Es geht weiter hinein ins kontrollierte Chaos des 5.Jtds
Sie redeten kaum miteinander. Beiden war es peinlich, dass sie Arm in Arm eingeschlafen waren.
Ein leerer Mannschaftstransporter brachte sie zur Basis in Sunflower. Der Flug dauerte nur eine Stunde. Aber Agnes kam er wie eine Ewigkeit vor. Das Schweigen zog sich in die Länge und es war saukalt in dem Ding. Wegen ihnen wurde nicht geheizt, so zitterte Agnes dahin und wusste nicht, ob sie vor Kälte, unterdrücktem Zorn oder vor Scham zitterte.
Erst nach der Landung sagte Erik: „Bin ich froh, dass wir hier sind. Als erstes müssen wir uns zivile Kleidung besorgen. So fallen wir zu sehr auf.“
„Ich habe doch nichts mehr“, entgegnete sie.
„Wir müssen uns etwas kaufen. Ich habe ein wenig Geld, das muss reichen für unser Vorhaben. Weißt du, wo man hier gut einkaufen kann? Das müssen wir zuerst erledigen, dann gehen wir in die Ausstellung.“
Agnes dachte darüber nach. Dann stimmte sie, wenn auch widerwillig zu. Erik hatte Recht, wenn sie in Uniform dort hin gingen, würde man sich auf jeden Fall an sie erinnern.
In der Innenstadt kleideten sie sich günstig ein und fuhren dann in den Außenbezirk zur Raritätenshow.
Für beide war der Anblick deprimierend. Was hier so alles präsentiert wurde, war einfach nur erschreckend. Verängstigte Menschen eingepfercht und zur Schau gestellt wie Vieh. Da waren Menschen mit Behinderungen dazwischen standen Tiere herum und dann die Familie Nikitin. Agnes ging ganz nahe ans Gitter und flüsterte: „Wir holen euch da raus. Irgendwie werden wir es schaffen. Ich verspreche es.“
Die Älteste trat vor und flüsterte: „Mädchen, wie willst du das schaffen? Wir sind hier eingesperrt und gut bewacht. Hier werden wir sterben und niemand wird es ändern können.“
„Doch, wir werden euch helfen.“ Agnes hatte sehr bestimmt gesprochen und mehr Sicherheit in die Worte gelegt als sie selbst fühlte.
„Geh, bevor die Wachen auf dich aufmerksam werden.“
„Agnes, sie hat recht, komm“, sagte jetzt auch Erik. Er wagte nicht, sie in der Öffentlichkeit zu berühren. Am liebsten hätte er sie gepackt und fortgezerrt.
„Ich habe gesehen, was ich wollte, jetzt gehen wir, aber schnell. Komm endlich und wisch dir die Tränen fort. Du machst uns verdächtig.“
Jetzt sah auch Agnes den in grün gekleideten Parkwächter auf sie zukommen. Schon von Weitem rief er: „Gnädigste haben Se irgendwelche Probleme?“
Agnes fühlte wie ihr der Schweiß ausbrach und in Bächen den Rücken runter floss. Hastig überlegte sie eine passende Antwort, aber ihr wollte nichts einfallen, so starrte sie nur etwas dümmlich in der Gegend rum. Da rettete sie der Zufall. Den Weg weiter zurück, ging eine Familie und der Junge fing an, mit Stöcken gegen das Gitter zu schlagen und Steine ins Gehege zu werfen. Als der Parkwächter das sah, ließ er Agnes links liegen und begab sich zu den anderen Leuten. Lautstark schimpfte er schon von weitem mit dem Kind.
Agnes wandte sich noch einmal an die Nikitins, aber diese hatten sich zurückgezogen, als der Wachmann erschienen war. Sie kämpfte sich aus dem Trauerloch und folgte Erik, der bereits weitergegangen war.
„Tut mir leid, ich konnte nicht anders“, sagte sie, als sie ihn eingeholt hatte.
„Wir müssen nüchtern überlegen, sonst gehen wir alle drauf dabei. Ich habe gesehen was ich wollte. Lass uns hier noch ein Weilchen marschieren und dann kehren wir um. Wir müssen sie informieren.“
Erik schritt forsch aus. Er war so zornig über das was er hier gesehen hatte. Agnes ging es nicht anders. In ihr brodelte die Wut in einem heißen Feuer. Am liebsten hätte sie laut geschrien. Aber ein Blick auf Eriks geraden Rücken und sie biss sich auf die Zunge. Energisch blinzelte sie die Tränen weg.
Eriks Gehirn arbeitete fieberhaft. Er überlegte einen Weg, wie sie die Gefangenen befreien konnten. Für die behinderten Menschen sah er keinen Weg zurück in die Freiheit. Die waren so mental an die Aufseher gebunden, dass sie beim Anblick eines Fremden in ihrem Quartier zu schreien anfangen würden.
Dann stieg eine Erinnerung in ihm hoch. Als fünfzehnjähriger hatte er seinen Physiklehrer manipuliert, sodass er ihm die Prüfungsfragen gegeben hatte mitsamt den Antworten. Der Lehrer hatte nicht bemerkt, was Erik mit seinem Gedächtnis angestellt hatte, aber sehr wohl die Eltern. Daraufhin wurde er in eine andere Schule versetzt und musste monatelang Strafdienst versehen. Schweigend hatte er sämtliche Internatstoiletten geputzt und die Böden der Schlafsäle auf den Knien geschrubbt. Er wurde von allen Mitschülern gemieden und die Lehrer hatten ihn besonders im Auge. So ging es den Rest der Schulzeit. Auch während des Studiums und der Militärzeit war er viel allein gewesen. Sein Talent war ihm zur Falle geworden. Keiner wollte zuviel mit ihm zu tun haben. Entschlossen drängte er die anderen Reminiszenzen in den Hintergrund, sie brachten ihn hier nicht weiter.
Es war ein Wunder, dass sie damals keine Veränderung an seiner Fähigkeit vorgenommen hatten. Davor hatte ihn wahrscheinlich der Familienname geschützt.
„Agnes, so geht’s. So machen wir es. Aber es wird hart werden“, sagte er und wandte sich um. Am liebsten hätte er sie jetzt in den Arm genommen und ganz fest gedrückt. Er war dahinter gekommen, dass ihm die Berührung gut tat und Agnes schien es auch so zu gehen. Aber hier in der Öffentlichkeit hätten sie nur vermeidbares Aufsehen erregt.
„Wir warten bis es dunkel wird. Jetzt muss ich noch etwas erledigen.“ Er kehrte um und zwang sich lässig zu schlendern. Agnes versuchte es ebenfalls. Beim Gehege angekommen rief er: „Na, da haben wir ja mal ein paar seltene Exemplare. Wie lange sie wohl aushalten werden?“ Der Aufseher, der gerade mit der „Fütterung“ begann, grinste breit und merkte nicht, dass Erik bereits in seinem Gehirn war. Er suggerierte dem Mann die Schlüssel bereits weggesteckt zu haben und dass alles in Ordnung ist. ‚Die Schlüssel sind sicher verwahrt und heute war ein ruhiger Tag ohne Vorkommnisse. Ich gehe jetzt nachhause und dann ins Bett. Ich bin müde.’ Immer wieder sagte er ihm diese Unwahrheiten.
Der Aufseher ging tatsächlich davon, ohne den Schlüssel mitzunehmen. Erik atmete erleichtert auf. Die Anstrengung des erzwungenen Gedankenrapports stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er schwankte. So hatte er es nicht mehr in Erinnerung gehabt. Früher war ihm das leichter gefallen. Agnes eilte herbei und stützte ihn, sonst wäre er auf dem Boden gelandet.
„Was hast du gemacht? Du bist weiß wie die Wand“, flüsterte sie ängstlich.
„Ich habe … Lass mich irgendwo hin setzen. Langsam werde ich wohl alt.“
Agnes führte ihn zu einer nahen Bank. Dann fragte sie wieder: „Was hast du nur angestellt?“
„Ich habe etwas Verbotenes gemacht“, flüsterte er. „Es ist besser, wenn du es nicht weißt. Endlich konnte ich mein Talent einmal für etwas Nützliches einsetzen, so es denn klappt und wir ungeschoren davon kommen.“
Er vergrub das Gesicht in den Händen und beugte sich ganz weit nach vor. Ein Bild des Jammers.
„Erik, Erik, was soll ich nur sagen?“ Kurz blickte sie sich um, als sie niemanden mehr sah, drückte sie ihn ganz fest an sich.
Langsam wurde es dunkel. Es waren keine Besucher und keine Aufseher mehr zu sehen. Sie versteckten sich noch in einem kleinen künstlichen Waldstück und warteten darauf, dass es noch dunkler wurde. Endlich wagten sie sich aus dem Versteck.
Ihr Plan war, soweit ihn Agnes verstanden hatte, die Gefangenen rauszulassen und dann mit ihnen abzutauchen. Erik hatte vor, das Flugzeug, das sie am nächsten Tag abholen sollte, zu stehlen. Agnes war darüber entsetzt. „Das geht nicht, wir haben dann die Armee auf den Fersen.“
„Das haben wir so oder so. Mit dem Flugzeug sind wir schneller.“
„Kannst du es denn fliegen?“
„Nein. Aber ich kenne jemanden der es kann und der wird morgen auch auf dem Rollfeld sein. Wir müssen nur schnell und unauffällig arbeiten, dann klappt es schon.“
„Du hast viel organisiert, während ich an dem Modul herumsabotiert habe.“
Jetzt schlichen sie an die Rückseite des Gebäudes und öffneten. Erik tastete sich in der Dunkelheit nach vor und sagte so laut er es wagte: „Leute, kommt, nehmt eure Sachen, wir verschwinden jetzt. Aber ihr müsst leise und schnell sein.“
Ein ungläubiges Murmeln hob an. „Pscht. Leise und kein Licht.“
Dann zog er sich vorsichtig zurück. Das Warten fühlte sich lang an, aber es dauerte in Wirklichkeit nicht mehr als ein paar Minuten, dann kamen sieben müde Gestalten aus dem Haus. „Da fehlt noch jemand“, zischte Agnes.
„Oma Nikitina hat gesagt, dass sie bleibt, sie ist zu langsam für die Flucht und würde uns nur aufhalten“, antwortete eine junge Frau.
„Mist. Aber es lässt sich wohl nicht ändern. Wenn die ihr Gedächtnis sondieren, werden sie wissen, wer euch befreit hat. Egal jetzt, wenn wir nicht sofort machen, dass wir wegkommen, sind wir gleich dran. Bis wir alle in Sicherheit sind, habe ich das Kommando.“
Alle nickten zustimmend.
„Wartet“, sagte Agnes, ihr war noch etwas eingefallen. Schnell rannte sie zurück und schloss das Haus wieder sorgfältig ab. Dann steckte sie die Schlüssel ein und wischte die Tür gründlich ab, bevor sie zu den anderen rannte. Atemlos bildete sie den Schluss der Reihe.
Sie krochen wie Geister durch ein Waldstück und gelangten schließlich zu einer hohen Mauer, die mit Stacheldraht gekrönt war. Dort entlang führte sie Erik bis sie an eine Seitentür kamen. „Bleibt ruhig. Ich werde versuchen das Tor zu öffnen.“ Einige Male atmete er ganz bewusst und tief ein und aus. Dann begann er damit sich zu erden, er stellte sich vor, mit dem Boden verwachsen zu sein und direkt Energie von der Erde zu bekommen. Als er glaubte, die Kraft zu spüren, fokussierte er die Gedanken auf das Tor. Langsam drang er in das dicke Holz ein und begann damit die atomare Struktur zu verformen. Er seufzte als das Holz zu brechen begann. Vorsichtig blickte er durch das entstandene Loch. Es war nichts zu sehen.
„Raus hier“, befahl er und kippte um. Die Anstrengung die Holzfasern nur mit dem Willen zu brechen, war einfach zu groß gewesen.
„Erik! Wartet, Leute, wir dürfen ihn nicht einfach so liegen lassen.“
Sieben bleiche Gestalten blickten zurück. Dann kam der Kräftigste von ihnen und hob Erik hoch. „Freund, ich werde dich jetzt eine Weile tragen. Nur wohin sollen wir gehen?“
„Das weiß nur Erik“, antwortete Agnes verzweifelt.
„Dann bleiben wir vorerst hier im Wald. Er wird sich hoffentlich bald erholen. Du hast einen tapferen Freund. Wer seid ihr eigentlich?“
„Zuerst müssen wir hier weg, dann bekommt ihr die Antworten.“
Jetzt ging Agnes voran. Sie schlichen tiefer in den Wald hinein.
Als sie merkte, selbst nicht mehr zu können machte sie Rast. Es war beinahe Mitternacht und es war kalt geworden. Der Herbst schritt voran. Hier war es ihr wärmer vorgekommen als in Zurick, aber nachts war es auch hier ganz schön frisch.
„Pause. Erik sollte langsam wieder zu sich kommen.“ Ihre Stimme klang sorgenvoll und ihr Blick klebte an ihm, auch wenn sie in der Dunkelheit nicht viel erkennen konnte.
„Wer seid ihr?“, fragte wieder der Mann, der Erik getragen hatte.
„Ich bin eine Freundin von Alex Smirnov und heiße Agnes Lindstrom, das da ist Erik Landmann.“
„Freut uns. Eine Freundin von Alex ist auch unsere Freundin. Wir wussten nicht, dass er hier Freunde hatte. Warum helft ihr uns? Ihr Eumerier, besonders die mit den Talenten wie dein Freund hier, kümmert euch herzlich wenig um andere.“
„Das stimmt, leider. Wir möchten etwas ändern. So kann es nicht weiter gehen. Unsere Regierung unterdrückt das eigene Volk, macht es mittels Pillen gefügig. Alles ist verboten und wird kontrolliert. Sie wollen alle vernichten, die nicht so sind wie sie. Das wird auf Dauer die Erde noch kaputter machen, als sie ohnehin schon ist. Menschen zur Schau zu stellen ist nur eine der Perversitäten der Administration.“
Lange Zeit herrschte Ruhe. Das mussten die Befreiten erst einmal verdauen. Bevor sie sich selbst vorstellen konnten, regte sich Erik.
„Wo bin ich? Mir ist so kalt“, sagte er mit klappernden Zähnen. Agnes stürzte auf ihn zu und nahm ihn in den Arm. „Was hast du nur wieder gemacht? Deine Begabung ist erschreckend“, flüsterte sie ihm ins Ohr. Sie versuchte etwas von ihrer Körperwärme abzugeben und drückte ihn ganz fest an sich. Langsam ließ das Zittern nach und er begann leise zu sprechen: „Ich weiß jetzt warum ich gezüchtet worden bin.“ Er machte eine Pause, das Reden war anstrengend. „Agnes, ich bin eine Waffe. Sie haben mich als perfekten Soldaten gezüchtet. Ich mag das nicht sein.“ Er klang entsetzt und schien total verloren zu sein. Diese Gefühle drangen tief in Agnes ein.
„Lass die Trauer und die Wut raus. Ich werde dich halten, Erik. Alle hier werden dich halten“, sagte sie bestimmt und die sieben Leute rückten enger um sie. Sie bildeten einen Kreis und berührten sich gegenseitig.
„Erik, ich kann dich fühlen. Lass die Trauer endlich raus, sonst bringt sie dich um.“
„Wir haben keine Zeit dafür“, redete er bestimmt entgegen.
„Die müssen wir haben. Im Dunkeln können wir nicht weiter gehen.“
„Agnes, wir verpassen das Flugzeug, wenn wir uns jetzt wegen mir hier aufhalten.“
„Vergiss den Flieger. Du bist wichtig. Wenn wir nicht auf uns Rücksicht nehmen, dann brauchen wir erst gar nicht damit beginnen, die Welt verändern zu wollen.“ Sie drehte sich etwas, damit er ihr Gesicht erkennen konnte, hielt ihn aber weiterhin fest umschlungen. „Erik, es macht nichts, wenn wir das Flugzeug verpassen. Irgendwie werden wir es schaffen.“
„Aber ich wollte die Leute wieder nachhause bringen.“
„Ich weiß. Aber du bist mir auch wichtig.“
„Hör auf deine Freundin, Erik Landmann. Du hast schon viel für uns getan. Wir werden es schon schaffen, irgendwie nachhause zu kommen oder anderswo ein neues zu finden.“ Eine Frau mittleren Alters hatte gesprochen.
„Du bist Sainkoh, nicht wahr“, sagte Erik. „Wir haben dich gesucht.“
„Woher? – Ja, es stimmt. Warum habt ihr mich gesucht? Es ist wegen Alex, er schickt euch. Aber warum nur?“
„Er hat gedacht, dass du etwas weißt“, antwortete Agnes. Sie hielt Erik noch immer umklammert.
„Da muss er sich getäuscht haben. Ich weiß nichts. Aber vielleicht …“, sie brach grübelnd ab. Die Stirn in Falten gelegt redete sie schließlich weiter: „Vielleicht war er in der Zukunft und er hat etwas gesehen. Wo ist er?“
„Er ist weg und wird nicht wiederkommen.“ Agnes klang resigniert und müde. Sehr gerne hätte sie den Kollegen und Freund wieder gesehen.
Alle schwiegen betreten. Die Nacht kroch langsam weiter und machte der Morgendämmerung platz.
„Agnes, du kannst mich jetzt loslassen. Mir ist wieder warm und mir geht es gut. Wir müssen weg hier. Kommt Leute.“ Erik stand auf, streckte die steifen Gliedmaßen und half dann Agnes, die so verkrampft war, dass sie nicht von alleine hochkam. Die Gedanken und Gefühle hatte er wieder unter Kontrolle. Agnes hatte ihm geholfen einen Teil davon anzunehmen, aber rauslassen konnte er sie nicht – noch nicht.
„Wir beide ziehen jetzt wieder unsere Uniformen an und dann gehen wir zum Flugplatz. Ich möchte an meinem Plan festhalten, so lange es geht. Noch ist Zeit.“
Er kramte im Rucksack und gab Agnes ihre Sachen. Schnell waren sie umgezogen und dann marschierten sie weiter. Erik bildete die Spitze des Zuges, Agnes machte den Schluss. So sah es aus, als hätten sie jemanden gefangen genommen oder für den Militärdienst requiriert.
Als sie an die Straße kamen wurde es einmal brenzlig. Eine Polizeikontrolle hielt auf sie zu. In Eumeria durften nie mehr als maximal drei Personen in einer Gruppe unterwegs sein. Ab vier Leuten wurde man der Polizei suspekt und musste mit unangenehmen Fragen rechnen. Als die Polizisten aber einen Hauptmann an der Zugspitze erkannten hoben sie nur die Hand zum Gruß und gingen weiter.
„Wir haben wohl mehr Glück als Verstand“, flüsterte Agnes ganz hinten. Das Herz war ihr beim Anblick der schwarzen Uniformen in die Hose gerutscht. Wieder einmal hatte ihr die Ausstrahlung des Hauptmanns das Leben gerettet. „Ich sollte mehr Vertrauen in ihn haben“, murmelte sie und versuchte mit den anderen Schritt zu halten, das war von jeher ein Problem für sie gewesen – Schritt halten und Vertrauen schenken. Bis jetzt sah es so aus, als würde sich Erik ständig in Gefahr begeben. Plötzlich hatte sie das Gefühl nur eine Last zu sein, wieder einmal das Anhängsel eines anderen, der besser mit Situationen zu recht kam. Ihre Gedanken kreisten um dieses Thema während sie immer weiter gingen, die schnurgerade Straße entlang.
So marschierten sie beinahe zwei Stunden als sie vor sich den Tower erkannten. Jetzt mussten sie nur noch ungehindert auf das Rollfeld kommen und die Maschine entern.
‚Wenn Erik eine Waffe ist, warum hat er sich dann nicht als Menschenhasser entwickelt?’, fragte sich Agnes. ‚Er tut mir so unendlich leid. Soviel Kummer und Elend, ich konnte es kaum ertragen. Da ist noch mehr Einsamkeit drin als in mir. Verdammt.’ Sie gab sich keine Gelegenheit ihre Wut auf das System abkühlen zu lassen. Jetzt hatte sie neue Nahrung bekommen. Die züchteten Menschen mit bestimmten Genstrukturen, und machten sie zu Werkzeugen. Als sie sich dem Tor näherten zwang sie sich zu der typischen Lindstrom Maske. Augen geradeaus, kein Muskelzucken im Gesicht. Normale Atmung, Schultern entspannt, Rücken gerade, so durchschritt sie als Letzte das Tor.