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Zukünftige Vergangenheit

nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Zukünftige Vergangenheit
Es soll eine eigenständige Geschichte sein, die dennoch an die Geschehnisse in "Vergangene Zukunft" anschließt - nur ein anderer Blickwinkel und eine andere Gegend. Es gibt mehr über die Zukunft und wie es dazu kommen konnte. Mal sehen, was zukünftige Historiker dazu meinen ... hier mal der erste Teil.

::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::

„Die Einsamkeit erschlägt das kleine Ungeheuer, das da am Bach sitzt und wartet. Es wartet schon so lange, dass endlich jemand kommt und es aus seinem Gefängnis befreit“, erzählte die Lehrerin den Kindern. „Na, wer mag die Geschichte weiter erzählen?“
Niemand hob die Hand. Alle Kinder starrten zur Lehrerin. Sie sah müde aus, versuchte es aber zu überdecken. Nach wie vor machte ihr das Unterrichten Spaß, aber alles wurde etwas viel mit der Zeit. Sie fragte sich, warum die Kinder so wenig Fantasie haben. Keines rührte auch nur einen Finger, um weiter zu erzählen. Sie brauchten es ja nicht einmal aufzuschreiben. Nein, reden würde reichen.

Sie seufzte. Alles war einmal einfacher – viel einfacher, als es noch keine Gedankenmanipulatoren gab und auch keine Gedächtnisleser. Eumeria entwickelte sich immer mehr zu einer Last – zumindest nach Ansicht der Lehrerin.

Die Kinder in ihrer Klasse waren bis auf eines alles Telepathen. Das erschwerte den Unterricht. Sie konnte noch schreiben und lesen, aber keines der Kinder brauchte es zu lernen. Die Technik machte so vieles möglich und verhinderte damit auch die persönliche Entwicklung.

Endlich war der Unterricht vorüber. Sie erhob sich müde und sagte: „So, Kinder, das war’s für heute. Kommt gut nachhause und vergesst nicht, euch bis morgen ein Ende der Geschichte zu überlegen. Was könnte mit dem kleinen Ungeheuer sein?“

Ein Murren ging durch die Klasse. „Wen interessieren schon Ungeheuer. Das können nur Afrasier oder Samek sein“, maulte ein Junge. Er war der Aggressivste in der Klasse. Sein Name war Caleb Thompson und seine Eltern waren beides Offiziere in der eumerischen Armee.
Agnes Lindstrom seufzte ergeben, sagte aber nichts mehr dazu. Es war zu mühsam, immer wieder Argumente zu finden. Die Kinder glaubten ihr ohnehin nicht.

Also ging sie in ihre Dienstwohnung, die höchstwahrscheinlich abgehört wird. Sicher war sie sich nicht, aber sie stammte aus einem Randgebiet des Reichs und das war schon suspekt genug für die Administration.

Agnes saß in der kleinen Küche und dachte an einen guten Freund. Wahrscheinlich würde sie ihn nie wieder sehen. Sie hatten gemeinsam Geschichte studiert und ihr Hobby, die Paläontologie gepflegt. Dann wurde er auf die Militärakademie abkommandiert und sie in den Lehrdienst verbannt. Als Verbannung sah sie es. Mit hunderprozentiger Sicherheit wusste sie, dass sie Alex nie wieder sehen würde. Da war die Administration sehr gründlich. Wenn sie eine Beziehung erspürte, die sich zwischen den Rassen abspielte, dann wurde eingegriffen. Sie konnte froh sein, wenigsten nicht irgendwo in die tiefste Provinz abkommandiert worden zu sein. Aber es ging ihr gehörig gegen den Strich, dass ihre Kenntnisse und Fähigkeiten so brach lagen und missachtet wurden.

‚Alex, wo magst du nur stecken?’, dachte sie, während sie aus dem Lebensmittelspender ein Koffeingetränk zog. Damit begab sie sich in das kleine Wohnschlafzimmer und dachte an den alten Freund. Immer musste sie vorsichtig sein, damit ihre Sympathie nicht zu offensichtlich wurde. Nur einige Male waren sie zusammen ausgegangen. Deswegen war sie dann sogar monatelang von der Polizei kontrolliert worden. Jetzt ärgerte sie sich darüber, dass ihr tadelloser Ruf ihr so wichtig gewesen war. Es war ihr ein guter Freund entgangen.
„Du warst der einzig anständige Kerl an der Uni“, sagte sie zu dem Gruppenfoto. Er stand in der letzten Reihe, fast nicht zu erkennen, aber sie sah ihn trotzdem. Immer wieder sah sie das vor Entsetzen erstarrte Gesicht des jungen Mannes, als ihn das Militär geholt hatte.

Agnes und er hatten einige Jahre an theoretischer Zeitmanipulation und Zeitreisen gearbeitet. Aber dass es schon möglich sein sollte, diese Reisen zu machen, erfuhr sie erst sehr viel später.
Es kam ihr so unwirklich vor. Alles, die ganzen Studien. Alex, sie selbst. Manchmal dachte sie daran, selber in die Vergangenheit zu reisen, die Geschichte zu sehen – wie es wirklich war und nicht so, wie es in den Aufzeichnungen stand. Ihr kam das immer so verlogen vor. Die Leistungen der Eumerier wurden so hochgelobt.

Vor tausend Jahren hatte sich aus den beiden Kontinenten Europa und Amerika Eumeria gebildet. Es war eigentlich alles einer unsäglichen Katastrophe zu verdanken. Die damaligen Amerikaner experimentierten mit Strahlungswaffen und lösten damit eine Massebewegung aus, ohne es zu merken. Die Anzahl der Erdbewegungen erhöhte sich, und die Kontinentaldrift nahm zu. Unmerklich zwar, aber dennoch. Europa begann sich von Asien abzutrennen. Skandinavien verband sich mit Sibirien. Dann schmolz auch noch der Nordpol fast zur Gänze, was die Britischen Inseln im Atlantik verschwinden ließ.

Europa bewegte sich unterdessen immer mehr auf Amerika zu. So entstand nach tausenfünfhundert Jahren der zweifelhafte Kontinent Eumeria. Alles geschah zu schnell und niemand ahnte die Folgen.
Lange Dürreperioden, die sich mit Überschwemmungen wechselten. Dann gab es gewaltige Erdbeben, die einen Großteil der Bevölkerung hinweg raffte. Die Eumerier hielten sich tapfer. Dann begannen sie sich als die Herren aufzuspielen. Sie hatten einen Großteil ihrer Technik und ihres Wissens über das chaotische Zeitalter retten können und dann noch ausgebaut. Dann begannen sie sich gegenüber den anderen Kontinenten abzuschotten. Andere Gebiete hatten größere und ärgere Verluste hinzunehmen als Eumeria. Eumeria war begünstigt gewesen, der Humbold- und der Golfstrom hatten ihre Richtung so geändert, dass sie jetzt genau um den Kontinent flossen und ihn auf einer Seite mit mildem Klima und auf der anderen mit immensem Fischreichtum versorgten.

Agnes seufzte. In ihrer Freizeit wusste sie wenig mit sich anzufangen. Sie war nur gering telepathisch, deshalb hatte sie sich auch noch keinen Partner aussuchen dürfen. Einerseits war es ihr egal, auf der anderen Seite wäre sie froh, endlich jemanden zum Reden zu haben. Diese ewige Gedankenschnüffelei ging ihr auf die Nerven. Die Administration behauptete zwar, dass es so etwas nicht gibt und nie geben wird, aber sicher war sie sich nicht.

Sie hoffte inbrünstig, dass dieser verdammte Kontinent irgendwann mal im Ozean versank, so wie es mit Ozeanien vor tausend Jahren geschah. Auch Indien war damals verschlungen worden, was die Eumerier wieder zu der Annahme hinreißen ließ, dass nur sie den wahren Glauben, die richtige Religion, den besten Gott und weiß der Teufel wen, haben.

Entschlossen schnitt sie alle Gedanken daran ab. Nur mit Alex hatte sie darüber diskutiert und es ebenso falsch gefunden wie er. Aber es half nichts, sie hatte sich geweigert ihn als das anzuerkennen das er war, ein brillanter Wissenschafter. Auch sie war gut gewesen, sehr gut sogar und als Team hätten sie viel bewegen können.

„Verdammt“, sagte sie, als es heftig an der Tür klopfte. Normalerweise ersparte man sich das Signal, es war unter Telepathen nicht notwendig. Nur an ihrer Tür stand: „Telepath mit geringer Fähigkeit – bitte Signal“ Es war wie ein Stigma, wenn die Gedankenkanäle nicht rein und reibungslos funktionierten.

Agnes fuhr erschrocken auf. Sie bekam nie besuch.
Wieder klopfte es – lauter.
„Gedankenkontrolle! Öffne die Tür!“

Agnes saß mit der Tasse in der Hand da und starrte an die nackte Wand. Gedankenlos.
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Da hat sich doch glatt ein Logikfehler eingeschlichen *zwinker*
Vor tausend Jahren

... das sollte "Vor tausenden Jahren" heißen *g*
... vor tausend Jahren ........

DAS wäre schon schlimm ......

aber Du hast es ja bemerkt,
und hättest es doch noch ändern können... oder ???

auf die Fortsetzung bin ich auch hier gespannt ..........

ev
Herbst 2018
***to Mann
4.270 Beiträge
Liebe Herta.
Eins hast Du schon geschafft:
Ein Gefühl der Beklemmung auszulösen, gepaart mit großer Neugier wie es weiter geht.
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Danke
euch beiden. *blume*

Mal sehen, wann und wie es weitergeht - die Tretmühle hat mich wieder, da hab ich weniger Zeit.


Liebe Grüße
Herta
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Als es zum dritten Mal klopfte, sprang sie auf, riss das Foto aus der Halterung, stopfte es in die Hosentasche und öffnete. Zwei Männer und eine Frau in schwarzer Uniform mit silbernen Abzeichen standen davor. Sie blickten streng und hart. Kaum, dass die Tür geöffnet war, drängten sie sich auch schon rein. Ohne ein Wort der Erklärung wurde die Wohnung durchsucht, alles auf den Kopf gestellt und auseinander genommen. Agnes stand in dem allgemeinen Chaos und konnte kaum die Tränen zurück halten. Sie hatte Angst. Einen Nachbarn hatten sie vor einigen Tagen abgeholt. Er war noch immer nicht wieder zurück und jetzt wohnte in dieser Wohnung jemand anders. Agnes hegt die Befürchtung, dass mit ihr das gleiche geschehen könnte.

Sie überlegte nicht lange. Die Angst hatte sich ihrer bemächtigt und ein uralter Überlebensinstinkt, der sagt: Bei Gefahr, lauf weg!

Noch bevor einer der Drei reagieren konnte, drehte sich Agnes um und rannte los. Hinaus auf den langen Gang, die hallende, gefährliche Treppe runter. Sie lief so schnell es ging und lief nur der Gefahr in die Arme. Am Ausgang standen weitere Polizisten und fingen sie ab.

Stumm wurde sie gepackt, in das Fahrzeug gesetzt und weggebracht.

„Die Gedanken sind frei“, stand über der Polizeistation. Niemand wusste, wie zynisch dieser Spruch war. Die Gedanken waren niemals frei, nicht seit die Gedankenpolizei unter der neuen Administration mehr Befugnisse bekommen hatte.
Agnes versuchte krampfhaft nicht zu denken, als sie ins Gebäude geleitet wurde. Aber sie hätte ohnehin nichts denken können, die Angst war übermächtig. Hier würde sie auch ihr altehrwürdiger Name nicht mehr schützen. Die Familie hatte sich von ihr gewendet, nachdem sie mit Alex ausgegangen war. Darüber war sie so wütend gewesen, dass sie monatelang nichts mehr mit ihm geredet hatte, und mehr noch, hatte sie doch das gemeine Spottlied gedichtet. Heute tat ihr das unsäglich leid und sie hätte heulen mögen, über die Ungerechtigkeit und den Schmerz, den sie ihm zugefügt hatte.

Jetzt war sie in den Fängen der Gedankenpolizei und nur ein Wunder konnte sie noch retten.

Sie wurde in das Büro eines leitenden Beamten gesetzt. Nach mehreren Minuten erst erschien er. Das Bild in der Hose schien wie Feuer zu brennen. Sie fragte sich, warum sie es mitgenommen hatte.
Hier war es außerordentlich heiß, sie schwitzte stark. Dazu kam noch die stärker werdende Angst, die sich langsam in Panik steigerte. Sie sah sich das Büro an und hoffte irgendetwas zu finden, das sie ablenken würde. Aber hier war nichts. Nur ein Schreibtisch und zwei Stühle.
Endlich kam der Beamte. Es war eine Frau, hochgewachsen, das brünette Haar akkurat kurz geschnitten und in eine hellgraue, hochgeschlossene Uniform gekleidet. Auf der linken Brustseite hatte sie das Rangabzeichen, das sie als Angehörige des gehobenen Wachdienstes auswies. Auf den Schultern prangten drei goldene Punkte für ihren Status als hoch eingestufte Telepathin.
„Frau Lindtröm“, begann sie, aber Agnes war trotz der Angst wütend, deshalb wagte sie es, die Beamtin zu unterbrechen.
„Ich heiße Doktor Lindstrom. Was wollen Sie von mir?“
„Frau Lindstrom“, fuhr die Frau fort, ohne dem akademischen Titel Beachtung zu schenken. „Wir haben heute von Ihren Unterrichtsmethoden erfahren. Sie sollen den Kindern etwas über unsere Geschichte beibringen und nicht Unsinn über irgendwelche Ungeheuer erzählen. Haben Sie ihre Pillen genommen?“ Die Stimme der Frau war kalt und gefühllos, unbeteiligt.
Agnes wusste, dass es ihr jetzt an den Kragen gehen würde. Die Pillen, diese verdammten rosaroten Glückspillen, die alles vergessen ließen. Das Leben, Inhalte, alles wurde irrelevant. Einzig der Dienst an der Gemeinschaft zählte dann noch. Agnes hatte sie schon eine Weile nicht mehr genommen und es ging ihr gut. Ihre Gedanken waren klarer, es war fast wieder so wie auf der Uni, als sie ihre Experimente mit Alex gemacht hatte. Theoretisch war sie die Teamleiterin gewesen, praktisch war er es. Wieder so eine Ungerechtigkeit, die sie mehr und mehr aufregte.
„Wie ich sehe haben Sie die Pillen nicht genommen. Sie können sich eine verbale Antwort sparen, Frau Lindstrom, für mich sind Sie ein offnes Buch.“
Agnes sank innerlich zusammen, äußerlich saß sie kerzengerade und verzog keine Miene. Diese Haltung wurde den kleinen Kindern schon antrainiert.
„Sie bekommen jetzt sofort die Ration für heute. Und ich dulde keinen Widerspruch. Sparen Sie sich den Gedanken daran, ich höre ihn, noch bevor Sie ihn denken.“
Agnes schluckte schwer. Die Aussicht, diese Pille, dieses Gift schlucken zu müssen, tat weh. Es war ein Eingriff in ihre Persönlichkeit.
„Machen Sie sich keine Sorgen um Ihre geringen empathischen Fähigkeiten, die sind nicht wichtig. – Korporal Meyer!“, rief sie und ein strammer Polizist trat ein.
„Damit uns Frau Lindstrom auch versteht“, sagte sie unangemessen laut, „werde ich Ihnen jetzt den Befehl verbal geben, Korporal. Führen Sie Frau Lindstrom in die Medamb und anschließend in die Psychamb. Sollte Sie sich irgendwie wehren, dann wird sie arretiert. Verstanden, Korporal?“
„Jawohl, Chief!“, kam es zackig zurück.
Agnes fühlte sich ausgeschlossen. Es wurde einfach so über sie hinweg bestimmt, als wäre sie ein dummes Kind oder ein Stück Ware, technisches Gut, das einer Wartung bedurfte. Je mehr sie darüber nachdachte, desto wütender wurde sie.
Der Korporal nahm sie am Arm und führte sie ab. Es ging einen langen Gang entlang, dann mehrere Treppen in ein graues Kellergewölbe. Das Gewölbe musste schon uralt sein. Es strahlte eine antike Würde aus. Agnes betrachtete es interessiert und sie kam zu dem Schluss, dass die Grundsubstanz des Bauwerkes irgendwann im beginnenden dritten Jahrtausend errichtet worden sein musste. Beton und Stahl. An manchen Stellen ragte das mächtige Stahlgerüst aus dem bröckelnden Betonresten. Agnes schauderte es.

Dann gingen sie durch ein Eisentor, das auch schon bessere Zeiten erlebt hatte und sie waren in einer anderen Welt. Hier war alles weiß und grell. Nach dem dunklen Gang war es fast ein Schock für die Sinne.

Ihre Angst nahm wieder zu. Während sie die Relikte aus der Vergangenheit vor Augen gehabt hatte, war es einfach gewesen, sie zu ignorieren. Nun pochte sie auf ihr Recht. Links und rechts waren Öffnungen in der Wand, durch die man die Behandlungsräume sehen konnte. Überall Liegen über denen metallene Helme schwebten und die darunterliegenden Menschen mit einer Maschine verbanden. Es waren sogenannte Elektrotelepathogramme, die das telepathische Muster eines Individuums aufzeichneten und speicherten. So konnte jeder Mensch mittels dieses Musters aufgespürt werden. Dann gab es noch andere Vorrichtungen, über die Agnes lieber nichts wissen wollte.

Der Polizist führte sie weiter den Gang entlang und schob sie in einen Raum.
Hinter Agnes fiel die Tür lautlos ins Schloss.
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Nun stand sie da in einem völlig weißen Raum. Ein Tisch, ein Stuhl, eine Liege sonst war da nichts. Verwirrt und verängstigt drehte sie sich einmal rund um und erschrak als plötzlich ein Mann da stand. Sie hatte ihn nicht eintreten gehört.

Panik durchströmte sie, dann erkannte sie ihn.
„Frederick, warum bin ich hier?“, fragte sie leise.
„Das weißt du Agnes“, erwiderte er. „Du bekommst jetzt deine Medizin. Leg dich hin, bitte.“ Seine Stimme klang sehr sanft und Agnes hatte das Gefühl darin zu versinken.
„Ich will sie nicht nehmen“, versuchte sie sich an die Oberfläche zu kämpfen.
„Doch, du willst sie. Du brauchst sie. Ohne sie bist du nichts.“ Die Worte klangen in ihrem Hirn nach, bildeten eine Endlosschleife und zogen sie zur Liege hin. Noch einmal versuchte sie sich dagegen zu wehren.
„Frederick, du weißt was diese Dinger anrichten. Ich will sie nicht nehmen.“
„Wir sind keine Studenten mehr, Liebes. Du legst dich jetzt auf die Liege und alles wird gut. Siehst du, wie alles gut werden wird? Niemandem wird etwas geschehen. Hier sind alle freundlich und friedlich. Ich tu dir nichts, Agnes.“
„Frederick, Freddie, warum nur, haben hier alle soviel Angst selbstständig zu denken?“
Eine Hand traf klatschend ihre Wange und sie erinnerte sich an ein anderes Mal als es so gewesen war.

Sie war mit Alex am Arbeiten gewesen. Ihr Buch über theoretische Zeitreisen war in der Endphase und sie nahmen die letzten Korrekturen daran vor. Alle hatten sie ausgelacht, weil sie das Werk auf herkömmliche Weise mittels einer Buchstabentastatur verfassten. Aber es war lustig gewesen und man musste die Gedanken besser beisammen halten, als wenn alles über den Gedankenabsorber läuft. Gerade diskutierten sie amüsiert über die Möglichkeit einer ersten „Dienstreise“ mit ihrem selbst konstruierten Fahrzeug als Frederick in ihr Labor trat. Ihm folgten einige uniformierte Männer. Agnes und Alex erstarb das Lachen auf den Lippen. Die Typen vom Militär nahmen Alex mit. Wortlos folgte er den Männern. Sein letzter Blick auf Agnes war flehend gewesen. Sie fühlte seine Angst wie die eigene. Dann trat Freddie zu ihr, nahm sie sanft am Arm und sagte: „Agnes, Liebes, du hast deine Pillen wieder nicht genommen. Es ist gefährlich wenn du sie nicht nimmst.“ Damit führte er sie in das benachbarte Labor und verpasste ihr eine Injektion. Danach war sie Lehrerin in einer Grundschule geworden. Lehrerin für Geschichte, verdrehte Geschichte, deshalb erzählte sie Geschichten.
Herbst 2018
***to Mann
4.270 Beiträge
Das ist so beklemmen, was du da schreibst.
Wie kommst du auf eine so düstere Weltsicht?

Das muss ich so erst mal verdauen...

Aber toll geschrieben.
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Lieber Heinrich,

ich habe nicht wirklich eine Antwort auf deine Frage. Vielleicht ist es die derzeitige Entwicklung auf der Welt - in Verbindung mit begangenen Fehlern in der Vergangenheit *nixweiss*

Geschichte und SciFi mag ich. Beides kombiniert ergibt doch Stoff für halbwegs gute Stories *zwinker*

Es freut mich, dass dir die Geschichte bis hierher gefällt und die Düsternis, die ich beim Schreiben vor Augen habe, gut rüberkommt.

Danke *blume*


Herta
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Beklemmend?
Ja, irgendwie schon. Aber aus meiner Sicht wohl eher realistisch. Leider.

(Der Antaghar)
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Auch damals hatte sie ihm diese Frage gestellt und er hatte sie geohrfeigt, bevor er ihr die Injektion setzte.

„Keine Widerrede und spar dir deine dreckigen Gedanken“, seine Stimme wurde kälter, alles Sanfte war daraus verschwunden. Hart packte er Agnes am Arm und zog sie zur Liege.
Plötzlich stürmten mehrere Männer in Uniform den Raum und Frederik schrie: „Warum hat das solange gedauert? Hier haltet sie fest, damit ich ihr das Mittel geben kann.“ Die vier Hünen packten Agnes an Armen und Beinen und warfen sie auf die Liege.
„Frederik, das kannst du doch nicht machen. Das kann nicht dein ernst sein. Ich war immer der Meinung du magst mich“, flüsterte sie in einem verzweifelten Versuch ihn umzustimmen. „Weißt du, was da drin ist? Das ist Gift, Freddie, das ist Gift, was du mir gibst.“
Er achtete nicht auf ihre Worte, wusste er doch genau was da in der Infusionsflasche war. „Fixieren“, war sein nächstes Kommando.
„Frederik. Dr. Hauser! Lass mich einfach gehen. Ich habe gedacht du magst mich.“
„Sei jetzt endlich still. Damit machst du alles nur viel schwerer für dich. Und ja, ich mag dich, oder ich mochte dich einmal, aber das ist lange her“, sagte er in beruhigendem Tonfall, so als würde man zu einem widerspenstigen Tier oder einem weinenden Kind sprechen.
„Kehr mir gegenüber nie wieder den Psych raus!“, schrie sie ihn wütend geworden an, dann war die Nadel in ihrem Arm und die ersten Tropfen des Wirkstoffs rannen in ihre Venen.
„Du wirst bald ruhiger werden. Wenn du brav bist, kommst du nachher zu mir auf die Psych und du bekommst auch eine Koffeintablette.“
„Hau ab, du Arschloch! Ich bin promovierte Historikerin und da brauchst du mir nicht mit diesem Quatsch daherkommen! Du verdammter Ignorant!“
Frederiks Gesicht verlor alle Farbe, Zorn stand in seinen Augen und er begann zu zittern vor unterdrückter Wut. Zwischen zusammen gebissenen Zähnen sagte er: „Das hättest du besser nicht gesagt, du Schlampe.“
Dann ging er rasch hinaus. Die vier Männer folgten ihm auf dem Fuß.
Sie lag langgestreckt da, die Arme und Beine fixiert und verfluchte sich selbst für die unüberlegten Worte. Plötzlich war sie so voller Wut gewesen, das musste irgendwie raus. Das Gift tropfte unablässig weiter. Es würde sie nicht umbringen. Es wirkte anders. Es veränderte den Geist, die Sicht der Dinge – umhüllte alles mit einem rosaroten Schein.
Als sie dem steten Tropfen zuschaute, dachte sie an das was Alex ihr einmal erzählt hatte. Er hatte sie vor den rosa Pillen gewarnt.
„Weißt du, was da drin ist, Agnes?“
„Das ist nur ein Vitaminpräparat, wie so viele andere auch.“
„Agnes, o Agnes, mach die Augen auf. Das sind Drogen. Ein Bestandteil ist Tetrahydrocannabinol, Cannabinol, jede Menge Saccharin und ein Mutterkornderivat, dessen Namen ich mir nicht gemerkt habe. Aber das sind hochwirksame Drogen. Natürlich ist die Dosierung so gering, dass sie nicht gefährlich sind und auch die Wirkstoffe sind abgeschwächt, trotzdem bleiben es Rauschmittel. Wo doch sogar Alkohol verboten ist.“
Agnes hatte ihn lange angeschaut und darüber nachgedacht, dann hatte sie die Pille in den Ausguss geschmissen. In den ersten Tagen war sie immer wieder versucht gewesen, nach der Tablette zu greifen. Aber ein Blick in die Augen ihres Kollegen genügte und wieder landete sie im Abfluss. Nach und nach wurde das Bedürfnis nach der Betäubung geringer und sie merkte, dass ihr Gedächtnis effektiver arbeitete und sie besser im Voraus planen und vorausschauender Denken konnte.
„Warum geben sie uns das, Alex?“
„Das weiß der Teufel, aber es ist eine gute Methode, um euch bei der Stange zu halten. Auf der einen Seite, der künstliche Fraß, auf der anderen die Drogen. Ihr werdet verarscht auf ganzer Linie, Agnes. Die Gedanken sind frei – ha! Das ist der reinste Hohn!“ Er lachte bitter.
„Wie bist du dahinter gekommen?“
„Ich hab geschnüffelt“, war alles, was er dazu sagte. Er schaute sie nur geheimnisvoll aus tiefblauen Augen an. Agnes hatte es so hingenommen und nicht weiter gefragt. Vielleicht war es besser, nicht alles zu wissen.

Das ging ihr jetzt durch den Kopf, während sie krampfhaft versuchte nicht an die Drogen zu denken, die bereits in ihrem Hirn angelangt waren und die Sinne benebelten.
Etwa eine Stunde dauerte es, dann war die Flasche leer und Frederick kam wieder.
„Frau Lindsrom, wie geht es Ihnen jetzt?“, fragte er ruhig.
„Oh, danke Dr. Hauser. Mir geht es wieder ganz gut. Ihre Medizin wirkt Wunder.“ Sie strahlte ihn an.
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
@ Antaghar
ja, leider habe ich vieles aus der Realität geholt.
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Danach wurde sie von den Gurten befreit und fügsam folgte sie Frederick in den langen Gang und dann zur Psychamb. Es war ein ebenso heller Bereich, wie die Medamb. Aber ab und zu standen künstliche Pflanzen herum Nirgends war ein Fenster zu sehen. Für Tageslicht waren sie zu weit unter der Erde.

Agnes wurde in ein möbliertes Zimmer geführt. Dann schloss sich die Tür hinter ihr. Sie war alleine. Zufrieden legte sie sich auf das schön gerichtete Bett und wartete. Kurze Zeit später kam Frederik zurück. Er hatte zwei dampfende Becher mit und nahm am Tisch Platz.
„Agnes“, begann er. „Agnes, setz dich zu mir.“
Sie stand auf und kam zum Tisch.
„Hier, hast du ein Koffeingetränk. Eigentlich hast du es dir nicht verdient, weil du böse warst, aber jetzt bist du wieder artig.“ Damit schob er einen Becher zu ihr.
„Vielen Dank, Doktor Hauser. Sie sind sehr liebenswürdig.“
„Aber nicht doch. Geht es dir wirklich wieder gut?“
„Oh, mir ist es nie besser gegangen. Muss ich noch lange hier bleiben?“
„Nein, noch ein Weilchen. Ich muss nur sehen, ob die Medizin wirkt und keine Nebenwirkungen aufgetreten sind. In einigen Stunden kannst du wieder heim gehen.“
„Danke, Doktor Hauser.“
„Trink ruhig, du hast sicher Durst. Nach der Behandlung ist der Mund immer sehr ausgetrocknet.“
„Das stimmt.“ Sie nahm den Becher und trank ihn in einem Zug leer. Ihr Mund war keineswegs trocken gewesen. „Das hat gut getan.“
„So, dann werde ich später noch einmal nach dir sehen, Agnes.“
„Machen Sie das. Ich werde jetzt etwas schlafen, wenn ich darf.“
„Leg dich hin, es wird das Beste sein.“

Als Agnes wieder allein war verkroch sie sich ins Bett und zog die Decke bis über den Kopf. Sie wusste, dass hier eine Kamera alles aufzeichnete. Warum das Mittel nicht gewirkt hatte, war ihr schleierhaft. Vielleicht war sie schon immun dagegen oder ihr Stoffwechsel war verändert, seit sie weitgehend auf künstliche Nahrungsmittel verzichtete. Es war zwar mühsam natürliche Güter zu bekommen, aber irgendwo gab es immer Quellen. Der Genuss war teuer, mit viel Zeitaufwand verbunden und stellte eine große Gefahr dar, nicht nur für sich, sondern auch für den Händler.

Jetzt lag sie da, vergraben unter einer leichten Synthetikdecke und versuchte alle Gedanken aus ihrem Hirn zu verbannen. Sie tastete in der Hosentasche herum und nahm das Bild darin fest in die Hand. Verzweifelt wehrte sie sich gegen den Schlaf. Aber ihr blieb keine Wahl, dem Getränk war ein Schlafmittel beigefügt gewesen.

‚Wenn sie nicht eine so verdammt gute Wissenschafterin wäre und diesen verfluchten Namen hätte, wäre sie schon tot – ich hätte sie eigenhändig hinüber befördert, dieses elende Miststück’, dachte Frederik in seinem Büro. Er hasste sie, fast noch mehr als diesen Smirnov. Bei ihm war es anders, den Hass konnte man leicht verstehen – Smirnov war ein Untermensch, auf ihn konnte man hinabsehen, ignorieren, so tun als wäre er nicht hier. Bei Agnes sah die Sache anders aus. Sie sah unverschämt gut aus, stammte aus einer bekannten, wenn nicht gar berühmten Familie und dann machte sie mit diesem verdammten Untermenschen rum. Das war es, was Frederik so wütend gemacht hatte. Bei jedem anderen wäre es ihm gleich gewesen, aber dass sie mit dem ausgehen musste, das hatte ihn schwer getroffen. Seit dem belauerte er sie und denunzierte sie. Auch wenn es nichts zu berichten gab, so erfand er einfach etwas. Ihm glaubte jedermann. Die Hausers waren auch eine alte Familie. Alte Familien galten als über jeden Verdacht erhaben. Der Stammbaum musste rein sein. Es durfte keine Einflüsse anderer Kontinente geben – nur die alten zählten, Europa, Amerika und Eumeria.
„Hoch lebe Eumeria“, sagte er und lehnte sich im Stuhl zurück. Lässig legte er die Beine auf den Tisch und dachte daran, wie er Agnes weiter manipulieren konnte. Sie hatte besser auf die Drogen angesprochen als er gedacht oder gehofft hatte. Jetzt konnte er seine Forschungen fortsetzen. Sie war ein ausgesprochen gutes Exemplar, reinblütig, empathisch, wenn auch nicht telepathisch veranlagt, erfüllte sie doch alle Voraussetzungen.
„Ah! Ich werde gleich den Antrag stellen. Die sind schon ganz erpicht darauf, Ergebnisse zu bekommen.“ Damit setzte er sich wieder aufrecht hin und verband sein Gehirn mit der CPU. „Datentransfer. Zentrale Einheit, Hauptstadt Sunflower, erbitte Genehmigung für das Experiment C3 am menschlichen Objekt und dem menschlichen Genom. Objektbeschreibung: weiblich, Alter: 32 Jahre, Haarfarbe: dunkelblond, Augenfarbe: grün, Körpergröße: 167 cm, Gewicht: 60 Kilogramm, Telepathische Fähigkeiten: vorhanden, aber gering, dafür in starkem Maße empathisch; IQ: überdurchschnittlich bei 200; Stammbaum im Familienbuch Lindstrom nachzuweisen.“
Die Antwort kam prompt. „CPU, Centralstate Nebraska, Sunflower, Genehmigung erteilt. Wir erwarten raschest Ergebnisse.“
Zufrieden entfernte Frederik den Gedankenkommunikator und machte sich sofort an die Arbeit.

Agnes schlief die ganze Nacht durch und den folgenden halben Tag. Als sie erwachte wusste sie vorerst nicht wo sie war und wie sie hierher gekommen war. Nach und nach kamen die Erinnerungen wieder. Die linke Hand tat ihr weh. Die Finger hatten sich um das Foto verkrampft. Mit steifen Gelenken schälte sie sich aus der Decke und setzte sich auf. Sie zwang sich, das Bild auszulassen und die Hand aus der Tasche zu nehmen. Trotz des langen Schlafs fühlte sie sich müde und ausgedörrt. Jetzt hieß es wieder lügen und ein gleichmütig, freundliches Gesicht zu machen. Ihre Gedanken konnte sie sehr gut kontrollieren. Sie musste einfach die Spannung im Körper aufrecht erhalten. An nichts und niemand durfte sie denken.
„Entschuldigen Sie bitte“, sagte sie schließlich. „Kann ich hier wo auf die Toilette gehen?“
Lange antwortete niemand. Dann hörte sie eine Stimme aus dem Lautsprecher: „Geh dort hinter die Wand, dort findest du einen Waschraum und eine Toilette.“
Dort war nichts. Sie wusste es genau. Es war alles ein Test. Sie hasste den Kerl, tat aber so, als würde sie genau das Gewünschte finden.
„Vielen Dank für die Hilfe“, war alles was sie sagte. Dann ging sie in den angewiesenen Bereich und tat genau das, was von ihr erwartet wurde. Sie pinkelte auf den Boden. Nur mühsam konnte sie sich unter Kontrolle halten. Noch war sie hier eingesperrt und sie wollte mitspielen, solange bis sich eine Möglichkeit zur Flucht bot. Aber auch den Gedanken verbot sie sich sofort.

Dann ging sie wieder zum Bett und wartete weiter. Sie beobachtete das Rinnsal, das sich von der linken, hinteren Ecke seinen Weg nach vor bahnte.
Es dauerte nicht lange, da trat Frederik ein.
„Warum hast du das getan?“, brüllte er. Sie starrte nur verständnislos zurück.
„Du hast das Zimmer beschmutzt! Das wirst du wegwaschen müssen! Wieso hast du nicht darum gebeten, dass dich jemand zur Toilette begleitet, du dummes Ding.“
Agnes blinzelte die Tränen weg. Jetzt war sie doch erschüttert.
„Es hat mir jemand gesagt, dass da hinten die Toilette …“, begann sie, wurde aber brüsk unterbrochen.
„Aha! Und du glaubst jeden Blödsinn, den dir jemand erzählt. Wer war das überhaupt, der dir das gesagt hat?“
„Ich – ich weiß nicht mehr …“ Jetzt fing sie wirklich bald zu weinen an.
„Siehst du, deshalb bist du hier und wirst wahrscheinlich noch etwas bleiben müssen. Du bist krank, Agnes. Ich kann dich aber heilen.“
Sie ließ den Tränen freien Lauf, das kühlte auch ihren Zorn etwas.
„Ja, Doktor Hauser, helfen Sie mir. – Darf ich Sie um etwas bitten?“
„Um alles, was du willst“, sagte er großmütig.
„Ich möchte gerne etwas trinken.“
„Natürlich. Du bekommst nachher etwas und auch zu essen bekommst du. Aber vorher wischst du diese Schweinerei hier auf, die du angerichtet hast.“ Er sprach jetzt wieder sanft und mild, als wäre sie wirklich etwas dämlich. Ergeben senkte sie den Blick.

Erst viele Stunden später, in denen sie den Boden mehrmals gewischt hatte, bekam sie zu trinken. Einen Becher Wasser, das war alles, zwei Vitaminpillen, einen Kalorienriegel, und die rosa Pille. Agnes starrte alles an. Das war viel zuwenig Flüssigkeit. Sie wusste, dass sie so austrocknen würde. Dann hätten sie leichtes Spiel.

Zwei Tage war sie schon dort, als plötzlich die Tür aufging und Frederik eintrat. Er konnte seinen Zorn kaum verbergen. Eben hatte er Weisung von der CPU in Sunflower bekommen, dass er sein Experiment umgehend abbrechen musste. Das Militäroberkommando in Zurick brauchte dringend einen Experten für Zeitreisen und Geschichte. Ihnen war der andere Fachmann abhanden gekommen. Mehr Informationen gab es nicht.

Wieder schlüpfte sie ihm durch die Maschen. Diesmal hätte er sie beinahe so weit gehabt, dass sie tat, was er verlangte und auch noch sah, was er ihr suggerierte. Aber eines wusste er, sollte sich die Möglichkeit ergeben, würde er die Forschung fortführen. Ganz umsonst war es aber nicht gewesen, wie er sich eingestehen musste, er hatte ihre Gene und verschiedene Eizellen hatte er ihr ebenfalls entnommen, als sie geschlafen hatte. So konnte er wenigstens an diesen Zellen experimentieren.

Agnes staunte nicht schlecht, als sie wortlos aus dem Zimmer gebracht wurde. An der Trennwand zwischen Psychamb und Medamb standen mehrere Militärs. Jetzt verstand sie die Welt überhaupt nicht mehr. Vorsichtig tastete sie in der Hosentasche und fasste nach dem Bild. Stumm wurde sie hinaus geschoben und den Soldaten übergeben. Auch hier sprach niemand. Sie nahmen sie einfach in die Mitte und führten sie weiter.
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****ra Frau
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Sie wagte nicht zu sprechen oder sonst irgendetwas zu tun oder zu denken. Dabei hätte sie jetzt gerne ihre Angst rausgeschrien. Sie fühlte sich wie ein verurteilter Schwerverbrecher, der zum Richtplatz geführt wird. ‚Nein’, war das einzige, das sie sich zu denken gestattete. ‚Nein.’ Verzweiflung.

Die Soldaten brachten sie zum Flugplatz. Sie wurde in eine Militärmaschine gesetzt und eine Stunde später, in der sie immer wieder die Frage nach dem Sinn der Reise quälte, kamen sie in Zurick an. Die Stadt war von einer hohen Gebirgskette umgeben, die sie wie ein Bollwerk einschloss und war nur auf dem Luftweg erreichbar. Hier war das Flottenoberkommando – Zurick war die Zentrale für alle Militärangelegenheiten.

Agnes fühlte das Herz zum Zerspringen schlagen. Noch nie war sie hier gewesen, nie wollte sie hierher kommen. Blitzartig dachte sie an Alex, der auch hierher gebracht worden sein musste. ‚Warum bin ich hier und werde ich ihn wieder sehen?’ Sie konnte diese Gedanken nicht verscheuchen. Aber sie straffte die Gestalt, stellte sich vor, eine Wirbelsäule aus Stahl zu haben, die nichts erschüttern konnte. Sie fror die Mimik ein und zwang sich, an nichts zu denken. Trotz aller Bemühungen konnte sie den heftigen Herzschlag nicht verlangsamen oder ruhiger machen. Die Anstrengung nahm ihr fast den Atem.

Sie wurde in das älteste Gebäude gebracht. Über dem Eingang stand in schwarzen Lettern geschrieben: „Wir machen die Welt frei“
Warum das da stand, entzog sich ihrer Kenntnis. Die wenigsten Leute konnten Lesen und es bestand kein Grund hier auf dem Hoheitsgebiet des Militärs noch Werbung für dieses zu machen. Eumeria kam ihr immer seltsamer vor. Alles hatte einen doppelten Sinn und sie fragte sich, wo das noch hinführen würde.
‚Das alles kann ich einfach nicht glauben. So etwas kann es nicht geben, darf es nicht’, dachte sie als sie einen langen, dunklen Gang entlang gingen. Sie wusste, dass es hier keine Möglichkeit zu entkommen gab. Die Leute hier waren von einem anderen Kaliber. Da hieß es, sich fügen oder lautlos untergehen und verscharrt werden.

Je tiefer sie in das Gebäude gebracht wurde, desto ängstlicher wurde ihr zumute. Sie fragte sich die ganze Zeit über, was sie hier sollte. Was das für ein teuflisches Spiel war, das sie mit ihr trieben. Zuerst die Gedankenpolizei, die Medamb, Frederik und nun das hier. In ihrem Inneren verkrampfte sich alles. Äußerlich wirkte sie starr und unbeteiligt, so als wäre es das Normalste auf der Welt einfach so abgeholt zu werden und an einen unbekannten, bedrohlichen Ort gebracht zu werden. Es war ihr schon mit der Milch eingeflößt worden, dass eine Lindstrom immer Haltung zu wahren hatte, sich nie gehen ließ. Eine Lindstrom hatte perfekt zu sein! Zumindest nach außen hin.

Jetzt wurde sie in einen großen Raum geschoben. Dort stand sie einem Mann gegenüber, den sie von früher kannte. Er hatte immer Haltung bewahrt. Immer, in jeder Lebenslage, so auch jetzt. General Lindstrom starrte seine Nichte aus gleichgültigen, stahlblauen Augen an. Agnes starrte zurück. Ihr Hirn war plötzlich leer geworden. Seit einer Ewigkeit hatte sie den Onkel nicht mehr gesehen. Jetzt wusste sie nicht, wie sie reagieren sollte. Er war der stärkste Telepath in der Familie und der unnachgiebigste Mensch, den sie kannte. Jetzt straffte sie den Rücken noch mehr, schluckte die Angst hinunter und befahl sich ruhig zu sein. ‚Aggie, bleib cool’, sagte sie sich. ‚Das ist nur der alte Onkel, du kennst das Ekel, also lass dich nicht einschüchtern.’ Dann verbannte sie alle Gedanken in den hintersten Winkel. Das gewittrige Gesicht des Generals ließ sie erahnen, dass er die Gedanken gelesen hatte.
„Frau Lindstrom“, begann er während er hinter einem filigranen Schreibtisch Platz nahm. Er war nur zur Zierde und erfüllte keinerlei Funktion. Ihr bot er keinen Stuhl an. Agnes blieb stehen. Sie merkte, wie die Schultern und die Pobacken langsam zu verkrampfen begannen. „Frau Lindstrom, wir haben Sie herkommen lassen, weil wir einen Historiker brauchen, jemanden, der noch die alten Schriften lesen kann.“
Sie hob fragend eine Augenbraue, wusste sie doch, dass sie nicht die einzige Historikerin mit diesen Fähigkeiten war.
„Was wollen Sie von mir, General? Es gibt hier doch noch mindestens einen Historiker mit den gleichen oder besseren Qualifikationen“, sagte sie und dachte dabei an den unglücklichen Alex. Auch der General empfing das Bild. Kurz zeigte sich Zorn in seinem Gesicht, dann war es wieder unbewegt.
„Sie haben mit ihm gearbeitet, darum brauchen wir Sie.“
„Aha.“ Agnes war sich nicht sicher, was das zu bedeuten hatte. „Dann holen Sie ihn einfach hierher von wo auch immer. Er ist beim Militär – ich nicht.“
Agnes schluckte krampfhaft. Sie stand noch immer stocksteif da, hielt das Gesicht ausdruckslos und fühlte innen drin eine eisige Faust, die in ihren Magen schlug und die Arteria carotis zudrückte.

Der General hatte sich das Gespräch einfacher vorgestellt. Normalerweise taten die Menschen das was von ihnen verlangt wurde – widerspruchslos und ohne lästige Fragen zu stellen. Agnes begann gerade damit sehr unbequem zu werden. Aber wenn er ihre Mitarbeit wollte, so musste er etwas von dem Geheimnis enthüllen.
„Wir können ihn nicht zurückholen“, sagte er deshalb und hoffte, dass es damit erledigt war. Aber Agnes war fest entschlossen, Antworten zu erhalten.
„Warum? Was habt ihr mit ihm gemacht?“
„Fähnrich Smirnov ist in der Vergangenheit verschollen.“
„Das kann ich mir kaum vorstellen. Ich denke eher, er ist euch unbequem geworden und ihr habt ihn in der Vergangenheit entsorgt.“ Sie wusste nicht, wie sehr sie der Wahrheit nahe gekommen war, wie sehr sie die Tatsachen auf den Punkt gebracht hatte. Aber das Gesicht des Generals verriet es ihr. Deshalb wurde sie etwas kühner und sagte: „Holt ihn zurück. Er war der Fähigste von uns allen.“
„Das geht nicht. Wir finden ihn nicht mehr.“
Agnes begann zu lachen, was den General wütend machte. Er wurde so zornig, dass er seine Starrheit aufgab und Wut zeigte.
„Lass das, wenn du nicht noch mehr Ärger bekommen willst, als du ohnehin schon hast“, herrschte er sie an.
„General, ich denke ich kann damit leben. Alex hat euch also die lange Nase gedreht und ist in der Vergangenheit abgetaucht. Na, das finde ich geradezu genial von ihm.“
„Hör auf! Er hat die Vergangenheit verändert, was nicht geschehen hätte dürfen. Du musst erforschen, in wie weit das geschehen ist. Niemand anders kennt diese Maschine besser als du.“ Er versuchte es mit Schmeichelei. Aber damit biss er bei Agnes auf Granit. Auf Lobhudelei war sie noch nie reingefallen.
„Halte mich bitte nicht für blöd. Alex hat die Maschine gebaut, nur er kennt sie besser und ihr habt ihn einfach in die – wohin eigentlich? – geschickt.“
„Das geht dich nichts an! Du bist ab sofort hierher abkommandiert! Rekrut Lindstrom!“
„Ich bin kein Rekrut und ich habe nichts unterschrieben. Ich bin Doktor der Geschichte und das bleibe ich. Auf das verdammte Militär, da gebe ich keinen Pfifferling drum! Ihr habt meinen Kollegen entführt und ihn dann einfach so in der Vergangenheit sitzen lassen. Er ist so schlau und lässt sich nicht unterkriegen und jetzt habt ihr die Hosen gestrichen voll, dass die Welt nicht so geht wie ihr das wollt. Nein, da spiele ich nicht mit!“
„Wann hast du deine Pillen zuletzt genommen? Laut den Aufzeichnungen, hattest du gestern eine Infusion – warum verhältst du dich nicht angemessen?“
„Bei mir wirkt der Scheiß nicht, General. Das ist doch alles nur Gift, das ihr uns gebt. Sollte ich für euch arbeiten, kann ich es so wie so nicht mehr nehmen, weil ich mit dem Zeug im Blut nicht denken kann.“
Das brachte den General an den Rand eines Zusammenbruchs. Er sprang auf und starrte sie hasserfüllt an.
„Wie kannst du es wagen?“, brüllte er. „Sergeant!“
Bevor Agnes noch etwas sagen konnte, wurde sie gepackt und weggebracht.

Von nun an war ihr neues Zuhause die Unterkunft der Rekruten. Den General sah sie nicht wieder. Der Tag begann um fünf Uhr morgens mit dem Wecken, danach mussten die Rekruten einige Kilometer laufen. Agnes fiel es schwer mit den anderen Schritt zu halten. Sport hatte sie in der Vergangenheit gemieden, wo es nur ging. Immer war sie die Letzte in der Reihe und wurde vom Ausbilder angebrüllt endlich schneller zu laufen, sonst müsste die ganze Gruppe wegen ihr eine Extrarunde drehen. Sie lief wirklich so schnell sie konnte und sie war zu langsam.

In ihrer Einheit war sie deswegen unbeliebt. Immer wieder gab es Extrarunden wegen ihr, oder sie versäumten das Frühstück und mussten den Tag über hungern, bis es abends wieder etwas gab. Agnes brachte dann oft trotz bohrenden Hungers keinen Bissen hinunter. Sie verfiel immer mehr.
Eines Tages entdeckte sie am Fußende ihres Bettes etwas. Ganz fein war etwas in den Lack geritzt. In einer alten Sprache stand geschrieben: „Du verdorrte Blüte im Rosenhain – so wie du, werde ich verloren sein.“
Es war der Anfang eines alten Gedichts aus den letzten Jahren bevor die große Hungerkatastrophe Afrasien heimsuchte und dort fast die Hälfte der Einwohner hinwegraffte. Das war im Jahr 3259, wenn sie es richtig in Erinnerung hatte. Irgendein Afrasier hatte das Gedicht geschrieben, als sie auf Hilfe von Eumeria hofften, die ihnen zugesagt worden war, aber dann scheinbar auf dem Seeweg verloren ging. So machten sie es immer – zuerst großspurig Hilfe anbieten, um dann unter fadenscheinigen Gründen doch nicht zu helfen. Agnes begann ihre Herkunft abzulehnen. Alles an Eumeria schien ihr schlecht zu sein. Kein Gutes fand sie mehr darin. Das Gedicht spiegelte ihre Gefühlslage eins zu eins wider.

Die tägliche Schinderei, der Drill an der Waffe, das Laufen, wenig Schlaf, der scharfe Kommandoton, die feindseligen Rekruten. All das schlug sich ihr aufs Gemüt. Sie wurde immer niedergeschlagener, dadurch noch langsamer bis sie eines Abends vollends die Beherrschung verlor.
„Rekrut Lindstrom! Beweg dich, du faules Stück! Auf den Bauch! Stillgestanden!“ So ging es die ganze Zeit dahin. Sie war von oben bis unten mit Schlamm beschmiert. Ihre ganze Ausrüstung war versaut. Die Kameraden standen in einer Reihe daneben und grinsten verhalten, als sie ihre Strafe bekam.
„Dafür, dass du deine Ausrüstung so verkommen lässt, wirst du die nächsten vierundzwanzig Stunden Wache schieben und anschließend deine Sachen reinigen – von Hand! Verstanden, Rekrut?“
„Ja! Sir!“, brüllte sie atemlos zurück und dann machte es Klick. Sie stand stramm wie immer, es war das Einzige, das sie perfekt beherrschte, blickte am Ausbilder vorbei und sagte: „Wenn du Arschloch glaubst, dass ich mir das noch weiter gefallen lasse, dann hast du dich gewaltig getäuscht.“
Dem Sergeant fror das Gesicht ein. Dann sagte er gefährlich leise: „Was hast du da eben gesagt?“
„Dass Sie ein Arschloch sind, Sir!“, brüllte sie zurück.
Der Sergeant drehte sich kurz zur Gruppe um und schrie: „Gruppe! Wegtreten!“
Nur Agnes und der Ausbilder standen sich gegenüber. Sie hatte genug von dieser Schinderei, des sinnlosen Drills und der Brüllerei. Nichts sehnte sie mehr herbei als Ruhe und Schlaf. Endlich einmal ausschlafen zu können und alleine zu sein, war alles, was sie noch wollte.

Stocksteif stand sie da und ließ die folgende Beschimpfung des Mannes über sich ergehen,
ohne ein Wort davon zu hören. Ihre Gedanken waren weit weg – in einer Vergangenheit von der sie nichts wusste, bei einem Kollegen, von dem sie nichts mehr wusste.
„Verstanden, Rekrut?“
Sie gab keine Antwort, stand nur da und starrte ins Leere.
„Rekrut!“
Noch immer war sie weit weg, hörte den Sergeant wie durch Watte. Dann kippte sie nach hinten, schlug hart mit dem Kopf auf und blieb liegen.

Erschrocken öffnete sie die Augen. Lichter tanzten um sie herum.
„Wo bin ich? Was ist passiert?“, sagte sie nach mehrmaligen Räuspern. Sie lag nach wie vor am kalten Boden auf dem Übungsgelände. Der Sergenat stand breitbeinig vor ihr, die Hände in die Hüften gestemmt.
„Damit kommst du nicht durch, Rekrut! Dein Benehmen wird Folgen haben. Die Meldung ist schon durch. Und jetzt steh auf!“
Sie versuchte es, aber ihr war einfach zu schwindlig und sie fühlte sich schwach und zittrig.
„Ich kann das nicht mehr. Ich kann nicht mehr! Niemals wollte ich das machen! Lasst mich wieder nachhause!“, rief sie, obwohl ihr Kopf zu platzen drohte.
„Steh jetzt auf Rekrut! Und dann gehst du zum Leutnant, dort wirst du deine Strafe erhalten.“
Ganz langsam drehte sie sich auf den Bauch und kam auch auf alle Viere. Aber weiter ging es nicht. Zuerst kotzte sie noch das spärliche Mittagessen aus. Sie stöhnte und jammerte, aber der Sergeant kannte kein Mitleid und bot ihr auch keine Hilfe an.
„Ich brauche einen Arzt“, murmelte sie schließlich.
„Wenn du nicht gehen kannst, dann wirst du kriechen! Ich bin hinter dir, falls du nicht weiter kommst!“
Also kroch Agnes auf Händen und Knien durch den Dreck auf das nächste Verwaltungsgebäude zu. Der Sergeant trieb sie immer weiter an. Sie hatte keine Zeit und auch nicht mehr die Energie den Ausbilder zu beschimpfen. Mit Mühe schaffte sie es zur Tür. Am Rahmen zog sie sich hoch, immer den Sergeant im Rücken.

Endlich stand sie vor dem Leutnant.
„Rekrut Lindstrom! Stehen Sie gerade!“
Mühsam stand sie stramm und grüßte ordnungsgemäß.
„Rekrut Lindstrom meldet sich wie befohlen“, sagte sie matt. Sie ahnte, dass sie jetzt in Teufels Küche kommen würde.
„Sie sind eine totale Niete. Warum Sie bei uns gelandet sind, ist mir schleierhaft, leider müssen Sie hier bleiben. Um Sie zu disziplinieren werden Sie in eine andere Abteilung abkommandiert.“
„Ja, Sir.“
‚Warum nur, passiert mir so etwas?’, fragte sie sich verzweifelt. ‚Was habe ich bloß getan, um das hier zu verdienen? Ich wollte doch nur in Ruhe gelassen werden und den Kindern Geschichte und Geschichten näher bringen. Verdammtes Militär!’
Der Leutnant ignorierte ihre Gedanken, aber an seinem Gesicht sah sie, dass er sie empfangen hatte. Sie seufzte vernehmlich. Wieder hatte sie nicht aufgepasst.
„Du meldest dich in fünfzehn Minuten bei der Abfallbeseitigung. Die nächsten zwei Wochen wirst du dort Dienst tun und etwas Nützliches für die Gemeinschaft tun. Leider brauchen wir dich, sonst hätten wir nie auf jemand so Unfähigen wie dich zurückgegriffen“, fügte er lapidar hinzu.
‚Jetzt ist er wieder per du mit mir. Von mir verlangen sie Respekt, aber selber bespucken sie die Menschen. Ich hasse sie.’ Diesmal war es ihr gleichgültig, ob er ihre Gedanken lesen konnte.
„Verstanden, Sir. Ich werde etwas für die Gemeinschaft tun“, sagte sie schließlich ergeben.

Die Arbeit in der Abfallbeseitigung war langweilig und gab ihr Gelegenheit über Vieles nachzudenken. Sie dachte an ihre sonderbare Beziehung zu Alex, den sie nicht vergessen konnte. Seine ganze Art war manchmal so was von aufreizend gewesen. Er benahm sich so gekünstelt unterwürfig, aber niemals konnte ihm jemand etwas nachweisen. Nur sie ahnte, und später erfuhr sie es von ihm, dass er sie alle verarschte und sich über sie lustig machte. Aber er war einsam gewesen, so wie sie. Nur sie wollte es sich nie eingestehen. Jetzt war sie auch einsam, einsamer noch als an der Uni oder bis vor kurzem in der Schule. Als Lehrerin hatte sie wenigstens Kontakt zu ihren Mitmenschen aufbauen können und müssen. Hier herrschten Zwang, Disziplin und Ordnung. Wurde gegen eines der drei verstoßen gab es Strafen. Unpünktlichkeit war eines der am härtesten bestraften Vergehen. Einmal wurde sie deswegen mit dem Stock geschlagen. Sie biss sich die Zunge blutig um nicht zu schreien und später konnte sie nur mit Mühe gehen und stehen, sitzen und am Rücken liegen ging gar nicht. Es dauerte mehrere Tage bis sich die Schmerzen so weit legten, dass sie ihren Dienst in einer normalen Haltung wahrnehmen konnte. Sie war nie wieder unpünktlich.

Als die zwei Wochen um waren, meldete sie sich wieder beim Leutnant. Sie war eine andere geworden. Verschlossen, äußerlich hart. Die Kameraden mieden sie. Agnes war die Älteste in der Gruppe. Es war üblich, dass ein Rekrut das zwanzigste Lebensjahr abgeschlossen hatte, wenn er dem Militär beitrat. Agnes war über dreißig und sie war Wissenschafterin, was es noch schwerer machte. Die meisten anderen hatten keine Berufsausbildung, zumindest in ihrer Gruppe. Sie wurde oft nicht verstanden, wenn sie etwas sagte. Bei der Abfallbeseitigung redete sie nur mehr, wenn sie angesprochen wurde.
Eines Nachts hatte sie sich leise weinend vorgenommen, hart zu werden, wieder die beinharte Wissenschafterin zu sein, die sie vor fünf Jahren war, als man Alex wegholte. Wenn sie hart wäre, würden sie die anderen vielleicht in Ruhe lassen.
‚Ich mag nicht mehr so leben, mich verstellen zu müssen. Warum habe ich nur Geschichte studiert? Lasst mich in Ruhe’, schluchzte sie ins Kissen. Jeden Abend ging es so, bis sie äußerlich abgehärtet war. Niemand sah ihr den täglichen inneren Kampf an. Sie war eine Lindstrom und sie funktionierte perfekt.

Endlich war das Jahr der Ausbildung vorüber. Sie hatte die letzten Monate mit Gleichmut ertragen. War gelaufen, hatte gekämpft, sich demütigen lassen und geschwiegen. Am letzten Tag der Ausbildung schlug sie den Sergeant zusammen. Der war so überrascht davon, dass er von einer Anzeige Abstand nahm, sondern anerkennend sagte: „Siehst du Rekrut, du hast doch etwas gelernt.“ Dann ging er um das Nasenbluten zu stillen und seinen verletzten Stolz an einem der neuen Rekruten aufzupolieren.

Agnes wurde am nächsten Tag zum General gerufen. Wieder stand sie ihm in seinem Büro gegenüber. Diesmal in der Uniform eines Gefreiten. Sie hasste den Stern auf dem Hemd. Sie hasste die grüne Farbe. Sie hasste das Militär.
„Rühren, Gefreite. Jetzt bist du mit deiner Ausbildung fertig und du kannst deine neue Aufgabe wahrnehmen. Wir brauchen jemanden der mit dem Zeitreisefahrzeug umgehen kann.“
Agnes war erstaunt, dass es noch keinem gelungen war, hinter das Geheimnis des Moduls zu kommen. Eigentlich war es ganz simple, aber dazu musste man vertrauen haben, vertrauen in sich und seine Fähigkeiten und in die Menschen um sich. Das herrschte hier nicht. Hier hatte Misstrauen das Kommando.
„Wenn es euch in den letzten Jahren nicht gelungen ist, wieso sollte es mir jetzt gelingen. Vergessen Sie nicht, General, dass ich die vergangenen Jahre als Lehrerin gearbeitet habe und dann ein Jahr hier im Drill verbracht habe. Meine wissenschaftliche Neigung wurde so ziemlich abgebrannt. Da ist nichts mehr vorhanden, Sir.“
„Agnes, wir brauchen dein Talent. Du hast es mit entworfen, du weißt wie es funktioniert.“
„Sir, darf ich offen sprechen?“
„Ich kann deine Gedanken lesen, schon vergessen. Sprich offen.“
„Ihr seid selbst schuld. Ich habe das schon einmal gesagt. Es ist euer Pech, dass es nicht geht. Immer wollt ihr andere unterdrücken, spielt euch als die Herrenrasse auf. Ihr macht damit die Welt kaputt, ist euch diese Idee noch gar nicht gekommen? Professor Smirnov wusste das. Er ist viel intelligenter als ihr alle annehmt und wahrhaben wollt. Denken Sie, es ist Zufall, dass das Gerät nicht mehr läuft? Was wollten Sie überhaupt in der Vergangenheit? Sicher nicht nur die Geschichte erforschen. Ich habe so die Befürchtung, dass das nur ein Vorwand war, eine der zahlreichen Lügen, die das Militär und die Administration den Menschen hier und anderswo auftischt. Sie suchen nicht nach Wahrheit. Ich denke eher, Ihnen ist es um das Einsammeln von Sklaven gegangen. Sie wollten wissen, zu welcher Zeit und in welchem Ausmaß man Menschen aus ihrer Zeit rauben kann und sie dann hier zur Arbeit zwingen. Ich habe Recht, Sir. Ihr Gesichtsausdruck bestätigt meine Annahme.“
„Agnes! Schweig still! Als ich sagte, dass du offen reden kannst, habe ich nicht mit so einer unbelegbaren Anklage gerechnet. Was bildest du dir ein, mit wem du hier sprichst?“
„Mit dem General der Streitkräfte von Eumeria, Sir!“, kam die prompte Antwort.
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Es geht weiter ;-)
Die nächsten zwei Wochen verbrachte sie in Einzelhaft. Damit hätte sie rechnen müssen. Ihre Anschuldigung war als Angriff auf Eumeria gewertet worden.
Die Zelle war kalt und dunkel. Nur selten fiel ein Lichtstrahl durch das hoch liegende Oberlicht. Sie verlor alles Zeitgefühl. Um nicht verrückt zu werden, sagte sie sich alte Gedichte auf, rechnete in den Zeiten zurück und ging alle weltbewegenden Ereignisse vom wissenschaftlichen Standpunkt durch. Dann überlegte sie, was es mit dem Zeitreisemodul auf sich hatte. Alex musste es modifiziert haben, ein Sicherheitsprogramm, das keiner finden konnte. Sie war stolz auf ihn und seine Umsicht.
Im Geist machte sie sich Notizen über das Leben beim Militär. Sie verglich die derzeitigen Zustände mit den historisch belegten Tatsachen anderer Epochen und kam zu einem überraschenden Ergebnis. Viel hatte sich nicht verändert. Immer waren andere unterdrückt worden. Es gab in der Weltgeschichte immer wieder Perioden, in denen sich eine Gruppe über eine andere erhob. Diese Tatsache war erschreckend. Wenn sich eine Gruppierung schon so weit entwickelte, wie die in Eumeria, dann war es doch ihre Pflicht und Schuldigkeit, alle anderen an ihrem Fortschritt und Wissen teilhaben zu lassen und das ohne jeden Hintergedanken. Einmal erfand diese Gruppe etwas, ein anderes Mal eine andere Nation.
‚Was sind Nationen?’, fragte sie sich und begann im Geist eine Definition für sich zu formen. ‚Eigentlich gibt es so was wie Nationen gar nicht. Was soll das eigentlich sein, Nation? Ursprünglich sollte es soviel wie Abstammung heißen, oder Volk. Aber gibt es so etwas wie Völker überhaupt oder Rassen? Wir unterscheiden uns doch nur in unseren Sitten, und das sind zumeist auch nur Kleinigkeiten, die im täglichen Leben aber schwer wiegen. Hm.’ Sie hatte das Gefühl sich im Kreis zu bewegen. Aber die Beschäftigung mit dem Thema hatte ein Gutes, es hielt sie davon ab in diesem engen Kellerloch durchzudrehen. Manchmal hatte sie den Eindruck, dass sich die Wände näherten. Dann zählte sie mit geschlossenen Augen bis hundert und es ging wieder. Nie war ihr eine Zeitspange so lang vorgekommen. Es passierte nichts. Zweimal am Tag wurde die Monotonie des Graus durch eine Uniform und einen darin steckenden Menschen unterbrochen, der ihr Essen brachte.
Agnes schlief immer wieder ein. Sie träumte von ihren Studien, vom Zeitreisemodul und wie sie es gebaut hatten. Sein Lachen hörte sie noch immer. Es kam selten und endete meist abrupt. Irgendwie war Alex ein Spiegel ihrer selbst gewesen. Sie vermisste ihn, hatte ihn immer vermisst. Ob es nur Gewohnheit war oder etwas anderes, daran wollte sie lieber nicht denken, denn diese Gefühle waren verboten. Es hatte keinen Namen, weil es nicht existierte. Aber Agnes wusste, dass es das Wort gab. Sie wusste es, weil sie es gelesen hatte, vor Jahren als sie alte Bücher auf historische Fakten absuchte.
Schweißgebadet erwachte sie. Für diese Gedanken, für diesen Traum alleine könnte sie weitere zwei Wochen in Einzelhaft gehalten werden. Tränen liefen wie kleine Silberperlen über ihr Gesicht, als sie an das Wort dachte. Sie würde es gerne sagen dürfen, zu den Gefühlen stehen, die in ihr waren.

Seit sie in Haft war, dachte sie immer öfter darüber nach. Ob Nationalität auch etwas mit diesem verbotenen Gefühl zu tun hatte? Sie versuchte nüchtern zu denken, damit sie nicht wieder zu weinen anfing. ‚Wo ist nur meine Mauer hin? Ich bin nicht mehr stark’, dachte sie und versuchte wieder den Panzer zu errichten. Er sollte sie schützen, vor schmerzenden Gefühlen und Erkenntnissen. Doch er war mit dem Weglassen der Pillen immer mehr verschwunden. Die Drogen hatten geholfen, eine Mauer des Selbstbetrugs zu errichten. ‚Alles ist gut’, dachte sie und heulte. „Nichts wird jemals gut werden!“, brüllte sie in der Zelle, dass es hallte. Sie erschrak und schrie es gleich nocheinmal.
„Ich werde mir von euch meine Zukunft nicht stehlen lassen. Nein! Das ist vorbei. Ich hab genug davon. Mein Leben lang habt ihr mir vorgeschrieben, was und wie ich zu denken habe, welche Gefühle erlaubt sind und welche es nicht gibt. Wortloses Grauen habt ihr geschürt. Ihr elenden Lügner. Ich hoffe, ihr verreckt einmal an eurem eigenen Betrug!“

Von der Einzelhaft wurde sie direkt auf eine Psychamb verlegt. Warum sie diese stationären Einrichtungen Amb nannten, nach einer alten Bezeichnung für ambulant, das soviel hieß wie herumgehen, wusste sie nicht. Es entsprach auch nicht den Tatsachen. Außer dem Personal ging dort niemand und schon gar nicht mehr hinaus. Wer in einer Psychamb landete blieb meistens auch dort.

„Wir müssen Ihr Gehirn untersuchen“, sagte der dortige Arzt. „Gefreite Lindstrom, legen Sie sich hin und entspannen sie sich.“
Langgestreckt lag sie auf einer Bahre und fragte sich, ob sie diese Gedankensonden überleben würde. Im Moment war es ihr gleichgültig. Sie hatte ein Beruhigungsmittel bekommen.
Als die Gedankensonden auch keine Ergebnisse brachten und sie schon von der wissenschaftlichen Abteilung heiß erwartet wurde, ließ man sie schlussendlich gehen. Agnes war die einzige Expertin was ganz frühe Kulturen anging und sie kannte fast alle alten Schriften. Einzig Alt-Chinesisch entzog sich ihren Kenntnissen. Aber das wurde auch nicht von ihr verlangt. Sie musste Bücher aus der Zeit des ausgehenden zweiten Jahrtausend und des beginnenden dritten Jahrtausends übersetzen.

Durch die Behandlungen und Infusionen hatte sie Angst, einen Dauerschaden am Hirn zu bekommen. Über die Langzeitfolgen dieser Behandlungsmethoden war nichts bekannt. Oder es war bekannt, wurde aber nicht darüber geredet.

Agnes tat jetzt als würde sie sich fügen. Noch einmal hatte der General mit ihr gesprochen und ihr die Deportation angedroht, sollte sie weiterhin auf ihren abstrusen Gedanken und Ideen beharren. „So etwas Unvernünftiges und Stures wie du ist mir in meiner gesamten Laufbahn noch nicht untergekommen. Der Samek wusste wenigstens wie er sich zu benehmen hatte. Entweder du fügst dich, oder du wirst ausgewiesen!“
Deportation. Sie ahnte, was das hieß. Es war eine schwerwiegende Bestrafung und hieß, dass man irgendwo im Eismeer ausgeladen wurde und man die Gelegenheit bekam, sich mit der Natur zu messen. Einer von Vielen überlebte das, alle anderen starben innerhalb eines Monats. Agnes wollte sich das nicht antun. Also verbannte sie die verräterischen Gedanken in den hintersten Winkel und machte sich an die Arbeit.

Zuerst musste sie die Texte übersetzen. Da waren so abstruse Bücher dabei, wie „Mein Kampf“ von einem gewissen Albert oder Adolf Hitler, der Name war verschwommen und schwer leserlich.
‚Das wird den Herrschenden gefallen’, dachte sie bitter. Sie wollte das schlecht gemachte Buch nicht weiterlesen. Aber hinter ihr stand ständig ein Offizier und beobachtete ihr Fortkommen. Dann übersetzte sie noch die Schriften eines gewissen G.W. Bush und anschließend quälte sie sich noch durch die Worthülsen diverser Politiker Europas und Amerikas. Es fiel ihr zunehmend schwer, sich diesem Schwachsinn hinzugeben. Es war immer das gleiche, nur anders verpackt. Jeder lobte seine Nation in den höchsten Tönen. Da wurde von einer zweiten und einer dritten Welt geschrieben, von Schwellenländern, was immer das sein mochte. Warum konnte es nicht nur eine Welt geben? Auch damals schon war die erste Welt auf Europa und Amerika beschränkt – Eumeria.
‚Ich hasse, was ich da mache’, dachte sie bitter, als sie einen weiteren Mikrochip gelesen hatte. Die Administration hatte vor über tausend Jahren damit begonnen alle Bücher, Texte und sonstige Schriften auf Chip zu bannen, damit nichts verloren gehen könnte, was unter Umständen für die Untermauerung ihres Herrschaftsanspruchs dienlich sein konnte.

Als sie einen Großteil der Schriften übersetzt hatte, musste sie sich die Audio- und Videodateien vornehmen. Es war die reinste Qual. Wieder begann sie im ausgehenden zweiten Jahrtausend nach der Machtergreifung des Wahren Glaubens. Schon alleine die Stimme des Redners ließ sie schaudern und brachte ihren Magen zum Rebellieren.
Sie heulte sich die Augen aus, als sie die Bilder behinderter Kinder sah, die den Aufzeichnungen zufolge, einen schönen Tod gestorben waren, was soviel hieß, sie wurden entsorgt. Das geschah auf brutalere Art und Weise auch mit Andersdenkenden, Andersgläubigen. Agnes konnte mit den Religionen nicht viel anfangen, war sie doch in dem Glauben erzogen worden, dass es nur einen gäbe. Je mehr sie sich mit der Vergangenheit beschäftigte und je mehr sie darüber erfuhr, desto mehr lernte sie auch über ihr eigenes Volk, das Regime und wie es dachte.

Sie las über die Gefängnisse des beginnenden dritten Jahrtausends. Auch dort wurden Menschen getötet und gefoltert, wenn sie nicht dem richtigen Glauben angehörten oder arm waren, geschah das umso schneller.

Mit einem Schlag wurde ihr bewusst, dass sie gefoltert worden war. Einzelhaft war Folter. Sie hatte in den Dateien einen winzigen Hinweis auf eine Gruppe gefunden, die sich ai nannte, was immer das auch heißen mochte. Die hatten eine Liste der Foltermethoden aufgeführt. In späteren Jahren wurde diese Vereinigung aufgelöst und verboten. Jetzt gab es niemanden mehr, der die Menschenrechte schützte. Sie fragte sich, woher sie diese Gewissheit hatte.

Es dauerte fast zwei Jahre, bis sie alle Dateien soweit übersetzt hatte, dass sie einen Sinn ergaben. Dazu hatte sie täglich bis an die achtzehn Stunden gearbeitet. Sie fühlte, wie ihr Körper unter der Belastung litt. Essen war ihr mittlerweile nur mehr Pflichtübung und manchmal konnte sie es nicht bei sich behalten. Sie mochte das synthetische Essen nicht und wagte nicht, um etwas anderes zu bitten. Manchmal hatte sie Heißhunger auf einen Apfel, einen simplen Apfel und sie konnte nicht fragen, weil sie alle nur verständnislos angeblickt hätten. Agnes fühlte sich als wäre sie in einem fremden Land, oder auf einem fernen Planeten. Alles kam ihr zeitweilig so unwirklich vor. Einzig die Daten, die Stimmen und Bilder auf den Datenträgern waren echt. Sie versank in diesem Strudel der Geschichte, der sich vor ihr auftat und sie verschlingen wollte.
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Bald konnte sie das alles nicht mehr ertragen. Sie ertrotzte sich einen freien Abend. Es kostete sie viel Überredung, aber dann bekam sie ihn.
„Endlich frei“, sagte sie und schlenderte durch die Militärstadt. Sie suchte einen bestimmten Bereich, den Ort, den der Bodensatz der Hierarchie aufsuchte, wo es Verbotenes gab. Dort wollte sie sich ablenken. Es wurde schon dunkel und sie hatte das Viertel noch immer nicht gefunden. Sie war müde, fußwund und verspürte endlich Hunger. Aber hier war nichts zu sehen. Weit und breit keine Kneipe, kein Ort, an dem sich jemand treffen würde um sich zu amüsieren. Sie wollte schon umkehren, da hörte sie Gelächter aus einem Keller dringen. Entschlossen schritt sie darauf zu, ging die paar Stufen zum Eingang hinab und drückte gegen die Tür. Es war abgeschlossen. Also klopfte sie. Nach einiger Zeit wurde eine Klappe geöffnet und eine Nase heraus gestreckt.
„Was willst du? Hier ist eine Privatveranstaltung“, sagte die mürrische Stimme.
„Ich will da rein und mitfeiern. Ich muss“, sagte sie so bestimmt sie es wagte und fertig brachte.
„Ha! Das haben schon viele gesagt.“ Schon wollte er die Klappe schließen, da hörte sie eine andere Stimme.
„He, Josch, das ist die, die dem Alten eine auf die Birn gedroschen hat, lasse rein.“
Hinter der Tür wurde noch etwas diskutiert, dann schwang sie leise auf und Agnes wurde eingelassen. Es umfing sie eine sonderbare Nebelwolke, sie musste husten. An einer Bar drängten sich zahlreiche Menschen in den verschiedensten Uniformen. Aber keiner hatte mehr als den Gefreitenstern. Auch sie hatte es noch nicht weitergebracht, was ihr aber nichts ausmachte.
Da sah sie den Typ, der ihr den Einlass ermöglicht hatte. Er stand neben der Tür und grinste sie an. „Na Lahmarsch, wie geht’s dir so?“ Er konnte sich sehr gut an sie erinnern und Agnes wollte gerade wieder umdrehen, als sie merkte, dass das hier der normale Umgangston war. Sie wollte sich ablenken, die Bilder brachte sie nicht aus dem Kopf, sie kreisten und kreisten. Manchmal waren die einen weiter vorn, manchmal die anderen, aber immer waren sie voller Grauen. Sie hatte viel aus der Zeit des Studiums vergessen gehabt, das meiste davon nicht einmal gelernt. Das dritte Jahrtausend war von Katastrophen gebeutelt und wurde von Bürgerkriegen und sogenannten Friedenseinsätzen heimgesucht, die keinen Frieden brachten, alsondern jede andere Meinung abwürgten und die Einwohner damit niederzwangen. Es war eine Zeit, in der auf der ganzen Welt eine Mentalität der Verachtung und Gier herrschte.
„Ich will vergessen, Max“, sagte sie deshalb einfach. Etwas in ihrer Stimme musste den Mann stutzig gemacht haben, denn sein hämisches Grinsen verschwand aus dem Gesicht.
„Komm, setz dich dort hinten hin. Ich hol dir was zum Vergessen“, sagte er erstaunlich versöhnlich. Agnes ging zu dem angewiesenen Tisch und kurz darauf kam er zurück.
„Jetzt sag mal, was du vergessen willst, Lahmarsch“, sagte er und stellte zwei braune Flaschen auf den Tisch. „Aber vorher trinken wir darauf, dass du dem Alten eine verpasst hast. Prost.“
Er hob die Flasche an die Lippen und tat einen kräftigen Zug. Agnes probierte vorsichtig. Das Getränk schmeckte bitter und schmeckte ihr eigentlich nicht. Aber sie wollte nicht unhöflich sein, also trank sie das ungewohnte Zeug und verzog nur leicht das Gesicht.
„Ich muss übersetzen. Es ist soviel, nie kann ich mich ausruhen, sie lassen mich nicht“, begann sie leise zu reden. Ihre Stimme ging in dem Lärm fast unter.
„Was übersetzt du? Ich dachte die Obrigkeiten können alles. Du bist ja eine von denen.“
„Ich bin keine von denen – schon lange nicht mehr. Oh, Max, ich habe Bilder gesehen, die kann ich einfach nicht fassen und ich weiß genau, wie die das auslegen werden. Am liebsten würde ich alles vernichten. Ich habe gesehen, wie sie Leute einfach abschlachteten, nur weil sie anders aussahen – Kinder, Frauen, Männer – alle wurden … oder sie haben sie gezwungen unter unmenschlichen Bedingungen zu arbeiten, sie verhungerten während andere sich die Bäuche vollschlugen. Immer wieder habe ich so etwas gelesen. Ich habe bei der großen Dürre in Afrasien aufgehört. Das ist dann bekannte Geschichtsschreibung, oder sagen wir besser anerkannte. Ich fürchte …“
Max saß einfach da, starrte und trank. Er war schon lange dabei und war bei der Abfallbeseitigung. Er schien über etwas sehr angestrengt nachzudenken, dann murmelte er fast unhörbar: „Das hat mir schon mal jemand gesagt. Das Gerede hat keinen Sinn, Lahmarsch.“
„Du hörst nicht zu, Max. Es ist heute nicht anders – ich habe es gesehen, selbst erlebt.“
„Was kannst du schon gesehen haben? Du bist doch eine Privilegierte! Hast es uns ja die ganze Zeit, die du bei uns warst unter die Nase gerieben. Dein ganzes Verhalten, zeigt doch deine Herkunft!“
Agnes war erschüttert. Aber sie musste zugeben, dass er recht hatte. Ihr ganzes Gebaren, ihre Haltung schien die eines Telepathen zu sein.
„Ich bin keiner von denen“, sagte sie müde und trank das bittere Gebräu aus. „Ich will keine von denen sein.“ Die berauschende Wirkung des ungewohnten Alkohols tat bereits seine Wirkung. Sie stand auf und schritt steif zur Theke, zornig knallte sie die Flasche auf die Oberfläche und verlangte nach Nachschub. Der bittere Geschmack fing an ihr zu gefallen. Dann setzte sie sich wieder Max gegenüber und gab ihm eine Flasche.
„Mensch, hör auf, das Zeug so schnell zu trinken. Du bist das nicht gewöhnt. Wenn sie dich morgen sturzbetrunken erwischen kommst du ins Loch und sie werden nachforschen, woher das Zeug kam.“
„Ich will vergessen – alles will ich vergessen. Nichts mehr sehen müssen von dieser grausamen Welt. Weißt du …“
„Hör auf. Geh in dein Zimmer zurück und lass uns hier in Ruhe.“
Max wurde jetzt langsam wütend und er fragte sich schon, warum er sie herein gelassen hatte. Sie konnte alle hier in erhebliche Schwierigkeiten bringen.
Agnes begann zu lachen und sagte: „Denkst du, ich fürchte das Loch? Das kenne ich bereits und die Gedankensonden und das ganze Gift, das sie einen spritzen, wenn man nicht auf Linie ist. Ich habe das ganze Programm durchlaufen. Mir machst du damit keine Angst und sie werden es von mir auch nicht erfahren. Ich weiß ja nicht, wo ich bin.“
„Warum sollte der General dich ins Loch stecken, ihr seid ja verwandt? Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus, wie man so schön sagt.“
„Scheiß doch auf den alten Sack! Der hat mich da reingesteckt, nachdem ich ihm ein paar unangenehme Wahrheiten an den Kopf geschmissen habe.“ Sie lachte lange, laut und heftig, bis sie zu weinen begann und nicht mehr aufhören wollte. „Ich kann das nicht mehr“, schluchzte sie und legte den Kopf auf den Tisch. Max erhob sich und ging. Das wollte er nicht hören. Er war auch hier, um seinen Alltag zu vergessen, da brauchte er niemanden, der ihm das Elend anderer vor Augen führte. Er hatte sein eigenes.

Als sich Agnes wieder beruhigt hatte, stand sie auf und verließ den Laden. Auch hier fühlte sie sich nicht willkommen. Müde wankte sie zu ihrer Unterkunft. Es war ein Wunder, dass sie es noch vor Mitternacht schaffte und ohne Probleme Einlass bekam. In ihrem Zimmer fiel sie aufs Bett und brach erneut in Tränen aus.
„Ich will hier weg! Die behandeln mich wie eine Maschine, ich will das nicht! Hört ihr! Ich bin keine Maschine! Ich bin ein Mensch!“ Ihre Verzweiflung war für alle auf der Basis hörbar, aber sie waren zu verschlossen um es zur Kenntnis zu nehmen. So etwas gab es nicht, durfte es nicht geben. Alle Eumerier waren froh, der Gemeinschaft dienen zu können. Es gab nichts Höheres, als dem Land zu dienen.

Es dauerte lange bis sie sich halbwegs beruhigt hatte und einschlief.
Unerbittlich war der Weckdienst am nächsten Morgen. Pünktlich um Nullfunfhundert stand ihr persönlicher Assistent, der eigentlich ein Bewacher und ihr vorgesetzter Offizier war, vor der Tür und hämmerte dagegen.
„Aufmachen oder ich trete die Tür ein!“, brüllte er. Gegen den Befehl hatte sie einen Stuhl vor die Tür gerückt und damit die Klinke blockiert.
„Lass mich in Ruhe, ich hab heute frei!“
„Du hattest frei, jetzt hast du Dienst. Öffne, bevor ich ungemütlich werde!“
Ein tiefes Seufzen entrang sich ihrer Lunge und machte einem ärgerlichen Zischen platz. Sie wälzte sich aus dem Bett und ging mit hängenden Schultern zur Tür. Der Sessel hatte sich so gut verkeilt, dass sie jetzt Probleme bekam, ihn wegzubekommen. Schließlich gelang es ihr doch und der zornige Offizier stand vor ihr.
„Stillgestanden!“, brüllte er, als sie sich einfach umdrehte und zum Schrank ging. Sie wollte sich anziehen.
‚Leck mich. Sieh zu, dass du Land gewinnst. Ich zieh mich jetzt an’, dachte sie und provozierte damit einen Wutanfall des Leutnants. Bewusst ignorierte sie ihn und begann sich anzukleiden.
„Das wird Folgen haben. In fünf Minuten bist du vor der Tür!“
„Ja ja, ich hab schon die Folgen zu spüren bekommen. Ich spüre sie jeden Tag. Ihr lasst es mich nie vergessen.“ Sie war in massiv streitbarer Stimmung. Die ständige Arbeit, die Ablehnung durch die anderen Leute auf dem Stützpunkt, das alles machte sie fertig und sie hatte absolut keine Lust mehr, in den Archiven nach alten Texten zu suchen und diese so zu übersetzen, dass sie der Administration passte. Wenn sie schon forschen sollte, dann wollte sie das so machen, dass sie der Wahrheit einer Begebenheit auf die Spur kam. Ganz genau würde man es nie erfahren – es gab zu viele Ebenen, die nie beleuchtet werden konnten. Immer spielten, bei einem Krieg zum Beispiel, mehrere Faktoren mit. Meistens hatte die Wirtschaft ihre Hand im Spiel, oder irgendwelche machthungrigen Politiker, Fanatiker oder einfach nur überhebliche Herrenrassenansprüche. Die Vergangenheit war ebenso zwiespältig zu betrachten wie die Gegenwart.

Als sie vor die Tür trat, salutierte sie nachlässig und ging dann hinter dem Leutnant her zu ihrem Labor.

Ergeben machte sie sich an die Arbeit und legte den ersten Stick des Tages ein. Es war nichts Neues zu finden. Nur eine Namensliste von Leuten, die in irgendwelchen Lagern eingesperrt waren und Listen mit Gegenständen, die requiriert worden waren. Eine Übersetzung wollte sie sich ersparen und beinahe hätte sie die Randnotiz übersehen. Da stand ganz unten in fein leserlichen sehr kleinen Buchstaben: „Such im Archiv: Datenträger 00137.“ Sie traute ihren Augen nicht. Rieb einmal darüber und starrte wieder auf den Monitor. Es stand noch da. Also hatte sie es sich nicht eingebildet. Der Hinweis musste gelöscht werden. Also gab sie ihren Code ein und begann damit die Zeile zu entfernen.
„Was machst du da?“, fragte der ständig anwesende Leutnant.
„Ich korrigiere die Geschichte“, war ihr knappe Antwort. Das hatte sie in der Vergangenheit schon öfter gemacht, immer auf Befehl von oben, also hegte der Leutnant keinen Verdacht. Er konnte sie nicht einmal der Lüge bezichtigen, weil es die Wahrheit war.
Dann entfernte sie den Träger und sagte: „Ich brauche mehr Ruhe zum Arbeiten, Leutnant und dann einen neuen Stick, dieser hier ist fertig. Da war nicht viel zu übersetzen, hauptsächlich Namen und so. Sehr uninteressant.“
„Was meinst du mit Ruhe?“
„Ich will alleine hier sitzen und mir diese elenden Daten reinziehen. Es ist schon hart genug, das zu übersetzen und anzusehen, aber dann auch noch ständig ihre Anwesenheit im Rücken zu haben, macht es schier unerträglich. Hier herinnen bin ich Doktor Lindstrom und nicht einer Ihrer kleinen Untergebenen, da möchte ich das Sagen haben, solange ich arbeite. Wenn ich vor die Tür trete, bin ich gerne wieder bereit, die Gefreite zu sein, aber nicht hier mit der Geschichte. Oder wollen Sie das hier alles übersetzen? Ich bin sowieso in einigen Tagen fertig. Es fehlt nicht mehr viel. Dann wird das Labor geschlossen.“
„Na schön“, gab er nach einigem Überlegen nach. „Ich habe gesehen, dass du in den vergangenen Jahren hier wirklich gut gearbeitet hast, da kann ich dich jetzt allein lassen. Aber die Tür sperre ich ab und ich hole dich am Ende der Dienstzeit wieder.“
„Damit kann ich leben, Leutnant.“

Als sie endlich alleine war, rückte sie den Tisch um, damit sie das Kameraauge vor sich hatte und der Bildschirm nur von hinten zu sehen war. Dann holte sie den Stick mit der Nummer 00137 und schob ihn in das Abspielgerät. Es gab ein Rauschen und Flimmern, dann sah sie ihn und ihr stockte der Atem.
Er sah verändert aus, dünner, blasser, die Uniform trug noch dazu bei, dass er mager wirkte.
„Agnes, wenn du das hier findest, bin ich entweder tot oder irgendwo verschollen. Dann werden sie dich hergeholt haben, um meine Arbeit fortzusetzen. Ich möchte, dass du dir die Geschichte genau ansiehst und Parallelen ziehst. Es zieht sich wie ein roter Faden durch die Menschheitsgeschichte. Ich werde versuchen so weit zurück zugehen, um den Anfang der Misere zu finden. Aber ich hege die Befürchtung, dass es keinen gibt und es sich einfach so entwickelt hat. Die Menschen sind von der natürlichen Neugier hin zur Raff- und Rachsucht gekommen. Je mehr sie entdeckten, desto mehr wollten sie haben und nie werden sie zufrieden sein. Ich hoffe, dass du an unsere gemeinsame Arbeit denkst und dich an die Dinge erinnerst, die wir erörterten. Agnes, mach ihnen das Leben zur Hölle, lass sie auflaufen an den Klippen ihrer eigenen Arroganz. Ich kann leider nicht deutlicher werden, aber ich weiß, dass du mich verstehst. Ich schicke dir das L-Wort von wo auch immer ich gerade bin.“ Damit war die Nachricht beendet. Wieder gab sie den Entsperrcode ein und löschte die Datei, dann warf sie den Stick zu Boden, stellte den Sessel darauf und zerdrückte ihn. Nun konnte keiner mehr etwas damit anfangen.
Herbst 2018
***to Mann
4.270 Beiträge
Nu wirds doch erst richtig interessant?
Oder täusche ich mich da?
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Ich fürchte auch,
lieber Heinrich, dass die Geschichte nun erst so richtig beginnt.
Oh weh.

Aber ich weiß ja, wie sie weitergeht *fiesgrins*

Danke für's Lesen und hoffe auf ein Weiterlesen *zwinker*


*blume*Herta
.... Fortsetzung
na, DAS kannst Du aber glauben ................

meine Güte, mir tut Dein armer Kopf leid,
was muss der alles ausbrüten usw.

meinehochachtungmeintev
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Mit Sicherheit ...
kann es jetzt unter Umständen etwas dauern, weil ich erst was nachlesen muss *zwinker*

Die Geschichte ist schon im Kopf, fast fertig sogar, ich muss sie nur noch schreiben.

Gebt mir Zeit! - Aber diese miese kleine Tretmühle mit ihren Sklaventreibern - diesen elenden Kretins der Marktwirtschaft und des Wachsdumms haben mich, und jeden anderen auch, fest in ihren Klauen.

*peitsche**tipp*Herta
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
... es geht weiter ;-)
Sie legte einen Stick nach dem anderen ein und tat nur mehr so als würde sie arbeiten. Die Wahrheit interessierte hier keinen, also gab sie sich bei den letzten Dateien keine Mühe. Sie übersetzte oberflächlich und automatisch, ging einigen Querverweisen nach, die sich aber als wertlos erwiesen und stieß schließlich auf einen Namen, den sie kannte. Das machte sie stutzig. Sie fand eine Botschaft nach der anderen. War das Zufall? Oder hatte er alles geplant? Sainkoh Nikitina, stand am Rand eines Querverweises. Angestrengt überlegte sie, ob sie eine Frau mit diesem Namen kannte.
„Wenn du mal Hilfe brauchst, Agnes, dann geh zu Sainkoh, sie wird weiter wissen“, hatte Alex einmal gesagt, nachdem sie ihm von ihrer Angst berichtet hatte, einmal abgeholt und verschleppt zu werden. Ihm war es dann viel früher passiert. ‚Wo steckst du nur? Wohin haben dich diese Arschlöcher gesteckt?’, dachte sie verzweifelt.
‚Ich kann nicht zu Sainkoh gehen. Sie ist nicht hier, oder doch?’ Hier begannen sich ihre Gedanken wieder im Kreis zu drehen. Hilfe konnte sie von keinem erwarten. ‚Max? Aber ich glaube nicht, dass er aus seinem Schneckenhaus heraus will.’

Endlich wurde sie aus dem engen Labor entlassen. Müde grüßte sie den Offizier, bevor er sie zu den Unterkünften geleitete.
„Wie bist du voran gekommen?“
„Ich bin fertig und zwar im doppelten Sinn. Vierundzwanzig Stunden frei ist alles, was ich will, dann kann ich wieder arbeiten. Jetzt kommt das Modul dran, das ist verzwickter, als das andere. Bitte, Sir, nur einen Tag und eine Nacht.“ Sie klang genauso müde und verzweifelt wie sie sich fühlte. Der Leutnant schaute sie zum ersten Mal richtig an, die ganzen Monate, die letzten beiden Jahre, hatte er sie nie wirklich gesehen. Jetzt erkannte er, dass sie tatsächlich am Ende war.
„Morgen beginnst du mit dem Modul und dann werden wir weiter sehen“, sagte er etwas freundlicher als sonst. „Ich berichte dem Generalstab von deinen Fortschritten.“
„Danke, Sir.“ Mehr konnte sie nicht erwarten. Bis auf den Ausbruch am Morgen war sie immer ruhig gewesen und hatte sich an die Anweisungen gehalten, zwar etwas widerwillig, aber sie hatte funktioniert. Mehr wollten sie nicht von ihr. Mehr wurde von einer Lindstrom nicht erwartet – Haltung und Perfektion, arbeiten ohne zu murren.

Allein in der Unterkunft überlegte sie, wie und wo sie Hilfe bekommen könnte. Es gab jetzt keine Möglichkeit mehr, unbeaufsichtigt zu arbeiten. Am Modul würden Techniker dabei sein, die alles genau studieren wollten. Irgendwie musste sie dort Zeit schinden, sie hinhalten und für dumm verkaufen. Agnes ahnte, wo die Manipulation lag. Das lockte ihr ein befriedigtes Grinsen ins Gesicht. Wenn Alex das so schlau angestellt hatte, wie sie erwartete, dann konnte nicht einmal sie diesen Fehler beheben, denn dann wäre alles auf seine persönliche DNS, seinen Retinaabdruck und seine Stimme gespeichert. Niemand sonst hätte Zugang zu den Schaltkreisen, zu den Speicherdaten.

Das Grinsen in ihrem Gesicht wurde am nächsten Morgen noch breiter, als sie ihren Verdacht bestätigt fand. Es gab nirgends Aufzeichnungen über die Herstellung des Moduls. Sie hatten das ganz spontan ohne Plan zusammen gebastelt und einen irren Spaß dabei gehabt. Alles war ihrer Fantasie und einem großen Vertrauen zueinander entsprungen und der Liebe zum Leben. Alex war so voller Liebe gewesen, das stellte sie jetzt wieder fest. Die Administration hatte ihm deswegen das Leben ständig schwer gemacht. „Du warst wirklich der einzig anständige Mensch, den ich kennen gelernt habe, Alter“, sagte sie zur Maschine. Sie beachtete die Techniker nicht, die neugierig um sie standen.
„Wie soll uns wohl eine Historikerin helfen können? Das ist ein technisches Problem“, war der O-Ton der zukünftigen Kollegen. Damit hatte sie gerechnet. Aber die ständige Ablehnung ging ihr mittlerweile tief unter die Haut. Sie schnitt ihr ins Herz und begann an ihrem Selbstvertrauen zu nagen.
„Ich habe an dem Modul mitgebaut, also bin ich wohl genug qualifiziert, Herrschaften.“
Das nahm den Leuten den Wind aus den Segeln und sie mussten schweigend zu sehen, wie sie in den Mannschaftsraum des Moduls kroch und die Anzeigen studierte. Jetzt wusste sie auch, wo er abgeblieben war und sie wurde bleich vor Wut.
„Was ist los, Doktor?“, fragte einer der Techniker und steckte seinen Kopf zur Tür herein.
„Nichts, nichts. Ich hab nur gerade gesehen, wo die zuletzt waren.“
„Wo waren sie denn? Oder sollte ich eher fragen, wann waren sie hier?“
„Das ist gut, Sir. Wann waren sie … die perfekte Aussage. Sie denken wie ein Zeitreisender, oder jemand, der sich damit beschäftigen will. Sie waren im Pleistozän, dort muss auch der Konstrukteur verschollen sein.“
„Doktor?“
„Hm?“ Sie war mit den Gedanken in der Eiszeit. Weite Steppen, gefährliche Raubtiere und nur wenige Menschen, dazu kamen Kälte und stellenweise Wassermangel aufgrund des Eises und der Versteppung. „Alter Schwede“, murmelte sie, „wenn er da hingelangt ist, dann weiß ich auch nicht wie er das überleben soll und kann.“
„Was meinten Sie Doktor?“
Agnes kroch aus dem Modul und starrte den Mann an, der so respektvoll sprach. Er stand etwas abseits der anderen und in seinen Augen erkannte sie wissenschaftliche Neugier. Nur selten hatte sie dieses Leuchten bei jemandem gesehen. Einzig Alex hatte es gehabt und manchmal auch sie selbst.
„Wie heißen Sie?“, fragte sie deshalb und ignorierte die anderen Techniker.
„Erik Landmann“, sagte er knapp und reichte ihr die Hand.
Sie wandte sich an die übrigen Techniker und erklärte: „Ich habe einen Assistenten gefunden. Einer genügt. Sollte ich unerwartet doch mehr Hilfe benötigen, Sie sind ja nicht aus der Welt. Danke. Wenn Sie mich melden wollen, tun Sie sich keinen Zwang an und gehen Sie am besten gleich zum Generalstab, dann sparen Sie sich verschiedene Wege. Dort kennt man mich.“
Entrüstet begannen die Männer durcheinander zu reden, bevor sie schließlich doch abzogen, als sie erkennen mussten, dass sie nicht nachgeben würde.
„Ich bin Agnes. Wenn ich mit jemandem zusammen arbeite, dann sind wir per du miteinander, das vereinfacht so einiges.“
„Danke. Ja, es ist einfacher, wenn man nicht immer an Titel und Rang denken muss. Was hast du da drin entdeckt? Ich weiß, wo der Fehler liegt – zumindest denke ich es. Aber so wie es aussieht, werden wir den nicht beheben können.“
„Stimmt. Und ich erwarte mir von dir, dass wir uns mit der Entdeckung dieses Fehlers mindestens eine Woche Zeit lassen. Außerdem steht mir noch ein freier Tag zu. – Ich brauche frische Luft, gehen wir raus.“
Sie zog den Jüngeren am Ärmel aus dem Labor und hinaus auf freies Gelände. Der Wachoffizier am Tor hatte sie kurz aufzuhalten versucht, aber sie hatte überheblich gesagt: „Wenn wir Wissenschafter den ganzen Tag ohne Licht und Luft arbeiten müssen, steht uns wenigstens eine halbe Stunde Luft und Licht am Tag zu. Wagen Sie nicht, uns aufzuhalten!“
Der Soldat hatte nur mehr gegrüßt und sie durch gelassen.
„Es hat wohl auch noch nie ein Korporal einen Gefreiten zuerst gegrüßt“, meinte er lachend, als sie auf einem freien Exerzierfeld standen.
„Und jetzt wird es ernst. Was denkst du, entdeckt zu haben?“, Agnes war neugierig, ob er richtig lag. Die Antwort kam prompt und ohne langes Zögern.
„Der Konstrukteur hat es dreifach gesichert. Stimme, Retina und DNA.“
„Wieso hast du das noch niemandem gesagt?“
„Weil ich ihn für ein Genie halte und sein Werk soll nicht missbraucht werden. Ich weiß, dass sie es falsch verwenden, wenn sie dahinter kommen.“
„Du bist anders als die anderen, Erik Landmann. Wer bist du?“
„Das gleiche könnte ich dich fragen. Aber du bist sicher Telepathin genug, um zu wissen, ob ich dich belüge.“
„Wenn du es noch nicht weißt, dann sage ich es dir gleich. Ich habe das Talent nicht.“
Erik schaute sie stumm an, dann fasste er einen Entschluss.
„Heute nach Dienstschluss werde ich dir etwas geben.“
Erstaunt und erschrocken zugleich schaute sie ihn an und entdeckte erst jetzt den Hauptmannstern. Schon war sie versucht ihre Haltung zu ändern und merkte, wie die rechte Hand an die Stirn wollte. Erik grinste als er die Bewegung bemerkte und meinte: „Lass das. Ich bin mehr Wissenschafter als Militär. Der Stern ist eher zufällig dahergekommen. Deshalb sind wohl auch die anderen Techniker etwas vorsichtig mir gegenüber. Ich bin Hauptmann und ein guter Telepath, das lässt alle etwas weniger laut erscheinen, sagen wir mal so. – Nach Dienstschluss, wenn wir hier fertig sind.“
Agnes war verblüfft. Sie hatte hier noch keinen Offizier getroffen, der so wenig diesem Bild entsprach wie Erik Landmann.
Als sie nichts erwiderte, fuhr er fort: „Und jetzt lass uns wieder reingehen, bevor die Wachhabenden noch auf dumme Ideen kommen.“

Als sie wieder vor dem Modul standen, wurde sich Agnes bewusst, dass sie das in jahrelanger Arbeit mit Alex geschaffen hatte, auch wenn es mehr sein Baby war als ihres, empfand sie doch ein sonderbares Gefühl jetzt im Inneren zu sitzen. Alle Teile waren vertraut und riefen Erinnerungen an Gespräche wach.
„Du brauchst mir hier nicht alles zu erklären, Agnes. Ich will es nicht wirklich wissen“, sagte Erik schließlich. „Mich interessieren andere Dinge – aber das erst nach Dienstschluss.“
„In Ordnung. Aber irgendwie müssen wir die Zeit rumbiegen. Es ist erst Mittag.“
„Gut, dann machen wir jetzt Mittagspause, die steht uns jedenfalls zu.“
Es war das erste Mal seit langem, dass Agnes eine Pause machen durfte. Also folgte sie Erik in die Offiziersmesse.
„Da darf ich nicht hinein“, sagte sie vor dem Zugang. Aber Erik schob sie ungerührt weiter. „Das geht in Ordnung“, meinte er. Aber es ging nicht in Ordnung. Brüsk wurde sie des Raumes verwiesen. „Du da, du hast hier nichts verloren!“, brüllte ein Offizier. Zustimmendes Gemurmel erhob sich.
„Aber sie ist Wissenschafterin“, versuchte Erik zu vermitteln. „Dadurch hat sie einen anderen Status.“
„Hier zählt das nicht. Wir sind hier schließlich in der Offiziersmesse – raus mit ihr!“
Erik wollte gerade zu einer heftigen Erwiderung ansetzen, als Agnes schnell sagte: „Lass gut sein Erik, ich gehe wieder ins Labor. Ich bin das gewöhnt.“
„So sollte es nicht sein“, murmelte er zurück.
„Lass es einfach. Ich gehe.“
„Gut. Aber ich bring dir was mit. Es geht nicht, dass du nichts zu essen bekommst. Die Pause ist aus, bis du bei den anderen Speisesälen bist.“ Erik sah sie durchdringend an, dann ging er weiter.
So ausgesperrt war sich Agnes schon lange nicht mehr vorgekommen. Der Typ am Eingang grinste sie hämisch an, als sie umkehrte und wieder zurück ins Labor ging. Frustriert setzte sie sich ins Modul und dachte an Alex.
Dann nahm sie das Bild, das sie ständig mit sich führte, aus der Jackentasche und redete zu ihm: „Alex, wie geht es dir, dort wo du jetzt bist? Es ist sicher saukalt, kälter als du es gewöhnt bist. Ach, es tut mir alles so leid.“
Sie legte sich im Sitz zurück, schloss die Augen und versuchte den knurrenden Magen nicht zu beachten. Seit dem Morgen des vergangenen Tages hatte sie nichts gegessen. Diese ständige Drängelei wegen der Übersetzungen und die gewonnenen Erkenntnisse, hatten ihr einen empfindlichen Magen beschert. Manchmal hatte sie das Gefühl, dass Essen etwas war, das anderen passierte und ihr Verdauungssystem direkt mit den Augen verbunden war. Hatte sie grausame Tatsachen gefunden und übersetzt, dazu die Lügenmärchen, die sie erfinden musste, konnte sie nicht essen. Immerzu dachte sie an diese armen Menschen, die einfach nur aus einem fadenscheinigen Grund heraus abgeschlachtet worden waren. Noch jetzt trieb es ihr die Tränen aus den Augen, wenn sie an die Bilder der Kinder dachte, die in den sogenannten Heilanstalten auf ihre Tötung warteten. Es schnürte ihr die Kehle zu, hinderte sie daran weiter zu denken. Die offensichtlichen Lügen, die sie in den Krankenakten entdeckte und die Eltern hatten das alles für bare Münze genommen.
„Ein Leben war damals nur etwas wert, wenn es den Vorgaben des Regimes passte – so wie heute“, sagte sie leise und dachte noch weiter zurück in eine Zeit als es nur wenige Maschinen gab, als die Menschen noch viel von Hand erledigten, als es noch mehr Land als Menschen gab und wie die Menschen aus Europa Amerika besiedelten und die Ureinwohner massakrierten – sei es durch Krankheiten, die sie bewusst herbei führten, oder sie im Kugelhagel hinmetzelten. Dann dachte sie wieder nach vor. An die Kriege, die wegen Rohstoffen geführt worden waren. Bilder aus Afrika: Menschenmassen auf der Flucht vor der Dürre und verrückten habgierigen Kriminellen, die sich zum Herrscher machten. Müde, geschwächte und tote Körper neben dem Menschenzug – Leichenzug – lebende Leichen waren das. In jedem Zeitalter beinahe gab es solche Fluchtbewegungen. Alle Dokumente an die sie kommen konnte hatte sie übersetzt und nichts beschönigt, im Gegenteil, sie hatte das Leid der Menschen noch extra betont. Aber das würde nichts nützen. Die Administration hatte ihre Meinung und die deckte sich nicht mit ihrer.

„Irgendwann werden sie mich ebenso abservieren“, sagte sie zum Modul.
„Was ist los? Sieh mal, ich habe leider nur einen Kalorienriegel bekommen. Sie lassen keine Lebensmittel mehr aus. Wir scheinen wieder einmal auf einer Rationalisierungswelle dahin zu schwimmen. „Ich hoffe, dir macht es nichts, dass ich nur Wasser mitgebracht habe. Aber alles andere schmeckt nicht gut, wenn es warm wird.“
„Ist schon in Ordnung, Erik“, antwortete sie müde. „Gib mir das Zeug herein. Ich bleibe gleich hier.“
Erik kroch nun ebenfalls in das Modul und wartete bis Agnes den Riegel verspeist hatte. Sein Blick fiel immer wieder forschend auf sie. Er wurde nicht schlau aus ihr. Sie hielt die Gedanken verschlossen, noch nie hatte er das bei einem Menschen ohne Talent so gefühlt. Er ahnte, dass mehr dahinter steckte und hoffte, sich nicht zu täuschen, das wäre fatal.
„Wann hattest du das letzte Mal frei?“, fragte er. Sie kam ihm so müde und ausgelaugt vor, zu müde um effektiv arbeiten zu können.
„Ich glaube, da war ich noch Lehrerin“, murmelte sie, beinahe unverständlich.
„Was? – Au!“ Er war aufgesprungen und hatte vergessen, dass das Modul niedrig gebaut war, und sich den Kopf an einer Kante angeschlagen. Smirnov war kleiner gewesen und sie hatten Material gespart. „Morgen hast du frei. Du brauchst mindestens einen freien Tag, sonst klappst du zusammen!“ Er stieg hinaus und ging zu einer Kom-Einrichtung. Agnes konnte nicht verstehen, was er sagte. Die Müdigkeit hatte sie jetzt voll im Griff. Bis zu der Pause hatte sie nicht gemerkt, wie erschöpft sie tatsächlich war. Sie vergrub den Kopf in den Händen und wurde von einem unterdrückten Schluchzen geschüttelt. ‚Es ist zuviel – zu viele Bilder, zu viele Tote! Ich kann das nicht mehr. Behandelt mich doch wenigstens wie einen Menschen.’
Ein zorniger Hauptmann kam zurück. Als er sie so zusammengesunken im Modul fand, weinend und am Ende ihrer Kraft, verpuffte der Ärger.
„Komm, Agnes, wir machen Schluss für heute“, sagte er sehr sanft.
„Alex?“, fragte sie „Sollen wir wirklich schon aufhören?“
„Ja, wir machen Feierabend. Du bist müde.“ Auf die falsche Anrede ging er nicht ein, er nahm sie einfach an der Hand und brachte sie weg.
Als sie schon auf den Weg zu den Unterkünften waren, wurde Agnes wieder wach. Ihr Körper hatte zwar funktioniert, aber der Geist war weg gewesen. Sie wusste nicht einmal wo genau. „Wo gehen wir hin, Erik?“
„Schön, dass du mich wieder erkennst. Wir gehen jetzt zuerst in meine Unterkunft. Ich muss noch etwas regeln. Laut Personaleinteilung und Generalstab – ich weiß nicht, warum die sich da einmischen – bekommst du keinen freien Tag.“ Er hatte zornig gesprochen, dabei die Hände geballt.
„Was war denn?“ Noch immer war sie verwirrt und nicht ganz bei der Sache.
„Du warst völlig weggetreten, das war erschreckend. Was du dringend brauchst, ist Erholung und ich werde dafür sorgen. Es reicht jetzt. Ich will wissen, was da vorgeht.“ Noch immer war er erbost über die Vorgesetzten. ‚Diese Ignoranten, benutzen Menschen wie Dinge. Wenn sie nicht mehr funktionieren werden sie weggeworfen. Vielleicht habe ich jetzt mal eine Chance was zu verändern’, waren seine Gedanken als er mit Agnes im Schlepptau zu seinem Quartier eilte.

Es dauerte nur wenige Minuten und er schob sie in ein beinahe luxuriös eingerichtetes Zimmer. „Du kannst dich hier ausruhen. Wenn du magst, kannst du hier duschen. Ich weiß, dass es in den Massenquartieren etwas kostet. Also, genieß das warme Wasser und dann legst du dich hin.“
Agnes war sprachlos. So gut war sie schon seit Ewigkeiten nicht mehr behandelt worden. Tränen der Rührung stiegen ihr auf, als sie in der Dusche stand und das warme Wasser wie eine Liebkosung über die Haut floss. Danach wickelte sie sich in ein Handtuch und legte sich in Eriks Bett.

Erik war unterdessen zum Kommandostab gefahren. Er wollte seinen Namen und seine Beziehungen spielen lassen. Da gab es Ungereimtheiten, denen er auf die Spur kommen wollte.
„John, alter Freund, kann ich heute eine Verbindung mit Sunflower bekommen?“
„Warum denn, Erik? Es ist nicht immer leicht mit der Zivilverwaltung.“
„Es ist dringend, John und ich weiß, dass es schon spät ist.“
John sah ihn einige Minuten an, weil er Erik schon so lange kannte und er sich nie etwas zuschulden hatte kommen lassen gab er ihm eine Verbindung. „Du kannst die Kammer ganz hinten benutzen. Die Leitung ist frei.“
„Danke, John. Ich bin dir was schuldig.“
„Ach lass nur, Mann. Bleib weiter ein freundlicher Hauptmann, dann passt das für mich“, sagte er mit einem Zwinkern.

Erik ging zu dem ihm zugewiesenen Terminal und verband sich mit der CPU ins Sunflower.
„CPU, hier Erik Landmann, Hauptmann und Telepath der ersten Klasse“, identifizierte er sich. „Informationen erbeten. Person: Agnes Lindstrom, Alter: 36 Jahre, Geschlecht: weiblich, militärischer Rang: Gefreite. Derzeitiger Aufenthaltsort: Zurick. Akademische Laufbahn und Verwandtschaftsverbindungen erbeten, sowie Verhaftungen und Notfallmaßnahmen.“
Es dauerte eine Weile, dann kam die Antwort direkt auf die Netzhaut: „Lindstrom Agnes, Doktor der Geschichte, akademische Laufbahn: studiert in Sunflower, Abschluss in Urgeschichte und neuer Geschichte, Doktorat anschließend Teamleiterin der Abteilung Theoretische Geschichtsforschung mit Doktor Alex Smirnov, Erbau des Zeitreisemoduls, mehrere Bücher zum Thema Zeitreisen und Altertumsforschung, später Notfallmaßnahme aufgrund der Weigerung die P1 zu nehmen, danach Lehramt in einer privaten Schule für Kinder von Militärangehörigen, wieder Notfallmaßnahme und Verhaftung, Deportation nach Zurick.“
„Danke CPU, gab es während der Verhaftung Untersuchungen?“
„Bitte spezifizieren Sie ‚Untersuchungen’.“
„Psychologische und physiologische.“
„Beides wurde bei der letzten Untersuchung gemacht, dabei wurden DNS-Proben und Eizellen entnommen.“
„Wozu? Wer war der behandelnde Arzt?“
„Geheimsache.“
„Na toll. Danke CPU. Sunflower ich melde mich ab.“

Erik löste die Verbindung. Seinen Zorn hatten die Informationen nicht kühlen können, sie hatten ihn noch geschürt. „Danke nochmals, John“, rief er, winkte kurz und lief hinaus. Er grübelte und dachte nach. Es ging ihm gegen den Strich, wenn ihm Informationen aufgrund einer ‚Geheimsache’ verweigert wurden. Wütend stapfte er zu seinem Fahrzeug und raste zu seinem Quartier zurück.
Herbst 2018
***to Mann
4.270 Beiträge
Hallo Herta.
Du heißt nicht Agnes, bist also auch nicht müde.

Auf, weiter.
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Hahaha ...
du bist witzig, Heinrich. *haumichwech*

Ich habe in 14 Tagen eine Lesung, das muss ich noch auf die Reihe bekommen und einen Beruf von meinem Kind gar nicht zu reden. Aber ich bin nicht müde, zumindest jetzt nicht *zwinker*

Trotzdem werde ich versuchen jeden Tag etwas zu schreiben und wenn es nur ein Absatz ist. *g*


Liebe Grüße
Herta
********k_ni Frau
728 Beiträge
wow.....
wahnsinn Herta...heute erst entdeckt...warum bloß *gruebel* nicht früher....tolle Story...bin gespannt wie es weitergeht
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
danke *freu*

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