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Die Kinder von Eumeria

nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Fortsetzung. Ein ungebetener Gast ...
Celia, gefolgt von Sven und James, kam durch einen Geheimgang ins Penthouse und sie standen unvermittelt im Wohnbereich. Sie waren durch die versteckte Tür in der Bücherwand getreten und jetzt rannte Sven freudestrahlend auf seinen Bruder zu. Ivo stand auf, starrte und wusste im ersten Moment nicht, was er tun oder denken sollte. Celia und James erkannte er ebenfalls und es kam ihm alles wieder zu Bewusstsein. Viel hatte er durch die Gehirnwäsche vergessen, nun drängten die Erinnerungen in den Vordergrund. Sven war nicht der böse Eindringling, wie sie ihm glauben gemacht hatten. Oder doch?
„Keine Zeit für Begrüßung, hier wird gleich jemand eintreffen, den wir nicht erwartet haben“, sagte Jack.
„Und wenn wir durch die Geheimtür …?“, begann James, doch davon wollte niemand etwas wissen. Sven wandte sich jetzt hasserfüllt an Jack. Er packte ihn vorne an der Uniform, zog ihn zu sich heran und zischte: „Du hast uns verraten. Dafür wirst du sterben.“ Jack schaute ihn nur an, ganz tief in die Augen blickte er dem Jungen, bis dieser ihn losließ und einen Schritt zurücktrat. „Wenn das so ist“, flüsterte Sven und wandte sich der Tür zu durch die eben eine Frau und drei Männer in Uniform traten.
„Setzt euch“, sagte Jack zu den Gefährten und ging der Frau entgegen.
„Emilie, du kannst es wohl nicht lassen“, sagte er, verschränkte die Arme vor der Brust und blieb einen Schritt vor ihr stehen.
„Du bist ein Verschwörer. Hier sind alle versammelt, die ganzen Terroristen auf einem Haufen, und du bist ihr Anführer“, sagte sie und gab ihren Begleitern ein Zeichen. Auf den Uniformen prangten jeweils drei Sterne, die ihre hohen telepathischen Fähigkeiten anzeigten. Sie kamen nun auf Jack zu und wollten ihn ergreifen. Aber er schlug einfach ihre zupackenden Arme zur Seite und verdrängte mit Leichtigkeit ihre Gedanken aus seinem Kopf.
„Ich würde das an deiner Stelle nicht machen und sag endlich deiner Freundin, dass sie den Professor freilassen soll. Er hat euch gegeben, was ihr wolltet, nun muss Ruhe sein!“
„Du bist nicht in der Position Forderungen zu stellen, Jack.“
„Glaubst du?“ Er lächelte und plötzlich bekam sie ein ungutes Gefühl. Jedes Mal, wenn er so grinste, gab es für jemanden eine Katastrophe und der Geschädigte war nie Jack. Auch Brigitt schüttelte es. Sven und Ivo erhoben sich nun und traten neben ihn. Sie hatten beide beschlossen, ihm doch zu vertrauen.
„Ihr solltet doch sitzenbleiben“, sagte Jack, ohne sie anzusehen.
„Ich brauchte die Bewegung“, erwiderte Sven und lächelte nun seinerseits. Endlich sah er eine Möglichkeit, den angestauten Frust loszuwerden und diese Polizisten schienen es auf Ärger abgesehen zu haben. Einzig Ivo blickte ernst. Nun kam auch noch Brigitt und reihte sich ein.
„Wenn ihr wollt, dann versucht, uns zu verhaften“, meinte Sven frech. Das ließen sich die Polizisten nicht zweimal sagen und wollten diesmal den Jungen greifen. Jack wandte sich an Emilie und führte sie am Ellbogen weiter in den Wohnbereich hinein. Ganz der höfliche, weltgewandte Mann, stellte er ihr Celia und James vor. Sie war verwirrt und stammelte in einem fort: „Was machst du nur mit den Menschen?“ Er ignorierte sie und fragte seinerseits: „Warum wollt ihr eigentlich das Zeitreisefahrzeug? – Nimm doch bitte Platz, Emilie. Darf ich dir etwas zu trinken anbieten?“
„Sei nicht so überheblich! Bald werden noch mehr Polizisten hier eintreffen!“, schrie sie und blieb stehen.
„Wie du meinst. Es macht nichts und wenn du sämtliche Einheiten hier versammelst, wird es nichts ändern. Sie sind mir unterstellt und noch bin ich ihr Kommandeur, vergiss das nicht, liebste Emilie. – Celia? Kannst du für mich nach dem Professor sehen? Ich will wissen, ob er noch lebt, denn andernfalls müsste ich die Täter zur Rechenschaft ziehen.“ Er setzte sich und lehnte sich lässig zurück. Emilie konnte es nicht fassen, welche Arroganz er an den Tag legte.
Celia bekam einen abwesenden Gesichtsausdruck, dann sagte sie: „Er lebt, ist aber sehr schwach.“
„Danke, ich hoffe, dass es so bleibt. – Setz dich endlich, Emilie!“ Jack ignorierte das Handgemenge, das in seinem Wohnzimmer stattfand und betrachtete eingehend Emilie, die sich ihm gegenüber hinsetzte. Sie wollte soviel Abstand wie nur möglich zwischen sich und ihrem Gefährten bringen, den sie seit langer Zeit verachtete.
Währenddessen hatten die Geschwister die drei Polizisten überwältigt und führten sie in den Wohnraum. Brigitt hatte einige Knöpfe ihrer Uniform eingebüßt und ihr Haar war nicht mehr hochgesteckt, die Brüder sahen weniger mitgenommen aus, nur Sven blutete aus der Nase. Aber er grinste zufrieden, zu lange hatte er auf ein Erfolgserlebnis verzichten müssen.
„Meine Herren“, sagte nun Jack zu den Polizisten. „Ich denke, dass Sie wissen, wem Sie gegenüberstehen.“ Er stand wieder auf und trat ganz nahe an die Polizisten, blickte jedem von ihnen tief in die Augen und gab ihnen telepathische Anweisungen.
„Sie können jetzt wieder an ihre Arbeit gehen.“ Dann drehte er sich um und sagte leise zu seiner Gengefährtin: „Ich könnte euch alle töten, der Reihe nach, ohne mir dabei die Finger schmutzig zu machen – ein Gedanke genügt.“
Emilie Rozier sog scharf die Luft ein und hustete. „Was?“ Sie hatte gewusst, dass er mächtig war, aber das war eine niederschmetternde Einsicht.
„Du hast sie in deinem Kopf? Die ganze Zeit über, hast du diese Muster in dir?“, fragte Emilie ungläubig. Statt einer Antwort lächelte er und tippte sich leicht an die Stirn, dann drehte er sich um und holte für alle etwas zu trinken.
Ivo folgte ihm an den Automaten und flüsterte: „Du hättest mich und uns alle zerstören können. Warum hast du es nicht getan und dich stattdessen selbst in Gefahr gebracht?“ Jack wählte für alle ein Koffeingetränk und sagte ebenso leise: „Das bleibt noch mein Geheimnis.“ Er gab Ivo eine Tasse und brachte dann die restlichen Getränke zum Tisch.
„Du kannst keine Revolution anzetteln!“, rief Emilie empört.
„Das habe ich auch nicht vor. Ich werde keinen Krieg anfangen, das war nie mein Ziel und eine Diktatur gegen eine andere auszutauschen macht auch keinen Sinn. Was ich will …“ Er machte eine bedeutsame Pause und fuhr nach einem Räuspern fort: „Was ich wirklich will, das ist eine Reform des Bildungssystems, des Arbeitsrechts und überhaupt, dass die Leute wieder selbstständig zu denken anfangen. Das ganze verdammte Geld, das ich und unseresgleichen angehäuft und gehortet hat, muss umverteilt und ein neues System muss dringend gefunden werden. Du weißt es, Emilie, oder solltest es wissen, dass unser Wirtschaftssystem alle hundert Jahre den Bach runter geht und nur mit Mühe konnten wir es bislang immer wieder retten und auf die Beine bringen. Das ist doch alles Unsinn!“ Er schnaubte wütend und begann sich nun so richtig in Rage zu reden. „Ich habe die Präsidentin unterstützt und es stimmt, dass ich den Befehl zu ihrer Ermordung gegeben habe. Ein Widerspruch, wirst du vielleicht jetzt denken. Nein, ist es nicht, denn sie ist nichts anderes als eine Marionette. Nach außen scheint sie mächtig zu sein, doch in Wirklichkeit ist sie nur eine Randfigur und das Schattenkabinett will sie und mich und noch ein paar andere Leute aus dem Weg haben, weil wir zu unbequem geworden sind. Ich will, dass wir alle weiter denken, als bis zu unserer Nasenspitze! Und wenn das bedeutet, dass ich alle meine früheren Ziele verraten muss, dann ist das eben so.“ Er atmete tief durch, um sich zu beruhigen und trat ans Fenster. In seiner typischen Haltung stand er dort und starrte hinaus, die Hände hinter dem Rücken verschränkt und starr. „Langfristig gesehen, könntest du mit der Revolution recht haben, aber es muss eine langsame Änderung stattfinden, keine von oben angeordnete. Das Volk selbst muss das wollen und dazu müssen die Menschen Bildung bekommen und zwar nicht nur Wissen aus der Schulkonserve, sie müssen lernen ihre eigene Wahrheit zu finden und nicht das, was wir ihnen auftischen in diesen dreimal verfluchten Televisionen mit ihrer Propaganda.“ Bedrücktes Schweigen herrschte, als er geendet hatte. Jack rührte sich keinen Millimeter von seiner Position weg, er hatte den Blick in weite Ferne gerichtet. Es war ihm egal, was Emilie von ihm hielt und ob sie seine Ziele billigte oder ob sie die Ordnungshüter telepathisch herbeirief. Jetzt würde er sich nicht mehr verstecken können. Jeder mit etwas telepathischem Vermögen musste seine Gedanken aufgeschnappt haben.
Brigitt stand auf, ging zu ihm, nahm ihn an der Hand und sagte: „Ich denke, ich verstehe jetzt, was meine Eltern für die Welt und besonders für Eumeria wollten. Aber es war nicht wirklich richtig. Sie konnten das Tor zur Liebe nicht öffnen, weil es kein Tor zur ihr gibt, sie ist das Tor – das Tor zum Leben. Du hast es gefunden, Jack.“
„Ja, die Zeit der Heimlichkeit ist nun vorbei“, sagte er leise und drehte sich zu den anderen um. Noch immer glich sein Gesicht einer Maske und seine Haltung war die eines Soldaten.
„Muss ich gehen und den Professor mit Gewalt holen? Ich werde es tun, wenn es sein muss und dann wirst du mir verraten, was du mit der Maschine wolltest, denn Edita hätte sich alleine nie aus ihrer heißgeliebten Fakultät gewagt.“
Emilie war bleich geworden. Sie stand nun ebenfalls auf und sagte: „Dann wirst du ihn dir holen müssen und eine Antwort muss ich dir nicht geben. Ich bin enttäuscht von dir. Deinen Verrat habe ich schon lange geahnt, aber dass er so tief geht, hätte ich nicht für möglich gehalten. Dein alter ego hat dir nicht gut getan. Dass du immer mit den gemeinen Soldaten gelaufen bist und dich unter die Arbeiter gemischt hast, das hat dich verdorben. Aus dir hätte einer der ganz Großen werden können.“
„Du redest wie mein Erzeuger. Er hat auch gedacht, dass ich das Firmenimperium weiterführe. Aber warum denn? Die Angestellten können das weit besser als ich. Ich hätte ihnen alles überschrieben und dann meine Ruhe gehabt. Jeder Angestellte und Arbeiter hätte einen schönen Bonus erhalten und dann sollen sie das alleine machen. Sie haben die Ausbildung und das Fachwissen – nicht ich. So ist das in vielen Bereichen. Du wirst mir zustimmen, Brigitt, das nicht immer die Ausbildung oder die Herkunft das Ausschlaggebende ist. Du bist Archäologin, auch wenn du keine Schulbildung in dieser Hinsicht genossen hast, was dir vielleicht zum Vorteil gereicht, weil du nicht voreingenommen an die Sache herangehst. Aber jetzt sind wir vom Thema abgekommen. – Wir holen den Professor. Kommt mit, mein Wagen steht unten. Du wirst uns begleiten, Emilie. Bitte keine Tricks, hier sind noch drei weitere mächtige Telepathen, die sich nicht scheuen werden, dir ihre Kräfte zu zeigen.“ Er schaute alle der Reihe nach an und sie standen auf. Dann bot er Emilie den Arm. Sie legte tatsächlich die Hand auf seinen Ellbogen und ging mit. Eine andere Wahl hatte sie nicht und auf einen Eklat in fremdem Territorium wollte sie es nicht ankommen lassen.
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
So langsam übersteigt das hier sogar die Grenze einer Novelle, liebe Herta! Das wird ja ein ganzer Roman - nicht, dass es mich nicht freuen würde. Aber vielleicht wäre eine neue Gruppe "Romane etc." gar nicht so schlecht? Da würdest du Dich sicher pudelwohl fühlen ...

Ansonsten: weiter so!

(Der Antaghar)
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Es ist mir ja selbst schon peinlich, wie lange diese Geschichte bereits ist - ein bisschen länger wird sie wohl noch werden, weil noch nicht alles aufgelöst ist.


Danke *blume*

Wenn das hier fertig ist, werde ich mich bessern (oder auch nicht) und nur mehr Kurzgeschichten schreiben *g*

Herta
Profilbild
****ia Frau
22.263 Beiträge
Hertalein, bei aller Liebe!
Ich glaube inzwischen, dass Du das nicht kannst *ggg*
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Du hast recht -
ich schreibe dann nur mehr Gedichte, die kein Mensch versteht *haumichwech*
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Der Beinaheschluss
Jack nahm auf dem Fahrersitz platz und die anderen rückten auf den anderen Plätzen zusammen. Brigitt setzte sich vorne neben ihn. Emilie wurde hinten zwischen Sven und Ivo platziert. Er schaltete den Autopiloten ab und steuerte selbst. Im Rückspiegel sah er Emilies enttäuschten Gesichtausdruck. „Hast du geglaubt, dass ich so blöd bin und nicht merke, wenn mein Fahrzeug manipuliert wird? Jetzt wirst du uns auch nicht in die Luft jagen können, weil du ja mit an Bord bist.“ Er lächelte freudlos und stieg aufs Gaspedal. Das Fahrzeug schoss über die Rampe nach oben hinaus auf die leeren Straßen. Brigitt hielt sich am Sitz fest und den anderen ging es nicht anders. Celia dachte, sie müsste sich gleich übergeben. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Einzig Sven fand die rasante Fahrt toll.

Nach wenigen Minuten hielten sie vor dem Polizeigebäude. Jack sprang heraus, ebenso die anderen. Sie nahmen Emilie wieder in die Mitte und so schritten sie zum Haupteingang empor. Die Wachen am Tor wollten ihnen den Zutritt versperren, dann erkannten sie den Befehlshaber und machten Platz. Zornig schritt Jack vorneweg, dann kam Brigitt mit Ivo an der Seite, hinter ihnen lief Sven, der Emilie am Arm festhielt und den Schluss bildeten James und Celia, die nicht genau wussten, warum sie mitgekommen waren. Diese Sache war ihnen zu groß, aber es blieb ihnen keine andere Wahl, wenn sie irgendwie mit halbwegs heiler Haut aus dieser Situation entkommen wollten.

Jack konzentrierte sich, um den Aufenthaltsort von Alex herauszufinden und steuerte den Lift an. Es ging drei Stockwerke hinab und dann durch das Gewölbe, vorbei an den alten Folterkammern. Schließlich hielt er vor der Tür zum Verhörraum 01. Er atmete einmal tief durch und bedeutete den anderen zu warten, was Sven mit einem ungeduldigen Schnauben kommentierte.

Jack öffnete langsam die Tür und blieb dann stehen. Er schaute sich um und prägte sich jede Einzelheit des sich ihm bietenden Szenarios ein. So etwas würde er nie wieder dulden. Schon alleine der Gestank der sich hier verbreitet hatte, das Leid und der Schmerz, die an den Wänden hafteten, waren eine Beleidigung für die Sinne. Noch einmal atmete er tief durch, dann sagte er und sofort herrschte angespanntes Schweigen um ihn herum: „So werden hier meine Befehle befolgt! Gut, dass ich selbst hergekommen bin, um mich davon zu überzeugen. Doktor Landon, entfernen Sie die Klammern vom Professor und gehen Sie dann an die Wand zurück, ebenso die anderen.“ Er winkte seine Gefährten heran und sagte weiter: „James, du nimmst den Professor und trägst ihn hinaus. Sven, Ivo und Celia, ihr passt auf, dass sich ihnen keiner in den Weg stellt. Bringt ihn in meinen Räume hinauf und wartet dort auf uns.“
Er wartete bis seine Befehle ausgeführt worden waren, dann zog er Emilie in den Verhörraum und bat auch Brigitt dazubleiben. „Ich brauche dich hier, weil ich dir vertraue“, sagte er, als sie ihn verständnislos anblickte. Am liebsten wäre sie mit Alex und den anderen aus diesem grauenvollen Bereich geflohen. Aber er sah sie so bittend an, dass sie nur nickte und Emilie Rozier vor sich her in den Raum schob.
„Was jetzt?“, wagte sie schließlich zu fragen. Jack stand in der Mitte des Zimmers, hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und lächelte, sodass allen Anwesenden kalte Schauer über den Rücken jagten.


Alex wusste nicht wie ihm geschah, als ihn starke Arme hochhoben und fort trugen. Nur am Rande nahm er wahr, dass die Kinder gekommen waren und erkannte die Stimme, die gesagt hatte, dass sie ihn retten würden. Er fühlte aber, dass er alles verloren und verraten hatte, wofür er eingestanden war. Die Pläne waren aus seiner Erinnerung geholt worden und schon auf dem Weg in die technische Abteilung. Schnell würden sie das Modul fertig gestellt haben und dann die Vergangenheit durchforsten und darin herumpfuschen.
Als sie in den Büros des Leiters des Inlandschutzes angekommen waren, hörte er jemanden sagen: „Onkel, wach auf, bitte, nicht einschlafen. Sobald Brigitt hier ist, werden wir verschwinden. Ich verspreche es.“
Alex öffnete die Augen und ein Lächeln des Erkennens huschte über sein Gesicht. „Sven“, flüsterte er heiser. Dann sah er Ivo und lächelte auch ihn kurz an. „Es ist zu spät. Sie haben was sie wollten. Ich war zu schwach“, erklärte er leise.
„Nein Onkel, es ist nicht zu spät. Wir werden noch ein Zeichen setzen und wenn es das letzte ist, das ich tue“, bestimmte Ivo und stemmte entschlossen die Hände in die Hüften. Er wusste es nicht, aber er glich in dieser Haltung mehr und mehr Erik Landmann, seinem biologischen Vater. „Es wird wohl das letzte sein, das du tust, wenn du hier eine Dummheit begehst“, entgegnete James schärfer als beabsichtigt. Er fand, dass es jetzt langsam genug war und sie von hier verschwinden sollten. Neben der Tür stand ein Wasserspender, dort ging James hin und brachte Alex zu trinken. Es fiel ihm schwer, zu schlucken und das meisten tropfte über sein Kinn. Danach sank er müde zurück.
Nachdem er die Jungs begrüßt hatte, hatte er nicht mehr geredet. Zitternd lag er auf einer schmalen Sitzbank, wartete, dass die Schmerzen nachließen und quälte sich selbst mit den Gedanken an sein Versagen. Er hatte vorgehabt, seine Erinnerungen zu manipulieren, aber es war ihm nicht gelungen.


Jacks Lächeln verunsicherte Emilie immer mehr. Sie begann unruhig zu werden und ihr Blick wanderte von Jack zu Brigitt, die an der Tür stand und den Weg versperrte. In diesem Augenblick wurde die Tür geöffnet und Sean trat ein. Schon wollte er den Rückzug antreten, da wurde er von Brigitt gepackt und in den Raum gezogen.
„Bevor ich mit meiner Befragung beginne, werden wir uns in meine Räume begeben“, befahl er. Erleichtert stimmten alle zu und folgten Jack in seine Büros in den oberen Bereichen des Hauses. Es war eine ganze Zimmerflucht, die seine diversen Büros beherbergte. „Wartet hier noch eine Weile und passt auf, dass wir keine Besucher bekommen“, sagte er, als sie an Sven und Ivo vorbeigingen.
Endlich waren alle in seinem karg und kalt eingerichteten Hauptbüro. Er wies sie an, sich zu setzen und zu schweigen. Dann setzte er sich hinter seinen Schreibtisch und rief den wachhabenden Offizier an. Brigitt hatte unbewusst neben ihm Stellung bezogen und wartete mit auf dem Rücken verschränkten Händen was weiter passieren würde. Ihre Uniformjacke war zum Teil offen und ließ die Unterwäsche vorblitzen. Sie schien es nicht zu bemerken, ebenso wenig die zerzauste Frisur. Arrogant stand sie neben Jack, der dem Offizier vom Dienst Anweisungen gab. „Ziehen Sie ihre Leute am Zentralplatz zusammen. Es sollte einen Anschlag auf die Präsidentin geben. Schließen Sie sämtliche Zugänge zum Platz und kontrollieren Sie alle Personen. – Ich weiß, wie viele Menschen dort sind! – Ja, einige der Drahtzieher habe ich in meinem Büro sitzen. – Nein, ich befrage sie. – Vergessen Sie es, ich brauche Ihre Hilfe hierbei nicht. Schützen Sie die Präsidentin und sehen Sie zu, dass keine Panik unter der Bevölkerung aufkommt. An die Arbeit, Mann!“
Dann wendete er seine Aufmerksamkeit den vier Personen zu und lächelte. Er stand auf, strich die Uniformjacke glatt und begann mit der Befragung.
„So, wenn wir jetzt alle hier versammelt sind, dann werde ich jetzt von euch einige Antworten bekommen. Zuerst einmal, wer hat euch beauftragt, nach dem Professor zu fahnden und die Daten des Zeitreisemoduls zu suchen? Er ist eine gänzlich unwichtige Person. Diese Daten sind nebensächlich und tragen nichts dazu bei, die Situation in Eumeria zu verändern. Ihr wisst ebenso gut wie ich, dass sich die Zukunft durch Manipulation der Zeit nicht ändern lässt. Es ist nicht erwiesen, dass es sich bei diesen Orten nicht um ein Paralleluniversum handelt. Emilie, möchtest du beginnen?“
Sie starrte ihn erschrocken an und räusperte sich mehrmals. Niemals hatte sie vorgehabt, darüber mit ihm zu sprechen oder mit irgendwem sonst. Nicht einmal Edita, hatte sie alle ihre Beweggründe verraten. Ihr Gesicht wurde vor Angst weiß, als sie merkte, wie Jack sein Bewusstsein in ihren Kopf versenkte. „Du kannst es auf die harte Tour haben oder mir gleich antworten. Ich werde ebenso wenig Gnade kennen, wie du.“ Seine Stimme klang hart und unnachgiebig. Da gab sie endlich nach und berichtete.
Sie wollte mit Hilfe des Moduls in die Vergangenheit reisen und seine Erzeugung verhindern. Es war ganz alleine ihre Idee gewesen aber sie hatte die Erlaubnis von der Schattenregierung erhalten, alle erforderlichen Schritte zu unternehmen. Dann war ihr der Zufall zu Hilfe geeilt und Smirnov war in Eumeria eingereist um Sven und Ivo zu retten. Außerdem hatte sie nachgeholfen und Edita gebeten, mit ihm Kontakt aufzunehmen und ihm eine neuerliche Professur an der Universität angeboten, weil sie wussten, wie gerne er unterrichtet hatte.
Während sie redete, wurde Jack immer blasser.
„Bist du nun komplett verrückt geworden? Nur weil du meine Zeugung verhindern wolltest, beginnst du beinahe einen Krieg! Aber nein, so weit würdest du nicht gehen. Ich denke, die Schattenregierung hat da noch einiges zum Mitreden gehabt und eigene Ziele. Du kennst sie, nicht wahr, Emilie?“ Sie nickte nur schwach und fühlte, wie er in ihren Geist eindrang. Was er da sah, erschütterte ihn. Ihr war eine hohe Position versprochen worden, nämlich die Leitung des Inlandschutzes, sollte sie es schaffen, ihn aus dem Weg zu räumen, an die Hirnwellendaten der Telepathen zu gelangen und schließlich bei der Beseitigung der unbequemen Präsidentin zu helfen. Alles das hatte sie bedenkenlos ausgeführt.
Jack merkte, dass er gleich fallen würde und setzte sich wieder an den Tisch. Brigitt legte eine Hand auf seine Schulter und drückte sie leicht.
„Warum hasst ihr mich nur alle so?“, murmelte er. Er erwartete keine Antwort und war erstaunt, als Sean antwortete. „Sehen Sie sich doch nur an, Sir. Sie sind immer jung und können sich selbst heilen und Sie sind der mächtigste Mann im Reich. Das allein ist schon genug, um sich den Hass sämtlicher Menschen zuzuziehen.“ Er starrte geradeaus und wollte eigentlich damit nichts mehr zu tun haben, er war bloß ein Handlanger. Aber er hatte nicht mit Jacks Sturheit gerechnet. Er wendete sich jetzt direkt an den Assistenten. „Du bist auch nicht besser als die beiden Damen hier und der Verhörexperte, der sich so vortrefflich auf spezielle Befragungsmethoden versteht. Seid froh, dass ich nichts davon anwende, um an Antworten zu gelangen.“
Plötzlich begann auf seinem Schreibtisch ein Licht zu blinken. Genervt drückte er den Sensor und es öffnete sich eine Verbindung zum Offizier vom Dienst. „Sir“, begann er. „Auf dem Platz herrscht Chaos. Ein verrücktes Pärchen hat versucht an die Präsidentin heranzukommen. Wir konnten sie aufgreifen. Haben wir Schießbefehl?“
Jack fuhr sich durchs Haar. Langsam schien die Sache außer Kontrolle zu geraten. Da waren noch andere Kräfte beteiligt, die er nicht einberechnet hatte.
„Kein Schießbefehl. Bringen Sie die beiden her. Handeln Sie besonnen und vorsichtig. Wir dürfen die Bevölkerung nicht gegen uns aufbringen.“
„In Ordnung. Ich melde mich wieder.“
Jack unterbrach die Verbindung und blickte auf. Emilie lächelte geheimnisvoll. „Das war dein Werk. Wen hast du manipuliert?“
„Das war nicht ich.“ Ihr Blick wanderte zu Doktor Landon, die betreten zu Boden blickte. Sie hatte gehofft, dass ihre Aktion unbemerkt geblieben wäre.
„Dann, berichte einmal, Edita, was hat dich bewogen, dich zu so einer Tat hinreißen zu lassen und wer hat dich bezahlt?“ Sie rutschte unruhig auf ihrem Sitz herum und wagte nicht aufzublicken. Aber sie gab keine Antwort. Schließlich seufzte Jack und meinte: „Es macht nichts, du musst es mir nicht sagen. Ich weiß auch so, welche einflussreiche Familie dahintersteckt und natürlich ist das Militär bei solchen Aktionen auch nicht weit entfernt.“ Er ging zur Tür und bat Ivo einzutreten. Langsam kam der junge Mann der Aufforderung nach. Noch immer konnte man ihm die ausgestandenen Qualen in den Labors ansehen. Sie schienen sich in sein Gesicht gegraben zu haben und ließen ihn älter und gleichzeitig jünger und verletzlicher aussehen. Aber unter dieser Verletzlichkeit verbarg sich noch immer eine unheimliche Kraft, die noch ihrer Freisetzung harrte.
„Es war jemand vom Militär, der dich in diese Uniform gesteckt hat“, stellte Jack fest. Als Ivo nickte, breitete sich ein befriedigtes Grinsen auf seinem Gesicht aus und er wandte sich wieder an Edita. „Du siehst, eure Bemühungen, den Inlandschutz zu diffamieren und an meinem Stuhl zu sägen, sind fehlgeschlagen. Obwohl es euch diesmal beinahe gelungen wäre, mich zu zerstören.“

Aus den vorderen Räumen hörten sie nun Lärm zu ihnen vordringen und jemand redete hektisch. Dann war es ruhig und zwei junge Menschen wurden zu ihnen ins Büro geführt. Drei Männer in Uniform begleiteten sie und nahmen Haltung an, als sie ihren Vorgesetzten bemerkten. Sie wurden vor ihn gestellt und warteten mit gesenkten Köpfen.
Abermals seufzte Jack. Diese beiden waren noch so jung und schon in dieses Unheil hineingezogen worden. Vielleicht war es gerade ihre Jugend, die sie empfänglich für den ganzen Unsinn gemacht hatte, überlegte er.
„Eure Namen“, forderte er.
„Pippa Winters und Bennet Gerome“, kam die Antwort, aber nicht von den beiden, es war Edita, die redete. „Sie war eine Studentin und er ein Krankenpfleger. Ich wusste nicht, dass sie sich dazu hergeben würden, gegen die Präsidentin vorzugehen.“
„Lüg mich bitte nicht an“, sagte Jack. „Ich weiß genau, dass du sie instruiert hast.“ An die Bewacher gewandt fuhr er fort: „Bringt die beiden in eine Zelle und sagt dem Haftrichter bescheid. Das muss jetzt schnell gehen, ich will nicht, dass noch mehr Panik entsteht, als bereits herrscht.“ Die Männer salutierten und führten Pippa und Bennet ab. „Ich hätte auf Smirnov hören sollen, als er sagte, dass ich abhauen soll“, sagte die Studentin leise.
„Das wäre besser gewesen“, bemerkte Jack bevor er sich wieder an den Schreibtisch setzte. Brigitt stand wieder wie ein Leibwächter hinter ihm und hatte ihre Augen auf die vier Beschuldigten gerichtet. „Ihr könnt von Glück sagen, dass ich euch keine Verschwörung nachweisen kann, deshalb muss ich euch wieder laufen lassen. Aber der Inlandschutz wird in Zukunft mehr als ein Auge auf euch haben. Du wirst deiner Position enthoben, Edita. Emilie wird ihre Aufgaben an jemand von mir Eingesetzten abgeben. Der Verhörexperte wird ebenso entlassen und dein Assistent, Edita, wird in eine andere Abteilung versetzt werden. Das ist mehr Gnade als ihr verdient. Dieser Beschluss ist wirksam ab jetzt. Ich habe alle erforderlichen Daten bereits an die CPU weitergeleitet und sie wurden genehmigt. In Zukunft wirst du dich aus meinem Leben heraushalten und unsere Verbindung endet ebenfalls jetzt. Ihr braucht alle nicht so ungläubig zu schauen. Es gibt ein Bauernopfer, die beiden jungen Leute, werden statt euch zur Rechenschaft gezogen werden, das Militär und die Geldgeber sind fein raus, auch wenn ihre Pläne nicht aufgegangen sind. Sie werden es eben zu einem späteren Zeitpunkt versuchen und überhaupt in zwei Jahren wird wieder gewählt, dann ist diese Präsidentin auch Geschichte.“ Er wandte sich an Ivo und Brigitt, die nun beide hinter ihm standen und lächelte zum ersten Mal freundlich. Dann betätigte er abermals einen Sensor und sagte: „CPU, sofortige Beendigung der Forschung im Zeitreisesektor der Universität, die Daten wurde manipuliert und es besteht höchste Explosionsgefahr.“ Seine Durchsage wurde bestätigt, angenommen und weitergeleitet. Er war bei dieser Lüge vollkommen ernst und gelassen geblieben. Dann stand er auf und verabschiedete die Vier mit den Worten: „Am besten ihr geht jetzt und kreuzt nie wieder meine Kreise.“ Sofort sprangen sie auf und verließen so schnell es der Anstand erlaubte das Gebäude.

Aber noch war niemand in Sicherheit. Alex schwebte zwischen Leben und Tod und eine der mächtigen Frauen konnte immer noch Unheil anrichten. Jack dachte da an Emilie und wie rachsüchtig sie manchmal war, wenn sie etwas nicht bekommen hatte.
„Wie konntest du dich nur so beherrschen?“, fragte Brigitt als sie alle im Vorzimmer standen.
Er lächelte nur geheimnisvoll und schwieg.
„Was geschieht jetzt mit uns?“, fragte Celia unsicher. „James und ich haben keinen Ort, wo wir hingehen können.“ Sie hatte sich bei ihrem ehemaligen Pfleger untergehakt und ihre Kräfte wieder zurückgezogen, was sie unsicher und kindlich erscheinen ließ.
„Zuerst einmal fahren wir in mein Landhaus, dann sehen wir weiter“, bestimmte Jack und alle nahmen das Angebot an. Selbst Ivo und Sven, die eigentlich das System in Eumeria erschüttern wollten, hatten scheinbar genug davon.


Jack ging noch einmal zu seinem Arbeitsplatz und ließ sich mit dem Offizier vom Dienst verbinden. Er gab genaue Anweisungen, was während seiner Abwesenheit zu geschehen hatte und dass die Gefangenen in keiner Weise misshandelt werden durften. Der Offizier bestätigte das und übernahm das Kommando. „Wann werden Sie wieder zurück sein, Sir?“, fragte er noch.
„Das weiß ich nicht so genau. Es sind einige Dinge zu erledigen, das ich nicht in der Stadt machen kann. Aber Sie können mich immer erreichen. Wie sieht es auf dem Zentralplatz aus?“
„Es war halb so schlimm, Sir. Nachdem die Leute gemerkt haben, dass wir ruhig bleiben und ihnen nichts tun, hat sich der Tumult schnell von selbst aufgelöst. Die meisten Leute waren wirklich nur verunsichert und wollten nachhause. Wir haben alle laufen lassen, bis auf ein dutzend Störenfriede, die wir der Polizei übergeben haben.“
„Gut gemacht, weiter so.“ Damit war die Verbindung beendet und er ging zu den anderen, die bereits ungeduldig auf ihn warteten.

Er schritt vorneweg und ließ die anderen folgen, wie sie wollten. James trug Alex und Celia hatte sich bei Sven untergehakt. Ivo und Brigitt bildeten den Schluss.

Stumm fuhren sie aus der Stadt. Es waren nur leises Motorengesumm zu hören und Alex stöhnen. Jack beschleunigte und bald kamen sie an seinem Landsitz an. Hierher kam er nur selten und so sah es auch aus. Der Garten war verwildert, weil er niemanden eingestellt hatte, der diese Arbeiten erledigte.
Er führte sie hinein und erst als Alex in einem Bett lag und seine Verletzungen versorgt worden waren, trafen sie sich im Empfangszimmer des Hauses.

Brigitt war erschüttert, wie schlecht Alex aussah und es betrübte sie, weil sie ihm nicht helfen konnte und so spät zu seiner Rettung gekommen war. Nun konnte sie wieder nichts tun, als ihn schlafen zu lassen. Vielleicht würde ihn das wieder auf die Beine bringen. Sven und James hatten sich um die Wundversorgung gekümmert. Sie wollten sich bei seiner Betreuung vorerst abwechseln. Erst, wenn sie wussten, wie es mit ihnen selbst weitergehen würde, hatten sie vor, darüber neu zu diskutieren. Jetzt war Alex sowieso nicht transportfähig und somit war jeder Entschluss hinausgeschoben. Aber sie mussten sich jetzt schon über einige Dinge klar werden.

Jetzt standen sie alle im sonnengelben Empfangsbereich und warteten auf Jack. Er war in sein Zimmer gegangen und hatte sich Privatkleidung angezogen. Die Mauer um seine Gedanken hatte er dabei fester geschlossen. Er wollte nicht, dass jemand erfuhr, wie es ihm ging. Erst als er sicher war, dass niemand seine Gedanken lesen konnte, ging er zu der sonderbaren Gruppe.

Sie standen alle auf, als er eintrat. Brigitt tat einen Schritt auf ihn zu und blieb dann erschrocken über seinen Gesichtsausdruck stehen.
„Lasst mich bitte erst reden, bevor …“, er brach ab und sah sie der Reihe nach an. Als niemand etwas sagte, fuhr er beinahe erleichtert fort: „Ich habe euch gestern gesagt, dass ihr nach der Befreiung von Ivo und dem Professor mit mir machen könnt was ihr wollt. Nun, so ist es geschehen und ich stehe zu meinem Wort.“ In einer unbewusst theatralischen Geste hob er die Arme und ließ sie wieder sinken. Es war nichts mehr von der Arroganz zu bemerken, die er in den vergangenen Stunden an den Tag gelegt hatte. Da war er selbstbewusst gewesen, dass es schon fast erdrückend gewirkt hatte. Jetzt wirkte er wie normaler Mann, der müde sein Urteil erwartete.
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Nun der Schluss - endlich, werden manche denken *lol*
Brigitt sprach aus, was alle dachten: „Du hast dein Wort gehalten. Obwohl du nicht wirklich mein Gefangener bist und es wahrscheinlich auch nie warst, gebe ich dich frei, oder wie man dazu sagen mag. Was jetzt weiter geschieht, kann ich nicht sagen, solange es Alex nicht besser geht.“ Die anderen stimmten zu, sie hatten das vorher so besprochen.
„Ich stelle euch mein Haus zur Verfügung bis ihr wisst, was ihr machen wollt und es dem Professor besser geht. Ihr könnt das Haus und das dazugehörende Gelände ganz nach eurem Belieben nutzen. Ich behalte mir nur mein Zimmer im oberen Stock vor.“ Auch damit waren alle einverstanden und es wurde aufgeatmet. Sie hatten auf dieses Angebot gehofft, aber nicht wirklich damit gerechnet, zu unfreundlich waren sie zueinander gewesen.
Steif drehte er sich um und verließ den Raum. Brigitt fand, dass sie noch nie jemanden gesehen hatte, der gleichzeitig so erleichtert und einsam gewirkt hatte, wie Jack in dem Moment wo er hinausging. Sie beschloss, ihn später in seinem Zimmer aufzusuchen und noch einmal mit ihm zu reden. Irgendetwas, fand sie, war noch unausgesprochen. Aber dazu kam es nicht.
„Ich bin froh, dass wir jetzt hier in Sicherheit sind“, sagte James nach einer Weile. „Hier kannst du dich endlich einmal ausruhen, Celia und ein friedliches Leben kennen lernen.“ Sie antwortete nicht, denn sie war eingeschlafen. Er schaute zu ihr hin und lächelte zum ersten Mal, sonst hatte meistens ein nachdenkliches Stirnrunzeln sein Gesicht verunstaltet. „Bringen wir sie ins Bett“, meinte Sven. „Ich bin auch müde. Das ganze ist zwar anders ausgegangen, wie dich dachte, aber es ist zu Ende, hoffe ich.“
Ivo streckte sich und gähnte. „Ich werde mich auch gründlich ausschlafen und ich hoffe, dass er die Wahrheit gesagt hat. Habt ihr bemerkt, wie verschlossen er seine Gedanken gehalten hat?“ Sven nickte, auch ihm war es aufgefallen, aber er wollte niemanden beunruhigen. „Gehen wir schlafen. Es ist spät geworden. Ich werde noch einmal nach dem Professor schauen. Sven, du kannst auch zu Bett gehen, wenn ich müde werde, wecke ich dich“, meinte James, nahm Celia hoch und brachte sie auf ihr Zimmer. Kurze Zeit später folgten Sven und Ivo. Nur Brigitt blieb zurück. Sie war noch nicht müde, zu viele Gedanken geisterten in ihrem Kopf herum und wollten noch geordnet werden.

Sie ging in die angrenzende Bibliothek, Jack hatte verbotenerweise so eine Einrichtung, zog die enge Uniformjacke aus und begann damit die Buchrücken zu lesen. Wieder waren zahlreiche Liebesromane zu finden, aber auch Abenteuergeschichten und historische Abhandlungen, Fachbücher zu diversen Themen, darunter auch Archäologie, Psychologie und Geologie. Sie verstand den Mann immer weniger, denn die Bücher sahen aus, als würden sie häufig gelesen werden. ‚Der hat verdammt viele Interessen, wenn ich das so sehe’, überlegte sie. Dann griff sie nach einem Fachbuch über Feldarchäologie der neueren Zeit und begann darin zu blättern. Es wurde beschrieben, wie ein Historiker seine Jahrtausendentdeckung gemacht hatte. Der fand nämlich eine alte Mülldeponie. ‚So etwas ist immer eine Fundgrube. Warum habe ich noch nie so eine bahnbrechende Entdeckung gemacht?’, sinnierte sie, während sie weiterblätterte und nur die Texte zu den Abbildungen las. Zu allem anderen war sie doch zu müde. Beinahe war sie eingeschlafen als sie ein Geräusch hörte. Jemand war in den Raum gekommen. Noch immer wachsam, blieb sie still liegen und blickte sich durch die halbgeschlossenen Lider um. Jack stand an einem der Regale und suchte ein Buch. Er war nur in Unterwäsche bekleidet und schien sie nicht zu bemerken. Dann sah sie, wie er sich mit einem dünnen Buch in der Hand umdrehte und auf sie zukam. Er setzte sich vor ihr auf den Boden und sagte: „Ich wollte dich nicht erschrecken. Aber mir ist vorhin etwas eingefallen, das ich dir schenken möchte.“ Dann überreichte er ihr den dünnen Band, stand auf und wollte wieder gehen. Brigitt schrie vor Entzücken und Jack drehte sich erschrocken um. „Das kann ich nicht annehmen!“, rief sie. „Das ist ein Juwel.“ Er lächelte über ihre Begeisterung und erwiderte: „Du kannst es behalten. Ich möchte, dass es in guten Händen ist, bei jemandem, der mit dem Inhalt etwas anfangen kann.“ Er drehte sich wieder um und verließ nun rasch den kleinen, gemütlichen Raum. Eigentlich hatte er vorgehabt, selbst noch etwas zu lesen, aber nun wollte er so schnell wie möglich weg von dort. Seine Gedanken kehrten zu Brigitt zurück, die halbnackt auf dem Sofa gelegen und in die Lektüre vertieft gewesen war. Am liebsten hätte er sie in den Arm genommen und geküsst. ‚Ich bin ein verrückter alternder Mann, der jung aussieht und – verdammt, Jack, hör auf damit’, befahl er sich schlussendlich. ‚Es ist nicht gut, wenn du daran denkst.’ Mit langsamen Schritten stieg er die Treppe hoch und ging in sein Zimmer, seit Kindertagen bewohnte er es, wenn er hier war. Er hatte alle Kindheitserinnerungen hinausgeschmissen. Die Bemalung war hellgrau und die Möbel strahlten in einem klinischen weiß. Hier war alles nüchtern und hart, so wie er sein wollte – sein musste, um in dieser feindseligen Welt mit einer ungewollten Gabe zu überleben.

James schaute während der Nacht mehrmals nach Alex, doch der schlief ruhig. Sein Atem war wieder normal auch der Pulsschlag hatte einen guten Wert erlangt und war wieder tastbar. Das hatte ihm Sorge bereitet. Fieber konnte er auch keines mehr feststellen und die Verbrennung an der Schläfe hatte er mit Sven versorgt. Die anderen Verletzungen waren nicht so gravierend gewesen und mussten erst wieder in zwei Tagen behandelt werden. Einzig die Brandwunde machte ihm noch Bedenken. Er hoffte, das richtige Mittel verwendet zu haben, ansonsten könnte es zu erheblichen Komplikationen kommen. Danach schaute er jedes Mal bei Celia hinein, ob sie auch schlief. Mittlerweile fühlte er sich als ihr Beschützer in dieser kalten, ihm selbst fremd gewordenen Welt. In wenigen Wochen hatte sich sein gesamtes Weltbild gewandelt, das musste er auch selbst erst verkraften und verarbeiten.

Sven schlief wie ein Murmeltier. Er war so müde wie schon lange nicht mehr und froh, als er die Uniform ausziehen konnte. Seit seiner Entführung hatte er nicht mehr so tief und fest geschlafen, wie in dieser Nacht.

Ivo träumte von Delphinen. Er schwamm mit ihnen im Meer und ritt auf ihren Rücken. Es gefiel ihm und er wollte nicht mehr aus dem Wasser steigen. Immer mit den Delphinen schwimmen, das war sein Wunsch. Aber dann sprach einer der Delphine: „Du musst aus dem Wasser, du bist ein Geschöpf des Landes. Kümmere dich um dein Land.“
„Ich habe doch kein Land“, antwortete Ivo verwirrt. Doch der Delphin lachte nur, schubste ihn an und glitt in die Tiefe hinab, dorthin, wo Ivo im nicht folgen konnte. Er blieb alleine in der Lagune zurück und schwamm ans Ufer. Dort erwachte er und versuchte den Traum zu deuten. ‚Irgendwann wirst du es verstehen’, hörte er den Delphin sogar im wachen Zustand. Er rieb sich die Augen und änderte seine Schlafposition, denn draußen war es noch finster und bis zur Morgendämmerung waren es noch viele Stunden.

Brigitt konnte nicht mehr schlafen, nachdem ihr Jack das Buch geschenkt hatte. So lief sie ruhelos durchs Haus und blieb immer wieder an seiner Tür stehen. Auch Jack konnte nicht einschlafen. Er stand am offenen Fenster und starrte hinaus ohne etwas zu erkennen. Niemals war ihm das Haus so einsam vorgekommen, seit hier Menschen waren, die lieben durften. Er senkte seine Barrieren und ließ den Geist frei. Zuerst flog er um das Haus herum, dann schaute er bei den Gefährten vorbei und sah, dass alle schliefen, nur Brigitt war nicht im Zimmer, sie stand vor seiner Tür und hatte die Hand erhoben, als wollte sie klopfen, dann drehte sie sich wieder um. Ruckartig zog er sich in den Körper zurück und wäre beinahe aus dem Fenster gefallen. Gerade noch konnte er einen Sturz verhindern und machte erheblichen Lärm dabei. Er hielt sich am Rahmen fest und zog sich keuchend zurück.
Durch das Geräusch alarmiert, war sie ohne zu klopfen eingetreten und hielt bestürzt inne. „Jack!“, entfuhr es ihr. „Was machst du?“
Hastig drehte er sich um und stieß dabei gegen den Bettpfosten. „Nichts“, sagte er rasch. „Ich mache nichts. Geh schlafen, Brigitt.“
„Zuerst will ich wissen, warum du halb aus dem Fenster …“
„Ich habe mich nur zu weit vorgelehnt“, log er. „Lass mich alleine.“
Unschlüssig blieb sie an der Tür stehen und drehte sich dann um. Aber sie ging nicht zu Bett sondern zu Alex, setzte sich an sein Bett und schlief dort schließlich, seine Hand haltend, ein. Gegen morgen regte er sich. Vorsichtig löste er den Griff von Brigitt und drehte sich zu ihr um, wobei er leiste ächzte und stöhnte. Sofort erwachte sie und lächelte ihn schwach an. Er lächelte zurück und schloss dann wieder die Augen. „Schlaf noch etwas, Alex, du hast es nötig. Hast du Schmerzen? Soll ich Sven holen oder James?“ Mit geschlossenen Augen schüttelte er den Kopf, flüsterte aber: „Nein, bleib noch etwas bei mir.“ Sein Atem ging viel leichter als noch am Vortag und er schien wirklich keine Schmerzen zu haben. Brigitt streckte sich und lockerte die Nackenmuskulatur, da sagte er: „Ich habe alles verraten.“ Er klang so unendlich traurig und bitter, dass sich Brigitt neben ihn legte und ihn in den Arm nahm. Leise flüsterte sie ihm ins Ohr und erzählte was Jack gemacht hatte. „Nichts ist verloren, Alex, nichts. Du hast getan, was du musstest.“ Dabei drückte sie ihn fest an sich. Dann sprang sie unvermittelt auf, strich sich durchs Haar und ging ans Fenster. ‚Nein, nie wieder. Ich darf dich nie wieder umarmen, das halte ich nicht aus’, dachte sie und betrachtete den Sonnenaufgang. Langsam wurde es heller.

Sie stand schon eine Weile so, da trat Sven ein. „He, was machst du da?“, fragte er nicht unfreundlich aber überrascht. „Ich sehe aus dem Fenster“, antwortete sie düster. Dann kam er zu ihr und umarmte sie scheu. Das hatte er seit der Kinderzeit nicht mehr gemacht. Kurz erwiderte sie die Geste und rückte schnell von ihm ab. Irgendwie waren ihr jetzt Berührungen zuwider. Es erinnerte sie zu sehr an Alex, und dass er ihre Liebe nicht erwiderte. Dann fiel ihr Jack ein und das gab ihr ebenfalls einen Stich. Hastig drehte sie sich um und verließ den Raum. Sie ging in ihr eigenes Zimmer, legte sich ins Bett und zog die Decke über den Kopf. Sie wollte keinen mehr sehen.

Einerseits war er froh, andererseits enttäuscht als sie gegangen war. Lange stand er noch am Fenster und starrte hinaus, ohne etwas zu sehen. Erst als es bereits dämmerte legte er sich ins Bett und befahl sich zu schlafen, diesmal halfen die Übungen nicht, die ihm die erforderliche Ruhe bringen sollten. Unruhig warf er sich im Bett herum.
Als er von unten Geräusche vernahm, stand er auf, zog sich an und ging nachschauen, wer schon wach war.

Im Speisezimmer fand er Sven und Celia, die sich angeregt unterhielten und zaghaft kicherten. Er wollte sie nicht stören, also nahm er nur etwas zu trinken und ging vors Haus. Ein kühler Wind wehte und die Luft roch frisch. Leicht fröstelnd setzte er sich auf die alte Holzbank neben der Tür und stellte sich vor, wie es wäre, wenn er genauso alt aussehen würde, wie er sich fühlte. Er trank sein Koffeingetränk und ließ die Gedanken treiben. Da fiel ihm ein, dass es noch einige Dinge zu erledigen galt, die er am Vortag einfach so vergessen hatte. Aber er war so müde, dass er sich nicht aufraffen konnte etwas zu tun.

„Was wirst du jetzt machen, Celia?“, fragte Sven und nippte an seinem Tee. Celia blickte nachdenklich in seine Richtung und zuckte unschlüssig die Schultern. „Ich weiß es auch noch nicht“, sagte er, als sie nicht antwortete.
„Ich habe Angst vor der Welt bekommen“, stellte sie nach einer Weile fest.
„Das kann ich verstehen, mir geht es auch so. Aber die Welt besteht zum Glück nicht nur aus Eumeria und Schmerzen. Soll ich dir etwas von dieser Welt zeigen?“ Er hatte sehr enthusiastisch gesprochen und nach ihrer Hand gegriffen, wobei sich seine Gedanken mit ihren verbanden. Ganz leise begannen sie zu kichern, dann wurden sie lauter und schließlich lachten sie, dass es sie selbst in Erstaunen versetzte.
Ivo betrat verwirrt den Raum und starrte die beiden an, die sich die Bäuche vor lachen hielten.
„Was ist so komisch?“, fragte er. Sven schaute kurz auf und musste weiterlachen. Er sandte seinem Bruder einen kurzen Gedanken zu, dann stimmte auch er in das Gelächter ein. „Ja, lasst uns über den ganzen Unsinn lachen“, sagte er.

Sie lachten so laut und so lange, bis Jack das Zimmer betrat, da verstummten sie plötzlich. „Lasst euch von mir nicht aufhalten. Ich muss noch einmal in die Stadt. Mir ist eingefallen, dass ihr alle keine Papiere habt, das will ich noch machen und dann braucht ihr auch noch Kleidung, ihr habt ja nichts außer den Uniformen.“ Ivo starrte ihn aus großen Augen an und sagte schließlich völlig verblüfft: „Du bist sehr großzügig. Ich weiß gar nicht, wie wir dir das danken sollen.“
„Versucht es am besten gar nicht erst“, erwiderte er schroff und ging wieder.
Ivo und Sven blickten sich ratlos an, zuckten die Schultern und begannen sogleich wieder zu lachen. Es war fast wie ein Rausch, auch Celia fiel wieder in das Gelächter mit ein. Sie hörten erst auf, als sie nicht mehr konnten. Danach fühlten sie sich besser auch wenn ihre Muskeln von der ungewohnten Bewegung schmerzten und sie sich dumm vorkamen, wegen nichts so gelacht zu haben.

Jack stieg die Treppe hoch und schaute kurz bei Alex vorbei. Er war wach und schaute sich im Zimmer um. „Hallo“, sagte er, als er den Besucher entdeckte. „Schön, Sie kennen zu lernen. Ich dachte nicht, dass Sie es noch schaffen würden.“ Seine Stimme klang heiser und müde, dennoch fuhr er fort: „Kommen Sie doch einen Moment zu mir. Dieser James holt mir gerade ein Frühstück, also habe ich Zeit und ich bin nicht mehr schläfrig.“ Jack setzte sich zu ihm ans Bett und Alex ließ sich alles berichten, was vorgefallen war. Vieles davon konnte er kaum fassen, aber er nahm es als Tatsache an und als Jack geendet hatte, hatte er viel zum Nachdenken. „Ja, Professor, so ist das gewesen. Jetzt seid ihr alle hier in meinem Haus und ich werde euch nachher gültige Papiere besorgen.“
„Warum tun Sie das alles?“
Jack dachte eine Weile darüber nach, bevor er schlicht sagte: „Darüber will ich nicht reden.“
„Oje“, war der einzige Kommentar den Alex dazu abgab.
Jack blieb noch eine Weile sitzen und als James mit dem Frühstück kam, ging er zu Brigitt. Sachte klopfte er und rief ihren Namen. Als sie sich nicht meldete, wollte er schon wieder gehen, doch da öffnete sie die Tür und fragte: „Was willst du?“ Er fuhr sich durchs Haar und sagte: „Heute fragt mich jeder, was ich will. Zuerst – kann ich rein kommen?“ Erst als sie nickte und den Weg freigab, trat er ein und schaute sich um. Das war einmal das Zimmer seiner Erzeugerin gewesen. In einem Nebenraum hatte er als Säugling mit einer Amme geschlafen, jetzt war es ein Ankleideraum. Das Schlafzimmer war schön geschnitten, hatte ein Erkerfenster mit einer Bank darunter, darauf saß sie jetzt und schaute ihn fragend an.
„Ich muss noch einmal in die Stadt und ich wollte dich fragen, ob du mich begleiten willst.“
Sie schaute ihn nun ungläubig an und fragte dann nach dem Grund der Fahrt. Er nannte ihn und sie willigte schließlich ein. „Schade, dass ich total pleite bin, ich hätte dringend einige Sachen gebraucht“, flüsterte sie.
„Darf ich dir aushelfen? Bei mir ist Geld wahrlich keine Mangelware, ich habe mehr als genug, da fällt es nicht auf, wenn ich etwas davon ausgebe. Für mich brauche ich nicht viel und ich habe mich immer gefragt, was ich damit machen soll.“
„Du bist zu großzügig, aber ich brauche etwas, also werde ich deine Hilfe weiter in Anspruch nehmen müssen und …“ Hastig schloss sie den Mund. Das wollte sie lieber nicht sagen, aber Jack hatte wie gewöhnlich das Nichtgesagte empfangen und er wurde rot vor Verlegenheit.
„So war das nicht gemeint. Ich stehe zu dem was ich sage und ich meine es so, wie ich es sage, auch wenn ich im Notfall lügen kann wie kein Zweiter.“
So nahm sie das Angebot an und bald fuhren sie in die Stadt. Zuerst statteten sie seinem Büro einen Besuch ab. Dort blieben sie einige Stunden, in denen Jack die Angelegenheit mit den Papieren regelte und die Anklage gegen Pippa und Bennet formulierte um sie dem zuständigen Staatsanwalt vorzulegen. Als das geschehen war, belobigte er noch die Beamten wegen ihres besonnenen Eingreifens, verschob einen Pressetermin auf den Abend und dann war es schon fast zu spät zum Einkaufen. Brigitt war währenddessen ungeduldig in den Büros herumgelaufen und war sich wieder einmal als lästiges Anhängsel vorgekommen.
„Komm, jetzt suchst du dir zuerst ein Kleid für den heutigen Pressetermin und morgen gehen wir dann richtig einkaufen, dann kannst du auch für die Anderen etwas besorgen. Aber ich musste das jetzt erledigen.“ In einer Nebenstraße befand sich eine kleine Schneiderei, die nicht nur nach Maß fertigte, sondern auch normale Konfektion verkaufte. Brigitt war von dem Angebot überwältigt. Sie wählte schließlich das günstigste Kleid, weil sie es vermessen fand, soviel Geld nur für eine Sache auszugeben. Immer hatten sie sparen müssen und sie hatte oft die alten Hosen von Ivo getragen. Auf dem Hof war es egal gewesen, was sie anhatte, die Tiere hatten sich nicht daran gestört.
Jack ließ es einpacken und beglich die Rechnung, dann gingen sie nebenan ins Schuhgeschäft und dort konnte sie nicht mehr frei wählen, weil sie zum Kleid passen mussten. So dauerte es lange, bis sie ein passendes Paar gefunden hatte und wieder beglich Jack die Rechnung und trug das Paket zum Wagen. Schweigend fuhren sie zu seiner Wohnung. Sie hatten gerade noch eine Stunde Zeit, um sich für die Konferenz fertig zu machen.

Brigitt staunte, als sie ihn in der Ausgehuniform mit all den Orden sah, die er sich verdient hatte. Er wirkte noch größer und ernster. Aber noch mehr staunte er über ihre Veränderung. Das Kleid in einem hellen Grün stand ihr ausgezeichnet, auch die Schlichtheit des Schnitts passte zu ihr. Alles saß perfekt und dennoch schien sie sich nicht wohlzufühlen, so fragte er: „Willst du lieber hier warten? Du musst nicht mitkommen, wenn du nicht willst. Für dich ist das keine Pflichtveranstaltung, ich weiß nur nicht, wie lange es dauern wird.“
Sie überlegte eine Weile, dann sagte sie: „Wenn es dir wirklich nichts ausmacht, dann möchte ich lieber bleiben.“ Plötzlich wirkte er enttäuscht, aber er fasste sich schnell wieder, murmelte einen Abschiedsgruß und ging seiner Pflicht nach.

Brigitt zog das Kleid wieder aus und dachte: ‚Schade, jetzt hat er mir das ganz umsonst gekauft. Aber ich kann dort einfach nicht hingehen und mich allen Leuten zeigen. Das schaffe ich nicht.’
Die Zeit, in der er weg war vertrieb sie sich mit lesen und Musik hören. Dann stand er unvermutet vor ihr. Er wirkte ärgerlich, hatte sich aber wie gewohnt eisern unter Kontrolle. „Irgendwann platze ich“, sagte er schließlich, während er sich einen Whisky eingoss. „Die legen es tatsächlich auf einen Eklat an. Aber ich werde einen Besen fressen, bevor ich mir diese Blöße gebe.“ Er wusste nicht warum er das sagte, er war nur nach der Konferenz wutentbrannt weggefahren und hatte alle Termine für die nächsten Tage abgesagt. Nur einen musste er in den nächsten beiden Wochen wahrnehmen.
„Wir kaufen morgen alles Nötige ein und dann fahren wir zurück aufs Land“, bestimmte er. Brigitt nahm es freudig zur Kenntnis und fühlte sich schuldig dabei.
„Du bist nicht schuld, an gar nichts“, sagte er als er ihren Gedanken aufnahm. Da sprang sie auf und rief: „Verdammt noch mal, ist das schwierig mit einem Telepathen in einem Raum zu sein! Kaum denke ich etwas, kommentierst du es! Es ist ja fast so als wäre ich mit meinen Brüdern in einem Raum! Ich gehe jetzt schlafen.“
Sie sprang auf und rannte in das Gästezimmer. Verblüfft blieb Jack wo er war und haderte mit sich selbst, weil er anscheinend nichts mehr richtig machen konnte. Er wollte sie nur beruhigen und hatte alles nur schlimmer gemacht.
Deprimiert saß er die halbe Nacht wach und hörte Schuberts „Der Tod und das Mädchen“. Immer wieder ließ er es abspielen, bis er schließlich einschlief.
Brigitt war nicht minder niedergeschlagen, aber sie wollte es sich nicht eingestehen. Sie tat es als Heimweh ab und weinte sich in den Schlaf. Wieder einmal fühlte sie sich als Versagerin.

Am nächsten Tag taten sie als ob nichts vorgefallen wäre und machten ihren Einkäufe. Brigitt erstand robuste Kleidung für sich, ihre Brüder, James, Celia und Alex. Dann besorgte sie noch einige Hygieneartikel und kurz nach dem Mittag waren sie schon wieder auf dem Weg aus der Stadt. Sie hatten nur einen kurzen Halt beim Inlandschutz gemacht und Jack hatte alle Papiere erhalten, die er angefordert hatte.

Kurz nach Dunkelwerden kamen sie am Haus an. Während der Fahrt, hatten sie, wenn überhaupt nur über belanglose Dinge gesprochen. Jack hatte es krampfhaft vermieden irgendeinen Gedanken von ihr aufzunehmen.

Brigitt wurde freudig begrüßt und alle lobten die Sachen, die sie mitgebracht hatte. Sven fragte sie über die Kaufhäuser aus und über die Mädchen. Aber da konnte sie nur wenig Auskunft geben. Sie hatte nur rasch ihre Erledigungen abgeschlossen und kein Auge auf etwas anderes gehabt. Enttäuscht über sowenig Sinn für Kultur gingen Sven und Celia auf ihre Zimmer und zogen sich um. Brigitt hatte ihren Sinn für räumliches Erkennen bewiesen und für jeden das Passende besorgt. Sie hatte auch den Geschmack jedes einzelnen getroffen, nur bei James war sie sich nicht sicher gewesen, so hatte sie das gleiche gekauft, wie für Alex, nur einige Nummern größer.
Als alle versorgt waren, ging sie Alex begrüßen. Er sah schon viel besser aus, als noch am Vortag. Mittlerweile konnte er wieder aufstehen, wenn auch nicht für lange. Er freute sich, sie zu sehen und sagte es auch. Dann merkte er, dass sie etwas bedrückte. Wie so oft wagte er nicht, sie danach zu fragen. So saßen sie stumm am Fenster und betrachteten die Nacht.
„Ich habe es immer noch nicht gelernt“, flüsterte sie in die Stille. Alex fuhr hoch, beinahe wäre er im Sitzen eingenickt. „Was hast du nicht gelernt?“, fragte er erschrocken.
„Es ist schwierig, gerade dir, das zu sagen“, murmelte sie. Er ahnte was sie damit sagen wollte und schwieg betroffen. „Nichts hat sich geändert, Alex, absolut nichts. Es ist alleine meine Schuld, dass sie dich erwischt haben und es tut mir weh, weil du so verletzt wurdest.“ Starr schaute sie auf ihre Hände und wagte keinen Blick auf ihn. Dann sprang sie auf und rief: „Alles ist meine Schuld! Hätte ich diese verdammte illegale Sendung nicht gemacht, dann hätten sie uns nie gefunden, ganz gleich was er sagen mag, es ist mein Fehler gewesen. Mutter und Vater sind tot und ich bin nicht einmal fähig um sie zu trauern!“ Rasch lief sie hinaus und auf ihr Zimmer. Dort schloss sie sich ein und gab sich ihrem Elend hin.
Geschockt blieb Alex sitzen. Er hatte nicht gedacht, dass ihr das alles so nahe gehen würde. ‚Trauer muss einen Weg finden, sonst bringt sie einen um’, dachte er betrübt. Dann stand er auf und wankte zum Bett. Er nahm sich fest vor, mit ihr am nächsten Tag darüber zu reden. Aber dazu kam es nie. Brigitt vermied fortan jedes Zusammensein mit ihm, nur wenn noch jemand anwesend war, blieb sie. Sie wagte es nicht mehr, ihm allein unter die Augen zu treten, zu stark waren ihre Schuldgefühle.

Jack merkte natürlich, dass eine Änderung stattgefunden hatte. Deshalb sprach er Brigitt in einer ruhigen Minute an. Alle waren mit der Erkundung der Umgebung beschäftigt und Alex schlief auf der Terrasse.
„Brigitt“, sagte er ungewöhnlich sanft. Sie schaute von ihrer Arbeit auf. Vor einigen Tagen hatte sie angefangen, seine archäologischen Bücher zu studieren und sich schon viele Notizen gemacht.
„Wir müssen, denke ich, dringend reden. Ich sehe, dass du dich nicht wohl fühlst und du jedem aus dem Weg gehst.“ Er strich sich durch das Haar und fuhr aufseufzend fort: „Ich wünschte, du würdest mir sagen, was dich so bedrückt. Soll ich wieder wegfahren? Ihr könnt gerne hierbleiben, so lange ihr wollt.“ Er setzte sich ihr gegenüber an den Schreibtisch und wartete, wobei er vermied sie direkt anzusehen. Mit der Zeit hatte er gemerkt, dass sie nicht gerne angesehen wurde. Warum das so war, konnte er nicht erraten, aber er ahnte, dass es an ihrer ständigen Unsicherheit lag.
„Es hat nicht wirklich mit dir zu tun“, begann sie schließlich, legte den Stift zur Seite und schloss das Buch. Dann schien sie ins Leere zu schauen, während sie weiterredete: „Ich fühle mich nur so unnütz. Alle machen Pläne was sie jetzt machen werden. Ivo, Sven, Celia, James und Alex wollen nach Ulan Bator gehen, weil Sven seine Ausbildung fertig machen will und Celia geht mit, weil sie Sven mag. James hat in der Betreuung von Alex eine Aufgabe gefunden, die ihm Sinn gibt. Heute Morgen hat mir Ivo freudig erzählt, dass er in Ulan Bator Geologie studieren will. Wusstest du, dass er dort bereits angefragt hat und er aufgenommen wurde?“ Sie schaute Jack an und er nickte bestätigend. „Sogar du hast es vor mir erfahren. Sie haben mich nicht einmal gefragt, ob ich mitkommen möchte. Ich weiß nicht, Jack, ich komme mir ausgeschlossen vor.“ Sie wollte schon aufstehen und weggehen, da griff er über den Tisch hinweg nach ihrer Hand und sagte: „Geh nicht. Bleib bei mir – so lange du willst oder so lange, bis du dir über deinen Weg klar geworden bist.“
„Ich wäre dir genauso im Weg, wie den anderen“, sagte sie, blieb aber sitzen.
„Willst du wenigstens darüber nachdenken? Ich …“, er schluckte einige Male und blinzelte heftig, was Brigitt irritierte, weil er selten Gefühle zeigte. Er räusperte sich, wollte sich wieder durchs Haar streichen, bemerkte, dass er ihre Hand noch hielt und ließ sie, wo sie war. Dann fuhr er fort: „Ich hätte es gerne, wenn du bei mir bliebest.“
„Warum, Jack? Ich bin nichts, eine heimatlose Bäuerin, nein, nicht einmal eine Bäuerin, eine Magd, ein Viehhirte.“ Sie wurde immer heftiger, riss sich los und warf die Bücher zu Boden. „Das bringt doch alles nichts! Was nützen mir diese gottverdammten Bücher, wenn ich nicht einmal eine Studienberechtigung habe!“
Jack sprang nun ebenfalls auf und rannte zu ihr. Er nahm die sich Wehrende in den Arm und hielt sie fest, bis sie sich heulend an ihn klammerte. Dort schluchzte sie: „Es tut mir so leid, Mutter, Vater. Ich wollte euch keinen Kummer bereiten. Nicht einmal verabschieden konnte ich mich und es ist alles meine Schuld.“ Betreten hielt er sie fest. Er hatte nicht geahnt, dass ihre Schuldgefühle so tief gingen, dass sie sich die Schuld an allem gab. Fast schon wollte er sie beruhigen, bis ihm wieder einfiel, wie barsch sie auf oberflächliche Floskeln reagierte. So hielt er sie einfach und wartete, was noch kommen würde. Es war eine schwere Probe für ihn, nicht seine Fähigkeiten zu nutzen und ihre Gedanken zu lesen.
„Ich habe soviel falsch gemacht und es gibt keinen Weg zurück. Wie soll ich irgendwo leben können mit dieser Schuld? Mutter und Vater – sind weg, ich werde mich nie bei ihnen entschuldigen können, nie aussprechen. Es ist für immer zu spät. Alex“, ihre Stimme wurde eine Spur bitterer, als sie an ihn dachte. „Ihn liebe ich, dass es wehtut und dennoch habe ich ihn im Stich gelassen. Ich bin es nicht wert, noch zu leben. Warum konnte nicht ich sterben statt Mutter oder Vater?“ Sie wollte sich losreißen, aber Jack hielt sie unerbittlich fest. Er nahm sie an den Oberarmen und schob sie ein Stück von sich. Dann beugte er sich hinab, schaute ihr in die Augen und sagte: „Erstens hast du niemanden im Stich gelassen, zweitens sind deine Eltern nicht wegen dir gestorben, ich habe dir doch gesagt, dass wir diesen David Nochwas gekauft hatten und drittens, was deine Schuld angeht – wir müssen alle mit unseren Fehlern leben und daraus lernen. Du wurdest mir in den Weg gelegt, damit mir, von dir, die Augen geöffnet werden und ich endlich die begonnene Aufgabe fortsetze. – Schau mich an, Brigitt, wende dich nicht ab. Ich bin ein Mörder, ein Folterknecht und unbarmherziger Diktator in meinen Einheiten – aber du hast mich geändert. Du warst es, die den Wegweiser in die richtige Richtung gerückt hat und mir die Tür zum Leben gezeigt hat. Denkst du, es ist von ungefähr, dass ich euch geholfen habe? Das hat sicher nichts mit deiner liebreizenden Art oder deinem Aussehen zu tun, darauf lege ich keinen Wert. Du bist grundehrlich, Brigitt, erdverbunden und du lässt niemanden im Stich. Wer ist nackt durch den Wald gelaufen und hat der Gefahr nicht geachtet, die sie umgeben hat? Hm? Ich weiß noch genau, wie du mich niedergeschlagen hast.“ In der Erinnerung daran musste er lächeln, auch wenn es verzerrt wirkte, weil er sich auch an den Schmerz erinnerte. „Komm“, sagte er dann und führte sie hinaus. Zusammen gingen sie in einen Schuppen, dort hatte er ein Solarmotorrad, wie es Alex hatte. „Was hältst du von einer rasanten Ausfahrt?“
„Gute Idee“, antwortete sie und wischte die Tränen aus dem Gesicht. Er wies auf das Gefährt und grinste. „Du fährst“, sagte er dann und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Ich kann nicht.“
„Pah! Erzähl mir keinen Blödsinn, sicher kannst du. Ich sitze hinten und du fährst. Los, steig auf.“ Nach langem Hin und Her bestieg sie doch das Motorrad und startete. Dann kletterte er hinter sie, streckte einen Arm nach vorne und sagte: „Gib Gas, Lady!“

Es war eine wilde Fahrt. Brigitt war anfangs unsicher und schaltete einige Male falsch aber Jack regte sich nicht auf und sie wurde sicherer. Immer schneller fuhren sie durch die Landschaft. Endlich hielt sie an Vor ihnen lagen die Außenbezirke von Sunflower. Trostlos sah es hier aus und dennoch fühlte sich Brigitt viel wohler. „Danke“, sagte sie und umarmte ihn spontan. Dann drehte sie sich zu den tristen Gebäuden und meinte düster: „Wer hier wohnen muss, ist wirklich arm dran.“
„Das stimmt allerdings. Ich habe vor, das etwas zu ändern. Wenn die Verteilung etwas gerechter wird, dann könnte man das hier langfristig abstellen und niemand müsste in diesen Elendsquartieren hausen. Ich kenne diese Wohnungen von innen. Als Ron Christensen war ich öfter bei einem Freund eingeladen, der dort gewohnt hat, nun haust er in Zurick, was auch nicht besser ist.“ Er starrte abwechselnd auf die düsteren Hochhäuser und dann wieder auf Brigitt. „Willst du mit mir als Partnerin etwas verändern?“, rang er sich endlich durch. Jetzt schaute sie auf ihn und sagte dann nachdenklich: „Als Partnerin … etwas bewegen … ja, warum nicht?“ Dann lächelten sie sich an, wie sie es in den Katakomben zuletzt getan hatten, bevor er ihr von seiner schrecklichen Macht berichtet hatte.

Als sie zurück waren, erzählte sie den anderen von ihrer Entscheidung, in Sunflower zu bleiben. „Bist du verrückt“, war noch das Mildeste, was sie zu hören bekam, aber sie blieb fest und als Alex schließlich ein Machtwort sprach, verstummten alle. „Es ist ihre Entscheidung! Ich will von niemandem mehr etwas hören! Jeder hier hat einen Weg vor sich und keiner braucht sich über den Entschluss eines anderen aufzuregen. – Ich wünsche dir alles Gute, Brigitt und ich halte deine Entscheidung für gut.“ Ein letztes Mal nahm er sie väterlich in den Arm und küsste sie auf die Wange, was ihr die Tränen aus den Augen trieb. „Du sollst doch nicht nett zu mir sein, Alex“, sagte sie lachend und weinend zugleich.
„Dann bin ich jetzt nicht nett und sage dir, mach deinen Job hier gut, Mädel. Ich bin stolz auf dich.“

Am nächsten Abend war Jack zu einem Empfang bei der Präsidentin geladen und somit auch Brigitt. Bereits am Morgen fuhren sie los, weil er Brigitt neu einkleiden wollte. Sie hatte keinerlei Abendgarderobe. Als das erledigt war, fuhren sie ins Büro und er zeigte ihr anhand von Bildern die Personen, die sie am Abend sehen würde. Darunter waren auch Verwandte von ihr, General Lindstrom mit Gefährtin sowie Senatorin und Senator Landmann. Dann erklärte er ihr einige grundlegende Änderungen, die er von politischer Seite her einführen wollte, darunter eine Reform des Bildungswesens und des Arbeitsrechts. Er hatte vor, den Senat zu überzeugen, wie wichtig die Einhaltung von Mindeststandards war und wie unsinnig das bisherige Lohn- und Abgabensystem. „Ich kann dir nicht alles in diesen wenigen Stunden sagen, aber heute Abend brauchen wir nur zu glänzen und uns in unserem Ruhm zu sonnen, die Präsidentin gerettet zu haben. Natürlich werden wir heute auch Emilie begegnen, das wird mir eine besondere Freude sein.“ Er grinste gefährlich.

Brigitt staunte als sie fertig angezogen war. Das neue Kleid betonte ihre Figur und ließ sie zierlicher erscheinen als sie tatsächlich war. Es war ihr nur mit Mühe gelungen, Jack davon zu überzeugen, dass sie keinerlei Wert auf Schmuck legt und sie gerne darauf verzichten würde. Er hatte schließlich nachgegeben.

Als sie ihm fertig angezogen gegenüberstand war er sprachlos. Sie hatte recht gehabt, was den Schmuck anging. „Du wirst heute mit deiner gewollten Schlichtheit alle in den Schatten stellen. Sie werden dir die Füße küssen wollen und den Boden anbeten über den du schreitest, nein schwebst.“ Sie lachte. „Jack, was soll das? Du klingst ja richtig …“
„Stimmt. Entschuldige. Aber mir geht es eben im Moment so. Ich fühle mich richtig aufgekratzt und noch nie habe ich mich auf einen Abend so gefreut wie heute.“ Dann fuhren sie zum Empfang. Jack hatte die schwarze Ausgehuniform mit den vielen Orden an, daneben schien Brigitt in dem zartvioletten Kleid zu strahlen.

Sie ließen sich vom Autopiloten fahren und bald waren sie an ihrem Ziel. Zu früh, wie Jack fand, aber nicht zu früh, was ein angemessenes Erscheinen anging.

Der Empfang war pompös. Es waren sämtliche Senatoren, Senatorinnen, hohe Militärs und hochrangige Gäste aus dem Ausland anwesend. Alle wirkten ernst und gemessen.
Der Mann am Empfang verkündete sie mit Namen. Warum die Administration auf dieses Relikt aus einer fernen Vergangenheit zurückgegriffen hatte, war eines der vielen ungelösten Rätsel auf die es nie eine Antwort geben würde.
„Jack MacGregor, Chef des Inlandschutzes und Vorsitzender der Telepathenkommission mit seiner Partnerin Brigitt Lindstrom-Nielsson.“ Alle starrten zu ihnen und Jack schritt stolz lächelnd die Stufen zum Saal hinab. Er begrüßte einige Leute mit einem Nicken und ging dann direkt zur Präsidentin. Steif war seine Verbeugung aber Brigitt neigte nur leicht den Kopf. Dann sagte Jack noch immer lächelnd, was sehr befremdlich auf die Umstehenden wirkte: „Präsidentin, ich möchte Sie meiner Partnerin vorstellen, Brigitt Lindstrom-Nielsson. Wir bitten Sie morgen um ein dringliches Gespräch, was Reformen angeht. Es ist wirklich wichtig, sonst würde ich nicht das Wochenende dafür opfern wollen.“
„Was sind das für Pläne, Jack?“, fragte sie und beugte sich interessiert vor. Er berichtete kurz, dass er sie in Punkto Bildung und Arbeitsrecht unterstützen würde, er dafür von ihr im Gegenzug eine Änderung der Verfassung verlangte, indem die Religion herausgenommen wurde, die seiner Meinung nach nichts mit einem Staatsgebilde zu tun hatte und er wollte freie Hand für Reformen im eigenen Bereich. „Ich bin erstaunt, dass Sie mich unterstützen wollen“, sagte sie schließlich und sicherte ihm zu, das Geforderte schriftlich zu bestätigen.
„Ich werde Sie beim Wort nehmen, Präsidentin und morgen gegen Mittag bei Ihnen erscheinen. Vielleicht wäre es auch einmal an der Zeit, die Gefühlswelt der Menschen, besonders der Telepathen zu reformieren.“ Er lächelte schon wieder so unverschämt zufrieden, wie Brigitt fand. Noch einmal verbeugte er sich steif vor der mächtigen Frau und schritt dann mit Brigitt an der Hand in die Mitte des Saals. Er flüsterte ihr ins Ohr: „Bitte, spiel jetzt mit.“ Dann blieb er stehen, drehte sie zu sich und küsste sie auf den Mund.
Ein erstauntes Raunen ging durch den Saal. Einige der ausländischen Gäste applaudierten verhalten andere riefen leise „bravo“. Brigitt war zuerst erschrocken, doch so widerlich war es gar nicht, wie sie gefürchtet hatte.
„Du machst mich gerade zum glücklichsten Mann des Universums“, verkündete er, als er sie freigab.
„Na, das halte ich für übertrieben“, antwortete sie keck. „Wo gibt es hier Getränke?“
„Das finde ich aber jetzt nicht nett von dir. Aber wenn du so durstig bist nach dem Kuss, muss ich dich wohl an das Buffet führen. Folge mir, Brigitt Lindstrom-Nielsson.“
„Wohin du willst, solange ich nur am Ziel etwas zu trinken bekomme.“
Ein sehr alter Mann näherte sich ihnen. Jack blieb stehen als er ihn bemerkte und verbeugte sich. „Senator“, sagte er höflich und ließ ihn mit Brigitt alleine. „Ich hole Getränke“, damit war er weg und sie wusste nicht, wie ihr geschah.
„Du bist also meine Enkelin. Ich dachte nicht, eines der Kinder meines Sohnes, jemals zu sehen. Aber wie ich eben bemerken durfte, bist du ebenso verrückt wie er.“ Senator Landmann lachte, es war als würde Papier zerrissen werden und Brigitt wusste noch immer nicht, was sie sagen sollte. Schließlich sagte sie: „Es freut mich auch, Senator. Mutter sagte mir, dass Sie ihr geholfen haben und dafür möchte ich mich noch einmal bedanken.“
„Ja, ja, das ist lange her. Vielleicht wird es wirklich Zeit, dass hier Änderungen stattfinden, zulange ist das System schon in einer Art Erstarrung gefangen. Mach etwas aus deiner Macht, mein Kind.“ Er küsste ihre Hand, drehte sich um und ging seiner Wege.


Jack und Brigitt arbeiteten hart an der Durchsetzung ihrer Forderungen und langsam kam Bewegung in die Sache. Zuerst wurde die schmerzhafte Befragung abgeschafft, dann verkleinerte er nach und nach den Inlandschutz bis nur noch eine kleine schlafkräftige Truppe zurückblieb, die weiterhin direkt der Telepathen-Konferenz unterstellt blieb.

Lange brauchte es, bis Brigitt begann die Liebe zu fühlen, die sie dachte verloren zu haben, als sie Alex ziehen ließ. Doch eines Tages erwachte sie und fühlte sich wie neugeboren. Sie hatte das Gefühl, Bäume ausreißen zu können und alles zu schaffen, was sie sich vorgenommen hatte. Fröhlich pfeifend lief sie nackt durch die Stadtwohnung und suchte nach einem fröhlichen Lied im Automaten. Dann rief sie: „Ich habe dich gefunden! Endlich! Sie ist das Tor und dahinter das Leben!“



Ja, Brigitt hat ihren Weg gemacht. Ich habe lange in Ulan Bator unterrichtet, vom Rollstuhl aus zuletzt. Jetzt habe ich aufgehört und die Aufgabe den Jungen übergeben. Ab und zu bekomme ich Nachrichten aus Eumeria. Die Reformen greifen nur langsam, es gibt eine Öffnung. Jack hält aber nach wie vor die Fäden fest in der Hand. Er wird sich nie von seiner Macht trennen, dafür ist er zu sehr mit ihr verwachsen, einzig Brigitt hält ihn auf dem Boden. Sie war das Beste, das ihm passieren konnte. Wenn ich ihm zuerst begegnet wäre, hätte er es nicht überlebt und ich wahrscheinlich auch nicht.
Ich bin froh, dass James hier ist. Er ist der geborene Pfleger und Sven eifert ihm nach. Ich denke auch diese beiden sollten sich begegnen. Sven hat eine Vaterfigur gebraucht, nachdem Robert tot war. Celia ist die gute Seele des Hauses. Lange hat sie gebraucht, sich an das Leben außerhalb des Labors zu gewöhnen und nun ist sie tagaus tagein beschäftig, macht Spaziergänge und liebt das Leben an sich. Keiner in unserer Umgebung hält sie für absonderlich. Hier sind nämlich alle etwas wunderlich, wenn ihr mich fragt.
Wir wohnen direkt in der Universität, Ivo hat die Wohnung bekommen, nachdem er hier studiert, promoviert und eine Professur ergattert hatte. Er ist ebenso wie Agnes der geborene Lehrer und die Universität ist sein Land.
Ja, wir sind alle unseren Weg gegangen.
Nur manchmal wünschte ich, dass es anders gekommen wäre.
Ich bin Alexej Ingmar Smirnov und dies ist das Leben meiner Kinder, auch wenn sie nicht meine Gene haben – die Kinder Eumerias.



(c) Herta K. 2010
Uff . . . .
Nun ist es geschafft, Danke.

Und es ist ein guter Schluss, nun kann ich in Ruhe wieder schlafen *gg*

ev
Herta!
Soviel Emoticons jibt et jarnich wie ich hier einstellen wollte!!!

Danke für die überwältigende und wundervoll geschriebene Reise durch die menschlichen Ober- und Unterwelten.

Das kannst Du besten Gewissens zu einem Buch machen!

überzeugterfanolaf
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Danke
euch beiden ... *freu2*

Ich bin auch froh, dass es geschafft und dieser Teil zu Ende ist *fiesgrins*


Liebe Grüße *sonne*
Herta


PS.: Das hätte ich fast vergessen: Tut mir leid, dass die Geschichte den Rahmen einer Kurzgeschichte sprengt - aber es ließ sich nicht kürzer abhandeln. *schaem*
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Und ...
... es hat sich doch gelohnt. Oder?

Glückwunsch!

(Der Antaghar)
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Wenn euch die Geschichte gefällt, dann hat es sich auf jeden Fall gelohnt *ja*
und auch so, ich habe wieder jede Menge dazugelernt - mit jeder geschriebenen Seite ein bisschen mehr *ggg*


Dankend Herta *blume*
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