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H ö r t , H ö r t , S i r e n e n !
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ich bin
und ich bin müde
hört ihr?
müde
liege ausgebreitet und besiegt
wie ein Oktopus in der erbarmungslosen Sonne
an Bord von 'nem Beiboot
Rest eines Beibootes
wohlbemerkt
Rest eines Beilebens
wohlgenährt
hört, hört, Sirenen!
der Rest eines Beilebens –
wenn das nicht stört
die Sonne gerbt mir die Haut unnachgiebig
ich kann das riechen
ich rieche angebrutzelt und angebrannt
wie ein angekokelter Braten, der in Kohlen gart
selbst mein Verstand schwelt mir weg
und verzeiht mir nicht
schon wieder
zwanzig Jahre, zehn und zehn
fremde Inseln, aufstehen und geh'n
bin immer gegangen, bin nie lang geblieben
Tränen, die rannen
Tränen, die blieben
Tränen, gemacht aus gehärtetem Wasser
flossen mir nach - großer Verlasser
Wasser ist nass - ich bin viel nasser
am Ende aber
am Ende ist alles Wasser gleich
neun Komma acht eins Meter die Sekunde
ziehen gleichmäßig an allen Dingen
und an allem Wasser
und es zurück ins Meer
Tränen oder Flüsse - alles gleich
Ströme, Bäche
mäandernd oder durch Klammen stürzend
egalisiert und wogengeglättet
spiegeln den Himmel
und landen im Meer
zwei Wasser Stoffe und ein Saurer
kennen nur diesen einen Glauben
und drei Konfessionen
Und dennoch ist es am Ende gleich
andere Meere, dasselbe Wasser
andere Häfen, dasselbe Wasser
fremde Schiffe, feindliche Götter
dasselbe Wasser, dasselbe Wasser
dasselbe Wasser
Wasser ist nass,
doch ich bin...
ich bin müde geworden
hab' mich müde geschwommen
bin dort drüben geboren
und dort nie angekommen
hab' gekämpft, hab gelogen
ich sterb' jetzt an Durst
hab' Götter getreten
und starb nicht an Furcht
zehn Jahre nun
zehn Jahre salzige Tränen tauften mich ewig
und ich finde nicht den Hafen
von dem ich aufgebrochen war
als mir mein Körper noch diente
aber wen lüg ich an?
niemand bin ich...
... nicht meine Tränen waren das
ich hab das GPS ins Meer geworfen
nicht die Götter waren es
die mich nicht ließen heimzukommen
ich war das selbst; jedes Mal
nur um zu wissen
was als Nächstes kommt
hinter dem nächsten Kap
hinter der nächsten Insel
hinter dem nächsten Horizont
am nächsten Morgen
und am nächsten
Ich bin müde
liege lang ausgelegt wie Algen zum Trocknen
ich bin müde und sterbe an Durst
um mich herum mehr Wasser
als sich irgendjemand vorstellen kann
der hier noch nicht lag und erfasst hat
was es heißt, ein Glas Wasser zu sein
das man in die See gesät hat
sie plätschert, die See
sie singt mir, sie liebkost mich
sie trügt, sie lügt, sie lobt mich
ich seh' sie
sie schmeichelt mir
sie holt mich,
sie tötet mich langsam,
wie das die Katze tut
mit der Maus
in ihrer Freizeit
die See ist mir
Haut auf meiner Haut geworden
vertrauter, als es mir meine Mutter war
geliebter noch, als es mir meine Frau war
vielgewandter, als es mir meine Gedanken waren
die nun noch Erinnerungen an Erinnerungen sind
und ausbleichen wie ein Traum, der zu oft geträumt ist
die See ist ein Universum im Universum im Universum
sie ist das alles,
aber sie ist
nicht trinkbar.
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