Das Monster
Schon während der Schwangerschaft war es schwierig gewesen, mit ihr. Immer diese Selbstzweifel. Sie fühlte sich hässlich, dick und unzulänglich. Der Sex. Nein, sicher war er nicht mehr so, wie in der Zeit davor. Es war nicht mehr so wild und willenlos. Aber es war… intensiver. Nur wollte oder konnte sie das nicht so sehen. Sie fühlte sich unförmig und unbeholfen.Als das Kind dann da war, begann die Katastrophe. Über all die Wäsche, verkotzte Windeltücher, verpinkelte Strampelanzüge, schmutziges Geschirr, eine unglückliche Frau.
Nein, sie war nicht wirklich unglücklich. Aber sie war auch nicht glücklich. Sie war einfach total gestresst. Nichts funktionierte so, wie sie es sich vorher ausgemalt hatte. Das Kind war quengelig, schlief nicht durch, hatte immer irgendwas. Mal waren es Blähungen, mal der Nachtschreck, dann die ersten Zähne. Ich war mit einem Mal nicht mehr mit meiner Frau verheiratet, sondern mit einem Muttertier!
Sicher, meine kleine Tochter war das süßeste Geschöpf der Erde. Solange sie schlief! Aber wehe, sie war wach!
Kaum war ich zuhause, bekam ich sie in den Arm gedrückt. „Liebling, die Kleine braucht dich!“ „Schatzi, kannst du dich mal kümmern, damit ich mal unter die Dusche und was zu Essen kochen kann?“
Ich bekam keine Luft mehr, in diesem, meinen Zuhause!
Wo war die Frau geblieben, die ich mal geliebt hatte? Die mich mal geliebt hatte? Die Frau, die spontan gesagt hatte „Schnuckiputzi, heute essen wir auswärts und vögeln hinterher ganz gepflegt!“
Da saß sie nun. Die Euter dick geschwollen, Fett auf den Hüften, schlampige Klamotten mit Milchkotze auf der Schulter, ungeschminkt und strähniges Haar. Ein Monster war aus ihr geworden!
Ich selbst stand ständig unter Strom. In der Firma lief nicht alles so, wie ich es geplant hatte. Die letzte Gehaltserhöhung kam nicht. Wir mussten Kurzarbeit machen. Dabei war unser finanzieller Rahmen sowieso schon so eng, seit meine Frau nicht mehr arbeitete. Sie hat ja immer wesentlich mehr verdient, als ich. Ich begann Überstunden zu machen. Anfangs tat mir das leid. Später fing ich an, es zu genießen. Ich konnte diesem Muttermonster entfliehen und hatte auch noch einen guten Grund. Noch viel später hörte ich auf, Überstunden zu machen. Aber ich kam deswegen nicht früher nach Hause. Ich ging mit Kollegen in die Kneipe. Auf ein Bier oder zwei. Irgendwann wurden dann auch mehr daraus.
Manchmal ging ich dann auch mit den Kollegen in die Sauna. Meiner Frau erzählte ich davon nichts. Sie hätte Zeter und Mordio geschriehen, wenn ich es ihr gesagt hätte.
Und irgendwann war da dann diese andere Frau. Sie war so unbeschwert. Sie fand mich witzig und charmant. Ich fühlte mich endlich wieder als Mensch, als Mann…
Es kam, wie es in billigen Filmen kommt. Zuhause das meckernde Muttermonster, tagsüber die Arbeit und nachts billige Hotelzimmer. Nein, meine Frau war gewohnt, dass ich oft wochenlang auf Montage war. Es dauerte Monate, bis sie mir auf die Schliche kam. Und irgendwie habe ich es, glaube ich, sogar gewollt, dass sie es rauskriegt. Es war einfach an der Zeit. Ich konnte und wollte so nicht mehr leben!
Sicher, ich liebe mein Kind! Aber nicht zu diesem Preis!
Ich weiß, ich bin ein Arschloch…
(c) Rhabia 01-2010