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Die Verwehung

eyes002
******ace Mann
15.986 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Die Verwehung
Die Verwehung
©12/2013 by TRB

Wehklagen. Ja, das war es. Ein hoher, auf-und abschwellender Ton. Beinahe wie die Gesänge der tödlichen Erinyen. Wie war das noch bei Dantes Inferno?

Bluttriefend beeinander, hoch erhoben,
an Wuchs und Haltung Weibern gleich, so standen
die höllischen drei Furien stracks dort oben.
Giftgrüne Hydern ihre Gürtel banden,
als Haupthaar Nattern sich den Unholdinnen
und Vipern um die Schläfen dräuend wanden.


Ich schüttelte mich. Entgegen den meisten Menschen empfand ich den Wald niemals als bedrohlich. Weder im Sommer, noch im Winter. Ich mochte den Wald im Sommer, weil er nach Leben duftete. Ein leicht modriger, torfiger Geruch, den man, schätzte man ihn einmal, niemals vergaß. Im Sommer konnte man das Holz sich recken hören, die Baumkronen sich dem Lichte entgegen neigen. Man konnte das Rascheln der kleinen, umtriebigen, nimmermüden Tierchen hören, die im Unterholz ihren wuselnden Geschäften nachgingen. Käfer, Mäuse und Ameisen.

Ich hörte einen Specht. Das stakkatohafte Hämmern dieses wunderschönen Vogels faszinierte mich. Eichhörnchen, die mit ihren so grazilen Fingerchen Nüsse, Eicheln und allerlei Dinge festhielten und mich mit wachen Augen ansahen.

Ich mochte die Farben des Waldes. Saftig grün, lebensbejahend, erdrückend in seiner prallen Pracht. Borkige Bäume, allen Widrigkeiten wehrhaft trotzend, Büsche, über und über mit Grün bedeckt. Moosige Flächen, Pilze, Anhöhen, leicht sich einschmeichelnd in die lichte Weite.

Ich mochte den Wald im Herbst, wenn all die Myriaden Blätter einen raschelnden Teppich bildeten und diese kleinen Flieger protestierend aufstoben, wenn ich mit Zeus durch sie rannte.

Und ich mochte den Wald jetzt, im Winter. Schwerer, nasser Schnee bedeckte alles. Bäume, Büsche und Moos. Eine gleichförmige Decke lag über dem Leben und drohte, es zu ersticken. Aber im Gegenteil, die Decke des Todes barg unendlich viel Leben. Die Kronen von Schnee bedeckt, zauberte der Wald ein diffuses Halbdunkel zutage. Ein Halbdunkel, das sich am Tage nicht viel von der Nacht unterschied, höchstens am Grad der Helligkeit. Ich fühlte mich wie damals in Trondheim, als die Nacht sechs Monate lang anhielt.

Und ich mochte Zeus. Nein, ich liebte ihn. Ich fand den Wolf vor zwei Jahren hier im Wald. Winzig klein, hilflos, verletzt, zurückgelassen. Er war unterernährt, hatte eine Bisswunde, wohl von einem Schnabelhieb, an der linken Flanke und humpelte. Sein Fell war fast schwarz. Nur manchmal, wenn die Sonne durch den hährenen Sack, den wir einst Himmel nannten, schien, schimmerten rostrote Flecken durch sein dunkles Fell.

Ich sah Spuren von Eichhörnchen, von Vögeln und Rehen. Von einem Fuchs und von vielen Hasen. Auch der Mäuse kleine Füßchen ließen Spuren zurück. Ich hatte mich abgefunden mit meinem Los. Ja, ich mochte meine Einsiedelei, mein Renegatentum; es ist nicht schwer, allein zu sein, wenn man das wollte. Einsamkeit war etwas anderes, aber ich war nicht einsam. Ganz bestimmt nicht. All meine Freunde waren hier. Sie klagten nicht, sie jammerten nicht. Sie waren frei von Bigotterie und kannten die Lüge nicht. Hier wollte ich sein bis zum Ende der Zeit.

Ich fror. Die Kälte kroch meine Waden entlang und suchte ein Fenster zu meinem Herzen. Aber ich bewegte mich weiter, die Kälte ignorierend. Knarzend sanken meine Stiefel bei jedem Schritt in den Schnee und ließen deutliche Spuren zurück. Aber wer sollte die noch sehen?

Da war es wieder. Der heulende Ton, das Wehklagen. Eher ein Greinen, fast ein Wimmern. Was könnte das sein? Ein verletztes Tier? Vielleicht, aber welches? Mein Magen zog sich zusammen und ich fühlte mich unwohl. Ein Knoten schien meinen Magen zusammen zu ziehen; untrügliches Zeichen für Ärger und Anzeichen für eine drohende, diffuse Gefahr. Mein Puls erhöhte sich und ein wenig Adrenalin sorgte für glasklare Gedanken. Ich sah Zeus an. Seine hellblauen, wachen Augen schienen mich durchbohren zu wollen. „Dreh um! Nicht hinhören!“

Einen solchen Ton hörte ich niemals zuvor. Das Wehklagen hörte sich beinahe wie die Stimme eines hungrigen Babies an. Aber nicht ganz. Es hörte sich an, wie das verzweifelte Knurren eines verletzten Tieres. Aber nicht ganz. Es hörte sich an, wie das bettelnde Greinen einer Katze. Aber nicht ganz. Ich konnte es absolut nicht einordnen.

Ich suchte nach Spuren. Da, ein Fuchs. Er hatte es eilig. Die Spuren der Rehe führten in die entgegengesetzte Richtung. Eine Rotte Wildschweine war querab gelaufen. An der Kürze der Spuren sah ich, dass auch sie es eilig hatten. Keine Eichhörnchen mehr, keine Vögel mehr. Dann eine vollkommen neue Spur. Ein Wolf. Ich wusste nicht, dass das Rudel wieder hier ist. Ich mochte Wölfe. Sie waren ebenso schlau, wie gefährlich. Meine Sinne wurden noch schärfer. Langsam nahm ich das Gewehr von der Schulter. Wölfe jagen im Rudel. Und sicherlich haben sie nicht weniger Hunger, als ich. Außer Zeus. Zeus war ein Freund.

Wieder das Jammern. Nur schwer konnte ich es orten, aber es schien nicht mehr weit zu sein. Ich versuchte, schneller zu gehen. Der Schnee wurde tiefer. Bis zu den Knien sank ich ein. Lange konnte ich das nicht mehr. Da war das Jammern und Greinen wieder. Es klang fast wie ein langgezogenes „A“. Ich erschauerte, das klang fast menschlich. Ich wurde aufgeregter. Fast panisch. Sollte es doch noch Menschen geben? Ausgerechnet hier? Als vor fast sieben Jahren der Meteor einschlug, war das Epizentrum zwar mitten im Atlantik, aber die Folgen waren weltweit katastrophal. Ich hielt mich für den letzten Menschen. Sollte es doch nicht so sein? Ich wurde abermals schneller. Hastig stapfte ich durch den knirschenden Schnee, dem Wimmern entgegen.

Ich erreichte eine Anhöhe. Das Greinen wurde lauter, drängender. Ich hatte keine Furcht, es klang wie ein Ruf um Hilfe. Wie ein kleiner Adler, der seine Mutter ruft. Wie ein Kätzchen, das seine Geschwister vermisst, wie ein Wolfsbaby, das einsam ist. Und es klang wie ein Kind, das hungrig ist. Ich eilte weiter, die Anhöhe empor. Ich fiel. Rappelte mich auf und bemerkte, dass ich über das abgenagte Skelett eines Wildschweines gefallen war, das unter dem Schnee sich verbarg. Ich sah erneut hin. Abgenagt war der richtige Begriff. Aber wer verzehrte Wildschweine roh? Menschen doch nicht? Zeus schnüffelte an dem Gerippe und schüttelte sich.

Wenn man mit Tieren zusammen lebt, lernt man, ihre Sprache zu verstehen. Und Zeus war gerade angeekelt und total verstört. Irgendetwas schien die Instinkte dieses Raubtieres rebellieren zu lassen.
Ich drehte mich um und ging weiter. Keine Antwort jetzt, und spekulieren konnte ich später. Auf halber Höhe sah ich ein Loch im Erdreich. Ein großes Loch. Eine Höhle. Ich konnte mühelos aufrecht eintreten. Das Wimmern wurde lauter. Ein Tier, ganz eindeutig. Oder doch nicht? Vorsichtig, das G11 entsichert im Anschlag, tastete ich mich vorwärts.

Unweigerlich musste ich an die Erinyen denken. Alekto, die nimmermüde Jägerin. Megaira, die Zornige und Teisiphone, die Rächerin. Die wütenden Erinyen. Manche nannten sie auch Furien. Sie waren geboren aus dem Blute des Uranos, als er von Kronos entmannt wurde. Wieder erklang das schauerliche Greinen, klagend, rufend, leidend. Ich sah herunter zu Zeus. Aber auch er hatte den Nacken gerade, seine Rute steif und kerzengerade. Die Nase weit vorgestreckt, die Sinne tastend nach vorn. Er stand still da; starr und aufgeregt, bewegungslos, und starrte in die Höhle.

„Komm, Großer Junge“ flüsterte ich und traute mich ein paar Schritte weiter.
Die Höhle wurde wieder heller. Zeus begann ganz leise zu knurren. Ein kehliger Laut, der, wenn man Wölfe kannte, zur Vorsicht gemahnen sollte. Weiter hinten erkannte ich erste Umrisse. Große Pflanzenteile. Äste, Maisstauden. Ineinander verwoben, fast wie ein Nest.

Ich rieb mir die Augen. Ein Nest? Der Vogel musste eine Spannweite von acht Metern haben, wenn er solche Nester baute! Langsam näherte ich mich weiter. Lautlos. Furcht kroch durch meine Lenden. Zeus blieb stehen, das war ihm nicht geheuer.

Oben, weit oberhalb des Nestes gab es ein Loch in der Decke des Gewölbes, das ich nun betrat und in dem das riesige Nest lag. Ich kam näher. Betrachtete flüchtig die abgenagten Skelette von Hasen, Rehen und… Wölfen. Wer zum Teufel frisst Wölfe? Ich sah Zeus an. Er hatte Angst. Seine Rute hatte er zwischen die Hinterläufe gequetscht und er winselte kaum hörbar. Aber er blieb, der tapfere Kerl.

Ein letzter Schritt noch. Ein Blick über den Rand der Äste und Zweige, die das Nest nach oben abgrenzten. Etwas bewegte sich dort. Ich gab mir einen Ruck und sah große, grün-orangene Augen. Eine schwarze Iris, sie sich verengte und auf mich fokussierte. Ich sah Gehörn. Ich sah Schuppen, ich sah messerscharfe, noch fast transparente Krallen, die klackernd aneinander stießen. Ich sah silbrige Schuppen, ich sah einen langen Schweif, über und über mit Schuppen besetzt und mit Stacheln am Ende des Schweifes. Mein Herz rutschte mir in die Hose, ich begann, zu zittern. Ich hatte ein Drachenbaby gefunden. Ein vier Meter langes Drachenbaby, das mich aus großen Augen neugierig ansah…
*****e_M Frau
8.537 Beiträge
Boah!!! Das zieht voll rein. Einmal angefangen, gibt es kein Halten mehr im Lesesog!

Herzlichen Dank @******ace

*bravo* für diese spannende Reise!
**********henke Mann
9.666 Beiträge
Ja, ich mag den Wald. Ob ich auch ein Drachenbaby finde?
*********ynter Frau
9.811 Beiträge
Ich hab Gänsehaut, bitte mehr davon.

*top*
*****ree Frau
22.064 Beiträge
*wow* der Spannungsbogen ist wahnsinnig gut und das vorläufige Ende mega.

*hutab* tolle Story *top*
*******tia Mann
5.162 Beiträge
Wehe dem Protagonisten, wenn die Drachenmutter auftaucht!
Spannend geschrieben, schöne Beschreibung des Waldes.
*featuremonster*
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