Ihr habt uns eine Tür geöffnet, durch gehen werden wir alleine. Zuhause finden wir uns zu recht. Mach dir keine Sorgen um uns. Nicht wahr, Leon, wir beide und die Kinder, wir schaffen das.“
Von Leon war ein zustimmendes Murren zu hören. „Und jetzt geh, bevor er die Tür endgültig schließt. Ihr müsst zusammen arbeiten. Ich denke Alex hat gewusst, dass wir Hilfe brauchen würden und dich zu uns geschickt aus der Zukunft oder der Vergangenheit. Er ist sehr geschickt was das Überleben angeht. Wo immer er ist, er wird sich durchboxen.“
„Danke Sainkoh. Ich werde dich nie vergessen, keinen von euch.“ Dann rannte sie durch die Tür und die Leiter hinunter. Sie wurde schon weggeschoben, als sie noch halb oben war. Das Schott schloss sich mit einem leisen Zischen und die Maschine rollte los.
„Ich hoffe nur, dass sie nicht abgefangen werden“, murmelte sie unten angekommen.
„Hauptmann! Warten Sie“, rief sie und begann zu laufen.

Erik hatte schon halb den Weg zum Ausgang geschafft als ihn Agnes einholte.
„Warte doch, du Dummkopf. Du musst das nicht alleine machen.“ Atemlos hielt sie ihn an.
„Agnes. Ich wollte, dass du in relativer Sicherheit bist und dich um die Samek kümmerst.“
„Die schaffen das schon alleine. Du hast den Piloten instruiert und ich habe Sainkoh alles erklärt. Sie kommen klar. Und jetzt musst du dich einmal ausruhen. Wie lange schätzt du, haben wir Zeit, bis sie uns die MP auf den Hals hetzen?“
Erik starrte nur mehr. Er hatte damit gerechnet, das alleine zu machen und nicht gewusst, wie er das anstellen sollte, erschöpft wie er war. Ein kleines Lächeln stahl sich endlich in sein Gesicht und als er sprach klang er erleichtert: „Danke, dass du bleibst. Wir werden etwa drei, höchstens vier Stunden haben, bevor sie uns vermissen. Du weißt, dass wir desertiert sind und was das bedeutet?“
„Natürlich. Wenn sie uns erwischen, werden wir an die Wand gestellt und abgeknallt.“ Sie hatte absichtlich so brutal gesprochen, damit er sah, dass sie die Tragweite ihrer Entscheidung kannte.
„Na schön. Dann suchen wir uns einen geeigneten Platz zum Ausruhen. Wir werden genau zwei Stunden schlafen, dann müssen wir weg von hier.“

Zusammen gingen sie in das Hotel, das dem Flughafen angeschlossen war. Hier waren immer viele Soldaten untergebracht, also vielen sie nicht auf.

Beide duschten ausgiebig und legten sich dann nebeneinander in eines der Betten. Agnes hatte bemerkt, dass Erik die Berührung brauchte um sich nach der Anstrengung der telepathischen Arbeit wieder geistig einzurenken.
„Ich bin froh, dass du mich berühren willst. Es hilft mir, mich wieder zu erden, zu sammeln sonst würde ich verrückt werden und vielleicht doch noch die Waffe in mir freisetzen, zu der sie mich machen wollen.“ Ganz eng rückte er an sie heran und atmete ihren frischen Duft ein.
„Wieso sollte ich dich nicht berühren wollen? Ich mache es gerne und du fühlst dich gut an. Schade, dass die Menschen darauf verzichten müssen.“
„Mhm.“
Bald darauf waren beide eingeschlafen.
Erik hatte vergessen, den Weckdienst zu informieren und es wurde bereits dunkel als er mit einem Ruck erwachte.
„Scheiße!“, rief er, sprang aus dem Bett und war schon in den Hosen drin als auch Agnes erwachte.
„Wir haben verschlafen.“
„Ja, verdammter Mist. Jetzt werden hier schon alle Polizeieinheiten informiert sein. Wir müssen zusehen, dass wir wegkommen.“ Erik drängte sie, sich zu beeilen. Sie nutzten die Hintertreppe für einen heimlichen Abgang. Die Treppe endete an einem lichtlosen Gang. Ratlos sahen sie sich kurz an, bevor sie die halbe Treppe wieder hochstiegen und aus einem Fenster kletterten. Vorsichtig schlichen sie um das Gebäude herum. Vor dem Eingang stand schon Militärpolizei.
„Wir ziehen wieder die zivile Kleidung an. Sie suchen Militärangehörige und keine Zivilisten. Keine Scheu jetzt vor der Nacktheit des anderen.“ Agnes grinste als sie das sagte.
„Du hast recht. Wir müssen uns beeilen. Warum habe ich nur vergessen, den Wecker zu informieren?“
„Mach dir jetzt mal keine Vorwürfe. Wir haben die Ruhe beide gebraucht.“

Ohne dass ihnen jemand Beachtung schenkte, kamen sie in die Stadt zurück. Ganz gemächlich schlenderten sie durch die Straßen und suchten das Gebäude der Gedankenpolizei. Dort hatte Frederik Hauser sein Labor. Zuerst wollten sie ihn holen und dann das große DNA- und Fötuslabor in die Luft jagen. Doch um da hinzugelangen brauchten sie Frederik.

Schnell hatten sie das Polizeigebäude gefunden.
„Die Gedanken sind frei“ las Erik laut und lachte. „Ist das nicht der beste Witz des Jahrtausends? Also, wer darüber nicht lachen kann, hat jeden Sinn für Humor verloren. Aber ich vergaß, es gibt ja keinen Humor mehr.“
Sie standen vor dem Tor und betrachteten den schwarzen Schriftzug.
„Kein Humor, keine Liebe, keine Gefühle – nichts als Hass und Angst sind geblieben“, murmelte sie trübsinnig.
„Doch, etwas ist geblieben, Agnes. Ich würde gerne wissen, wie es ist, dich zu küssen. Aber nicht gerade hier auf der Straße und noch dazu vor dem Polizeigebäude“, er wurde immer verlegener, während der sprach.
„Oh“, machte sie und starrte ihn aus feuchten Augen an. „Danke. Lass uns reingehen. Ich kenne den Weg.“
Beide vermieden es, sich anzusehen oder gar zu berühren, obwohl sie am liebsten Hand in Hand gegangen wären. Als sie durch das erste Tor traten, strafften beide die Körper und ließen die Gesichter erstarren. Augen geradeaus, Wirbelsäule gerade, neutrales Lächeln um den Mund. Den Gesichtsausdruck gleichgültig zu halten war am schwersten.

Agnes ging als hätte sie einen dringenden Auftrag zu erledigen. Kurz grüßte sie den Portier und schritt dann voran zur Tür in die Ambulanzen. Hinab stiegen sie in das Kellergewölbe, durch die Medamb und dann standen sie vor der Tür zu Frederik Hausers Labor. Sie wunderten sich, warum sie nicht aufgehalten worden waren.
Es war sehr still hier, zu still. Keine Menschenseele ließ sich blicken.
„Erik, das gefällt mir nicht“, flüsterte Agnes und es hallte laut im leeren Gang wider.
„Mir auch nicht. Ich denke, wir ziehen uns lieber zurück.“
Sie wollten gerade den Rückzug antreten, als vor ihnen am Gang mehrere Türen aufschwangen und schwer bewaffnete MPs herausstürmten.
„Stehenbleiben! Sie sind festgenommen!“
Aber sie hörten nicht und rannten den Weg zurück, den sie gekommen waren. Agnes übernahm wieder die Führung. Sie hatte verschiedentlich Durchgänge im Mauerwerk gesehen, durch so einen zwängten sie sich jetzt und hielten atemlos inne.
„Was jetzt?“, fragte sie.
„Keine Ahnung. Wo führt der Durchbruch hin?“
„Das weiß ich nicht. Es sieht so aus, als würde er noch weiter hinab führen. Es bleibt uns keine Wahl, lass uns hineingehen. Einen anderen Weg sehe ich nicht.“
„Warte.“
Agnes blieb stehen und drehte sich um, da nahm sie Erik in den Arm und drückte sie fest an sich. „Ich bin froh, dass du hier bist.“
„Geht mir auch so.“
„Jetzt geht’s wieder.“
Hintereinander und gebückt stiegen sie über Geröll. Vor ihnen tat sich ein schmaler Pfad auf, den stiegen sie hinab. Er führte sie in ein unbekanntes Kellersystem. Immer wieder stießen sie mit den Köpfen oder den Füßen an herabhängende oder am Boden liegende Steinbrocken. Vorsichtig geworden tasteten sie sich Schritt um Schritt vor. Immer wieder blieben sie stehen und lauschten, ob von oben etwas zu hören war. Sie hofften, die Polizei abgehängt zu haben, wagten aber nicht, eine Pause einzulegen.

Plötzlich ging es nicht mehr weiter. Agnes hielt mit rudernden Armen vor einem Abgrund. Einzig Eriks rasche Reaktion hatte sie vor einem Absturz bewahrt. Jetzt standen sie da und starrten in den Schacht vor ihnen. Es war dort unten noch dunkler als die Dunkelheit, die sie umgab.

Agnes ging einige Schritte rückwärts und sank an einer Mauer herab. Dort blieb sie sitzen, vergrub den Kopf in den Händen und schluchzte wild und hemmungslos. Erik blickte sie hilflos an. Dann überwand er sich und legte tröstend einen Arm um sie.

„Was’n da los? Radau! Radau im Bau!“
Eine Stimme näherte sich und es gab keine Möglichkeit zu entkommen.
wenigstens etwas, Danke
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Es geht weiter ...
Das Licht näherte sich und bald würden sie in seinem Lichtschein zu erkennen sein, selber aber nichts sehen können. Agnes drückte ganz fest die Hand ihres Begleiters und schaffte es, sich etwas zu beruhigen. Das Hämmern wurde zu einem etwas leichteren Pochen und die Kopfschmerzen ließen ganz nach. „Danke. Ich wäre gleich hysterisch geworden“, flüsterte sie wieder. „Gern geschehen“, antwortete er ebenso leise, aber nach Atem ringend.

Nun war das Licht direkt vor ihnen und sie kniffen die Augen vor der Helligkeit zu.
„Was’n das für’n Flohzirkus hier unten? Hä? Wer seid’s ihr, hä? Hm? Sprach verschlagen? Zunge abbisse? Was’n los? Sitz’n da wie de arme Seel, de de Höll ned will.“
Der Redeschwall verblüffte sie. Es war schwer, der Stimme zu folgen. Sie brummte immer wieder und der Dialekt war ihnen fremd.
„Wir kommen von oben“, sagte Erik schließlich. „Ich bin Erik und das ist Agnes. Können Sie uns helfen, hier wieder rauszukommen?“
Die Stimme lachte. „Hä, raus wollt’s ihr? Einfach Weg zurück. Nix leichter als des. Hähähä.“
„Den Weg können wir nicht nehmen. Wir brauchen einen anderen.“
„Aso ist das. Dann kommt’s amal mit. Werdet ihr verfolgt von den Schwarzen Wächtern?“
Zuerst wussten sie nicht, wen der alte meinte. Aber dann fielen ihnen die schwarzen Uniformen der MP ein und Erik bejahte.
„Dann kommt’s mal mit. Ist nicht oft, dass wir hier Leut von oben sehen.“
Der Lichtkegel wurde von ihren Gesichtern genommen und in die Richtung geschwenkt aus der er gekommen war. Jetzt sahen sie eine gebeugte, sehr blasse Gestalt nur in einen Lendenschurz gekleidet vor ihnen hergehen. Um nicht den Anschluss an das freundliche Licht zu verlieren stolperten sie einfach hinterher. Es ging an dem Abgrund vorbei tiefer hinab. Noch immer war zu beiden Seiten das uralte Mauerwerk zu erkennen. Agnes bemerkte, dass sie auf zerbröckelten Stufen hinabgingen, also musste der Abgrund ein eingebrochener Liftschacht sein. Sie schauderte bei dem Gedanken, dass sie beinahe hinab gefallen wäre. Erik berührte sie sanft an der Schulter und sie fühlte seine Sicherheit auf sie einströmen.

Lang stolperten sie dem Irrlicht hinterher und lauschten den sonderbaren Reden des Mannes vor ihnen. Er redete wirres Zeug. „So’n Radau, dacht’ ich, muss nachschauen. Die da oben, alle Plemplem, dacht’ ich. Jaja, plemplem.“ So in der Art ging es dahin, bis sie ebenen Grund erreichten. Dann atmete der Alte hörbar auf und beendete das Selbstgespräch.
„Halloho, ich hab heute was gefunden!“, rief er, dass es hallte.
Sofort strömten eine Menge blasser Menschen, alle nur dürftig gekleidet, auf den freien Platz. Nur wenige Lichter wurden angemacht. Sie konnte nur schemenhaft die Menschen sehen. Aber ihre Blässe schien im Dunkeln zu strahlen.
Agnes klammerte sich an Erik. Wieder fühlte sie Angst.
„Was ist das hier? Was sind das für Menschen?“, fragte sie flüsternd. Dennoch wurde sie gehört. Gelächter antwortete.
„Ihr braucht keine Angst zu haben, hier seid ihr vor den Schwarzröcken sicher“, sagte der Mann. Jetzt sah Agnes, dass er nicht alt war. Seine Haare waren weiß, wie auch die Haut, die Augen waren aber erschreckend. Noch nie hatte sie rote Augen gesehen.
Wie konnten diese Menschen in dieser Dunkelheit überleben? Wie waren sie überhaupt dorthin gekommen? Diese Fragen gingen Erik durch den Kopf, während er die Umstehenden betrachtete. Sie wurden ebenso verwundert gemustert. Hier unten hatten sie schon lange keinen mehr aus den oberen Bereichen gesehen.
„Hat sich euer Körper dieser Umwelt hier angepasst?“, wagte Erik schließlich die Frage, die in ihm brannte seit er diese Menschen gesehen hatte. „Und wie seid ihr hierher gekommen?“
„Kommt erstmal mit in meine Wohnung“, sagte der Mann, der sie gefunden hatte. „Ihr seht aus, als könntet ihr einen guten Schluck vertragen.“ Kichernd ging er voran.

Die Wohnung war erstaunlich luxuriös eingerichtet. Besser als so manches Quartier auf der Oberfläche. Es gab Polstermöbel zum Hinsetzen und schöne große Betten. „Das nennt man Grand lit“, erklärte er augenzwinkernd, als er den Blick der beiden bemerkt hatte. „Aber wahrscheinlich wisst ihr gar nichts damit anzufangen. Ihr tut mir leid, ihr Oberflächenheinis. Ach ja, ich heiße Robert Nielsson und wie sind eure Namen?“ Er drehte sich um und schaute sie der Reihe nach an.
„Ich bin Erik Landmann und das ist Agnes Lindstrom. Können wir uns irgendwohin setzen? Ich bin verdammt müde.“
„Klar doch. Ihr Oberflächler, haltet auch wirklich keinen kleinen Marsch aus“, sagte er und wies ihnen bequeme Sessel zu.
„Und jetzt einen guten Schluck, Freunde, dann erzählt ihr mir, was euch hierher führt.“
Robert Nielsson stellte eine Flasche mit durchsichtigem Inhalt auf den Tisch, dazu winzige Gläser, die er bis zum Rand füllte.
„Prost“, sagte er und kippte den Inhalt in einem Zug hinunter.
Agnes und Erik taten es ihm gleich, husteten und würgten anschließend.
„Huh! Was ist das für Zeug“, brachte Erik schließlich heraus. „Boah, ist das scharf!“
„Schnappes, nennen wir es. Wir erzeugen es aus Dunkelweizen, es ist eine eigene Züchtung, die nur hier unten gedeiht.“ Stolz lag in seiner Stimme als er von der Züchtung berichtete. „Wir stellen auch Brot her und verschiedene Gemüsesorten, die unter der Erde wachsen. Mittlerweile haben wir auch Obstbäume so weit kultiviert, dass sie mit dem wenigen Licht auskommen, das wir hier haben.“
„Toll. Ich habe noch nie ein natürliches Produkt gegessen oder getrunken.“
„Und ich schon lange nicht mehr. Schau mich nicht so an, ich war regelmäßig auf dem Schwarzmarkt“, sagte Agnes. Der ungewohnte Alkohol hatte ihre Zunge etwas gelöst.
„Du hast was?“, fragte Erik und lachte laut los. „Das hätte ich mir denken können.“
Während sie redeten, füllte Robert die Gläser wieder und wieder. Mit der Zeit begann ihnen der feurige Geschmack immer weniger auszumachen. Agnes merkte, wie sie die Gefühle der Männer aufnahm. Robert war neugierig und wollte ihnen wirklich helfen. Eriks Gefühle erschreckte sie ein wenig. Es war eine Mischung aus unbändigem Hass auf das Regime, das er keine Sekunde ablegen konnte, Zorn auf seine Erzeuger und auf sich, weil er das war was er war und dann war da noch das unbekannte, warme Gefühl, das sie selbst immer öfter überkam, wenn sie ihn ansah. Schläfrig geworden lehnte sie sich an ihn, während Robert von den Errungenschaften seiner Leute erzählte. Sie hörte nicht mehr zu, sondern lauschte den Gefühlen. Noch nie hatte sie ihre Fähigkeit so intensiv erlebt. Erik schien etwas davon abzubekommen. Ständig nahm er einen Teil ihrer Gefühle auf und kompensierte sie, besonders als sie diese ohnmächtige Angst verspürt hatte.
„Ich überlasse euch für heute mein Bett. Ihr seht wirklich hundemüde aus, ihr beiden. Eure Geschichte kann warten bis ihr ausgeruht seid. Die werden dann wohl mehr Leute hören wollen.“ Robert schob sie in sein Schlafzimmer und ging grinsend davon. Endlich hatte er einmal eine sensationelle Entdeckung gemacht. Vielleicht konnten diese beiden ihnen helfen. Das würde er morgen in Erfahrung bringen. Er genehmigte sich noch einen Schnappes.

Agnes staunte über den Luxus des großen Bettes und warf sich übermütig darauf.
„Du siehst glücklich aus“, sagte Erik ungewöhnlich sanft und legte sich neben sie.
„Ja, komischerweise fühle ich mich gut, auch wenn sich mein Kopf dreht und ich weiß, dass sie uns abknallen werden, wenn sie uns finden. Ich fühle mich lebendiger als je zuvor.“ Sie begann zu lachen und drehte sich zu Erik um.
„Ich weiß was du meinst. Mir geht es genauso.“ Zärtlich strich er ihr das Haar aus dem Gesicht. „Du bist wunderschön, Agnes.“ Zögernd näherte er sich ihr so weit bis seine Lippen ihre Wange berührten. Immer wieder tat er das, sie blieb ganz ruhig liegen und ließ es geschehen. Dann drehte sie den Kopf und erwiderte die scheuen Küsse, bis sich endlich ihre Lippen fanden. Sie hielten und küssten sich, genossen das beginnende Spiel ihrer Körper. Wie selbstverständlich entkleideten sie sich. Keinen Moment wollten sich dabei ihre Münder voneinander lösen. Keiner der beiden hatte eine Vorstellung davon was mit ihnen geschah. Sie reagierten einfach auf die Signale und gingen darauf ein. Gierig saugten sie sich auf und erkundeten die unbekannte Landschaft des anderen. Nacktheit war etwas Verpöntes und Kontakte zwischen den Geschlechtern gab es so gut wie nie. Von dem was sie gerade taten, hatten sie noch nie gehört und sie wussten, dass es verboten war. Sie nutzten die ganze Breite des Bettes für ihr Spiel. Agnes hatte sich selbst noch nie in dem Ausmaß gespürt, wie sie es jetzt tat. Sie fühlte auch Eriks Erregung und ging darauf ein. Nicht nur ihre Körper verschmolzen zu einem, auch ihre Gedanken taten sich zusammen und verbanden sich zu einem einzigen.
„Ich liebe dich“, schrie Erik schließlich den einen Gedanken raus und drückte Agnes ganz fest an sich. „Ach, ich liebe dich auch“, nuschelte Agnes in seine Brustbehaarung. „Das war schön. Warum ist es verboten?“
„Wahrscheinlich, weil es die Menschen näher zueinander bringt, oder weil es die guten Gefühle offenbart. Ich weiß es nicht.“ Er legte sich ganz nah an Agnes ran und streichelte sanft ihren Körper. Sie schloss die Augen und genoss das Gefühl, die Berührung, das Geborgensein, den Geruch und die Gedanken des Mannes neben ihr.
„Sie unterdrücken uns, beschneiden unsere Freiheit, unseren Willen und verneinen die Gefühle. Wir müssen denken was sie uns zu denken erlauben! Es macht mich rasend, wenn ich nur dran denke.“ Erik lag da und begann zu weinen. Noch nie hatte er der Trauer in sich Raum gegeben. Die körperliche Vereinigung hatte die Schleusen zu den anderen Bereichen geöffnet und jetzt musste er lernen damit umzugehen.
„Weißt du“, begann er, als er sich wieder etwas beruhigt hatte. „Die haben mich zu einer Tötungsmaschine gemacht. Ich habe es gesehen und gefühlt, als ich den Aufseher manipuliert habe. Es ist schwer, dem Impuls jemanden so zu verändern, dass er andere umbringt oder sich selbst, nicht nachzugeben. Die ganze Zeit muss ich mich konzentrieren, um ja nicht in den Kopf von irgendwem einzudringen und ihm zu befehlen, dass er aus dem Fenster springen soll. Es wird schlimmer, Agnes, es wird immer schwerer zu kontrollieren.“ Verzweifelt wandte er ihr den Rücken zu. Er schämte sich für die gezeigte Schwäche, die Trauer. Aber Agnes fühlte viel mehr. Sie spürte die Kraft eines eisernen Willens, der das System nicht gewinnen lassen wollte und etwas Neues, noch immer unbekanntes.
„Erik, dreh dich wieder um. Vor mir kannst du dich nicht mehr verstecken. Du hast mir damals das Geschenk deiner Gedanken gegeben. Jetzt möchte ich dir etwas geben. Sieh mich an – ich werde dir deine Gefühle zeigen.“
Zögernd drehte er sich wieder um. Ganz nah rückte sie nun an ihn ran, nahm sein Gesicht in die Hände und blickte ihm in die Augen.
„Lieber, ich weiß zwar nicht, wie man das macht, aber ich werde es versuchen. Du sollst deine Gefühle sehen – es sind gute Gefühle, weil es deine sind. Erschrecke bitte nicht, wenn es etwas wirr wird. Ich habe das noch nie gemacht und lasse sie jetzt frei …“
Sie schloss die Augen und konzentrierte sich auf ihn. Nun sah sie, was sie ihn sehen lassen wollte.
„Agnes, was zeigst du mir?“, fragte er verzweifelt, als er alle Gefühle vor sich ausgebreitet wahrnahm. „Ich zeige dir, dass du mehr bist als eine Killermaschine. Du bist das, was du aus dir gemacht hast – was du geworden bist, weil du anders fühlst, als sie es von dir verlangen. Du bist ein guter Mensch. Ohne zu zögern hast du dein Leben riskiert um Leute zu retten, die du nicht kanntest. Ich liebe dich, mit der ganzen Unordnung in dir drinnen. Und jetzt sollen sie kommen und mich umbringen – dafür lohnt es wenigstens zu sterben. So habe ich dann wenigstens einmal im Leben geliebt.“
Nach dieser Rede verschränkte sie die Arme vor der Brust und machte energisch: „Hm!“
„Ach, du bist schon ein ganz besonderer Mensch“, meinte er nach einer Weile des Schweigens. „Du hast ganz Recht mit dem was du gesagt hast. Ich bin auch froh, lieben zu können. Was meinst du, wollen wir der Welt die Liebe wieder zeigen? Wir jagen das Labor in die Luft und dann machen wir die Tür auf für die Liebe. Hm?“
Er hatte ganz begeistert gesprochen und schaute sie jetzt aus treuherzig blickenden Augen eifrig Zustimmung heischend an.
„Das hört sich nach einer verdammt guten Idee an, Herr Landmann“, sagte sie lächelnd.
Sie machten es sich eng aneinander geschmiegt in diesem großen, weichen Bett bequem und jeder hing seinen Gedanken, ganz für sich alleine, nach. Nur durch eine dünne Wand waren sie voneinander getrennt. Aber sie brauchten das, die Sicherheit des eigenen unbeobachteten Raums und dennoch die fühlbare Nähe des anderen.
Erik begann damit sich wieder als normalen Menschen zu betrachten. Systematisch versuchte er, diese destruktiven Gedanken in sein Ich einzubauen, sie anzunehmen, als Teil seiner selbst. Er wusste, würde er das nicht schaffen, dann hätte das Establishment gewonnen.
„Ich will keine Killermaschine sein“, murmelte er bevor er einschlief und in einem tiefen Schlaf für eine Weile Vergessen fand.
Agnes klammerte sich im Schlaf an ihn, so als hätte sie Angst noch jemanden zu verlieren den sie mochte und der sie mochte.

Sie merkten es nicht, als gegen Morgen Robert eintrat und sie zudeckte. Er hatte einiges von dem Gespräch der vergangenen Nacht mitbekommen und sich seinen Reim darauf gemacht. So begann er mit den Vorbereitungen für ein besonderes Frühstück. Er tischte alle Leckereien auf, die er auf die Schnelle auftreiben konnte und holte dann den Bürgermeister. Als alles vorbereitet war, weckte er die Gäste.

Sie wurden vorgestellt und dann bekamen sie Ehrenplätze zugewiesen. Den beiden war es unangenehm, so bevorzugt behandelt zu werden.
Nachdem sie alle etwas gegessen und getrunken hatten, kam Robert zur Sache: „Ich habe euch heute Nacht zugehört. So wie ich das verstanden habe, seid ihr gegen eure Regierung. Bei uns verschwinden immer wieder Menschen. Es kommen von oben schwarz gekleidete Typen, die sich ein Kind schnappen und dann schnell wieder verschwinden. Was haben die mit unserem Nachwuchs vor?“
ja, was wohl .......

sicherlich um sie zu Killermaschinen zu polen.

Irre ...........
********k_ni Frau
728 Beiträge
bboooaahhhh
Herta...was fällt dir nur noch alles ein...RESPEKT!
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Danke ...
jetzt muss ich aber ernsthaft nachforschen um die heute gängigen Lügen realitstisch einzubauen.

@ Ev: Killermaschinen werden die Entführten nicht, soviel sei schon mal verraten. Wie es weitergeht - vielleicht heute abend. *fiesgrins*


@ naschwerk: ich hab eine tiefe Grube, die sich Fantasie nennt und dort sprudelt zur Zeit eine kleine Quelle - also, das geht fast von alleine. DANKE.


Liebe Grüße *blumenschenk*
Herta
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Weiter geht's - aber nur für gute Nerven
Agnes schaute Erik erstaunt an, dieser konnte seinen Ekel vor dem eigenen Volk kaum mehr verbergen. „Ich weiß nicht, was sie vorhaben, aber wir werden es herausfinden“, brachte er mühsam heraus. Blindlings griff er nach Agnes Hand, wieder drohte die Wut übermächtig zu werden. „Ihr müsst uns zeigen, wo sie eindringen, dann überlege ich, was wir tun können.“
Es herrschte eine Weile betretenes Schweigen. Mit der spontanen Hilfsbereitschaft hatten die Menschen hier nicht gerechnet.
„Ich habe es gestern schon gefragt, wie seid ihr hier hergekommen?“, fragte Erik. Er war noch immer neugierig. Auch war es wichtig, alles über die Leute hier in Erfahrung zu bringen, dann konnte er vielleicht einen Grund für die Entführungen finden, ohne lange suchen zu müssen.

Nun sprach der Bürgermeister: „Wir sind schon seit vielen, vielen Generationen hier unten.“ Er richtete den Blick nach innen und sah gleichzeitig in die Ferne. Diese roten Augen, die hier alle hatten, leuchteten unheimlich in dem Halbdunkel.
Er erzählte, wie nach dem großen Unglück, das die Hälfte der Weltbevölkerung umgebracht hatte, hier viele, viele Menschen eingeschlossen worden waren. Hier unten hatte sich ihnen eine neue Welt aufgetan. In vielen Generationen hatten sie gelernt hier zu überleben, nun konnten sie nicht mehr ins Sonnenlicht zurück, die Haut würde verbrennen. Sie wussten nicht, ob an der Oberfläche jemand die Katastrophe überlebt hatte und wie es dort aussah. Es gab auch keinen Weg hinaus. So richteten sie sich hier ein und begannen sich dieser neuen unbekannten, dunklen Umwelt anzupassen. Wahrscheinlich änderte sich ihre Genstruktur. Sie wussten es nicht, fanden es auch nicht wirklich erstrebenswert das zu erfahren.
„Zu viel Wissen über die Dinge, hat in der Vergangenheit vieles kaputt gemacht. Es wurde gelogen und betrogen und die Welt zerstört. Ich habe es in den alten Büchern gelesen. Wir haben hier unten eine gut bestückte Bibliothek und die Luftfeuchtigkeit ist konstant, also sind Papier und Druck noch soweit in Ordnung, dass man sie ab und zu herausnehmen und lesen kann. Wir haben nicht vor, die gleichen Fehler zu machen, wie früher und die ihr wiederholt“, schloss der Mann.
Eine Weile war es ruhig am Tisch. Robert reichte noch einmal eine Kanne mit dampfendem Tee herum. Dann sagte Erik ganz unvermittelt und richtete sich kerzengerade auf: „Es gibt jemanden, der zurückgekommen ist, nicht wahr?“
Der Bürgermeister verschluckte sich am Tee und hustete alles über den Tisch. Robert hielt mitten in der Bewegung inne. Er fing sich als erster wieder, atmete ein paar Mal tief durch und sagte dann: „Ich nehme mal an, ich habe zu stark an ihn gedacht, sonst hättest du es nicht gemerkt. Ja, es ist vor einigen Tagen ein junger Mann zurück gekommen. Er war vor einigen Wochen entführt worden. Plötzlich, wir hatten schon die Hoffnung aufgegeben ihn je wiederzusehen, stand er vor uns. Seit dem ist er da und auch nicht, wenn du verstehst was ich meine. Er liegt oder sitzt in einer Ecke herum, wiegte den Oberkörper vor und zurück und brabbelt vor sich hin.“
Erik war kreidebleich geworden, fast so weiß wie die Unterweltbewohner, sogar die Lippen hatten die Farbe verloren. Agnes hielt die Luft an und kämpfte mit den Tränen. Sie nahm die Gefühle der Leute wahr und konnte sie nicht mehr zurück drängen, es waren einfach zu viele.
„Kann ich zu ihm? Vielleicht kann ich ihm helfen.“ In Erik war eine Idee gekeimt, wenn er die Gedanken des Jungen erreichen konnte, sah er vielleicht wo die Kinder waren und was mit ihnen gemacht wurde. Unter Umständen konnte er so dem Kranken auch helfen. Es hörte sich nach einem großen psychischen Schock an, was der junge Mann erlitten hatte.
Der Bürgermeister und Robert zögerten mit einer Antwort. Sie wollten Hilfe, aber was würde der fremde Mann mit einem der ihren machen? Was, wenn alles schlimmer wurde. Erik konnte das alles an ihren Gesichtern ablesen, dafür brauchte er sein Talent nicht. Agnes fühlte die plötzliche Unsicherheit und Reserviertheit sofort. Etwas war anders geworden. War es Eriks Frage?
„Ich werde ihm nicht wehtun und ihr habt recht, es gibt keine Garantie, dass ich ihm helfen kann. Unter Umständen wird es schlimmer.“
Er schaute den anderen Leuten am Tisch direkt ins Gesicht, einem nach dem anderen. Endlich gab der Bürgermeister nach.
„Na schön, du kannst zu ihm. Robert führ ihn hin und pass auf, dass er Rick nichts antut.“

Wortlos erhob sich Robert und Erik folgte ihm. Als auch Agnes mitgehen wollte, schüttelte der Bürgermeister den Kopf. „Bleib hier, das sollen die beiden machen. Ich mag nicht, dass zu viele Leute um Rick sind. Er ist schon unsicher genug.“
„Ich wollte eigentlich nur Erik helfen, es wird ihm viel Kraft kosten.“
Der Bürgermeister tat es mit einer Handbewegung ab. „Ihr seid einfach schwächlich, wenn euch der Anblick eines Kranken schon Kraft kostet.“ Es wurde verächtlich am Tisch gelacht. Diese Ungerechtigkeit machte jetzt Agnes wütend.
„Ihr sprecht von Dingen, von denen ihr keine Ahnung habt. Er wird in den Geist des Jungen eindringen und erleben, was er erlebt hat. Er wird ihm die Erinnerung daran nehmen und sie in sich aufnehmen. Es ist dann für euren jungen Mann so, als wäre nie etwas passiert und Erik …“ Sie konnte nicht mehr weiterreden. Das Vorhaben ihres Freundes erschütterte und entsetzte sie. Hastig trank sie den Rest kalten Tees bevor sie fort fuhr: „Ihr wisst nicht, wie viel Kraft das kostet.“
Jetzt war es am Bürgermeister betreten zu Boden zu schauen. Er sagte nichts mehr dazu, sondern stand auf und winkte Agnes, ihm zu folgen.

Rick saß in einer Ecke seines Zimmers und wippte vor und zurück. Als er die Ankömmlinge bemerkte wurde er schneller und begann an den Fingernägeln zu kauen. Erik ging in die Hocke und setzte sich dann vor den jungen Mann. Er mochte Anfang zwanzig sein. Ganz langsam streckte er die Arme aus und wies mit den Handflächen nach oben, dann beugte er den Kopf vor dem Jüngeren und begann ebenfalls zu wippen. Kurz nur hielt Rick inne, dann ging sein Körper wieder in den gewohnten Rhythmus über.
Erik rückte ein Stück weiter vor. Ganz langsam näherte er sich. Er wusste, dass er für den jungen Mann ein Bild des Schreckens war, hatten doch seine Peiniger genauso ausgesehen. Es dauerte lange bis er die Hand fassen konnte. Die Berührung war federleicht. Dann war Erik in seinem Kopf. Er musste schnell handeln, bevor ihn der Mut verließ oder Rick ihn fort stieß. Was er da in sich aufnahm war mehr als er glaubte ertragen zu können. „Ah! Hört auf!“, rief er immer wieder, bis er selber eine Berührung spürte. „Lass mich mittragen, Erik“, flüsterte Agnes und nahm einen Teil des Schmerzes. Ganz genau beobachtete Agnes den jungen Mann. Seine Augen wurden wieder gegenwärtig und er hielt mitten in der Bewegung inne. Dann sah er Erik an und wollte zu schreien anfangen, nur wusste er nicht mehr so genau, wovor er sich fürchten musste. „Robert, was geht hier vor?“, fragte er stattdessen.
Sich mühsam unter Kontrolle haltend löste Erik die Verbindung und stand zitternd auf. Stumm ging er hinaus und auf die Stufen zu, die zum Abgrund führten. Jeder Schritt war von einem heftigen Zittern begleitet, sodass er kaum vorwärtskam. Agnes eilte ihm hinterher. „Erik! Bitte, bleib stehen!“, rief sie ihm nach, aber er war schon außer Sicht.
Blind vor Schmerz und Scham stieg er die kaputten Stufen hinauf. Auf halber Höhe brach er zusammen und begann zu weinen. Immer wieder schlug er den Kopf gegen die Wand in der Hoffnung diese Bilder aus sich rauszubekommen.
So fanden ihn schließlich Robert, Agnes und der Bürgermeister.
„Ich habe dir gesagt, dass es ihm zuviel wird. Ich bin zu spät gekommen, da hatte er schon alles aufgesogen“, sagte Agnes anklagend. Dann setzte sie sich neben Erik und nahm ihn in den Arm. „Gib mir was davon, mein Lieber. Du brauchst es nicht allein zu tragen.“ Sie strich ihm übers Haar, die Wangen und drückte ihn immer wieder ganz fest an sich. So saßen sie zusammen und weinten beide über das Unglück dieser Kinder.
Langsam durchdrang Agnes den Nebel, der sich um Eriks Geist gelegt hatte und sie kam zu seinem wahren Selbst. „Mein Lieber, lass mir einen Teil der Bilder und komm wieder zurück zu mir“, sagte sie wieder.
„Ach, Agnes – so etwas sollte keiner sehen müssen, so etwas darf nicht mehr passieren“, flüsterte er heiser. „Ich werde Frederik Hauser töten und dann sein Labor in die Luft jagen und die ganzen Verantwortlichen. Ich schwöre, dass ich das tun werde oder beim Versuch dabei sterben.“ Seine Stimme war hasserfüllt und steinhart.
„Ich weiß. Und wenn du das Scheusal nicht kriegst, dann stirbt er durch mich. Ich werde ihn fühlen lassen, was er anderen antut. Ich werde, ich werde …“
Sie zitterte vor Wut und Hass. Eriks Erinnerungsbilder hatten sich mit den Bildern der Vergangenheit vermengt. „Agnes, hör auf, hör auf. Ich hab mich schon wieder in der Gewalt. Es geht schon wieder. Komm lass uns zurückkehren.“ Er hatte tapferer gesprochen als er sich fühlte. Vor dem geistigen Auge hatte er noch immer die Käfige, in dem die Kinder und Jugendlichen eingesperrt waren. Sie kauerten nur herum, manchen war die Haut durch die ständige Lichteinwirkung verbrannt und die Wunden eiterten. Andere hatten entzündete Augen, oder sie fehlten ganz. Alle waren kahlgeschoren und hatten Sonden die ins Hirn ragten. „Versuche am lebenden Menschen. Agnes, hilf mir auf. Ich kann mich nicht bewegen und ich sehe nichts mehr.“ Er flüsterte nur noch.
Sie stand auf und zog ihn auf die Beine. Schwankend kamen sie vorwärts. Erik tastete mit den Füßen den Boden nach Unebenheiten ab. Schwer stützte er sich auf sie.
„Wieso tun die das, Liebes? Warum?“ Das fragte er die ganze Strecke zurück und Tränen tropften die Wangen hinab.
„Wir sind gleich bei Robert, dort kannst du dich hinlegen und ausruhen. Bitte, Erik, noch ein paar Schritte, dann haben wir es geschafft“, sagte sie drängend und schmeichelnd. „Fünf Schritte und wir sind bei der Tür. Eins, zwei .. Siehst du, jetzt sind wir da. Ich öffne jetzt. Vorsicht, da ist eine Stufe und zieh den Kopf etwas ein, der Türstock ist niedrig.“ Sie zog ihn vorwärts und hielt ihn dabei aufrecht. Schwer lag sein Gewicht auf ihren Schultern. „Nur noch ein bisschen, Erik, es ist nicht mehr weit, dann kannst du dich ausruhen.“ Auch sie weinte die ganze Zeit über. Alle Gefühle nahm sie filterlos wahr. Es tat ihr noch einmal so weh, weil er so litt und weil keiner der Bewohner dieser Siedlung half. Dann kam endlich Robert angelaufen und trug Erik ins Schlafzimmer. Sie legten ihn ins Bett und deckten ihn zu. „Ich kann nichts mehr sehen, nur die Bilder, die ich von ihm genommen habe. Agnes, bist du da? Wo bist du?“
Sie nahm seine Hand und sagte: „Ich bleibe bei dir. Ganz nahe, so wie du es brauchst.“
Auch Robert blieb und starrte sie verwundert an.
„Alle sind bei Rick, dabei hättet ihr Hilfe nötiger gehabt. Es tut mir leid. Du hast ihm den Verstand zurückgegeben, aber zu welchem Preis? – Ich hole uns was zu trinken.“ Damit stand er auf und kam mit der Schnappesflasche und drei Gläsern zurück. Agnes hatte sich ganz nah an Erik gelegt. Er sollte sowohl ihren Körper als auch ihren Geist fühlen, damit er wusste, dass er nicht alleine war.
„Robert, schließ bitte die Haustür ab und wenn es dir nicht peinlich ist, dann leg dich auf die andere Seite ganz dicht an Erik ran. Er braucht die Nähe von freundlichen Menschen um wieder zu sich zu finden.“
Verwundert tat er was ihm aufgetragen worden war. Als sie dann zu dritt dalagen und von dem feurigen Zeug tranken, fragte er: „Was seid ihr für Menschen? So jemanden wie euch habe ich noch nie gesehen.“
„Erwachte sind wir. Wir wollen uns nicht mehr manipulieren lassen. Wir wollen unser Leben selbst gestalten. Ich wurde ebenso entführt wie eure Kinder und in die Armee gesteckt. Erik ist von klein auf gemieden worden wegen Fähigkeiten die er nicht wollte und erst jetzt zu verstehen beginnt. Er ist als Waffe erzeugt worden. Wir sind beide nicht so, wie sie uns geplant haben – Fehlkonstruktionen, wenn du so willst. Wenn uns das Militär oder ganz gleich wer erwischt, dann sind wir tot. Sie werden uns auf der Stelle abknallen, einfach so und sie haben das Recht auf ihrer Seite, auf Desertion steht die Todesstrafe.“
„Seid ihr Soldaten?“ Robert wurde immer verwirrter.
Sie nickte nur mehr. Ihr stand nicht mehr der Sinn nach reden. „Ich werde dir später alle Fragen, die du noch hast beantworten. Sieh nur, Erik wird immer blasser. Wir müssen uns um ihn kümmern.“
„Was muss ich tun?“
„Leg dich enger an ihn ran und halte seine Hand, dann versuche schöne Gedanken auszustrahlen. Ich mache es auch so.“
Sie lag fast auf ihn und strich ihm über den Kopf. „Ich liebe dich“, flüsterte sie ihm ins Ohr. „Wach wieder auf, bitte.“
Es dauerte Stunden bis er sich ganz langsam zu rühren begann. Robert hielt seine Hand umklammert und war dabei eingeschlafen, Agnes Gewicht drückte auf seine Seite.
„He, wie geht’s dir?“, fragte Agnes, die sofort etwas zur Seite rückte.
„Danke. Oh, das war einfach nur schrecklich. Aber ich glaube, ich habe es verkraften können. Es ist aber noch immer in mir. Ich habe Angst, Agnes, dass ich langsam die Kontrolle verliere. Je stärker der Hass in mir ist, desto dünner wird die Barriere, die mich vom Killer trennt.“
Sie sah die Angst in seinen Augen und begann sie wegzuküssen. „Gegen den Hass schicken wir die Liebe ins Feld“, sagte sie und küsste ihn erneut. An Robert neben sich verschwendeten sie keine Gedanken, als sie erneut ihre Körper auf ein noch immer unverstandenes Verlangen reagieren ließen. „Lass dich auf mich ein, Erik, ich werde dich auffangen“, flüsterte sie. So war es. Heftig klammerte er sich an sie und gab seiner Liebe in einer Form Ausdruck die er weder verstand noch verstehen wollte. Aller Hass in ihm schrie dagegen an. „Lieb mich, bitte, lass mich dich fühlen als ganzes. Ich halte das nicht mehr aus!“, keuchte er. Da fühlte er neben sich Robert und bezog ihn ein. Der wollte sich erst erschrocken losreißen, doch etwas in Eriks Gesichtsausdruck ließ ihn innehalten. „Haltet mich, bevor ich mich auflöse und hier alles in Schutt und Asche lege – Agnes!“
Sie nahm nur einen Bruchteil der Gefühle wahr, die in ihm tobten und zu überwältigen drohten. Dann wusste sie, was sie zu tun hatte. Letzte Nacht hatte es geklappt, also würde es auch diesmal funktionieren. Es musste einfach! Sie merkte, dass Robert immer unsicherer wurde, je mehr sich Erik auch an ihn klammerte und von ihm etwas forderte, dass dieser nicht geben konnte, weil er nicht wusste, wie. „Halte ihn einfach. Nimm ihn in den Arm.“ Auch Agnes atmete schwer, teil vor Verlangen, teil aus Angst um Erik und ihrer aller Leben. Wenn er die Mauer nicht aufrecht halten konnte, dann war alles aus.
Entschlossen drängte sie die drohende Panik zurück und suchte die Lust und die Liebe, die sie letzte Nacht gefühlt hatte. Alles projizierte sie auf Erik und gab sich dann selbst hin, während sie ihn gehen und kommen ließ und ihn immer wieder auffing in ihrem Armen und Gedanken. Robert wurde in den Taumel mitgezogen. Auch er verlor die Scheu und klammerte sich an Erik und Agnes, streichelte und küsste ohne zu wissen wen. Es war gleichgültig. Einzig der Ausdruck von Nähe und Liebe zählte in diesem Moment.

Endlich ließen sie ermattet von einander, ohne sich loszulassen lagen sie Körper an Körper und ruhten in atemloser Befriedigung.

„Versuch zu schlafen, Erik und später musst du was essen. Auch wenn du nicht hungrig zu sein glaubt, du wirst immer dünner. Das ist nicht gut. Für unser Vorhaben brauchst du alle Energie, die du bekommen kannst.“
„Ich kann weder das eine noch das andere. Du weißt, dass ich alles wieder auskotzen würde. Zu schlafen wage ich aus einem guten Grund nicht, dann habe ich die Barriere nicht unter Kontrolle.“ Er klang so müde wie er aussah.
„Tut mir leid“, sagte Robert.
„Was tut dir leid?“
„Dass ich dich für einen Schwächling gehalten habe. Du bist stärker als wir alle zusammen. Sogar ich habe einige der Bilder gesehen, die du aufgenommen hast. Ihr beide schlaft jetzt und ich treibe uns etwas zu essen auf.“ Er löste sich aus der gemeinschaftlichen Umarmung, band den Lendenschurz fest und ging hinaus.

Agnes schmiegte sich noch ein bisschen enger an Erik und summte ein Kinderlied. Es dauerte lange, aber dann schlief er endlich ein. Sie wagte nicht, sich wegzubewegen um seinen unruhigen Schlaf nicht zu stören. Ein wenig döste sie dahin, dann erschreckte sie ein lauter Schrei. Es war Erik, der kerzengerade im Bett saß, sich den Kopf hielt und brüllte als wären alle Teufel aller Höllen hinter ihm her.
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Tja ...
...was soll ich dazu sagen?

Unglaublich, was sich in den wenigen Monaten bei Dir da entwickelt hat, liebe Herta, was da aus Dir herausquillt ...

Bleib am Ball!

(Der Antaghar)
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Weiter geht's
Agnes sprang auf. Sie wollte ihn halten und beruhigen, aber er warf sie von sich, als wäre sie ein lästiges Anhängsel. Er schlug mit einer enormen mentalen Kraft zu, die sie durch das Zimmer schleuderte. An der gegenüberliegenden Wand blieb sie benommen liegen und konnte es kaum fassen was da gerade passiert war.
„Halt mich auf! Irgendwie, aber halte mich auf! Ich fürchte …“, flehte er, dann schlug ihn Robert mit einer Bratpfanne nieder. Er hatte gerade gekocht, als er den Schrei hörte. Jetzt kontrollierte er rasch die Atmung des Bewusstlosen und half dann Agnes auf, die mit zitternden Knien vor dem Schrank saß.
„Wir müssen zusehen, dass er die Barriere geschlossen halten kann“, murmelte sie. „Er hat das die ganze Zeit über gefürchtet. Deshalb wollte er wohl nicht, dass ich mitkomme.“
Sie ging zum Bett und versuchte in seine Gedanken einzudringen, die Mauer wieder zu stabilisieren. Mehr als einen Versuch würde sie nicht haben. Sie merkte, dass er sogar im bewusstlosen Zustand mit sich rang.

Es dauerte nicht lange und er erwachte wieder. Abermals griff er sich an den Kopf. Mit schmerzverzerrtem Gesicht rieb er über die Beule und schaute sich suchend im Raum um. Niemand war zu sehen. Vorsichtig stand er auf, zog sich an und ging in die Küche. Dort fand er Agnes und Robert, die schweigend aßen.
„Entschuldige, Agnes, es tut mir so leid. Ich wollte dir nicht wehtun“, sagte er traurig und setzte sich zu ihnen an den Tisch.
„Ist schon gut, Erik. Du hast es nicht mit Absicht gemacht, ich hab es doch gespürt. Ich merke, dass du auch jetzt um Kontrolle ringst“, antwortete sie versöhnlich und gab ihm von der Suppe. „Iß“, befahl sie.
Erik schaute die ungewohnte Speise lange an. Irgendwelche Pflanzen schwammen in der wässrigen Lösung. Trotz seiner Abneigung nahm er den Löffel und begann zu essen. Er wusste, dass Agnes recht hatte. Wenn er nicht aß, würde er zusammenbrechen noch bevor sie ihr Ziel erreicht hatten.
Als er mit Essen fertig war, sagte er: „Wir dürfen uns nicht mehr länger aufhalten. Suchen wir das Labor und dann …“ Agnes nickte, sie ahnte was er sagen wollte. Schließlich flüsterte er kaum hörbar: „Der Killer in mir wollte dich töten und er will es immer noch. Haltet euch so fern wie möglich von mir.“ Entschlossen stand er auf und ging. Sein Gesicht wirkte maskenhaft und starr – unbeugsam. Robert und Agnes blickten sich kurz an und folgten ihm schweigend.

Durch die Gedankenübertragung wusste Erik den Weg. Während er ging sprach er: „Ich hätte dem Jungen nicht helfen sollen. Diese Erinnerungen …ich kann sie nicht mehr ertragen.“ Immerzu befahl er sich stark zu sein, nicht aufzugeben und die Kinder zu befreien.
Agnes folgte Erik und Robert bildete den Schluss. So stiegen sie über Geröll und kletterten eine halbverfallene Treppe hoch. Es war stockdunkel und sie mussten sich mühevoll vorwärts tasten. Zeitweise krochen sie auf Händen und Knien dahin bis sie endlich an eine ebene Stelle kamen, wo sie wieder aufrecht gehen konnten.
Während der Kletterei hatten sie geschwiegen, jetzt sagte Erik: „Wir sind bald da.“
„Soll ich dir helfen, die Barriere zu verstärken?“, wagte sich Agnes endlich zu fragen.
„Nein, es muss so gehen. Du wirst deine Kraft für dich brauchen, Liebes.“ Er klang wieder sanft, wie der Erik, der er noch vor einem Tag gewesen war.
Agnes schluckte die Tränen runter, die sie aufsteigen fühlte, verbannte die Trauer über Eriks Leid in den hintersten Winkel ihres Geistes und folgte ihm dichtauf.

Noch einigen hundert Metern kamen sie an einen Durchgang.
„Agnes, benutze deine Gabe und erspüre, ob jemand in der Nähe ist. Ich will nicht noch einmal in eine Falle laufen“, befahl er flüsternd.
Zögernd trat sie vor und sandte ihren Geist hinaus und sofort wieder zurück. Sie keuchte erschrocken und angewidert auf. „Niemand da. Nur viel Leid“, sagte sie stockend.
„Gut, dann raus hier. Bleibt alle hinter mir, haltet euch einen Fluchtweg offen“, bestimmte er.
Agnes merkte an seiner Haltung, wie eisern er den Killer unter Kontrolle hielt und sie machte sich Sorgen.

Der Gang war gerade und eben. Weiter vorne erkannten sie eine weiße Tür. Noch während sie ging, benutzte Agnes abermals ihr Talent um zu lauschen. Das Leid wurde drängender und auch eine gewisse Gleichgültigkeit konnte sie erkennen. „Wir müssen durch diese Tür. Ich hoffe, sie ist nicht gesichert“, flüsterte sie.
Die Tür war versperrt. Erik öffnete sie mit seiner Gedankenkraft, diesmal gelang es ihm ganz einfach. Die Grenze zwischen den beiden Eriks in ihm verschwamm zunehmend und er steigerte die Konzentration. Agnes wollte ihn berühren, ihm ihre Anwesenheit versichern, aber ein Blick auf den starren Körper vor ihr, und sie unterließ es.
„Wo ist sein Labor? Ihr holt die Kinder und rennt mit ihnen so schnell es geht weg von hier.“ Er schaute sie nicht einmal an, als er diesen Befehl gab. „Erik, ich möchte nicht, dass du alleine weitergehst“, versuchte Agnes ihn umzustimmen. Aber er hatte seine Wahl getroffen.
„Tu was ich gesagt habe! Befreie die Leute und bring die Liebe zu den Menschen von Eumeria.“ Er schaute ihr tief in die Augen und bekam dabei einen weichen Ausdruck im Gesicht. „Ich liebe dich“, sagte er, wollte ihr Gesicht berühren und zog ruckartig die Hand zurück. „Tut mir leid, ich wage nicht, dich anzufassen. So wird es nicht mehr funktionieren. Die Mauer ist fast gefallen. Ich merke, wie die Veränderung in mir Oberhand gewinnt. Geht – beeilt euch. Ich werde euch Rückendeckung geben.“
„Erik …“, mehr brachte sie nicht heraus. Das ganze Elend und Leid der Umgebung strahlte auf sie ein und dann noch die bittere Verzweiflung des einen Menschen, den sie so sehr liebte. Sie konnte es nicht mehr ertragen ihn anzusehen. Deshalb nickte sie, salutierte aus Gewohnheit, drehte sich zur ersten Tür und ging rein. Robert stand dicht hinter ihr. Er hatte sich aus der Diskussion heraus gehalten und war froh, wenn er wieder nachhause kam. Hier war es viel zu hell für seine Augen.
Auch er erstarrte, als er hinter Agnes das Zimmer betrat. Es stank bestialisch nach Exkrementen und Angst. Leises Wimmern kam von den Seiten. Dort standen vier Käfige in denen jeweils zwei Kinder kauerten. Vor sich hatten sie Schüsseln mit verschmutztem Wasser stehen. Gekleidet waren sie nur notdürftig in schwarze Boxershorts, die ihnen bei ihrer Magerkeit über die Hüften rutschten, wenn sie eine Bewegung wagten. Einige der Kinder hatten keine Augen, die meisten wiesen Verbrennungen dritten Grades auf und aus allen Gehirnen ragten Sonden.
Agnes drehte sich um und übergab sich hinter der Tür. „Wie können die nur? Warum nur? Was haben sie davon?“ Sie weinte als sie den ersten Käfig aufmachte, die Sonden entfernte und die Kinder an Robert weitergab.
„Es geht heim“, sagte er ruhig. „Wir holen euch heim.“
Von den Kindern konnte kein einziges mehr gehen oder gar stehen. So war Robert gezwungen sie bis zum Durchbruch zu tragen. Er gab ein Klopfsignal und hoffte, dass seine Verwandten es richtig verstehen würden und die Kinder abholten. So lief er hin und zurück bis acht Kinder in dem Durchgang saßen und warteten. Wieder gab Robert das Signal, doch da sah er schon ein sich näherndes Licht. „Ihr werdet jetzt abgeholt und nachhause gebracht, ihr Lieben. Dann sehen wir zu, dass ihr wieder auf die Füße kommt, ihr kleinen Mäuschen.“ Er versuchte Mut und Zuversicht auszustrahlen, aber einige der Kinder waren zu schwer verletzt worden, um lange am Leben zu bleiben.

Agnes hatte sich unterdessen die nächsten Räume vorgenommen. Es wurde noch schlimmer und sie ging gar nicht mehr in die Nähe der Käfige. Die Kinder waren praktisch tot. Sie schaltete die lebenserhaltenden Maschinen ab und ging wieder. Am Gang brüllte sie: „Frederik Hauser, du elendes Schwein! Komm raus du Feigling, du Kinderschänder! Mörder im Namen der Wissenschaft!“
Robert lief erschrocken zu ihr und begann sie zu schütteln. „Hör auf, sie werden die Wachen auf uns hetzen, bitte, hör auf so zu schreien. Es sind noch nicht alle in Sicherheit“, bettelte er.
„Doch, mehr werden wir nicht mehr retten können. Sieh in die anderen Labors – dort liegen lebende Leichen.“ Agnes konnte sich nicht beruhigen und Robert wurde langsam wütend, wegen ihrer Unvernunft. Kurz entschlossen gab er ihr eine Ohrfeige, die sie zur Besinnung brachte. „Komm, wir bringen die acht Kinder nachhause“, flüsterte er und zog sie mit sich.
„Was ist mit Erik?“, fragte sie.
„Das überlegen wir uns, wenn die Kinder sicher zuhause sind.“

Erik hatte von alldem nichts mehr mitbekommen. Geradeaus ging er weiter zum Hauptlabor. Energisch trat er ein. Vor sich an einem Glastisch saß Frederik Hauser. Er trug den weißen Anzug eines Mediziners und hielt ihm eine Pistole entgegen.
„Guten Tag, Erik Landmann. Ich habe dich erwartet“, sagte er selbstsicher und feuerte ein Geschoss ab. Eine Nadel bohrte sich in Erik. Verwirrt zog er sie heraus und hob fragend eine Augenbraue. „Nur ein kleines Mittelchen, das deinen Killer besänftigt. Du hättest deine Pillen regelmäßig nehmen sollen. So bist du eine Gefahr für die Menschheit. Aber bitte, tritt doch näher. Du bist ein Phänomen, weißt du das? Und das Militär hat mir zugesichert, auf deine Hinrichtung zu verzichten, wenn ich dich untersuche.“
Erik stand mit der Nadel in der Hand da und starrte. Die Mauer in seinem Hirn verstärkte sich durch das injizierte Gift und er merkte, wie er ruhiger wurde. Seine Sinne wurden gedämpft. Es war so, als hätte jemand einen Schleier um ihn gelegt.
Mit hängenden Schultern ging er weiter ins Labor hinein. Einen Schritt vor dem Tisch blieb er stehen.
„Nun, sag mir aber, was dich hierher führt. Doch hoffentlich nicht meine kleine bescheidene Forschungseinrichtung? Oder ist es etwas das mit Agnes Lindstrom zusammenhängt?“ Er machte eine Pause und gab Erik die Gelegenheit zu antworten. Dieser konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Er hatte vorgehabt hier hereinzustürmen, den Arzt zu überraschen und zu vernichten. Nun war er überrumpelt, seiner Fähigkeiten beraubt und durch Drogen matt gesetzt worden.
„Aha, sie ist auch da. Aber sie ist nicht wichtig, von ihr habe ich was ich wollte. Die MP wird sich ihrer annehmen“, sprach Frederik munter weiter. Er redete in einem Ton, als würde er niemals jemanden etwas zu leide tun.
„Du bist ein Kinderschänder und wirst dafür bezahlen müssen“, sagte Erik endlich.
„Denkst du? Ich bin Forscher. Hier untersuchen wir die Auswirkungen von Hitze, Licht und Kälte auf die Haut und die anderen Körperzellen. Die Haut der Unterweltler eignet sich ausgezeichnet für diese Studien und diese Leute gehen niemanden ab.“
„Du bist verrückt. Ihre Familien haben immer wieder nach ihnen gesucht, keiner lässt mehr sein Kind aus den Augen, wenn es weiter als einen Steinwurf von zuhause weggeht. Deine Forschung ist pervers. Niemand braucht das.“ Erik versuchte etwas von dem Abscheu den er noch immer empfand an sein Gegenüber zu senden. Aber er wurde blockiert.
„Gib dir keine Mühe, Landmann, ich bin dir haushoch überlegen. Gegen meine geistigen Fähigkeiten sind deine nichts.“
Erik versuchte es noch einmal und wurde wieder geblockt.

Ruckartig drehte er sich um, als er von hinten Hände spürte, die ihn packten und wegbrachten. „Was willst du von mir?“ Die Frage klang verzweifelt und Erik hasste sich dafür.
„Ach, ich will bloß einige deiner Gene und dann werde ich noch das eine oder andere neue Präparat an dir testen, jetzt, wo Agnes meine Versuchstiere gestohlen hat, bist du eine echte Alternative.“ Er wandte sich an die Pfleger und befahl: „Bringt ihn ins Sicherheitslabor, Käfig Nummer 18.“
Herbst 2018
***to Mann
4.270 Beiträge
Also Herta,
diese Chancenlosigkeit macht langsam depressiv.

Hab nen richtigen Klotz im Magen...

Einfach super erzählt.

Aber bitte weitermachen.

Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Zur Beruhigung ...
die Geschichte ist noch lange nicht zu Ende erzählt.

Danke für das Kompliment *blume*
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Noch einmal weiter ... tut mir Leid, dass sie so lang wird
Agnes stolperte hinter Robert den Gang hinab. Sie schlitterte über das Geröll und landete unsanft. „Beeil dich, wir müssen ins Dorf. Steh auf“, drängte er.
„Ich weiß, dass du zurück willst. Aber ich kann in dieser Dunkelheit nicht so gut sehen wie du. Wo habt ihr die Kinder hingebracht? Habt ihr Krankenhäuser?“
„Sie sind zuhause bei ihren Familien und werden dort betreut. Und bevor du fragst, wir haben Ärzte und Pfleger, die kommen ins Haus wenn man Hilfe braucht. So ist es angenehmer und die Kranken werden schneller gesund“, erklärte er. Agnes interessierte das im Moment nicht im geringsten.
Robert steuerte auf einen prächtigen Eingang zu und drängte Agnes hindurch. „Wir gehen jetzt zum Bürgermeister. Die Durchgänge müssen gesperrt werden.“ Er klang sehr entschieden.
„Was ist mit Erik? Ich habe kein gutes Gefühl. Es ist als wäre er weg. In letzter Zeit habe ich seine Gedanken immer gespürt, jetzt ist es so als wäre er blockiert. Ich muss wieder ins Labor.“
„Was, wenn er tot ist?“
„Nein! Er lebt!“ Sie klang sicher. Seinen Tod konnte und wollte sie sich nicht vorstellen.

Robert ging rasch weiter und trat ohne zu klopfen in das Zimmer des Bürgermeisters.
„Grüß dich, Albert. Die Kinder sind wieder daheim, nun wird es Zeit, die Löcher zu schließen. Ich fürchte, dass Erik das Labor nicht zerstören kann.“
„Ich habe schon daran gedacht und die ersten Leute sind bereits an der Arbeit. Es geht nicht, dass diese arroganten Eumerier unsere Welt hier unten bedrohen.“ Jetzt wandte er sich an Agnes und fuhr in geschäftlichem Ton fort: „Ich danke dir im Namen aller Eltern für die Rückgabe ihrer Kinder. Sie werden jetzt bestens versorgt. Um deinen Freund tut es mir ehrlich gesagt nicht wirklich leid, er ist eine Gefahr für sich und alle, die in seiner Gesellschaft sind. Robert wird dir eine Belohnung zukommen lassen und dann zu einem Ausgang bringen, der dich in sicherer Entfernung dieses Labors an die Oberfläche führt.“
Agnes war entsetzt. Jetzt abgeschoben zu werden war das Letzte das sie wollte.
„Ich dulde keinen Widerspruch. Du wirst uns verlassen. Robert, sorge bitte für alles Nötige.“ Dann drehte sich der Bürgermeister zur Seite und Robert neigte kurz den Kopf um sein Einverständnis zu zeigen. Er winkte Agnes ihm zu folgen und schob sie wieder auf den Weg hinaus.
„Ich kann ihn nicht seinem Schicksal überlassen. Das geht nicht. Er hat mir schon oft geholfen und nicht nur mir. Robert, du hast selbst gesehen, was er mit Rick gemacht hat – er hat seinen eigenen Verstand riskiert um ihn zu retten. Und jetzt wollt ihr ihn im Stich lassen, nur weil er nicht so ist wie ihr! Das bin ich auch nicht. Uns war es egal, wer ihr seid und trotzdem haben wir etwas getan. Aber bitte, wenn ihr nur Euresgleichen unterstützt, dann auf Wiedersehen und alles Gute!“ Zornig war sie weitergelaufen, direkt in Rick, den sie übersehen hatte. „Entschuldige“, brummte sie und wollte schon weiter gehen.
„Warte!“, rief der junge Mann und hielt sie am Ärmel fest. „Robert, lass uns in deine Wohnung gehen.“

Zusammen saßen sie in der Küche und tranken Tee. Der Jüngere hatte sich alles über Erik und die Rettung der Kinder berichten lassen und staunte immer mehr, fand aber keine Worte um seine Gefühle auszudrücken.
„Ich gehe wieder ins Labor zurück. Ich bin mir sicher, dass er dort ist. Frederik ist ein Scheusal, er wird Erik unter Drogen setzen und dann allerhand Versuche mit ihm anstellen. Ich mag mir das gar nicht vorstellen.“ Während sie sprach weinte sie immer heftiger. „Wir haben davon geträumt, die Welt zu verändern, den Leuten die Liebe zu bringen. Wie sollen wir das schaffen, wenn wir nicht zusammen halten? Soll ich ihn fallen lassen, sobald es für mich gefährlich wird? Das werde ich nicht!“ Entschieden schüttelte sie den Kopf, wischte die Tränen weg und stand auf. „Bestimmt nicht! Ich gehe jetzt und wenn ihr mir schon nicht helfen wollt, dann hindert mich wenigstens nicht daran!“
Sie drehte sich um und ging auf die Tür zu. Wieder rief Rick, dass sie warten solle. Er schaute zuerst Robert fest ins Gesicht, dann Agnes, bevor er bestimmte: „Ein Leben für ein Leben – ich komme mit.“
„Aber vorher werden wir uns einen Plan zurecht legen. So einfach wird das nicht mehr gehen. Die haben ja mehr oder weniger auf Erik gewartet, so wie ich das sehe“, meinte jetzt Robert und ein feines Lächeln umspielte seinen Mund. „Setz dich wieder Agnes. Wir müssen dich irgendwo verstecken und einen anderen Aufgang zum Forschungszentrum finden. Kennst du einen Weg, Ricky?“
Sie besprachen alle möglichen Ausgänge und wo sie mündeten bevor sie sich einigten und mit Agnes zu einem halbwegs sicheren Versteck gingen.
„Noch nie habe ich etwas getan, das gegen die Gemeinschaft gerichtet ist“, murmelte Robert.
„Wieso gegen die Gemeinschaft?“, fragte Rick. „Was wir hier tun, ist für alle gut. Wenn das Labor über uns weg ist, werden wir alle sicherer leben. Sollte das der Bürgermeister nicht einsehen, dann tut er mir leid.“
„Er will ja die Durchgänge sperren.“
„Das hilft doch nichts. Oder denkt er, dass die blöd sind?“
Dann schwiegen sie bis sie das Versteck erreicht hatten. Agnes war nur mehr hinterher gestolpert, denn sie hatten auf Lampen verzichtet und sie konnte kaum etwas erkennen. Immer wieder strauchelte sie über Unebenheiten.
„Wir sind da. Hier ist die große Quelle, also hast du sogar Frischwasser. Brauchst du noch etwas?“
„Ich brauche eine Waffe“, sagte sie. „Ganz gleich was für eine. Habt ihr Schusswaffen?“
„Massenweise“, antwortete Rick. „Im Museum, werden sie gut gepflegt. Aber ob auch Patronen oder Kugeln oder wie man das nennt, das vorne rauskommt, da ist, das weiß ich nicht.“
„Könnt ihr mir so etwas besorgen?“
„Es wird einige Zeit dauern, aber ich werde es versuchen.“
Damit verabschiedeten sich die Männer und kehrten in die Siedlung zurück.
Agnes war es unheimlich in dieser Dunkelheit so alleine zu sein. Wasser tropfte irgendwo von einem Stein in den Teich. Sie hörte der Melodie des Wassers zu und dachte an Erik und Alex.

Erik wurde in den Käfig geschoben und allein gelassen. Durch das Gift war er so ruhig geworden, dass er sich weder wehren noch zusammenhängend denken konnte. Stundenlang wartete er, dass etwas geschah. Über der Tür hing eine große Uhr. Langsam verstrichen die Minuten. Immer wieder glitt sein Blick dorthin. Er fühlte sich so hoffnungslos wie noch nie im Leben. Immer hatte er einen Ausweg, ein Licht am Ende des Dunkels, gesehen. Diesmal sah er nichts. Er dachte an Agnes und wünschte sich, dass sie in Sicherheit war. Aber auch diese Aussicht war gering.

Endlich ging die Tür auf und Frederik trat ein, gefolgt von zwei Männern, die ihn aus dem Käfig zerrten und auf einer Bahre fixierten.
Frederik zog sich Handschuhe über und grinste zufrieden. Nie hatte er erwartet so ein Versuchsobjekt vor sich zu haben. Das mit den weißen Kindern war nur Spielerei gewesen, notwendige Grundlagenforschung. Hier ging es jetzt um was anderes, etwas Größeres. Und was am schönsten war, mit diesem Objekt konnte er reden.
Aber vorerst nahm er die Handlungen stumm vor. Er wollte das Objekt noch etwas verunsichern und dann das Blut auf die Anwesenheit bestimmter Hormone testen.

Erik merkte, wie etwas Kaltes seinen Hals traf. Es roch sonderbar, er nahm an, dass es ein Desinfektionsmittel war. Dann fühlte er einen unangenehmen, beinahe schmerzhaften Stich und ein furchtbares Ziehen, als etwas in die Halsvene eingeführt wurde.
Schließlich war Frederik mit dem ersten Teil fertig. Er hatte einige Blutproben genommen und stellte sie in die Zentrifuge. Dann ging er wieder zu Erik und blickte grinsend auf ihn nieder. „Ich brauche eine Speichelprobe von dir. Mach den Mund auf.“
Erik presste die Lippen fest aufeinander und schüttelte den Kopf.
„Ach jetzt sei nicht so. Auf den Mund, ich tu dir auch bestimmt nicht weh“, sagte er im Plauderton. Als sich der andere noch immer weigerte, meinte er: „Macht nichts. Ich setze mich jetzt hierher, lasse mir ein Koffeinpräparat bringen und werde dir von meinen Forschungen erzählen. Das interessiert dich sicher. Du bist doch klug genug, den tieferen Sinn meiner Studien zu erkennen.“ Erik starrte weiterhin stur an die Decke und hielt den Mund geschlossen. So stand Frederik auf und ließ sich sein Getränk kommen. Als er mit einem dampfenden Becher wieder Platz genommen hatte, fuhr er in seinem Monolog fort: „Sicher hast du dich schon einmal gefragt, warum eine bestimmte Bevölkerungsgruppe ein gewisses Alter nicht überschreitet.“ Jetzt hatte er Eriks Aufmerksamkeit erreicht. Er richtete den Blick weg von der Decke und auf Frederik, dieser lächelte jovial. „Ich sehe, du hast dir diese Frage schon gestellt. Nun, das war ein Geniestreich unserer Genforscher. Zugegeben, ich wäre gerne dabei gewesen, aber ich habe einige Verbesserungen vornehmen können, aber die Grundstruktur ist gleich geblieben. Diese Leute, von denen ich hier spreche, sind nicht wirklich etwas wert. Sie helfen uns, den wichtigen Menschen, sie produzieren für sich selbst und dienen uns. Du kennst das ja von der Armee her. Ab einem gewissen Alter haben wir sie programmiert, dass sie Nachwuchs wollen. Es dürfen aber nie mehr als zwei sein, ein männliches und ein weibliches Kind. Wenn diese Jungen dann groß genug sind, um arbeiten zu können, dann greift die Programmierung und die Zellen sterben rapide ab. So sorgen wir dafür, dass immer ausreichend Arbeitsplätze vorhanden sind und wir nicht mit einer Horde alter, unnützer Menschen überschwemmt werden. Das war ein großes Problem des ausgehenden zweiten und beginnenden dritten Jahrtausends. Die dortige Elite wusste nicht mehr, wie sie das System finanzieren sollte. Wir haben das klug gelöst und keiner von denen ahnt etwas davon. Du musst zugeben, Erik, dass wir vorausschauend handeln.“ Er stellte den Becher ab und stand wieder auf.
„An so eine abgrundtiefe Schweinerei hätte ich im Leben nicht gedacht. Ihr lasst die Leute vor ihrer Zeit sterben! Was ist nur los mit euch?“ Erik war entsetzt aber das Gift hatte ihn soweit unterdrückt, dass er seinen Gefühlen keinen Ausdruck verleihen konnte. So starrte er wieder an die Decke.
„Ich brauche jetzt deine Speichelprobe, sie ist wichtig, um deinen Hormonstatus zu bestimmen. Durch deine Genmanipulation hast du eine geringe Abweichung in der Anzahl der Hormone und ich will wissen, wie sich die Höhe von einem anderen Menschen unterscheidet. Dann werde ich mir noch deine DNA genauer ansehen. Deine Erzeuger haben Mist gebaut, als sie dir Gefühle ließen. Wenn ich dich konstruiert hätte, dann wärest du ein eiskalter Killer geworden, der nicht lange redet und nachdenkt, sondern handelt. Jetzt mach den Mund auf, sonst werde ich grob.“
Erik sah keine andere Möglichkeit, also öffnete er den Mund und ließ die Probe entnehmen. Dann kamen die Pfleger wieder, brachten ihn in den Käfig zurück und machten seine Hände am Gitter fest.
„Tut mir leid, dass deine Unterkunft so klein ist, aber ich habe nie mit jemanden von deiner Größe hier gerechnet. Du bist ja überdurchschnittlich groß, Erik. Bis später. Vielleicht morgen oder übermorgen. Solange wirst du hier warten müssen, aber die beiden Herren da werden für dein leibliches Wohl sorgen. Es sind übrigens Harry und Brian. Aber rede sie nicht an, sie müssen jedes Gespräch melden. Das mit den Handschellen ist leider auch nötig. Du bist einfach zu stur.“
Bevor Frederik endgültig ging, schloss er eine Infusion an die Venenkanüle.
„Was ist da drin?“, verlange Erik zu wissen.
„Das gleiche Mittel, das ich dir mit der Injektion verpasst habe. Ich will ja nicht, dass deine Fähigkeiten zu schnell wieder kommen. Nun gute Nacht oder guten Morgen, so genau kann man das bei der Beleuchtung nicht sagen.“
„Du bist eine miese kleine Ratte. Ein Feigling, ein Giftmischer, der sich an Kindern vergreift.“
„Du kannst mich nicht provozieren.“
Die Tür schloss sich und Erik betrachtete müde die Leitung, die von dem Beutel mit dem Gift zu seinem Hals führte. Er hatte keine Lust, das Zeug in sich zu haben. Also versuchte er den Schlauch mit dem Mund zu erreichen und ihn durchzubeißen. Es dauerte lange, bis er ihn endlich erwischt hatte und dann begann er daran herumzukauen. Etwas anderes hatte er nicht zu tun.
Seine Gedanken hingen bei Agnes und dem Abend wo sie die Liebe kennen gelernt und ihre Körper entdeckt hatten. Beinahe wäre ihm der Schlauch aus dem Mund gefallen als er sich an jede Einzelheit ihres Körpers erinnerte. Deshalb konzentrierte er sich wieder auf die Röhre.
Die Schultern und Ellbogen begannen zu schmerzen, ebenso der Rücken und die Knie. Er wollte sich gerne ausstrecken können, doch die Größe des Käfigs ließ es nicht zu. So rutschte er etwas hin und her um sich Erleichterung zu verschaffen. Es half nicht viel. Dabei hielt er immer den Schlauch zwischen den Zähnen. Nur zögernd schien der Kunststoff nachzugeben, aber dann war er durch und die Flüssigkeit schoss in einem Schwall aus dem Beutel.
Anmelden und mitreden
Du willst mitdiskutieren?
Werde kostenlos Mitglied, um mit anderen über heiße Themen zu diskutieren oder deine eigene Frage zu stellen.