Allebehalle
Oder die Sucht nach vorn
Friederlich checkte ein ums andere Mal die Kühlbox in seiner Küche. Denn er wollte nicht, dass sein Berg aus Wortkugeln sowie Satz- und Bildbomben, die allesamt mit der Herzmaschine fabriziert worden waren, in der Hitze der Gedankengefechte in seinem Kopf dahinschmelzen würden. Denn gleich sollte er mit seinem Esel aus Draht losradeln, um seine Künste unter die Leute zu fahren.
Er meckerte nicht, als seine Rosa plötzlich im Rahmen der Türe seines Kreativ-Labors stand und ihm mal wieder die Schuldscheine unter die Nase hielt. Dennoch krempelte sich sein Gedärm von innen nach außen, als sie sprach: „Und bring mir nicht noch mehr von diesen Dingern mit! Verstanden? Du hast schon genügend andere Probleme! …“
Friederlich nickte und verdrehte dabei die Augen.
„Ich meine das ernst!“, legte Rosa noch eine Schippe der Vernunft obendrauf, gab ihrem Friederlich einen Klapps auf die Schulter und rülpste ihn schließlich samt seinem Vehikel zum Port hinaus.
Hinein in die virtuelle Welt der Nullen und Einsen, des Haben- oder Nichthaben-Wollens und der Verlockungen aus Farben. Da wo Bits und Bytes ihn berechneten und ihm Versprechungen machten. So dass er sich erst hätte seiner Filterblase entledigen müssen, um frei durch die Datenwelt mit ihren wirren Gärten radeln zu können.
Doch wie man dies tat, wusste Friederlich nicht. Denn ihn verfolgte dabei stets und ständig dieses hungrige Gefühl, im Außen erst noch dieses, jenes oder Sell tun zu müssen, bevor beziehungsweise damit er am Ende wieder ein Stück weit näher hin zum inneren Frieden rücken konnte. Dabei wusste er nur unbestimmt intuitiv, was dieser Zustand für ihn alles bedeuten könnte. Im Prinzip immer erst dann, wenn er fast unmittelbar davor zum Stehen kam und das dann auf Biegen und Brechen unbedingt alles gleich sofort haben beziehungsweise erreichen wollte
Allerdings hockte er auch allzu oft unwissend da und stopfte sich wahllos Schokoladentrüffel in den Schlund, weil er glaubte, dass er nach diesen Dingen hungrig sei und gar nicht anders könne, als davon zu naschen. Und nicht nur im wahrsten Sinne des Wortes. Wozu gab es denn schließlich die verlockende Offerte des Später Bezahlens?
Friederlich leckte sich die Lippen und bleckte die Zähne, als er spürte, wie sich sein Gedärm nach diesen Dingen verschwurbelte, als er um die nächste Datenecke bog und schon wieder mehr und mehr gelockt wurde. Doch dann erinnere er sich wieder an Rosas Worte, und es wurde ihm nüchtern in der Magengegend. Die Trüffel der letzten Streiftour waren sowieso längst allebehalle. Jetzt gab es für ihn nur noch die Flucht nach vorn …
© CRSK, Le, 02/2023