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So richtig professionelle Drecksarbeit...

*****ine Mann
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Themenersteller 
So richtig professionelle Drecksarbeit...
Damit in der Kurzgeschichten-Gruppe zur Abwechslung auch mal wieder eine Geschichte gepostet wird... erinnert sich noch jemand an die Abenteuer von Hauptmann Theodor Achtziger?
(Bonuspunkte, wenn jemand den Hintergrund erkennt. *zwinker* )




„Was haben Sie da, Hauptmann?“
Theodor Achtziger blickt auf. Der Frager ist ein junger Hellebardier, einer von den neuen Leuten, mit blonden Haaren und Sommersprossen, vermutlich kaum älter als sechzehn oder siebzehn Sommer. Für das Verladen der schweren Kisten, Körbe und Fässer mit Proviant hat er seine Uniformjacke in den roten und weißen Wappenfarben Reiklands ausgezogen, und sein Hemd aus grob gesponnenem Leinen ist am Rücken und unter den Armen von Schweiß verdunkelt. Achtziger sitzt auf einem Fass – gesalzene Fische, dem Geruch nach – und wartet darauf, dass der Rest der Ladung auf die schweren Pferdewagen verladen wird, die sie transportieren sollen. Er war in Gedanken gewesen und hatte geistesabwesend einen Gegenstand in seinen Händen bewegt.

„Hat keiner was von Pause gesagt, Sohn!“ Kaum ausgesprochen, bereut Achtziger seinen barschen Tonfall auch schon wieder. Der Junge hat ihn aufgeschreckt. Er fühlt sich ertappt. Deswegen fügt er in versöhnlicherem Ton hinzu: „Eine Münze ist das. Ein Andenken.“ Er blickt noch einen Augenblick darauf, dann schiebt er sie wieder in seine Jackentasche.

„Eine von den Zwergen? Eine echte?“
Verdammt, der Junge hat gute Augen. Hat vermutlich das eingeprägte Wappen und die Runenschrift gesehen. Und obendrein vermutlich in seiner Kindheit Bücher gelesen oder sowas. Dass er überhaupt lesen kann, ist schon eine Frechheit für sich. Als Achtziger in dem Alter war, wäre jemand, der lesen konnte, für die imperiale Infanterie als untauglich abgeschrieben worden, als verweichlicht, als Bücherwurm. Aber heutzutage kriegt man ja als Ersatz fast nur noch solche gebildeten Typen. Bilden sich was drauf ein, dass sie eine Schule von innen gesehen haben anstatt ordentlich zu arbeiten. Wollen am liebsten den ganzen Tag lang nur diskutieren. Na ja, eine Extrarunde Drill mit der langen Hellebarde wird denen ihre Flausen schon austreiben, denkt Achtziger. Hat bisher noch keinem geschadet.

„Ja, eine echte. Ein echter Goldtaler der Dawi.“ Die Schriftzeichen sind tatsächlich schon ein wenig abgewetzt worden über die Jahre, die er sie immer wieder in seinen Händen gedreht hat, aber immer noch klar zu erkennen. Ist ja schließlich zwergische Qualität, kein imperiales Kupfergeld. Sauber und akkurat gegossen und geprägt am Fuß des weit entfernten Weltrandgebirges, und in der Mitte glänzt immer noch die stolze Kronenrune der Hochfestung Karaz-A-Karak.

„Haben Sie schon mal einen Zwerg getroffen, Hauptmann?“
Der Bengel drückt sich doch bloß vor der Arbeit mit seiner dauernden Fragerei. Aber der Tag ist warm, und durstig sind sie alle. Und irgendwie ist Theodor Achtziger auch gerade nicht recht in der Stimmung für eine ordentliche Standpauke. Wenn Feldwaibel Rudi Maier hier wäre, der würde jetzt ohne zu zögern einen klassisch vorschriftsmäßigen Anschiss austeilen. Ist er aber nicht.

„Ob ich einen Zwerg getroffen habe? Den Hochkönig aller Zwerge persönlich habe ich mal getroffen, den alten Grollbart. Das ist aber schon Jahre her.“
Der Junge grinst, und sieht dadurch irgendwie noch jünger aus. „Ach, Sie flunkern doch, Hauptmann.“
Frechheit, eigentlich, so etwas gegenüber seinem Hauptmann auch nur zu denken! Achtziger merkt sich den Rotzlöffel und schwankt innerlich zwischen Kartoffeln schälen und Nachtwache stehen.
„Jungchen, was meinst du denn, woher ich die Münze habe?“
Das Grinsen verschwindet wieder und weicht einem Ausdruck zögerlicher Nachdenklichkeit. Der kleine Rotzer beißt sich, sichtlich verunsichert, auf die Unterlippe.
„Ähm… und… wie war er so?“

Und Theodor Achtziger erinnert sich…

[Fortsetzung folgt.]
*****ine Mann
912 Beiträge
Themenersteller 
Ungefähr drei oder vier Wochen nach der Belagerung von Akendorf war es gewesen, ganz am südlichen Rand des Imperiums, in den Grenzlanden. Eine eher ruhige Belagerung war das gewesen, regelrecht zivilisiert, die schließlich mit einem Friedensschluss und einer Tributzahlung beendet worden war. Keine Feuerschlünde, keine Belagerungstürme, keine Sturmleitern, kein Pfeilhagel. Bergheimer der Belagerer war beinahe enttäuscht gewesen.

Immerhin hatten nach dem verhandelten Frieden dem Heerhaufen des Imperiums die Docks und Häfen der mit Akendorf verbündeten Handelsstadt Matorca am Schwarzen Golf wieder offen gestanden, sodass Nachschub mit dem Schiff auf dem Seeweg herangeführt werden konnte anstatt den langen Weg über Whisenland und den Nachtfeuerpass im Norden, und so war Hauptmann Theodor Achtziger mit einer Abteilung Schwertkämpfer zur Bedeckung der schweren Trosswagen abgestellt worden, um von dort aus die dringend benötigten Versorgungsgüter einzubringen. Trossdienst war zumindest auf dem Hinweg eine angenehme Sache, weil man da auf den Wagen fahren konnte und nicht marschieren musste. Aber irgendwann am dritten Marschtag, als die Dächer und Türme der Stadt schon am Horizont zu erahnen gewesen waren und die Handelsstraße bald auf die kreuzende Küstenstraße treffen musste, war plötzlich ein Kundschafter herangesprengt gekommen und hatte berichtet, die Straße vor ihnen sei gesperrt.

„Was heißt hier, die Straße ist gesperrt, Sohn?“ hatte Theodor Achtziger geblafft, und sich aufgemacht, um sich die Sache selbst anzusehen. Diese Kundschafter waren eh alles übernervöse Naturen. Wozu man die brauchte, wenn man stattdessen Hellebardiere hätte haben können, wusste ohnehin kein Mensch. Neumodischer Unfug, diese Kundschafterei.

Aber dann hatte er eingesehen, dass der Reiter doch recht gehabt hatte. Die Straße war tatsächlich gesperrt. Und zwar von einer Marschkolonne von Zwergen.
Natürlich hatte Theodor Achtziger schon vorher Zwerge gesehen. Innerhalb der Grenzen des Imperiums lebten in jeder größeren Stadt eine Handvoll von ihnen, und wenn man ein wenig herumgekommen war beim Militär, dann hatte man natürlich schon welche gesehen. Aber die schiere Anzahl, die hier vor seinen Augen ihres Weges gezogen war, war allein schon ein Anblick gewesen, der sich ihm in seiner ganzen Laufbahn noch nicht geboten hatte.

Tausende und Abertausende mussten es gewesen sein, als hätte eine ganze Wehrstadt ihre Tore geöffnet und ihre Einwohner auf diese Straße entlassen. Rechts und links der staubigen Straßenkreuzung, soweit Achtzigers Auge zu blicken vermag, blinkte und blitzte die tief stehende Sonne auf den blank polierten Helmen, Rüstungen und Waffen einer marschierenden Zwergenstreitmacht. Aufgereiht wie auf dem Exerzierplatz waren sie einhergeschritten, die kleinen Kerle, quer über die gesamte Breite der Straße, ordentlich in Reih und Glied, und ihr sauberer Gleichschritt würde eine Paradeformation imperialer Gardetruppen neidisch gemacht haben. Kein einziger Stiefel war aus dem Takt gewesen, kein einziger Kämpfer hatte aus seiner Linie hervorgeragt. Unter den Klang ihres Marschtritts hatte sich weithin hallender, kehliger Gesang aus unzähligen Kehlen gemengt, immer wieder unterbrochen durch laute, durchdringende Chorrufe in ihrer polternden Sprache. Die Tonlage war teilweise so tief gewesen, dass sich Achtziger die feinen Haare in seinem Nacken aufgestellt hatten. Flatternde Standarten in bunten Farben hatten über ihnen gestanden, die metallenen Spitzen und Beschläge der Bannerstangen blinkten wie nacktes Gold im Sonnenlicht, wie Edelsteine und Geschmeide. Gerade war ein Regiment Musketenschützen vorbeimarschiert , dahinter eine Abteilung Bergwerker, die langstieligen Spitzhacken über den Schultern, trotz der Hitze in dickes Leder und wollene Joppen gekleidet. Ein Geruch von Eisen war von ihnen ausgegangen, von Rauch und Schmiedefeuer. Dahinter kamen lange Reihen von Packwagen mit eisenbeschlagenen Ladewänden in Sicht, und kurze, dickwandige Kanonen, von struppigen Gebirgsponys gezogen.

„Der Hochkönig der Zwerge zieht in den Krieg. So einen Anblick erlebt man nicht alle Tage.“
Achtziger wusste nicht, wie lange er am Straßenrand gestanden und mit offenem Mund das Schauspiel bestaunt hatte, als ihn unversehens die unvertraute Stimme in die Wirklichkeit zurückholte. Hinter ihm hatte der komplette Wagenzug haltgemacht, und vom Trossjungen bis zum Waibel der Infanterie hatte jeder einzelne Mann genauso gebannt dagestanden und zuschaut.
Der Sprecher war ein Mensch gewesen, kein Zwerg, ein hochgewachsener, sehniger Mann Anfang Dreißig, die langen, von der Sonne blassblond gebleichten Haare zum Pferdeschwanz gebunden, das Gesicht von der Sonne fast lederbraun gegerbt. Unter seinem fadenscheinigen Umhang aus verblasster roter Wolle hatte er ein Kettenhemd getragen, und am Gürtel ein langes Schwert. Woher er so urplötzlich erschienen war, hatte hinterher niemand zu sagen vermocht.

Achtziger hatte die Hand ausgestreckt.
„Hauptmann Theodor Achtziger. Heerbann unter dem Befehl von Erzlektor Bergheimer.“
„Felix Jäger. Ich… reise mit einem Freund.“ Eine vage Kopfbewegung hatte in Richtung der Marschkolonne der Zwerge gedeutet.
„Wir sind auf dem Weg nach Matorca, Proviant laden.“
Jäger hatte den Kopf geschüttelt wie jemand, der wusste, wovon er sprach. „Zu gefährlich. Matorca wird belagert.“
„Belagert? Von wem? Orks?“
„Menschenfresser. Sie bedrohen den kompletten Küstenabschnitt seit Monaten und stören den Handel. Der Hochkönig bietet gegen sie auf. Die Zwerge sind besorgt um ihre Küstenstädte.“

Das war in der Tat eine noch weitaus schlimmere Nachricht gewesen als eine Horde Orks, und das wollte etwas heißen. „Menschenfresser“ nannte das Imperium die nomadischen Stämme der im Gebirge hausenden Oger, gewaltige Kreaturen so groß wie Trolle, Giganten aus quellenden Muskeln und wabbelndem Speck, die von ihrem unstillbaren Hunger getrieben die Reiche der zivilisierten Völker heimsuchten, um ihre Wänste am Fleisch von Tieren und Menschen gleichermaßen zu mästen. Kein Wunder, dass die Zwerge in Sorge gewesen waren, wenn ein ganzer Stamm dieser Monstren sich in der Ebene herumtrieb. Einer derartigen Belagerung hätten selbst die stählernen Tore und die Geschütze ihrer Kriegshäfen nicht auf Dauer standhalten können.
Bei dem Gedanken, in was er da mit seinem Wagenzug beinahe hineingeraten wäre, hatte es Achtziger einen eiskalten Schauer über den Rücken gejagt. Wenn er einen Tag eher aufgebrochen wäre…

[Fortsetzung folgt.]
*****ine Mann
912 Beiträge
Themenersteller 
Achtziger und seine Leute hatten die folgende Nacht im Feldlager der Zwerge verbracht. Niemand hatte sich daran gestört, dass sich eine Gruppe von Menschen mit einem regelrechten Zug von Ochsenkarren in die Mitte eines zwergischen Heerbannes verirrt zu haben schien. Im Gegenteil hatten es einige seiner Leute sogar irgendwie geschafft, ein Fass Zwergenbier aufzutreiben, eine seltene Delikatesse, die selbst Achtziger bisher noch nicht zu kosten bekommen hatte. Und so war sein Schlaf in dieser Nacht durchaus ein tiefer und seliger gewesen.

Umso herber war allerdings die Überraschung ausgefallen, als er im Morgengrauen unter seiner Decke hervorgekrochen war und festgestellt hatte, dass sich das Bild um ihn herum grundlegend gewandelt hatte.
Offenbar war er mitten in der Feldstellung einer Reihe zwergischer Kriegsmaschinen erwacht, wo am Abend zuvor um ihn herum noch offenes Feld gewesen war. Jetzt standen zu seiner Linken eine sauber ausgerichtete Linie von Katapulten und zu seiner Rechten eine ebensolche Reihe von Kanonen, komplett mit Pulverwagen, Stapeln von Kanonenkugeln und geschäftigen Bedienungen, alles sauber hinter aufgeschütteten Erdwällen verschanzt und mit Holzbohlen gesichert.

Natürlich, ein Feldlager war auch des Nachts kein geräuschloser Ort, und man lernte mit der Zeit, trotzdem einen erholsamen Nachtschlaf zu schlafen. Aber eine solche Arbeit wäre in einem imperialen Heerbann nicht ohne pausenloses Schwatzen und Schimpfen der Männer, das Poltern der Waibel und die beständigen Beschwerden des zuständigen Technikus vonstattengegangen. Wie die Zwerge es geschafft hatten, all dies während der Nacht so sorgsam und leise in Stellung zu bringen, dass er davon nicht einmal aufgewacht war, da war sich Hauptmann Theodor Achtziger in diesem Augenblick sicher gewesen, würde ihm wohl auf alle Zeiten ein Rätsel bleiben. Und sein Staunen hatte kein Ende nehmen wollen, als er sich erhoben hatte, um sich anzukleiden.

Nicht nur die Geschütze waren während der Dunkelheit an ihren Platz gelangt, das ganze Zwergenheer war es. In der Entfernung konnte er im morgendlichen Zwielicht die Türme und Mauern der Stadt Matorca sehen, die sich gegen die blassfahle Dämmerung abzeichneten. Vor ihm erstreckte sich die Kampflinie der Zwerge, soweit er nach rechts und links blicken konnte, ebenso in Ordnung aufgereiht, wie es ihre Marschlinie am vorigen Tag gewesen war, sauber nach Regimentern und Abteilungen in Breite und Tiefe gestaffelt, jedes einzelne unter seiner eigenen Standarte formiert, eine Postenkette aus Armbrustschützen in der Vorhut.

Und dazwischen, in respektvollem Abstand, in scheinbar unsaubere Haufen und Ansammlungen geballt, die mordlüsterne Meute der Oger, vom schmutzig orangenen Schein ihrer qualmenden Kochfeuer beleuchtet, doppelt mannshohe, grobschlächtige, blasshäutige Mordbrenner, deren tierhaftes Geheul und Gebrüll die gesamte Ebene bedeckte. Das mussten über hundert der Bestien sein, die sich da versammelt mehrere einzelne Stämme vermutlich, unter einem einzelnen Oberhäuptling, alle mit der einen Belohnung im Sinn, dem ultimativen kalten Buffet: eine imperiale Stadt.

Hätte dieses blutrünstige Aufgebot einer Armee des Imperiums gegenübergestanden, wäre die Nervosität in den Reihen der Infanterie mit Händen zu greifen gewesen, und die Feldwaibel hätten alle Hände voll zu tun gehabt, die Leute bei der Stange zu halten. Achtziger hatte gestandene Ritter in vollem Harnisch gesehen, die beim Anblick eines einzelnen Trolls der Mut verlassen hatte. Die Luft wäre erfüllt gewesen von gebrüllten Befehlen, dem heiseren Keifen der Priester und von frommen Hymnen, durch von Angst halb zugeschnürte Kehlen hervorgepresst.

Hier stattdessen… nichts davon. Die Linien der Zwerge standen unbeweglich und absolut still. Eine eisige, hasserfüllte Lautlosigkeit ging von ihnen aus. Aus irgendeinem Grund fand Achtziger das weitaus furchteinflößender als das Lärmen der Oger.
Felix Jäger trat zu ihm, als er gerade dabei war, seine eigenen Waibel anzuschnauzen.
„Hauptmann.“
„Herr Jäger.“
„Bereit für einen heißen Tanz?“
„Ihr seht jedenfalls recht gelassen aus.“
„Man gewöhnt sich an so einiges.“
„Wo steckt denn euer Freund, von dem ihr gestern gesprochen habt?“
Jäger machte wieder diese mehrdeutige Kopfbewegung. Achtziger folgte seinem Blick und erblickte eine Gruppe von Zwergen, die in mehrerlei Hinsicht aus der Masse der übrigen herausstachen. Erstens trug keiner von ihnen auch nur ansatzweise so etwas wie eine Rüstung. Wo die übrigen Streiter ihres Volkes in dicke Platten, schwere Kettenhemden und verzierte Helme gekleidet standen, da trugen sie bloße Oberkörper zur Schau, die dicht an dicht mit Tätowierungen und Farbe bedeckt waren. Und außerdem hatte jeder einzelne von ihnen seine Haarpracht leuchtend orange gefärbt und mit Hilfe von Fett und Tinkturen senkrecht auf seinem Haupt in die Höhe gestellt wie einen Hahnenkamm. Einer unter ihnen stach selbst aus diesem irrsinnigen Haufen noch heraus: er trug die größte und schwerste Axt, die Achtziger je gesehen hatte, mindestens so groß wie er selber, und vermutlich genauso schwer. Vermutlich hätte es vier Hellebardiere gebraucht, das Ding überhaupt nur vom Boden emporzuheben, aber dieser einäugige Schlägertyp mit seinen knotigen Muskeln wuchtete es mit einer Hand über die Schulter, als wäre es ein Spielzeug.

„Das ist er?“
Jäger nickte. „Ja. Gotrek Gurnisson, dessen Name einst bekannt sein wird, soweit das Imperium reicht. Vorausgesetzt, ich lebe lange genug, um seine Geschichte niederzuschreiben.“
Achtziger hatte gerade zu einer erneuten Frage angesetzt, als er durch einen anderen Zwerg aus seinen Gedanken gerissen wurde. Dieser war von Kopf bis Fuß in Leder gekleidet, einschließlich dicken Handschuhen, einer ledernen Kopfhaube, einer breiten Schürze und einem Gürtel, in dem offensichtlich zahlreiche Werkzeuge steckten. Dem Hauptmann wollten schier die Augen aus dem Kopf fallen, als ihm auffiel, dass der Neuankömmling ganz offensichtlich Säcke mit Schießpulver in den Armen trug, dabei aber mit der allergrößten Gelassenheit eine dicke, qualmende Zigarre zwischen den Zähnen stecken hatte.
„Jungchen, mach mal Platz, ich versuche hier konstruktiv zu arbeiten!“

Achtzigers Staunen wurde noch größer, als er feststellte, dass der Zwerg die Sprache des Imperiums fast ohne einen vernehmbaren Akzent sprach.
„Da staunste, was, Jungchen? Tja, ich hab‘ in meiner Jugend mal fünfzig Jahre in Nuln gearbeitet, in der großen Gießerei. Da hängt irgendwo noch eine Messingplakette mit meinem Namen drauf. Wenn sie nicht runtergefallen ist in der Zwischenzeit, wir reden ja hier von… ach so, Entschuldigung, von Menschlingsarbeit, wollte ich gerade sagen. Hm?“
Nuln war die heimliche zweite Hauptstadt des Alten Reiches und sein industrielles Herz, die Rüstungsschmiede des Imperiums, Standort von zahllosen Gießereien und Werkstätten.
„Drongo Burluksson, Geschützmeister. Und das hier,“ seine ausladende Armbewegung umfasste die Gesamtheit der Katapulte und Kanonen ringsumher, „sind allesamt meine wunderschönen Töchter.“
„Freut mich.“ Achtzigers tonlose Erwiderung war der Tatsache geschuldet, dass er immer noch mit blankem Entsetzen auf ungefähr achtzig Pfund Pulver und eine Zigarre starrte. Burluksson wollte offenbar gerade zu einer weiteren Erläuterung ansetzen, als er seinerseits durch den Klang einer einzelnen Fanfare unterbrochen wurde.

„Ach so, ja…“ Er ließ kurzerhand die Pulversäcke fallen und zog sich die Lederhaube vom Kopf. „Da, sieh genau hin, Jungchen, da siehst du ihn, unseren guten König Thorgrim, Ehre seinen Vorfahren. Lang möge er herrschen.“
Achtziger folgte seinem Blick und gewahrte das unwahrscheinlichste von allen unwahrscheinlichen Schauspielen, die er an diesem Morgen bislang zu sehen bekommen hatte.
Der Hochkönig der Zwerge besaß offensichtlich eine Art beweglichen Thron. Denn genau das war es, was dort in der Entfernung zu erkennen war: eine Plattform, die von vier Zwergen an stabilen Stangen auf ihren Schultern getragen wurde. Auf dieser Plattform stand ein aus massivem Stein geschnitzter, kunstvoll mit Gold und Edelsteinen verzierter Thron. An diesem Thron lehnte eine zweihändige Kriegsaxt, und davor stand deren Besitzer und schien allen Ernstes ein Buch in der Hand zu halten, aus dem er vorlas. Erst jetzt fiel Achtziger auf, dass jeder einzelne Zwerg ringsum seine Kopfbedeckung in der Hand trug, und fast verschämt zog er selber sein eigenes Barett vom Haupt.

„Der Hochkönig liest aus dem Buch der Blutschulden vor.“ Die Stimme Felix Jägers neben ihm klang gedämpft und seltsam ehrfürchtig. „Seht euch das genau an, Hauptmann. Nur wenigen Menschen ist es vergönnt, dieses Ritual einmal mit ansehen zu dürfen. Der König verliest das historische Unrecht, das er heute zu begleichen gedenkt.“
„Und wie?“
„Indem er jede einzelne dieser Bestien da draußen erschlagen lassen wird, bis auf die letzte. Zwergenblut fordert keinen geringeren Preis, und ihr Gedächtnis reicht ganze Zeitalter weit zurück.“
„Sollten wir vielleicht… ?“
„Nein, Hauptmann. Lasst eure Männer einstweilen, wo sie sind. Vorne in der Schlachtlinie würden sie nur zermalmt werden.“

Achtziger wollte gerade zu einer geharnischten Erwiderung darüber ansetzen, dass imperiale Infanteristen durchaus ihren Mann zu stehen wussten, als der Hochkönig sein Buch zuklappte, es hinter sich auf den Thron legte und nach seiner Axt griff. Die Geste war mehr als eindeutig.
Als Erwiderung darauf stieg von der gesamten Schlachtreihe der Zwerge ein wortloses, urwüchsiges Brüllen blanken Hasses zum Himmel empor. Helme wurden aufgesetzt. Äxte und Hämmer fester gepackt. Schilde verschränkt. Die Zeit der Vorreden war vorbei. Jetzt war es Zeit, eine Blutschuld einzutreiben, die womöglich vor Jahrhunderten aufgerechnet worden war.

[Fortsetzung folgt.]
*****ine Mann
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Feldwaibel Rudi Maier musste den Augenblick natürlich vollkommen taktlos verderben, indem er zu seinem liebsten Steckenpferd ansetzte: einer Standpauke.
„SO sieht ein professioneller Schildwall aus, Herrschaften, seht euch das ganz genau…“

Er kam nicht dazu, auch nur seinen Satz zu Ende zu führen. Burluksson hatte ein kehliges Kommando in seiner eigenen Sprache ausgestoßen, und als Reaktion darauf erzitterte die Luft unter der ohrenbetäubenden Gewalt zeitgleich abgebrannter Kanonenrohre. Achtziger, so wie jeder einzelne seiner Männer, hielt sich entsetzt die Ohren zu, als dichte, weiße Pulverschwaden ihm die Sicht nahmen. Die Schleuderarme von Katapulten schwirrten und krachten, als sie doppelt kopfgroße Steinbrocken in hohen Bögen gegen die Haufen der Oger sandten. Achtzigers Ohren piepten.

„Kolossal! Musik!“ Burluksson, dem das Ganze offenbar überhaupt nichts auszumachen schien, lachte, als wäre das Ganze für ihn ein riesiger Spaß. „Nachladen, meine Kinder, nachladen! Der König soll hören, wie schön meine Töchter singen können!“ Schallendes Gelächter der Kanoniere war die Antwort, als sie in Windeseile mit Wischer, Stopfer und Pulverhorn hantierten. Gusseiserne Kanonenkugeln flogen in die Rohre, und genauso schnell mit Donnergetöse wieder hinaus. Achtziger steckte sich die Finger in die Ohren und versuchte, das Klingeln und Piepen zu besänftigen.

Das Geheul, das dieses Mal als Reaktion von den Haufen der Oger aufstieg, war ganz deutlich zu Teilen von Schmerzlauten durchmischt. Mitten in einige der größten Haufen mussten die ersten Geschosse hineingefahren sein, denn dort klafften jetzt breite Lücken, und mehrere der Monster wälzten sich quiekend am blutdurchtränkten Boden. Die zweite Salve fügte der grausamen Vorarbeit weitere Opfer hinzu. Und dann begannen die Kanoniere der Zwerge erst richtig damit, sich einzuschießen. Achtziger hätte schwören können, dass er mehrere der Kreaturen gesehen hatte, die von Kanonenkugeln voll getroffen, von den Beinen geholt und meterweit durch die Luft geschleudert worden waren. Katapultsteine zerschmetterten Schädel und Gliedmaßen ohne Unterschied, und wo sie auf den harten Boden trafen, verwandelten sie sich in pfeifende, messerscharfe Steinsplitter.

Brutal und gefräßig oder nicht, der Rest der Meute ließ sich diese Behandlung nicht lange untätig gefallen. Erst setzten sich einzelne Menschenfresser in Bewegung, vielleicht ungestümer oder zorniger als die anderen, dann kleinere Gruppen, schließlich stürmten dichte Pulks auf die Linie der Zwerge los, lange Keulen, baumlange Spieße und grob geschmiedete eiserne Klingen in ihren Fäusten. König Thorgrim zog seine Vorposten ein, die sich unter einem beständigen Hageln von Armbrustbolzen geordnet auf die eigene Linie zurückfallen ließen und sich hinter dem Schildwall rasch wieder formierten. Das Ganze ging flüssig und sauber, mit einem Mindestmaß an Befehlsrufen vor sich. Theodor Achtziger hatte kampferprobte imperiale Bogenschützen mit jahrelanger Erfahrung gekannt, die ein solches Manöver nicht derartig reibungslos abgeliefert hätten. Nachdem sie nun freies Schussfeld hatten, begannen zwergische Musketenschützen ihr tödliches Handwerk, und nur Augenblicke später knallten und pfiffen ihre disziplinierten Reihensalven den anstürmenden Ogern entgegen. Mehr als ein Dutzend in der vordersten Reihe wurden im Laufen umgerissen und deckten das Feld, jedoch mindestens genauso viele stürmten weiter, obwohl jeder von ihnen mehrere Kugeln abbekommen haben musste. Und was noch mehr war: einige der Ungeheuer schwangen offensichtlich ihrerseits grobschlächtige Feuerrohre. Einer davon schleppte sogar etwas mit sich, was ganz eindeutig nur das Rohr einer imperialen Kanone sein konnte.

Kanonenkugeln und Hagel von Eisensplittern begannen nun, in die dicht geschlossenen Reihen der Zwerge einzuschlagen. Einzelne Kämpfer und kleine Gruppen wurden umgerissen und gegen ihre Gefährten geschleudert, wo sie teilweise reglos liegenblieben. Nicht wenige jedoch rappelten sich kurzerhand wieder auf und nahmen wieder ihren alten Platz ein, als wäre nichts geschehen. Offenbar hatten zwergische Schilde und Rüstungen und sprichwörtliche zwergische Zähigkeit in zahlreichen Fällen Schlimmeres verhindert. Burluksson brüllte in der Zwischenzeit seine Kanoniere an, und mit der nächsten Salve wurde dem Oger mit der Kanone glatt der Kopf von den Schultern abgerissen. Dichte Wolken von Armbrustbolzen prasselten und hagelten auf die immer dichter zusammengedrängten Reihen der Oger nieder, die dennoch ihren Ansturm ohne Zögern trotz aller Verluste fortsetzten. Der Abstand zwischen den beiden Heeren war mittlerweile sehr stark geschrumpft, schon bald musste es zum Nahkampf kommen, und dann konnten die Bestien ihre gewaltigen Körperkräfte und ihre tierhafte Brutalität ausspielen. Selbst Burluksson würde es nicht wagen, dann noch mit seinen Kanonen zwischen die ineinander verkeilten Reihen der Kämpfenden zu schießen – oder?

Gerade einmal Sekunden mochten es noch sein vor dem unvermeidlichen Zusammenprall, da stießen plötzlich aus den Linien der Zwerge an zahlreichen Stellen gleißende Flammenzungen heraus, Dutzende Schritt lange Schlangen aus gelb-rotem, rußigem Feuer, die zwischen die Haufen der heranstürmenden Bestien fuhren und binnen kurzer Augenblicke unzählige von ihnen in Brand setzten. Einzelne Oger taumelten, von Kopf bis Fuß in lodernde Flammen gehüllt, in den Weg ihrer Artgenossen, als ihre schmierige, von Talg und Essensresten bedeckte Haut schlagartig Feuer fing. Achtziger blieb der Mund offen stehen, als er diese unfassbare Abschlachten mitansehen musste. Ein plötzlicher warmer Wind blies ihm ins Gesicht und brachte den Geruch von Rauch und Petroleum mit sich – ebenso wie den Gestank nach verkohltem Schinken.

Neben ihm zog Burluksson selbstzufrieden an seiner Zigarre. „Hah! Kolossal! Unsere Drachenfeuermusketen heizen denen so richtig ein, Jungchen. Da unten steht die Hammergarde des Königs, da kommen diese Mistkerle nie und nimmer durch! Hah, ich liebe den Geruch von brennendem Fett am Morgen!“
Es schien, als sollte er zumindest teilweise Recht behalten. Dort, wo die fürchterliche Flammenwaffe der Zwerge zugeschlagen hatte, war der Ansturm der Monster gänzlich in sich zusammengebrochen und hatte sich in einzelne Gruppen von umhertaumelnden, schwerstens verbrannten Kreaturen aufgelöst, die eine nach der anderen von Musketenkugeln oder Armbrustbolzen gefällt wurden. An anderer Stelle aber geschah, was hatte geschehen müssen: die ersten Oger hatten den Schildwall der Zwerge erreicht und prügelten nun mit der ganzen Gewalt ihres aufgestauten Zorns darauf ein. Das machten selbst zwergischer Stahl und zwergischer Mut nicht lange mit. Schon taten sich erste Lücken auf, in die weitere Ungetüme hineindrängten. Nun stand Mut gegen Masse, und wo Technik und Alchemie schließlich versagt hatten, musste nun jede einzelne Axt entscheiden. Zur Abwechslung hatte selbst Burluksson dazu keinen abfälligen Kommentar parat.

[Fortsetzung folgt.]
*****ine Mann
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Achtziger blickte zu Jäger hinüber, und von ihm zu dessen Freund und den übrigen Zwergen mit den eigenartigen Haarkämmen, die sonderbarerweise immer noch an Ort und Stelle verweilen, ohne sich am Kampf zu beteiligen. Die offensichtliche Frage drängte sich ihm auf.
„Auf das, was wir bisher noch nicht sehen,“ antwortete Jäger, ohne den Blick zu ihm zu wenden. „Auf einen wirklich gefährlichen Gegner.“

Die Antwort überraschte Achtziger. Er verstand mittlerweile, was Jäger gemeint hatte, als er sagte, seine Männer wären in der Linie nur zermalmt worden. An gefährlichen Gegnern schien dort ganz und gar kein Mangel zu herrschen.
„Gotrek weiß, was er tut. Solange er abwartet, tun wir es auch.“
Kopfschüttelnd blickte sich Achtziger wieder zu Burluksson um, der immer noch kein weiteres Wort gesagt hatte.

Und dann scheint einen Augenblick lang die Zeit stillzustehen, und ganz unvermittelt stellt er fest, dass der Zwerg erneut seine lederne Haube vom Kopf gezogen hat, während er auf das schreckliche Schauspiel blickt. Und zum ersten Mal fällt ihm wirklich auf, dass Burluksson eigentlich sehr lebhafte und gütige Augen hat, von unzähligen winzigen Falten umgeben. Und dass er unter all der rauen Oberfläche und dem boshaften Humor auf einmal sehr, sehr müde aussieht.
Und Theodor Achtziger versteht. Und wird plötzlich sehr traurig.

Er denkt an all die vielen schönen Dinge, die Kunstwerke und Kleinodien, die der Welt gerade in diesem Moment verloren gehen, an all die Bilder und Lieder, die nie entstehen werden, weil der Krieg gerade im Begriff ist, diejenigen zu verschlingen, aus deren Händen sie fließen würden. Er denkt an all das Beständige, das Neue, das Sorgfältige und Geordnete. An all die Kultur und Zivilisation, die schönen Häuser und die breiten, prächtigen Straßen, die verloren gehen, weil die Zwerge, wie das Imperium auch, so vielen ihrer jungen Männer Äxte und Schwerter in ihre Hände legen müssen anstatt Hammer und Meißel, und weil sie Geschütze gießen müssen anstatt Gartenzäune. Und alles wegen tumber Monstrositäten wie denen dort, die glauben, ihre Stärke alleine gäbe ihnen das Recht, zu rauben und zu morden und ihren brutalen Hunger an friedliebenden Völkern zu stillen. Und zum allerersten Mal, von einem Augenblick auf den anderen, hasst er diese sinnlose Verschwendung von Leben und Potential mit einer Inbrunst, die ihm zu seiner eigenen Überraschung schier die Tränen ins Gesicht treiben will.

Und dann wendet Burluksson sich plötzlich um und scheint wirklich und wahrhaftig zu schnuppern.
„Jungchen, hier stinkt’s plötzlich ganz gewaltig nach Grobi.“
Achtziger denkt erst, er macht Witze. Ihm beißen Pulverqualm, Rauch und der widerliche Brandgestank in die Nase. Wie will da… ?
Hinter ihm, neben ihm, überall im Gebüsch und zwischen den niedrigen Bäumen wird es plötzlich lebendig. Plötzlich wimmelt es von vielleicht einen Schritt großen, grünhäutigen, buckligen kleinen Kreaturen mit rötlichen Knopfaugen, spitzen Ohren und langen Spießen.

„Gnoblars!"
Hügelgoblins sind es, die sich auf heimlichen und verschlungenen Wegen von hinten oder von der Flanke her während der Dunkelheit an die Zwerge herangeschlichen haben müssen, um ihnen in den Rücken zu fallen. Dutzende müssen es sein, und es werden immer mehr. Die Überraschung ist vollkommen. Derartige Heimtücke kennt Achtziger nur zu gut von den Goblins der Grauen Berge, bei denen muss man auch immer gegen eine heimliche Sauerei auf der Hut sein.
Andererseits weiß er jetzt dadurch auch genau, was zu tun ist. Hier stehen wackere Reikländer, und wo Reikländer stehen, da steht ein Stück des Imperiums. Da steht ein Stück Kultur, und Kultur leistet Widerstand.

Er reißt das Schwert aus der Scheide. „Reikland! Zu mir!“
Die Waibel und die Männer sind genauso überrascht wie ihr Hauptmann. Rudi Maier überwindet sich als erster. „Schwert und Schild, Jungens, Schwert und Schild! Zum Hauptmann! Heldenhammer! Heldenhammer!
Mehr Ansporn brauchen Achtzigers Leute nicht. Mit dem uralten Schlachtruf des Imperiums auf den Lippen werfen sie sich den Gnoblars entgegen, und schon tobt auch hier erbitterter Nahkampf.

Achtziger hat keinen Schild, aber sein Schwert treibt die feige Bande auf Abstand. Was ihm zu nahe kommt, bekommt seine Klinge oder seinen Stiefel zu kosten. Neben ihm fechtet Burluksson, eine abgebrannte Muskete beim Lauf gepackt, nach rechts und links wütende Hiebe austeilend. Felix Jäger schwingt sein langes Schwert mit einer aus langer Erfahrung geformten Geschicklichkeit, die Achtziger ihm gar nicht zugetraut hätte.
Der Spuk ist ebenso schnell wieder vorbei, wie er begonnen hat. Schwer atmend hält Theodor Achtziger inne, als ihm bewusst wird, dass der Boden um ihn herum mit erschlagenen Goblins bedeckt ist. Was noch kann, schlägt sich quiekend und winselnd in die Büsche. Mehrere seiner Männer sind verwundet, er selber hat eine blutige Schramme am Arm, und sein Jackenärmel ist zerrissen. Er wendet sich zu Jäger um.
„Das ging ja nochmal gut, was?“
„Das waren nur Kundschafter.“
„Für was?“
„Für das da.“ Er deutet.

Und dann sieht Achtziger den größten und abartig widerlichsten Oger, den er an einem Morgen voller riesiger Oger je zu Gesicht bekommen hat. Die Bestie steht, mit einem runden halben Dutzend seiner Artgenossen, zwischen den Bäumen und blickt ihn aus kleinen, tückisch blitzenden Augen an, eine mannslange Keule in den Händen. Felix Jäger neben ihm schreit immer wieder nur ein einziges Wort, „Gotrek! Gotrek!“, und deutet mit seinem Schwert auf die plötzlich aufgetauchte Bedrohung. Da steht das, was sie bisher noch nicht gesehen hatten, und mit einem Mal ergibt alles einen Sinn. Das muss der Oberhäuptling sein, mit seinen besten Kriegern. Und während der Rest seiner Meute den Schildwall der Zwerge beschäftig hält, ist er hier, um persönlich den Angriff zu führen, der das Blatt wenden soll.

Und dann ist Theodor Achtziger mit einem Mal so unendlich wütend.
Diese wilde, blutrünstige, halbnackte Bestie, mit ihren winzigen Augen, ihren ungeschlachten Muskeln und ihren fauligen gelben Zähnen, will den armen, mutigen Maschinisten Drongo Burluksson neben ihm totschlagen? Ihm den Kopf mit den gütigen Augen vom Leib reißen und seine Arme und Beine einzeln über dem Feuer rösten? Und all seine tüchtigen Kanoniere dazu? Und den guten König Grollbart mit seinem dicken Buch am liebsten auch, wenn man sie ließe? Was bildet diese Kreatur sich eigentlich ein?
Darauf kann und darf es nur eine Antwort geben.
Er richtet das Schwert auf den Oberhäuptling und quetscht zwischen zusammengebissenen Zähnen ein einziges Wort hinaus.

Der Oberhäuptling versteht es. Sein Wutgebrüll bringt die Luft zum Zittern, als er mit geschwungener Keule vorwärts stürmt, blutigen Geifer vor dem Maul, seine Krieger hinter sich. Achtziger, das Schwert erhoben, weicht keinen Schritt. Wo Reikland steht, da steht Kultur, und Kultur leistet Widerstand.
Der Häuptling hat ihn fast erreicht, da wird der Hauptmann jäh von hinten zurückgerissen, stolpert und stürzt beinahe. Felix Jäger ist es, der ihn am Jackenkragen gepackt hält, und plötzlich ist um sie beide herum alles voller Zwerge mit orange gefärbten Haaren und wild geschwungenen Äxten, an ihrer Spitze der einäugige Schläger mit der riesigen Axt. Schäumend vor Wut stürzen sie sich auf die Oger. Der Zusammenprall der beiden Gruppen erzeugt einen ohrenbetäubenden Lärm.

„Wohl wahnsinnig geworden, was?!“ Jäger blickt den Hauptmann mit staunend geweiteten Augen an und schüttelt ungläubig den Kopf. Hinter ihnen scheint eine Naturgewalt entfesselt worden zu sein. Ohne jegliche Rücksicht, mit einem an Tobsucht grenzenden Ungestüm werfen sich die Zwerge auf ihre Erzfeinde, die regelrecht unter einer Welle von Äxten und tätowierten Muskeln zu verschwinden scheinen. Sprühnebel von Blut peitschen in die Höhe. Achtzigers Männer stehen, sprachlos vor Staunen und blankem Entsetzen, dabei, und in ihren erschlaffenden Armen sinken die Schwerter nieder.

Es wäre auch unnötig. Eine Raserei, ein Blutrausch, hat diese Zwerge ergriffen, und bricht sich Bahn in einer Schlachterei, wie sie Achtziger selbst bei Trollen und Nordlandbarbaren noch nie gesehen hat. Bald steht nur der Oberhäuptling der Oger noch, aus zahlreichen Wunden blutend. Jägers Freund liefert sich mit ihm ein Duell, das seinesgleichen sucht. Die Hiebe fallen so schnell, dass das Auge kaum zu folgen vermag, Kraft und Schnelligkeit beider Kämpfer scheint annähernd ausgeglichen zu sein.

„Gurnisson! Zurück!“
Heldenhammer! Achtzigers Ohren klingeln schon wieder! Wem gehört diese Bassstimme, die selbst das Toben des Kampfgetümmels noch zu überschreien vermag? Er wendet sich um.
Der König selbst ist es. Da steht er, auf der Plattform seines beweglichen Throns, der nach wie vor auf den Schultern seiner vier Träger ruht. So zum Greifen nah, dass Achtziger einzeln die kleinen goldenen Ringe erkennen kann, die in seinen Bart geflochten sind. Seine Autorität alleine kann selbst dem Wüten einer lebenden Legende Einhalt gebieten. Rings um ihn herum scheinen jedes Geräusch und jede Bewegung zum Stillstand zu kommen. Mit dem Stiel seiner Axt deutet er auf den Oberhäuptling.
„Der da gehört mir.“

Der Tonfall erlaubt keinen Widerspruch. Jeder, Mensch oder Zwerg, weicht unwillkürlich zurück und gibt den beiden Kontrahenten Raum. Das hier ist eine persönliche Angelegenheit. Der König steht regungslos auf seiner Plattform und wiegt die Axt in den Händen. Beide Streiter, etwa auf gleicher Augenhöhe, betrachten sich abschätzend.
Der Oberhäuptling steht unsicher auf den Beinen. Er schnauft heftig, und aus seinen schorfigen Nüstern ringt sich blutiger Schaum. Die Keule wankt in seinen Händen. Erst tritt er auf einen nackten Fuß, dann auf den anderen.

Besiegt ist er noch lange nicht. Die scheinbare Schwäche war vorgetäuscht. Blitzschnell saust die Bestie nach vorne, ein heimtückischer Stoß. Mannsgroße Keule schwingt gegen jahrhundertealte Runenaxt.
Die Runenaxt obsiegt. In zwei Teile gespalten verfehlt die Keule ihr Ziel, ihr abgetrennter Kopf verfehlt den König und fliegt davon. Aus dem Gleichgewicht gebracht, taumelt der Oberhäuptling.
Der zweite Schwung des Königs trennt seinen Kopf von den Schultern. Der enthauptete Leib der Bestie fällt haltlos in sich zusammen. Nur Sekunden hat es gedauert. Thorgrim hebt die Axt zum Himmel als Signal an sein Volk, und um ihn herum hebt gellender Jubel an. Die Angelegenheit ist entschieden. Auf der Ebene ist kein lebender Oger mehr zu sehen. Was nicht vor dem Schildwall niedergestreckt wurde, hat die Flucht ergriffen und wurde kurzerhand niedergeschossen.

König Thorgrim blickt auf Hauptmann Theodor Achtziger herab. Und nickt.
Einfach so. Mehr nicht. Aber es sagt alles.
Dann greift der Hochkönig des Zwergenvolkes in seinen Gürtel und zieht eine einzelne Münze hervor, die er Achtziger zuwirft. Dieser fängt sie auf. Blankes, fein geprägtes Gold blinkt im Sonnenlicht in seinen Händen.

Als er wieder aufgeblickt hatte, war der König auf seinem Thron schon wieder ein gutes Stück weit davon getragen worden.

„Wie er so war, fragst du, Junge? Ein netter älterer Herr, möchte ich meinen.“
Theodor Achtziger hängt noch einen Augenblick seinen Erinnerungen nach. Dann kommt ihm ein anderer Gedanke, und er springt von seinem Fass herunter.
„Sag mal, Junge, du kannst doch bestimmt schreiben, oder…?“
*****ine Mann
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Themenersteller 
Ich lasse das einfach mal hier stehen, als Illustration dazu. *zwinker*


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