RavenFox, Eine Fabel
Kern der Geschichte ist eine alte, mündlich überlieferte Indianer-Fabel, die nun in dieser Geschichte in New Mexico eine neue Bühne gefunden hat…Da die folgende Geschichte etwas länger ist, wird sie in mehreren Teilen gepostet. Ich bitte, erst dann zu antworten, wenn der letzte Teil unter dem Titel 'Epilog' zu sehen sein wird.
Danke
Der Mann ohne Namen
Er hatte keinen Namen. Noch nicht. Einen Namen musste man sich erst verdienen, bevor man zum Krieger wurde und sich dann auch Streifen aus den Farben der Erde ins Gesicht malen durfte. Er war ein Sohn der Aguirre Springs Sippe der Mescalero. So lange der Mann denken konnte hasste er es, ohne Namen zu sein und so sehnte der Krieger den Tag seiner Mutprobe herbei.
Irgendwann, wenn es die Ältesten für angemessen hielten, mussten die jungen Männer den heiligen Berg aufsuchen, den der weiße Mann viele Jahre später Sierra Blanca genannt hat. Hier verbrachte man zwei Tage und Nächte in Meditation und ernährte sich ausschließlich vom Schnee des Himmels und den Beeren der Erde in der Hoffnung, Manitou würde einem den Weg weisen und wohlmöglich sogar begleiten. Erst anschließend war man reif zur eigentlichen Mutprobe.
Am Tage vor dem Aufbruch des jungen Mannes gab es das kleine Pow-Wow, bei dem die Ältesten der Sippe die Aufgaben übertrugen. Viele Männer brachen in der Vergangenheit bereits vor ihm auf und so kannte er die möglichen Aufgaben. Einige mussten Adlerfedern holen. Andere hatten die Aufgabe, die Rassel einer Klapperschlange mit mindestens acht Ringen zu finden. Ein weiterer sollte die Mustangs suchen und sich ein Reitpferd nehmen. Aber es gab auch einfachere Aufgaben, an denen sich die jungen Männer versuchen sollten. So gab es jene, die heilige, seltene, gesundheitsbringende Kräuter in den Bergen sammeln sollten.
Und auch die Aufgabe des jungen Mannes ohne Namen schien nicht besonders schwer zu sein.
Mit ernster Miene wandte sich in jener Nacht der Älteste der Sippe an den Mann ohne Namen, der stets etwas schmächtiger als die anderen war, stets ein wenig langsamer lief und auch seltener mit seinem Bogen ein Ziel traf: „Du hast eine besondere Aufgabe. Breche auf zu den Bergen auf der anderen Seite des Basins. Wähle den Weg entlang des weißen Sandes und suche den schwarzglänzenden Raben, in dessen Federkleid sich die Sterne des Nachts spiegeln. Nehme dir eine seiner Federn für dein Stirnband und du wirst zum Manne werden. Nur eine Feder.“
„Glänzender Rabe?“, entgegnete der Junge. „Raben haben ein schwarzes Federkleid. Sie sind einfach schwarz. Sie glänzen nicht.“
„Gehe, und du wirst sehen.“
Der Mann grübelte lange, aber da seinen Füßen der erste Schritt seines Weges durch das Basin vorgegeben bekommen haben, beschloss er, gleich am nächsten Morgen nach einer kurzen Meditation aufzubrechen.