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Die Kinder von Eumeria

nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Nicht ärgern, irgendwann weißt du, wer da durch die Tür tritt *fiesgrins*


*tipp*Herta


Nachtrag: Ich hoffe, die Geschichte ist noch interessant für euch oder bleibt es auch weiterhin.
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Irgendwo tief in dir ...
..., liebe Herta, steckt wohl doch eine kleine Sadistin?

*fiesgrins*

Nicht wegen des Inhalts, sondern wegen der raffinierten, fast quälenden Technik, ausgerechnet an einer Stelle aufzuhören, wo man fast den Atem anhält. Du solltest vielleicht Fortsetzungsromane für Tageszeitungen schreiben! Oder so ...

*g*

(Der Antaghar)
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
*heul* dabei bin ich mir bei drei möglichen Wegen nicht sicher, welchen ich einschlagen werde. Mal sehen, wie es bei den anderen weitergeht. Zur Zeit rheumabedingt etwas langsamer als gewohnt.

Eine Sadistin? - geh *peitsche* woher denn ... *lol*
Profilbild
****ia Frau
22.263 Beiträge
Ach Herta...
immer wenn's spannend wird!
Gemein!

Aber so kann ich wenigstens die Muffins für meinen Buben in Ruhe verzieren.
Mein Haushalt beginnt schon unter Deinen Geschichten zu leiden!

*gg*
(d)anke
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Trotz Schmerzen, es geht weiter .... muss es ja ;-)
„Experiment C3-15, bleibe wie du bist“, drang eine metallische Stimme aus einem Lautsprecher. Ivo blickte sich um, er sah niemanden sonst, also nahm er an, dass er damit gemeint war. Trotzig sagte er: „Ich bin Ivo Lindstrom-Nielsson und bewegen kann ich mich nicht.“
Aus dem Lautsprecher drang Gelächter, dann brach es abrupt ab und es legte sich eine bleischwere Stille auf Ivo. Vorher hatte er nicht gemerkt wie ruhig es hier war, nun fand er es unheimlich.
Es dauerte noch eine Weile, dann hörte er, wie die Tür geöffnet wurde und jemand zu ihm kam. Abermals sah er nicht die Person, sondern nur weißbehandschuhte Hände, die sich an seinem Gesicht und dann dem Kopf zu schaffen machten.
„Hast du Angst?“, hörte er fragen.
Er konnte nur nicken, seine Angst war so groß, dass sie ihm die Sprache genommen hatte. „Das ist gut. Wenn du Angst hast, dann verpfuschst du den Versuch wenigstens nicht. Ach, ja, C3-15 es könnte etwas wehtun, aber das macht dir in deinem derzeitigen Zustand bestimmt nichts aus. Wir haben dich empfindungslos gemacht.“
Ivo kamen die schlimmsten Befürchtungen. Er wurde in eine sitzende Position gebracht, der Oberkörper nach vorne gebeugt. Dann schob jemand abermals eine Kanüle in seinen Rückmarkskanal. Davon bekam er diesmal nichts mit, weil er halsabwärts nichts mehr spürte. Er merkte nur, wie unangenehm diese Haltung war, sie erschwerte ihm das Atmen.
Als die Hohlnadel richtig platziert war, drehten sie ihn zur Seite und ließen ihn wieder so liegen. Er hatte gemerkt, dass mindestens zwei Personen im Raum gewesen waren, aber gesehen hatte er nur die Hände, die ihn festhielten. Von der Tür her, hörte er jetzt leises Reden. Er strengte sich an, um etwas zu hören.
„Dieser verdammte Junge, sieht nicht nur so aus wie er, sondern hat auch noch die gleiche Kraft. Wenn wir das klonen könnten, das wäre der absolute Durchbruch.“
„Ja Svetlana, klonen wäre schon was, aber wir müssen vorher das Problem mit der Willensstärke beheben. Wir werden ihn nicht einfach so klonen können.“
Ivo hörte stumm zu. Er war erschüttert und so sehr verängstigt über diese Worte, dass es sein Denken lähmte. Sie diskutierten noch eine Weile, wie sie den Klonvorgang am besten durchführen konnten, dann kamen die Wissenschafter wieder ins Licht und Ivo konnte ihren erwartungsvollen Ausdruck in den Gesichtern sehen. Sie sahen weder bösartig noch verrückt aus, im Gegenteil, wirkten sie voller Anteilnahme und Wissbegierde. Wenn Ivo es nicht besser gewusst hätte, hätte er sich täuschen lassen.
Doktor Renner ging zur Kanüle und zog etwas Liquor heraus, das übergab er einem stummen Laboranten und trat wieder in Ivos Gesichtsfeld.
„So, das war jetzt die letzte Liquorprobe. Die Nadel lassen wir am besten noch eine Weile wo sie ist, nur für den Fall, dass eine der Proben verunreinigt ist. Ich mag da nicht dauernd rumstochern müssen. Was ist jetzt mit den Hirnwellen, Svetlana? Machst du das gleich, oder lässt du ihm etwas Zeit zur Erholung?“
Die Ärztin schien zu überlegen, aber Ivo hatte den Verdacht, dass sie genau wusste, was sie wann zu machen hatte. Dann war er dennoch überrascht.
„Wir warten, bis er auf dem Rücken liegen kann. Ich brauche ihn dafür sitzend, da passt der Helm besser. In Seitenlage bekomme ich undeutliche Ergebnisse. Wie lange willst du noch warten, Lenard?“
„Ich sag es dir, bei einem Koffeinpräparat. Komm, wir machen Pause.“
Damit gingen die beiden hinaus und ließen ihn gänzlich verunsichert zurück. Er versuchte sich zu entspannen, redete sich ein, dass Sven in Sicherheit war und er auch bald wieder frei sein würde. ‚Das glaubst du doch selbst nicht, Mann’, sagte wieder die feindselige Stimme in ihm. ‚Wieso sollte er es nicht glauben?’, antwortete die ruhige, sanfte Stimme. ‚Weil es Unsinn ist! Er kann sich noch nicht einmal bewegen, oder hast du das nicht gemerkt, du Blödian!’ Die Stimmen wurden wieder ruhig. Fürs Erste hatte der aggressive Teil gewonnen. ‚Du solltest mich freilassen’, sagte der dunkle Bruder nun sehr sanft.
„Nein“, antwortete Ivo leise. „Noch nicht. Du bist der letzte Ausweg.“
Dann war es ruhig, in ihm und um ihn herum. Er hörte nur den eigenen Herzschlag, der ihm versicherte, dass er am Leben war.

Brigitt rappelte sich als erste wieder auf. Ihr linker Oberschenkel tobte, die Wunde war aufgebrochen. Sie humpelte hinter einen Felsen und kam etwas später leise vor sich hinschimpfend zurück.
Alex war ebenfalls erwacht und lag nun auf dem Rücken. Als er sie hörte, setzte er sich auf und schaute sie an. Im ersten Moment konnte er sich nicht vorstellen, was mit ihr war, doch dann ging ihm ein Licht auf und er sagte: „Das passiert wirklich im unpassendsten Augenblick.“ Er zog sein Hemd aus und gab es ihr. „Hier, reiß es in Streifen. Es ist zwar dreckig und verschwitzt, aber besser als nichts.“
Sie nahm es entgegen und ging wieder hinter die Felsen.
Alex legte sich noch einmal hin und betrachtete die Drohne, die über ihm schwebte. Dann nahm er ganz langsam einen Stein in die Hand und richtete sich auf. Er war sehr vorsichtig und machte keine hastigen Bewegungen. Das Flugobjekt behielt er beständig im Auge. Dann, mit einem kräftigen Schwung holte er aus und schleuderte den Stein auf die Maschine. Er hatte gut gezielt, sie trudelte und fiel in den Canyon. Alex robbte an den Rand und sah sie noch im Fluss versinken. „Gut, die wären wir los. Es wird hoffentlich etwas dauern, bis sie eine Neue schicken“, murmelte er.
Brigitt kam ganz verheult zurück. Ihr tat alles weh, die aufgebrochene Beinwunde, die Arme von der Kletterei und jetzt noch die Monatsblutung. Sie schimpfte und weinte. Dann verfluchte sie sich selbst, weil sie kein Junge geworden war.
„Hör auf, dich selbst schlecht zu machen“, sagte er streng. „Du bist was du bist. Ich würde dir – und mir – gerne eine längere Pause gönnen, aber wir müssen weiter.“
„Das weiß ich selbst, ich bin ja nicht blöd“, fuhr sie ihn an, reichte ihm den Arm und dann stolperten sie durch die karge Landschaft.

Drei Tage marschierten sie so, wortkarg, fußwund, hungrig und ausgetrocknet. Noch immer hatten sie kein Wasser gefunden. Alex war sicher, dass hier ein Fluss sein musste. Da blieb Brigitt stehen, beschattete die Augen und sagte: „Ist das da vorne eine Baumzeile? Könnte das glitzernde Etwas Wasser sein?“ Alex schaute nun auch genauer hin. Sie freuten sich, denn es schien genau das zu sein, was sie so dringend brauchten. Entschlossen, ihre letzten Kräfte zu mobilisieren, änderten sie die Richtung, da sahen sie etwas anderes, das ihre Hoffnungen niederdrückte. Von der Seite her näherte sich ihnen ein Militärkonvoi.
Alex blieb stehen und zog Brigitt mit sich zu Boden. „Wir bleiben hier“, flüsterte er.
Aber sie waren bereits entdeckt und die Fahrzeuge begannen sie einzukreisen.
„Was machen wir nun? Wir brauchen dringend Wasser“, wisperte Brigitt und fühlte Tränen aufsteigen, die sie nicht weinen konnte. Alex überlegte eine Weile und entschloss sich dann zu einem ungewöhnlichen Vorgehen.
„Wir gehen einfach weiter. Ich bin mir sicher, dass die uns schon eine Weile beobachten und sie jetzt die Schrauben fester drehen, uns verunsichern wollen“, antwortete er und fühlte sich ebenso mutlos. Er atmete einige Male tief durch und befahl sich ruhig zu bleiben, dann stand er auf und ging. Brigitt folgte ihm dichtauf.
Sie näherten sich den Wagen und taten so, als ob sie sie nicht sehen würden, marschierten einfach weiter. Brigitt fühlte ihre Wangen brennen und ihren Atem schneller gehen, auch Alex atmete schwerer als gewöhnlich. Nebeneinander schritten sie zwischen den Soldaten durch, die sie unbehelligt ließen. Wahrscheinlich hatten sie keine Befehle für den Fall, dass das geschehen sollte. Alex nahm Brigitt an der Hand und sie beschleunigten etwas den Schritt. Hinter sich hörten sie die Motoren wieder starten. Bald fuhren die Wagen neben ihnen her und versuchten sie vom Fluss abzudrängen.
Alex fühlte wie ihm der Wassermangel zu schaffen machte. Für sein Herz war es das Schlimmste, was passieren konnte. Brigitt ging es auch nicht viel besser. Sie stolperte dahin und hielt Alex an der Hand. Entschlossen lief sie zwischen den Wagen durch, einmal nach links, einmal nach rechts. Es war ermüdend, so zu gehen, aber es brachte die Soldaten immer wieder dazu, ihre Fahrzeuge zu bremsen. So kamen sie langsam aber stetig dem Fluss näher. Schon konnten sie das Rauschen hören und die Bäume an seinem Rand erkennen.
„Gleich sind wir da“, flüsterte sie, Alex konnte nur noch nicken. Er ließ sich von ihr leiten, hatte die Führung an sie abgegeben. Noch einmal lief sie zwischen den Einsatzfahrzeugen durch und dann schlug sie einen Haken und sagte: „Jetzt, laufen wir.“
Es war dann mehr ein schnelles Gehen und Alex stolperte nur noch dahin. So kamen sie endlich zum Fluss. Sie warfen sich am Ufer nieder und tranken das kühle Nass aus der hohlen Hand.
Am Waldrand hielt der Konvoi und die Soldaten bezogen Position. Sie umstellten das Wäldchen. Das kümmerte Brigitt im Moment wenig. Sie half Alex, damit er es bequemer hatte und legte ihm ihren Pullover um die Schultern, dann sagte sie: „Ich geh jetzt baden und wasche meine Hosen. Es ist mir gleich, ob dort draußen einer steht und mir zusieht oder eine Million. Das muss sein!“
Alex lachte, dann sagte er: „Mach das, wir rasten einfach hier bis morgen. Vielleicht schaffe ich es ein Feuer zu machen, wenn ich das richtige Holz finde und mich erholt habe. Geh du baden.“ Insgeheim dachte er: ‚Hoffentlich lassen sie uns eine Weile unbehelligt.’
In der Hosentasche hatte er noch ein kleines Klappmesser, das zog er jetzt heraus und machte sich auf die Suche nach dem passenden Stück Holz und Zunder. Es dauerte lange bis er das Gewünschte fand und anschließend noch einmal über eine Stunde, aber dann hatte er es geschafft und sie saßen an einem warmen Feuer.
„Heute Nacht werde ich nicht frieren“, sagte er. „Und jetzt gehe ich auch baden, weil ich stinke ebenso wenig gerne wie du.“ Er zwinkerte ihr zu und entledigte sich der Hosen, dann stieg er in den Fluss und schrubbte sich gründlich ab.

Nach dem Bad fühlte sich Brigitt wie neugeboren. Das Wasser war kalt und schlammig, aber das machte ihr nichts aus. Sie hatte auch ihre Kleidung gewaschen und hängte nun die tropfnassen Hosen über einen Ast in der Nähe des Feuers, damit sie bis zum Morgen etwas trocknen konnten. Dann lehnte sie sich an einen Baum und streckte die Füße dem Feuer entgegen. Alex saß am Ufer und beobachtete die Fische. Es waren nur wenige, die er sehen konnte, aber er wollte einen Trick versuchen, den er beim Clan kennen gelernt hatte. Langsam watete er hinaus, immer die Fische im Auge. Dann tauchte er vorsichtig einen Arm ins Wasser und schob ihn unter einen stehenden Fisch. Jetzt hieß es, sich in Geduld zu üben. Als der Fisch nicht reagierte, packte er zu und schmiss ihn in hohem Bogen an Land, wo er zappelnd liegen blieb. Beim zweiten Mal hatte er weniger Glück und der Fisch entkam ihm.

Brigitt hatte ihm fasziniert zugesehen, wie er nackt im Fluss herumwatete und ganz selbstvergessen nach Art der Steinzeitmenschen auf die Jagd ging. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie auch nichts anhatte und es wohl so bleiben würde, wenn sie nicht in nassen Kleidern den Rest des Tages und die Nacht verbringen wollte. Mit einem Mal war sie sich klar, dass sie ihre Gefühle doch nicht wegschieben konnte und sie wandte den Blick von ihm, als er mit seiner Beute zurückkam.
„Abendessen“, verkündete er stolz. „Heute werden wir nicht hungern, nicht sehr zumindest. Leider habe ich nur einen erwischt.“ Den Fisch hatte er bereits am Ufer ausgenommen und gewaschen, nun steckte er ihn an einen angespitzten Ast und hielt ihn über das Feuer. Es schien ihm nichts auszumachen, dass sie beide nackt waren. Aber Brigitt fühlte sich nicht mehr wohl.

Als der Fisch briet, war es sehr ruhig geworden. Sie konnten die Soldaten hören, die am Waldrand ihre Stellung einnahmen und den Wind in den Ästen, das Knistern des Feuers. Alex legte noch ein Stück Holz nach und betrachtete die hoch züngelnden Flammen. Er musste acht geben, dass der Fisch nicht verbrannte, so konzentrierte er sich darauf und schließlich war er gar und er nahm ihn weg. Weil Brigitt nichts sagte, sagte auch er nichts. Stumm teilte er das Essen und reichte ihr ihren Anteil. Sie zog die Beine ganz fest an die Brust und umklammerte mit einer Hand die Knie, mit der anderen nahm sie den Fisch entgegen. Da erkannte Alex ihre Beklemmung und er drehte sich leise seufzend um.
„Macht es dir soviel aus, so vor mir zu sitzen?“, fragte er schließlich, als er mit essen fertig war. „Willst du meine Hose anziehen? Sie steht zwar auch schon von alleine, so schmutzig ist sie, aber sie ist trocken.“ Noch immer kehrte er ihr den Rücken zu und wagte nicht, sich umzudrehen. Brigitt überlegte eine Weile, dann sagte sie: „Nein, zieh ruhig du sie an. Du hast mich schon dein Hemd vernichten lassen, ich will dir nicht auch noch den Rest deiner Kleidung nehmen.“
„Darf ich mich wenigstens wieder umdrehen? Mir ist nämlich kalt und ich hätte mich gerne am Feuer ausgestreckt.“
„Natürlich, wärme dich, du kannst auch meinen Pullover haben. Du hast die letzten Tage und Nächte genug gefroren. Ich werde es überleben, dass du mich nackt siehst.“ In Gedanken fügte sie „hoffentlich“ hinzu. Dankbar zog sich Alex an, er war noch nie der Meinung gewesen, dass Frauen schwächer als Männer waren und legte sich ganz nah an das Feuer. Dort schlief er kurz darauf ein. Nun rückte auch Brigitt näher an die Wärmequelle und wartete, dass es Nacht wurde.

Die Nacht brachte andere Geräusche. Sie konnte fast den Atem der Soldaten hören, die langsam näher rückten. Noch einmal legte sie einen Ast auf das Feuer und rollte sich daneben. Sie fühlte die Wärme auf der Haut und wünschte sich in einem warmen Bett zu liegen und saubere Kleidung.

Die Nacht war schon weit fortgeschritten und Brigitt war auch eingeschlafen als die Soldaten neue Order von der CPU erhielten.

Leise rückten sie vor und stürmten dann das Lager der Verfolgten. Brigitt erwachte mit einem Ruck. Sie sah Alex gefesselt an einen Baum lehnen. Nun nahm Brigitt eine defensive Haltung ein, auch sie hatte den unbewaffneten Kampf von Alex gelernt und schlug den Ersten nieder, der sie ergreifen wollte. Aber einen Kampf gegen so viele Gegner hatte sie noch nie geführt, deshalb griff sie nun zu unfairen Mitteln und fasste nach einem brennenden Ast, mit dem sie auf die Angreifer losging. Alex fand, dass sie aussah wie ein Racheengel, groß, flammendgelbes Haar, nackt und im Feuerschein strahlend. So weiblich hatte er sie noch nie wahrgenommen und er war sehr stolz auf sie, weil sie sich so wehrte. Ihn hatten sie einfach überrumpelt. Noch bevor er die Augen offen hatte, war er gefesselt worden. Als ein Soldat nun an ihm vorbei rannte, streckte er die Beine aus und der Mann fiel, dann gab er ihm noch einen Tritt und er blieb bewusstlos liegen. Weil seine Bewacher durch Brigitt abgelenkt waren, kam Alex endlich auf die Beine, die sie zu fesseln vergessen hatten. Er kannte einige Tricks, die auch mit gebundenen Händen funktionierten. Das Leben in den Eingeweiden der Raumstation, wo er einige Zeit gelebt hatte, hatte ihn einiges gelehrt, das man auf der Militärakademie nie lernte. Jetzt wendete er diese Kenntnisse gnadenlos an und bald lagen viele Soldaten am Boden, die geglaubt hatten, leichtes Spiel zu haben. Nur kurz zogen sich die Angreifer zurück und Alex schrie Brigitt zu: „Nimm deine Sachen und renn als wäre der Teufel hinter dir her, schnell! Ich bin gleich hinter dir! Lauf, Mädchen, lauf und schau nicht zurück! Immer geradeaus, dort ist unser Ziel!“
Brigitt befolgte die Anweisung und sprintete los, Alex etwas langsamer hinterdrein.

Sie lief, bis ihr die Luft ausging, da drehte sie sich kurz um und sah, wie Alex wieder eingefangen wurde. Er rief ihr noch etwas zu, das sie nicht richtig verstand, aber das wollte sie nicht hören. „Nein, ich gehe nicht alleine nach Sunflower. Ich lasse dich nicht im Stich“, sagte sie zu sich und kletterte auf den nächsten Baum. Dort wartete sie bis der letzte Soldat vorbei gerannt war, dann blieb sie noch eine Weile oben und als keiner mehr zurückkam, stieg sie hinunter. Leise schlich sie zum Lager zurück.

Stunden später kam ein Laborant und entfernte die Kanüle. Er klebte einen kleinen Verband über die Wunde und drehte Ivo auf den Rücken. Dann ging er wortlos.
Ivo wurde immer ängstlicher zumute. Als Sven noch bei ihm gewesen war, hatte er sich ablenken können, nun war das nicht mehr möglich. Wieder bedauerte er die Entscheidung, die Energie nicht auf die Angreifer losgelassen zu haben. ‚Du hattest recht’, sagte die feine Stimme in ihm. Die andere lachte nur verächtlich, sagte aber nichts dazu.
Ivo fand die Stimmen in ihm langsam unheimlich, sie waren noch furchteinflößender als die sterile, kalte Laborumgebung, gefährlicher als den Helm, der über ihm schwebte.

Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, bis endlich wieder die Tür aufging und jemand eintrat. Er würde gerne mit jemanden reden können, sagen, wie viel Angst er hatte und dass er nachhause wollte. Aber zu der Person, die jetzt zu ihm trat würde er nichts davon sagen, sie las es ohnehin in seinen Gedanken.
„C3-15 du brauchst wirklich nicht soviel Angst vor mir zu haben. Ich werde dich weder verletzten noch in deine Gedanken eindringen“, sagte Doktor Hess und sie klang beinahe liebenswürdig. Ivo erinnerte sich daran, wie sie ihm das letzte Mal einfach ein Stück Haut aus dem Bein geschnitten hatte und glaubte ihr kein Wort.
„Sie werden mir wieder wehtun“, antwortete er deshalb mit zitternder Stimme.
„Es liegt immer an dir, was daraus wird. Noch verhindert die Spinalpunktion, dass du Schmerzen fühlst. Aber die Anästhesie lässt auch wieder nach.“ Sie umrundete ihn und betrachtete ihn von allen Seiten, dabei wuchs ihr Lächeln in die Breite. „Was bist du nur für ein hübscher junger Mann. Ich werde deine Gene mit Genuss klonen.“ Dabei tätschelte sie seine Wange und fuhr dann entlang seiner Brust mit einem Finger nach unten.
„Hör auf“, sagte er leise, obwohl er nichts fühlte, wusste er genau, was sie tat.
Dann gab sie einem Helfer ein Zeichen. Sofort eilte er herbei, brachte die Rückenlehne der Liege in eine aufrechte Position und schnallte dann Ivo fest, damit er nicht seitlich herunterkippte. „Schön“, sagte sie und betrachtete ihn noch einmal gründlich. „Du hast auch schöne Augen, ein sehr eigenartiges Grün, wenn ich so sagen darf, wenngleich die Augen deines Bruders interessanter sind.“
Ivo hatte das Gefühl vom Bett zu fallen und war diesmal froh über die Halterung. Er hatte bereits Tränen in den Augen, weil er wusste, was jetzt auf ihn zukommen würde. Der Helm wurde über ihm gesenkt und die Ärztin redete unablässig weiter, von seiner Haut, den Zähnen, er hörte nicht mehr hin, sondern begann leise zu singen. Er wusste, dass er sie damit nur provozieren und dafür leiden würde, dennoch sang er: „Und foltert ihr mich, bis auf das Blut und keiner hier ist mir noch gut. So bleib ich dabei: Die Gedanken sind frei.“
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Gute Besserung ...
... liebe Herta!

Nicht für die Geschichte, sondern wegen der Schmerzen ...

(Der Antaghar)
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Danke ...
der Kopf ist voller Ideen und in den Fingern steckt das Rheuma. Das verhindert zur Zeit mein Schreibtempo enorm, weil ich sie nicht so biegen kann wie es erforderlich ist. Mist.

Aber solange die Geschichte nicht darunter leidet, werde ich es überleben *smile*

Mein Name passt schon zu mir *lol*
ich bin ausgesprochen hart zu mir.

Liebe Grüße
Herta
Profilbild
****ia Frau
22.263 Beiträge
Bin noch immer bei Dir und Deiner geschichte, Herta!
*friends*

(d)anke
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Danke ... *prost* ich hab zur Zeit Alkoholverbot.

Ich muss ja noch schreiben, wie es mit Sven weitergeht *zwinker*
da bin ich gerade dran.


Hoffentlich gefällt euch die Geschichte auch weiterhin. Ich habe Sorge, dass ich etwas weitschweifig werde.


*sonne* Herta
Profilbild
****ia Frau
22.263 Beiträge
nein, ich hab deine protagonisten inzwischen ins herz geschlossen.
sie würden mir fehlen, wenn die geschichte schon zu ende wäre
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Dann kann ich mir ja noch einige Seiten Zeit lassen, bis ich das Gewirr auflöse - es gibt ja bereits soviele Handlungsstränge, dass es noch eine Weile weitergehen wird.

Danke für das Feedback.

*sonne*Herta
Lass Dir
von Anton die Zehengelenke massieren (wie Oben so Unten), da wo sie empfindlich sind, den Druck halten, bis die Empfindlichkeit nachlässt, dann fühlen sich deine göttlich grausamen Tippfingerchen wieder etwas besser und werden beweglicher! *hexhex*

auchgernenochlangmitfieberolaf
Profilbild
****ia Frau
22.263 Beiträge
olaf, kannst du sowas auch mir armen und rücken?
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
oje, den Trick kannte ich schon und Toni kennt das Ergebnis. Mir tut es noch immer leid, dass ich ihn getreten hab. (Mich nimmt ja auch keine Fußpflegerin mehr auf, weil ich so kitzlig bin)

So und nun weiter mit dieser fast unendlichen Geschichte ... ihr wollt ja sicher einmal wissen, wer da bei Marcello zur Tür hereingeschaut hat. Wenn ich morgen in der Mittagspause recht fleissig bin, gibts vielleicht am Abend die Auflösung *fiesgrins* Aber nur was das angeht ... es gibt ja noch viel zu erzählen *zwinker*
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Wer kommt zur Tür herein? ... das steht hier :-)
Die Tür wurde aufgerissen und für den Bruchteil einer Sekunde erstarrten sie. Dann sprangen Sven und Celia gleichzeitig auf. Obwohl sie nichts sah und Sven nur Umrisse erkennen konnte, hatten sie sofort gemerkt, was los war. Zusammen ließen sie ihre Kräfte frei und versuchten die eindringende Menge aufzuhalten. Die Ersten fielen unter ihrem Angriff, aber die anderen gingen weiter in den Raum. Auch James war nun aufgesprungen und brüllte: „Marcello du Schwein! Warum hast du uns verraten?“
Doch Marcello gab keine Antwort, er drückte sich an die Wand und schwieg, als die Polizeieinheit seine Wohnung stürmte. Er hatte sie gerufen und um Zusammenführung seiner Familie ersucht, wenn er ihnen den Aufenthaltsort der flüchtigen Personen bekanntgab. Nun konnte er nur noch hoffen, selbst mit dem Leben davon zu kommen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie Schwierigkeiten machen würden. Sie sahen so harmlos aus, Kinder noch in seinen Augen. Wer hätte sich auch denken können, dass der schmale Bursche und das kleine Mädchen solche Kräfte hatten? Es waren doch nur Behinderte in seinen Augen.

Sven und Celia stürmten vor und James rannte hinter drein. Er sagte die Richtung an, damit sie sich auf die Angreifer konzentrieren konnten. Die Polizisten fielen um wie Zinnsoldaten als sie ihre Wut und Frustration auf sie richteten. Sie ließen Wellen aus Schmerz los und trafen die Menschen, die sie wieder wegsperren wollten.
„James, wo geht es hinaus?“, fragte Sven hektisch, als er merkte, dass ihnen die Kraft ausging. Zu lange waren sie ohne Nahrung und Wasser gewesen. Auch Celia, die kräftiger war als sie aussah, wurde schwächer. Immer neue Energiewellen feuerte sie auf die Männer und Frauen los, die sich ihr in den Weg stellen wollten. Da packte James jeden an einer Hand und laut schreiend rannten sie weiter. Sie stießen gegen Möbel und rannten alles über den Haufen, das sie am Weiterkommen zu hindern versuchte.

Hinaus aus der Wohnung stürmten sie und dann die vielen Treppen hinunter, nur um am Ausgang von einer weiteren Spezialeinheit erwartet zu werden. Celia hatte sie schon bemerkt, als sie noch im zweiten Stock waren, deshalb rannten sie gleich in den Keller weiter. Aber auch von dort schien es kein Entkommen zu geben.

James zog sie in einen Seitengang und blieb stehen. Er musste dringend wieder zu Atem kommen. „Kinder, Kinder“, sagte und lehnte sich schwer atmend an einen Stapel Kisten. „Ah!“, rief er erschrocken, als die Kisten ins Rutschen gerieten und er nach hinten fiel.
Sven und Celia wandten sich ihm zu und fanden eine versteckte Tür hinter den Kisten, wo James gelandet war.
„Kommt her“, sagte James. Als die Jungendlichen in der Kammer waren, stapelte er die Kisten erneut und verschloss die Tür. Dann begannen sie damit den Raum abzusuchen. Vielleicht konnten sie ja hier einen Ausweg finden.

Celia tastete die Wände ab. Langsam schob sie sich Zentimeter um Zentimeter weiter. Sven tat das gleiche an der gegenüberliegenden Seite und James öffnete alle Schränke, die herumstanden, dann verschob er sie, in der Hoffnung, ob er nicht doch etwas finden würde.
„Ich fühle etwas“, flüsterte Celia nach einer Weile.
„Was?“, kam es von James und Sven gleichzeitig.
„Einen Lufthauch. Aber er kommt von unten. Wie kann das sein? Dort ist doch nichts als Erde.“
Sven dachte angestrengt nach. Er hatte seiner Familiengeschichte nie sonderlich viel Beachtung geschenkt, nun erinnerte er sich wieder vage an Berichte seines Vaters und sein Gesicht erhellte sich etwas. Er hoffte, dass sie mit viel Glück einen Ausweg gefunden hatten.

James suchte etwas, womit er die Ziegel lockern konnte. Endlich fand er etwas, das wie ein Hammer aussah, zumindest war es schwer. Damit schlug er auf die Wand ein. Nach jedem Schlag lauschten sie ängstlich, ob nicht doch bereits jemand in die Kammer vordringen wollte. Das Dröhnen der Hiebe musste im ganzen Haus zu hören sein.
James bemühte sich nach Kräften und er brauchte wirklich nicht mehr als fünfmal zuschlagen, da brach ein großes Stück der Wand wie von selbst heraus.
„Kinder, da geht’s runter“, flüsterte er als er durch war. „Aber es ist stockfinster. Ich kann gar nichts erkennen.“
„Bei mir ist es immer finster“, sagte Celia ebenso leise. Da richtete sich James auf und nahm sie in den Arm. „Ich weiß, Kleines. Tut mir leid, was sie dir angetan haben.“
„Das muss es nicht, James, ich kenne es nicht anders. Ich wollte dir damit nur sagen, dass es noch andere Sinne gibt, als den Sehsinn.“
Er ließ sie wieder los und machte sich brummend weiter an der Öffnung zu schaffen, bis sie groß genug war, dass auch er durchkriechen konnte. Er schickte Sven und Celia vor, dann schob er von außen einen Schrank so vor das Loch, dass er gerade noch durchkam und rückte ihn dann von hinten zurecht. Nun war alles Licht ausgeschlossen.

„Ah!“, machte Sven. „Ich kann wieder sehen, wenn auch nur undeutlich und alles in ungewohnten Farben, aber ich erkenne einen Weg. Er führt nach unten und sieht ganz eben aus.“

Alex wusste, dass er mit gebundenen Händen bei der Dunkelheit und seiner Erschöpfung keine Chance haben würde, den Verfolgern zu entkommen. So wollte er wenigstens Brigitt einen Vorsprung verschaffen und hatte den Soldaten noch einen kleinen Kampf geliefert. Sie hatten diesmal mit Gegenwehr gerechnet und ließen sich nicht so einfach überrumpeln. Dennoch konnte er sie lange genug ablenken, dass sich Brigitt verstecken konnte. Er rief ihr noch zu, auf dem schnellsten Weg in die Stadt zu laufen, dann hatten sie ihn auch schon zu Boden geworfen. Auch von hier teilte er noch Tritte aus und traf empfindliche Stellen, wie die Schreie verkündeten. Dann schlug ihm jemand etwas auf den Kopf und er wusste nichts mehr.

Mit brennendem Durst erwachte er und fand sich schwer gefesselt in einem Mannschaftstransporter wieder. Er fühlte den bekannten Schmerz in der Brust und das Stechen in der Seite, ließ ihn kaum zu Atem kommen. Er stöhnte und die Bewacher richteten sofort die Waffen auf ihn. Alex versuchte leise zu sein, um sie nicht zu reizen. Die Soldaten schienen sehr nervös zu sein.
„Geh zum Hauptmann und sag ihm, dass der da wach ist“, sagte einer der Männer zu dem jüngsten in der Gruppe. Insgesamt wurde Alex von vier Mann bewacht. Er fand das übertrieben, wo er doch mit schweren Metallketten an die Innenverkleidung gebunden war und sich nicht bewegen konnte.

Er hatte das Gefühl in der Hitze der Kabine zu ersticken. Es dauerte nur einige Minuten, aber ihm kam es wie eine Ewigkeit vor, bis der Hauptmann in den Wagen stieg. Der erkannte sofort, dass der Gefangene sterben würde, wenn sie nichts unternahmen. Er wies die Bewacher an, ihn von den schweren Ketten zu befreien und die Wagenklappen offen zu lassen, ebenso die Seitenfenster, damit er Luft bekam. Dann schickte er nach dem Sanitäter. Der kam auch rasch und zwang Alex, ein Aerosol zu inhalieren. Langsam kam er wieder zu sich. Er war in Schweiß gebadet und rang um jeden Atemzug. Eigentlich wollte er um nichts bitten, dennoch flüsterte er: „Wasser.“
Auf einen Wink des Vorgesetzten, löste einer der Bewacher die Ketten vollständig von der Bordwand und der Sanitäter lehnte Alex an die Wand, direkt neben ein geöffnetes Fenster. Die Hände blieben gebunden und auch die Beine. Wasser blieb ihm verwehrt, aber er war doch froh, wieder einigermaßen Luft zu bekommen.
Der Hauptmann baute sich nun bedrohlich vor Alex auf und stemmte die Hände in die Hüften. „Was willst du in Sunflower?“, fragte er scharf.
Alex atmete nur und versuchte bei Bewusstsein zu bleiben. Der Hauptmann wiederholte seine Frage und schlug ihm hart ins Gesicht.
„Du bist ein Terrorist! Was ist dein Ziel?“ Erneut wurde er geschlagen. So sagte er schließlich: „Ich bin Professor Doktor Alexej Ingmar Smirnov, Vorsitzender des Archäologischen Vereins in Ulan Bator und Gastdozent an der Historischen Fakultät der Sunny State Universität Sunflower.“
Das wollte der Hauptmann nicht hören und Alex wurde wieder geschlagen. Der Hauptmann wiederholte seine Frage.
„Sag endlich, was du in Eumeria willst? Was ist dein Ziel, Terrorist?“
Die Faust traf abermals seine Nase, die bereits blutete und Alex kämpfte wieder um jeden Atemzug. Der Sanitäter zwang ihm den Mund auf, hielt ihm die Nase zu und ließ ihn das Aerosol ein zweites Mal inhalieren. Fast sofort beruhigten sich seine Bronchien und der Herzschlag verlangsamte sich. Der Atem ging wieder regelmäßig.
„Personen, Orte, alle Daten, mehr will ich nicht von dir.“
„Ich bin Professor Doktor Alexej Ingmar Smirnov …“, begann er und sofort traf ihn ein weiterer Schlag. Die Lippen platzten auf und er stöhnte nur mehr, als ein Tritt in die Rippen folgte. Er fühlte sich nicht nur durch die Schläge gepeinigt, sondern auch durch die Fragen.
„Wo ist die Frau?“
Er gab keine Antwort.
„Die Frau! Wo ist sie?“, schrie der Offizier und prügelte abermals auf ihn ein.
„ … Vorsitzender des Archäologischen …“, weiter kam er nicht, harte Schläge ließen ihn verstummen. Das ging so lange, bis Alex die Besinnung verlor und blutend liegen blieb. Sein Gesicht war dunkelrot und blau verfärbt, die Augen zugeschwollen, die Lippen aufgeplatzt und aus der Nase floss noch immer ein dünner Blutfaden.
„Pass auf, dass er nicht stirbt“, sagte der Hauptmann zum Sanitäter und verließ den Wagen.
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
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Weiter in der Geschichte ...
Alex erwachte, als ihn jemand mit kaltem Wasser übergoss.
„Mitkommen“, wurde ihm befohlen. Er versuchte die Augen zu öffnen und etwas zu sagen, keines von beidem gelang ihm. Als er nicht reagierte, zogen sie ihn an den Fesseln hoch und zerrten ihn aus dem Wagen. Nur einen Spaltbreit konnte er die Lider öffnen. Er übersah die Bordkante und stürzte auf den harten Boden, wo er liegenblieb. Da packten ihn zwei Soldaten und zerrten ihn weiter, bis zum Kommandozelt. Dort wurde er hineingeschoben.
Er musste warten und während des Wartens fragte er sich, warum er sich immer wieder in solche Situationen brachte. ‚Das darf doch nicht wahr sein. Ziehe ich das ganze Unheil immer nur an? Hoffentlich ist Brigitt schon weit außerhalb ihrer Reichweite.’
Damit er nicht fiel, wurde er weiterhin festgehalten. Er hörte sich selbst schwer atmen und die Luft mit einem Pfeifen entweichen. ‚Ich glaube, ich sterbe hier’, dachte er, als der Hauptmann endlich erschien.
„Wo ist euer Versteck?“, wurde er gefragt.
„Wasser“, flüsterte er. Er war so ausgedörrt, dass er kaum sprechen konnte, die aufgeplatzten Lippen und die Schwellung im Gesicht erschwerten es noch zusätzlich.
„Du bekommst Wasser, wenn du kooperierst. Ich frage dich noch einmal nach dem Aufenthaltsort der Frau. Wie wolltet ihr in die Stadt kommen? Gibt es einen geheimen Zugang?“
Als Alex nicht antwortete kam er ganz nahe an heran und schaute ihm in das verschwollene Gesicht. „Antworte!“, befahl er.
„Wasser“, sagte Alex wieder.
Der Hauptmann nickte einem Soldaten zu und er wurde mit einem Eimer Wasser übergossen.
„War das jetzt genug? Oder willst du noch einen Nachschlag? Mit wem wolltet ihr euch treffen? Rede!“
Alex fühlte sich so müde und ausgelaugt, am liebsten hätte er geschlafen. Nur undeutlich konnte er das harte Gesicht seines Gegenübers erkennen. Er wusste, dass dieser Mann unerbittlich sein würde, um an Antworten zu gelangen.
„Rede endlich!“, schrie der wieder und verpasste Alex eine Ohrfeige.
Da sagte er: „Ich bin Professor Doktor Alexej Ingmar Smirnov, Vorsitzender des Archäologischen Vereins in Ulan Bator und Gastdozent der Sunny State Universität Sunflower. Ich bin unterwegs, um einen Vortrag über die räuberischen Stämme des afrasischen Zentralraumes zu halten.“
„Wer ist die Frau?“
„Meine Tochter.“
„Du lügst!“
Wieder wurde Alex von Schlägen getroffen. Langsam fühlte er sich der Befragung nicht mehr gewachsen. Am liebsten hätte er alles gestanden, nur damit sie mit den Prügeln aufhörten. Aber er konnte Brigitt nicht verraten.
„Wer ist sie?“
„Meine Tochter“, sagte er unter Tränen und in seinem Innersten, wusste er, dass es die Wahrheit war. Für ihn würde sie immer das Kind sein, das er nie hatte.
„Ich sehe schon, so kommen wir nicht weiter. Wir werden den Telepathen holen müssen.“
Alex ahnte, dass jetzt die Befragung erst richtig beginnen würde.

Der Helm verdeckte sein Gesichtsfeld, so konnte er nicht sehen, was die Wissenschafterin mit ihm anstellte. Er versuchte ihre Gedanken zu erspüren, um zu wissen, was sie tat und vorhatte, aber sie hatte eine stabile Mauer gebildet und wehrte ihn mit Leichtigkeit ab.
„Na, magst du nicht mehr deine Kräfte einsetzen?“, fragte sie schließlich.
Ivo sagte nichts dazu, sondern versuchte den plötzlich einsetzenden Schmerz im Kopf zu ignorieren und weg zu atmen. Aber immer, wenn er dachte, jetzt hätte er ihn besiegt, wurde die Intensität der Energieentladung erhöht. Das ging so lange, bis er nur noch schrie. Erst als er aus den Augen blutete, wurde die Stärke zurückgenommen, bis nur noch ein leichtes Pulsieren zu spüren war. ‚Du solltest mich sie töten lassen. Alle müssen vernichtet werden’, sagte seine dunkle Seite voller Zorn. Durch die ausgestandenen Schmerzen wurde sein Wille schwächer. Lange würde er die Mauer nicht mehr aufrecht erhalten können.
„Noch nicht“, flüsterte er müde. ‚Ich bin jederzeit bereit, hervor zu treten’, sagte die Stimme wieder und Ivo fühlte sich lächeln. Das sah Doktor Hess und sie wusste, dass sie endlich Ergebnisse bekommen würde. Sie musste nur die Angst des jungen Mannes weiter erhöhen, dann würde er schwach werden.

Ivo erschrak, als der Helm weiter gesenkt wurde und fühlte, wie sich feine Nadeln in den Kopf zu bohren begannen. Nun ließ auch die Spinalanästhesie nach und er hatte wieder die Kontrolle über seinen Körper, zumindest glaubte er es. Als die erste Nadel die Hirnrinde erreichte und einen Impuls abgab, wurde er von einem heftigen Krampfanfall geschüttelt. Er bekam nicht mit, wie die Wissenschafterin zufrieden nickte und das Gerät neu justierte.
„Enorm!“, rief sie. „Einfach großartig! Mit so deutlichen Ergebnissen hätte ich nicht gerechnet. Also, die Maschine, die kann schon was.“ Sie schaute noch einmal auf den Probanden, der halb bewusstlos war und schaltete dann das Gerät aus.
„In ein oder zwei Tagen wirst du so weit sein, dass wir dich für unsere Zwecke einsetzen können.“
Ivo starrte sie nur mehr an, zu allem anderen fehlte ihm die Kraft. Aber jetzt wusste er, dass sie nicht nur auf seine eigenartige Genstruktur aus waren, sondern ihn zu einer Waffe machen wollten.
„Wenn wir dich entschlüsselt haben, dann wirst du uns freudig dienen.“ Sie tätschelte seine Wange und schlug dann unvermittelt zu. Ivo traten Tränen in die Augen, dann flüsterte er: „Und ich bleibe dabei: Die Gedanken sind frei.“
„Deine Provokationen sind auch nicht mehr das, was sie mal waren, also spare dir lieber den Atem.“

Als sie weg war, versuchte er mit Sven Kontakt aufzunehmen, aber irgendetwas hielt ihn zurück, auch Brigitt konnte er nicht erreichen und das Band zwischen Zwillingen war am stärksten. Jetzt fühlte er sich einsam und verlassen, im Stich gelassen und ausgenutzt.

Doktor Hess war zufrieden mit den Ergebnissen. Ihr Proband war ruhig und machte alles mit, was sie von ihm verlangte. Es hatte mehrere Versuche gebraucht, damit sie die richtige Justierung des Hirnstromgenerators herausfand. Nun war es ein Leichtes, sein kindliches Ich und das Über-Ich des dunklen Bruders von dem erwachsenen Ich zu trennen.

Am dritten Tag seit die Versuchsreihe begonnen hatte, war es soweit. Diese Testreihe war beendet und Doktor Hess ging zum Nächsten über.
Als der Helm abgenommen wurde, kannte sich Ivo nicht aus. Er wusste nur, dass ihm jemand unermesslichen Schmerz zugefügt hatte. Als sie die Fixierbänder löste, rollte er sich auf der Seite zusammen und weinte wie ein kleines Kind. Sein Bewusstsein war das eines Vierjährigen und genauso verhielt er sich jetzt.
„Mama?“, flüsterte er und hob vorsichtig den Kopf. „Wo bin ich?“ Er versuchte die Tränen zu schlucken, als er die Frau am Bett bemerkte. Sie strich ihm über den Kopf, lächelte und sagte: „Du bist im Krankenhaus, Ivo.“
„Wo ist meine Mama?“
„Deine Mama hat dich hier abgegeben, sie will sich nicht mehr um dich kümmern“, sagte sie und wirkte dabei sogar traurig und betroffen.
„Das glaub ich dir nicht“, sagte er nach einer Weile des Nachdenkens trotzig
„Glaub was du willst, Kleiner. Ich habe deine Mutter gesehen, als sie dich brachte und sofort wieder ging. Sie hat gesagt, dass sie jetzt Sven hat, da braucht sie dich nicht mehr.“
„Du lügst!“, schrie er und warf ihr ein Kissen an den Kopf. Dann weinte er und versteckte sich unter der Decke.
Svetlana Hess grinste selbstzufrieden, jetzt konnte sie beginnen die Erinnerungen neu zu programmieren. Er war auf der Stufe eines Kleinkindes. Was für ein Erfolg für die Wissenschaft. Sofort ging sie in ihr Büro und gab Meldung an die CPU, anschließend rief sie Lenard an und zusammen feierten sie das mehr als gute Ergebnis.

Ivo weinte bis er nicht mehr konnte. Er fühlte sich elend, hilflos und von allen verlassen. „Mama“, sagte er ganz leise und verkroch sich tiefer im Bett. Er wollte nicht mehr hervorkommen. Die Decke schien ihm ein gutes Versteck zu sein, es war warm und kuschelig. Ja, hier würde er bleiben und nie mehr herausschauen, dachte er.

Etwas später bekam er Durst und er lugte vorsichtig hervor. Ein Laborant war geblieben und beobachtete ihn. Den Anblick fand er erstaunlich, da lag ein fast ausgewachsener Mann unter der Decke und benahm sich wie ein Kind.
„Hallo?“, machte Ivo unsicher, dann sah er den fremden Mann und verkroch sich wieder.
„Na du“, sagte nun der Laborant und kam näher. „Ich bin Josh, du bist Ivo, nicht wahr?“
Ivo nickte und setzte sich auf. Er fand es nicht sonderbar, dass er genauso groß wie der Mann ihm gegenüber war. In seinem Kopf war er ein kleiner Junge, der durstig, hungrig und verängstigt war.
„Hast du was zu trinken für mich?“, fragte er und schaute angestrengt an Josh vorbei.
„Warte, ich frage mal den Doktor, ob du schon trinken darfst.“
Der Laborant ging kopfschüttelnd zum Kommunikator und gab die Neuigkeiten an Doktor Hess durch. „Warte noch, ich komme gleich und nehme Doktor Renner mit“, sagte sie. Josh konnte sie förmlich vor Freude strahlen sehen.

Als die beiden Wissenschafter das Labor betraten, saß Ivo mit angezogenen Beinen am Bett und wiegte den Oberkörper vor und zurück. Er erkannte Doktor Hess und fragte: „Wann kommt denn meine Mama?“
„Ich habe dir schon gesagt, dass sie nicht kommen wird. Sie hat dich gegen Sven eingetauscht.“
Wieder begann er zu weinen, sein ganzer Körper zitterte unter den Schluchzern. „Das ist nicht wahr. Mama würde das nie tun“, flüsterte er. „Mama, komm und hol mich nachhause.“
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
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Ich habe noch eine Frage an euch ...
Wie findet ihr die Übergänge?
Sind die einzelnen Handlungen über die Personen zu kurz oder passen sie? Soll ich da was ändern, oder passt es so von der Länge der einzelnen Passagen? *gruebel*

unsicherbin Herta
Also für mich passen die Wechsel ganz gut,
nur wenn sie in einem Posting geschehen, wäre eine Leerzeile mehr ganz gut. Aber es ist nur eine Millisekunde, dann bin ich wieder voll im Geschehen!
Du hältst gut die Spannung auf einem sehr hohen Level. Ich weiß nur nicht, wie das bei kontinuierlichem Lesen in einem Buch wäre. Vielleicht würde der Leser dann irgendwann aufgeben. Will sagen, wäre vielleicht mit dem andauernd hohen Spannungsbogen überfordert.
Hier sind die Zwangspausen zwischen den Postings die benötigte Erhohlung.
Ich bin sobald ich die Mailüberschrift lese, sofort gespannt wie ein Flitzebogen.
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
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Danke ... *freu2*

huch, ich weiß zur Zeit nicht mehr wirklich was ich denke *ggg*

Aber was ich jetzt machen werde, kurzfristig etwas Tempo rausnehmen. Ich schreibe jetzt wieder bei jemand anders weiter und das kann ich ruhiger angehen. Wir brauchen alle wieder etwas Luft zum Atmen. *faechel*

Das mit der Leerzeile werde ich machen, da hast du recht.

Liebe Grüße
Herta
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
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Etwas zur Entspannung und ein neuer Mitspieler ;-)
Die Ärzte schauten sich an und für den Moment waren sie tatsächlich von der kindlichen Trauer und Sehnsucht betroffen.
„Befremdlich“, flüsterte Doktor Renner. „Da sitzt ein Mann und heult wie ein Kind. Befremdlich.“ Er schüttelte sich, so hatte er sich das Ergebnis der Testreihe nicht vorgestellt.
„Ja, das sind auch meine Gedanken. Hoffentlich versucht das nie einer bei …“ Schnell brach sie ab und verbannte alle Befürchtungen in den hintersten Winkel ihres Gehirns und schützte sich durch eine Mauer der Professionalität.


Brigitt war in ihrem Versteck. Die kaputte Hose hatte sie gegen die Uniform eines Soldaten getauscht, der ihr in den Weg gekommen war. Sie hatte ihn kurzerhand niedergeschlagen, ausgezogen und mit dem Gürtel an einen dünnen Baum gefesselt. Damit er nicht rufen konnte, hatte sie die Socken geopfert und ihm als Knebel in den Mund gestopft.
Jetzt wartete sie bereits zwei Tage auf eine Gelegenheit um Alex zu befreien. Sie hatte noch immer keine Idee, wie sie in das gut bewachte Lager kommen sollte und wie lange diese Leute noch hier bleiben würden. Das einzige, das sie wusste war, dass es hier nicht sicher war. Langsam tat ihr auch der Gefangene leid, der so elend, nur in Unterwäsche bekleidet, am Baum saß und jede ihrer Bewegungen mit seinem Blick verfolgte. Vorsichtig schlich sie zum Fluss und trank das kalte Wasser. Da kam ihr der Gedanke, dass der Soldat schon fast zwei Tage nichts getrunken hatte und sie bekam ein schlechtes Gewissen. Also kroch sie zurück und sagte leise aber in drohendem Tonfall: „Ich mach dich los, dann kannst du mit an den Fluss und trinken. Aber wehe wenn du zu schreien oder fliehen versuchst, dann bist du tot.“ Brigitt wusste nicht, ob sie im Zweifel töten könnte, aber sie war überzeugend gewesen. Der Soldat verhielt sich ruhig also verzichtete sie auf den Knebel.
Nachdem beide getrunken hatten, suchte Brigitt ein neues Versteck. Sie schlich noch etwas näher ans Lager heran, da sagte der Mann: „Geh nicht da entlang, da sind Bewegungsmelder installiert. Halte dich mehr nach links.“ Er hatte so unvermittelt gesprochen, dass sie erschrocken stehen blieb und sich fragte, warum er ihr diese Information gab. Aber noch hielt sie sich mit der Frage zurück und ging ein Stück in die andere Richtung. Nach mehreren hundert Metern, sie waren nahe am Fluss geblieben, hielt sie an. Die Stelle schien ihr geeignet zu sein, weil es viel Strauchwerk gab, unter dem man sich verstecken konnte.
„Wenn du mich losmachst, kann ich dir helfen“, bot er sich an. Brigitt warf ihm nur einen kurzen abschätzenden Blick zu, dann band sie ihn wieder an einen Baum. „Ruhe, sonst kneble ich dich wieder“, sagte sie leise. Dann richtete sie ein Lager unter den Büschen und holte ihren Gefangenen. Sie hatte überlegt, ob sie ihn freilassen oder einfach so zurücklassen sollte. Beides brachte sie nicht übers Herz, so musste sie sich auch um ihn kümmern. ‚Dafür habe ich die warme Uniform’, dachte sie und schaute kurz auf den frierenden Mann. Sie schaffte ihn in die Höhle aus Ästen, die sie etwas vergrößert hatte und setzte sich auf den Boden. Die ständige Angst vor Entdeckung hatte sie ermüdet. Es war schon lange her, dass sie gut geschlafen hätte. Aber sie wagte nicht, mehr als eine kurze Zeit die Augen zu schließen. Im Sitzen döste sie weg und schrak auf, als der Soldat zu reden begann: „Wenn ich dir verspreche, nicht zu fliehen, nimmst du mir dann die Fesseln ab?“
„Ich trau dir nicht. Wenn ich einschlafe, nimmst du mich einfach mit zu deinen Leuten und das war’s dann für mich“, entgegnete sie hart.
Er seufzte, legte den Kopf in den Nacken und versuchte ein Schaudern zu unterdrücken.
„Warum bist du nicht weggelaufen, wie es dein Begleiter gefordert hat?“
Darüber wollte sie nicht nachdenken. Sie war sich selbst nicht im Klaren darüber, was sie bewogen hatte, ihre andere Aufgabe fallen zu lassen und stattdessen Alex zu retten, oder es zumindest zu versuchen.
„Ich lasse meine Freunde nicht im Stich“, sagte sie schließlich leise.
„Siehst du, das ist der Unterschied, bei uns wird jeder, der im Einsatz verloren wurde, als getötet registriert und ausgemustert. Ich bin quasi ausgemustert. Wenn ich jetzt zurückkäme, dann hätte ich erhebliche Probleme. Außer natürlich, ich hätte eine Gefangene.“ Er grinste als er das sagte.
„Genau deshalb bleibst du festgebunden.“
Sie lächelte kurz und legte sich dann hin. Er musste sitzen bleiben. Langsam ging ihm ihr Gehabe auf die Nerven. „Wie heißt du eigentlich?“, fragte er schließlich um sich von der Kälte abzulenken, die an seinem Gesäß hoch kroch und ihm eine ständige Gänsehaut bescherte.
„Brigitt“, sagte sie nur und schaute ihn nicht einmal an.
„Ich bin Ron Christensen. Es freut mich, dass ich jetzt deinen Namen kenne.“
Sie schnaubte nur verächtlich und drehte sich auf die andere Seite. Aber Ron wollte jetzt noch nicht mit Reden aufhören. Er wusste, womit er ihre Aufmerksamkeit erringen konnte, deshalb sagte er: „Weißt du, dass es nicht die Armee ist, die deinen Freund gefangen hält?“
„Wer denn sonst?“, erwiderte sie brüsk, wendete sich jetzt aber ihm zu. Sehen konnte sie nicht viel, weil es bereits dämmerte und in der Geästhöhle war es dunkler als draußen.
„Wir haben die gleichen Uniformen und sind in Zurick stationiert, aber wir sind eine Einheit, die direkt der CPU unterstellt ist.“
„Warum erzählst du mir das?“, fragte sie, als er nicht weiterredete.
„Wir werden Inlandschutz genannt, und sind eine Sondereinheit zur Terrorbekämpfung. Aber ich glaube nicht, dass du ein Terrorist bist, oder dass es tatsächlich so viele gibt, wie uns die weiß machen wollen. Mach mich bitte los, meine Hände sind schon ganz taub.“
„Die Hände bleiben wo sie sind.“ Brigitt blieb hart.
Wieder seufzte er, sagte aber nichts mehr dazu. Er wollte den Bogen nicht überspannen, sie langsam auf seine Linie bringen.
‚Wie peinlich, ich habe mich von einem Mädchen überrumpeln lassen. Mann, die hat vielleicht einen Schlag drauf’, dachte er nicht zum ersten Mal. Sie war plötzlich hinter ihm gewesen und noch bevor er reagieren konnte, hatte sie ihm schon etwas auf den Kopf geschlagen. Insgeheim musste er grinsen, wenn er daran dachte, wie sie nackt am Feuer gestanden war und mit dem brennenden Ast auf seine Kameraden losgegangen war. Er verstand nicht, dass sie keinen Schießbefehl bekommen hatten, dann wäre es schneller gegangen und er müsste nicht hier in Unterwäsche an einen Baum gefesselt sitzen und frieren. Ron ärgerte sich über seine Vorgesetzten.
Als er Brigitt regelmäßig atmen hörte, versuchte er den Gürtel zu lösen mit dem sie ihn gefesselt hatte. Sie schien sehr erschöpft zu sein, weil sie sich nicht regte. Endlich hatte er die Schnalle erwischt und er zog und zerrte so lange, bis sie sich öffnen ließ. Erleichtert atmete er auf und rieb sich die Handgelenke. Er überlegte gerade, was er weiter tun sollte, da sah er, dass sie ihn anschaute. Sein erster Impuls war, sie zu fesseln und ins Lager zu bringen, dann überlegte er es sich anders. Warum er das tat, wusste er selbst nicht und er konnte es sich sein ganzes Leben lang nicht erklären. Er setzte sich neben sie und sagte: „Schlaf weiter.“
Brigitt war so erstaunt, dass sie nichts sagen konnte. Die Müdigkeit lastete schwer auf ihr. Seit mehreren Tagen hatte sie nicht mehr geschlafen und nun forderte ihr Körper die entgangene Ruhe ein und zwang sie nieder. Sie beschloss, ihm zu vertrauen, sie wusste nicht, wie lange er schon ungebunden gewesen war, als sie es bemerkte. Es wäre ihm ein leichtes gewesen, sie wegzuschleppen. ‚Wenn ich nur wüsste, was der vorhat’, dachte sie und ärgerte sich wieder einmal, dass sie ihre Fähigkeiten blockiert hatte.
Es dauerte nicht lange und sie döste wieder ein. Kurz darauf weckte sie ein leichter Tritt in die Hüfte. Erschrocken fuhr sie in die Höhe und hörte ihn sagen: „In der Uniform ist ein Peilsender versteckt.“
Als würde sie der Stoff verbrennen, riss sie sich die Kleidung herunter und begann sie abzutasten. „Reich sie mir rüber, ich nehme sie heraus“, sagte er. Doch sie ignorierte ihn und fand schließlich im Kragen und im Hosenbund die Microsender. Entschlossen griff sie nach einem schweren Stein und schlug darauf ein.
„So! Das wär’s“, sagte sie und zog sich wieder an.
Ron schüttelte ungläubig den Kopf und meinte dann ganz leise: „Jetzt hast du mich getötet. Wenn der Sender zerstört wird, gehen sie davon aus, dass man entweder gefangen genommen wurde oder wie in den meisten Fällen desertiert ist. Klasse! Wenn sie mich erwischen, bin ich tot. Warum traust du mir nicht?“
„Ich traue niemandem“, antwortete sie kühl.
Er schaute sie eine Weile an, schüttelte immer wieder den Kopf und schlang die Arme um den Körper damit er es wärmer hatte.
„Ist ja wirklich toll! Ich bin tot und du traust mir nicht! Das finde ich echt klasse von dir. Zuerst schlägst du mich nieder, entführst mich und dann zertrümmerst du mein Leben. Echt nett von dir, dass du dich so um deinen Gefangenen kümmerst“, bemerkte er sarkastisch. „Außerdem finde ich es so was von nobel von dir, dass ich mir hier den Hintern abfrieren darf während du meine Uniform trägst.“ Er redete sich jetzt richtig in Rage und Brigitt hatte es die Sprache verschlagen. „Nein, nein! Ist schon in Ordnung so, vielleicht hole ich mir ja eine Lungenentzündung und ich krepiere hier, dann brauchst du dich nicht mehr um mich zu kümmern. Warum hast du mich denn nicht gleich umgebracht?“
Jetzt wurde auch Brigitt wütend.
„Das werde ich noch machen, wenn du nicht sofort still bist“, fuhr sie ihn an.
„Ach so?“, seine Stimme triefte vor Sarkasmus. „Das will ich sehen. Du bist müde und ich bin ausgeruht, ich werde nicht viel ins Schwitzen geraten.“
Kaum hatte er geendet, da griff ihn Brigitt auch schon an. Der Kampf dauerte wirklich nicht sehr lange und wurde von beiden Seiten mit unfairen Mitteln geführt. Einmal dachte Brigitt schon, jetzt hätte sie ihn, nachdem sie ihm einen kräftigen Tritt in den Unterleib verpasst hatte. Doch noch während er sich krümmte hatte er sie an den Haaren gepackt und bald rollten sie über den Boden. Brigitt war aber so erschöpft, dass sie nicht lange durchhielt. Rittlings saß er auf ihr und schaute sie schwer atmend an. „Ich bin beeindruckt“, sagte er schließlich. „Das habe ich mir einfacher vorgestellt.“
„Bring es hinter dich“, fauchte sie.
Doch er grinste, als er wieder ruhig atmete und nahm ihr die Kleidung weg.
„He! Und was ist mit mir?“ Sie war empört über diese Kaltschnäuzigkeit.
„Das ist meine Uniform, deshalb werde ich sie tragen. Mir war jetzt lange genug kalt. Sei froh, dass ich es ernst gemeint habe und dich nicht dem Inlandschutz ausliefere.“ Auch Rons Stimme klang kalt.
‚Ich bring ihn um. Irgendwann’, dachte Brigitt und überlegte, wie sie jetzt Alex befreien sollte. Sie wusste nun, dass es Bewegungssensoren um das Lager gab und auch, dass es sich um eine Spezialeinheit handelte. Sie rückte an einen Platz, wo viel Laub am Boden lag und rollte sich darin zusammen. Dann gab sie sich ihrem persönlichen Elend hin.
‚Wow, die Frau hat einen Schlag drauf. Gut, dass sie müde war, sonst hätte ich mich mit meiner großen Klappe blamiert’, dachte Ron und schaute anerkennend auf den Laubhaufen, wo sie verschwunden war. Auch ihre Art, wie sie den Verlust der Kleidung ohne mit der Wimper zu zucken hingenommen hatte, fand er beeindruckend. Es gab nicht viele Menschen, die das so würdevoll annehmen würden.

Er ließ Brigitt mehrere Stunden schlafen und versuchte sich klar zu werden, was ihn bewogen hatte, doch nicht zu seiner Einheit zurückzukehren. ‚Sicher nicht, wegen ihres Aussehens’, dachte er und wurde vor Verlegenheit rot. Jetzt tauchten diese verbotenen Bilder in seinem Kopf auf, die er tunlichst vermeiden wollte. Er hatte schon von Leuten gehört, die wahnsinnig wurden, weil sie daran gedacht hatten. Schnell versuchte er alle Gedanken zu verdrängen und verbot sich schließlich an Brigitt zu denken oder an eine andere Frau oder an irgendjemanden.

Brigitt schlief schlecht. Ihr war kalt, der Boden war hart und sie machte sich Sorgen um Alex. Die ganze Zeit über musste sie an ihn denken und wie es ihm wohl ergehen mochte. Sie machte sich Vorwürfe, weil sie nicht sofort zurückgeeilt war. Aber alle diese Gedanken brachten sie nicht weiter, sie erinnerten sie nur daran, dass sie diesen Soldaten am Hals hatte, den sie nicht verstand.

Gegen Morgen hielt sie es nicht mehr aus. Sie fror entsetzlich und sie hatte noch immer keine Idee, wie sie Alex aus den Klauen des Inlandschutzes befreien konnte.
Zitternd rollte sie sich aus den Blättern und legte die Arme um sich. Jetzt war sie es, die in Unterwäsche dasaß und sich dumm vorkam. Um das zu überspielen kroch sie zum Fluss und starrte ins Wasser. Eine Weile später kam Ron nach und legte ihr die Jacke um die Schultern. „Dir ist kälter als mir. Wir werden uns abwechseln, in Ordnung?“
Sie nickte nur. Dann sagte er weiter: „Und jetzt lass uns mal überlegen, wie wir deinen Freund aus den Fängen des Sicherheitsdienstes bekommen.“
Das deckte sich so sehr mit ihren eigenen Gedanken, dass sie ihn nur erstaunt anschauen konnte. Wie kam es, dass dieser fremde Mann, der zum Militär gehörte, ihr helfen wollte? Kurze Zeit später fragte sie ihn das. Er wartete mit einer Antwort sehr lange, dann sagte er schließlich: „Ich denke, ich bin verrückt geworden. Du hast mit deinem Schlag meine Gedanken durcheinander gebracht.“
„Was hat dich nur dazu gebracht, zum Inlandschutz zu gehen?“, fragte sie neugierig geworden.
„Gar nichts, man entscheidet sich nicht für dieses oder jenes. Man wird dorthin gestellt, wo sie einen haben wollen und hat gefälligst zu funktionieren.“ Er wusste selbst nicht, warum seine Stimme plötzlich so hart klang und warum er ihr das erzählte. Aber sie hatte etwas, das Vertrauen erweckte. Es war nicht so, dass sie unschuldig aussah oder übermäßig nett war, es war ein Ausdruck in ihren Augen, der Offenheit verriet. Ron konnte es sich selbst nicht erklären, er redete einfach weiter. „Am liebsten wäre ich etwas anderes geworden, aber jetzt ist sowieso alles aus und vorbei. Du hast meine Kennung vernichtet und sie sehen mich jetzt als Flüchtigen.“
„Aber wie hätte ich das sonst vernichten sollen?“
„Gar nicht, ich hätte es herausgerissen und in den Fluss geworfen.“
„Das hättest du aber auch gleich sagen können.“ Sie merkte, dass er gleich aufbrausen würde, dann fügte sie grinsend hinzu: „Aber ich fürchte, es hätte nichts genutzt. Ich war ganz schön in Fahrt.“
„Ja, das warst du. Jetzt lass uns nachdenken, wie wir deinen Freund dort herausbekommen.“ Er zeigte in die entsprechende Richtung. Dann griff er in eine der zahlreichen Hosentaschen und zog einen Kalorienriegel hervor. Er halbierte ihn und gab eine Hälfte an Brigitt weiter. Er rieb sich nachdenklich über den Nasenrücken und sagte: „Ich wüsste schon, wie wir ins Lager kommen und vielleicht sogar wieder heraus. Aber die Idee ist wahnwitzig, hirnrissig, absolut gefährlich und wahrscheinlich werden wir alle dabei draufgehen.“
Interessiert beugte sich Brigitt vor und meinte nur: „Dann lass mal hören.“
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Fortsetzung
Sie hatten das Gefühl, schon Stunden in der Dunkelheit marschiert zu sein. Sven wäre am liebsten schneller gegangen, aber er musste Rücksicht auf Celia und James nehmen, die sich hier nicht wohl zu fühlen schienen. James bildete den Schluss, er konnte nicht viel erkennen, nachdem sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Er sah einzig dunklere Schemen aus der Finsternis auftauchen. Es gefiel ihm hier ganz und gar nicht, aber noch weniger wollte er von der Gedankenpolizei gefasst werden. Er kannte nicht viele Leute, die sich dem Regime so offen widersetzten wie er es getan hatte, das ließ ihn schaudern. Viele Jahre hatte er sich um das Experiment C3-14 gekümmert, das jetzt endlich einen Namen hatte. Er hatte ihr das Sprechen beigebracht und war ihr so etwas wie ein Erzieher gewesen, was er nie sein wollte. Er hatte noch Medizin studiert und noch während des Studiums er in das genetische Labor abkommandiert worden. Diese Arbeit hatte er vom ersten Tag an gehasst aber nie gewusst, wie er sich dagegen wehren sollte. Er ahnte, dass die meisten Angestellten dort, den Dienst nur mit Widerwillen verrichteten, was sie wieder auf die Probanden projizierten. Seinen Abschluss hatte er nicht mehr machen können. ‚Die benehmen sich, als ob die Menschen so etwas wie Spielfiguren wären. Wer sich widersetzt wird ausgemustert’, dacht er ärgerlich, stieß mit dem Fuß gegen einen Stein und fluchte leise.
„Sven, hast du eine Ahnung, wie weit wir noch gehen müssen? Langsam tun mir die Füße weh und ich habe schrecklichen Durst“, sagte Celia und James brummte bestätigend. Er war auch müde und nicht nur durstig.
„Keine Ahnung. Ich dachte immer, hier unten würde es Siedlungen geben, aber ich kann nichts erkennen, nur den Weg, der uns unter der Stadt entlangführt. Sehr komisch, wenn ihr wisst was ich meine. Aber ein Schluck Wasser wäre jetzt genau richtig.“ Er wollte unbekümmert klingen, brachte aber auch seine wachsende Besorgnis nicht aus der Stimme.

Sie gingen noch etwa eine Stunde als Sven beinahe ins Leere gestolpert wäre. Er war so in Gedanken versunken gewesen, dass er den Abgrund zu spät bemerkt hatte und nun wild mit den Armen rudernd davorstand. Celia reagierte prompt und packte ihn entschlossen am Kragen. Zitternd stand Sven da und starrte auf das Loch, das sich plötzlich vor seinen Füßen aufgetan hatte. Er hatte es nicht gesehen, der Weg schien gerade dahinzuführen und so war er unbekümmert ausgeschritten. Auch Celia schauderte.
„Das war knapp“, flüsterte er. „Ich sollte wohl besser aufpassen.“
„Junge, was machst du für Sachen?“, schimpfte James, der ebenfalls erschrocken war. „Wir gehen jetzt noch ein Stück und wo etwas mehr Platz ist, machen wir Rast.“
Celia und Sven stimmten kleinlaut zu. Sie umrundeten vorsichtig den Abgrund, es führte ein schmaler Weg herum und dann gingen sie noch ein Stück abwärts.
Celia hörte sie als erste, aber sie dachte nicht daran, alarmiert zu sein oder die anderen zu warnen. Für sie war es wie die Stimmen, die sie oft in ihrem Inneren wahrnahm.
„Da vorne ist ein breiter Platz“, sagte jetzt Sven und atmete erleichtert auf, als er so etwas wie Behausungen erkannte. „Das scheint eine Siedlung zu sein.“

Kaum hatten sie die Mitte des Platzes erreicht, wurden sie schon von zahlreichen blassen Menschen umringt, die feindselig mit Steinen, Stöcken und Schusswaffen auf sie zielten und mit Lampen blendeten.
„Scheiße“, sagten alle Drei wie aus einem Mund.


Ivo hatte ein neues Zimmer bekommen in dem er sich wohler fühlte und nicht mehr ängstlich auf dem Bett kauerte. Langsam begann auch das Bildungsprogramm von Svetlana und Lenard zu wirken. Er weinte weniger und seine Wut auf den Bruder, der ihm die Mutter weggenommen hatte, steigerte sich. Sie hatten ihm Spielsachen gebracht und zeigten ihm Bilder des modernen, schönen Eumeria. Sie präsentierten ihm nur lachende Gesichter, glückliche, spielende Kinder und freundliche Leute. Er wollte auch dazugehören. Also verdrängte er die Angst vor dem Fremden und wurde zugänglicher. Jede Information und jede Freundlichkeit nahm er begeistert auf.
Nur die Abende fürchtete er. Da wurde er ans Bett geschnallt, der Helm wurde ihm aufgesetzt und er musste eine Stunde bewegungslos darunter ausharren, bevor sie ihn wieder davon befreiten. Die Ärztin erklärte ihm, dass das notwendig sei, um seine Krankheit zu heilen. Woran er litt, sagte sie ihm nicht.

Die Nächte waren noch schlimmer. Er war mit seinen furchtbaren Träumen alleine und wagte oft nicht, einzuschlafen. In den Träumen sah er einen anderen Ivo, einem größeren, der ihm sagte, dass er belogen und betrogen wurde. Der erwachsene Ivo konnte nur hervorkommen, wenn der andere schlief und er war erschüttert, was mit ihm gemacht wurde. „Kleiner Ivo, mein Freund, gib mir deine Hand und vertraue mir. Ich bin doch dein großer Bruder, dein großes Ich. Du musst dich nicht vor mir fürchten“, sagte er und hoffte, dass er dem Kind genug Kraft geben konnte, auch den nächsten Tag zu überstehen. Aber der Kleine wurde immer stärker manipuliert und so fiel es dem Erwachsenen immer schwerer, Zugang zu dem kindlichen Teil seines Ichs zu erlangen. Eines Nachts versuchte Ivo, Kontakt mit dem Über-Ich aufzunehmen. Aber das war noch radikaler und verjagte ihn, mit der Bemerkung, er brauche keine Weicheier, um sich stark zu fühlen, der Tag der Abrechnung würde kommen. „Sven wird dann erkennen müssen, dass ich der stärkere von uns bin“, diese Worte ließen ihn zusammen fahren und resignieren. Dennoch hielt er jede Nacht ein wachsames Auge auf die abgespaltenen Bewusstseinsebenen. „Wenn ich nur wüsste, was ich tun kann“, überlegte er und verzweifelte. Er sah keine Möglichkeit, der raffinierten Gehirnwäsche zu entkommen. Svetlana war liebenswürdig und nett. Lenard schien nach Leibeskräften um sein Wohl besorgt und erfüllte jeden nur denkbaren Wunsch, nur nicht den, nachhause zu dürfen. Das war etwas, das der kleine Ivo immer wieder verlangte. Sein großer Wunsch in die Heimat zu dürfen, war es auch, der eine vollständige Reprogrammierung verhinderte.
Der kleine Ivo sagte eines Abends, er war müde und wollte nicht unter den Helm gesperrt werden: „Svetlana, du tust mir weh, wenn du mir das Ding aufsetzt. Bitte, lass mich heute früher schlafen. Ich bin müde.“
Das war so ungewöhnlich, dass sie seinem Anliegen nachkam. Sie strich ihm über den Kopf und sagte: „Aber nur für heute und wir sagen es niemanden. Ich warte hier noch eine Weile, bis du schläfst.“
Sie wollte es sich nicht eingestehen, aber sie hatte das Kind ins Herz geschlossen. ‚Er ist kein Kind’, berichtigte sie sich selbst. ‚Ich habe ihn dazu gemacht. Ist es richtig, was ich mache?’ Immer öfter schlichen sich solch häretische Gedanken in ihr Hirn. Verzweifelt versuchte sie diese zu verdrängen. Tagsüber gelang es ihr relativ leicht, aber am Abend wurden sie intensiver, da war sie mit Ivo allein und wenn sie ihn ansah und er vertrauensvoll in kindlicher Art sprach, gab es ihr einen Stich. ‚Wie kann ich das einem Menschen antun?’ Wieder so eine Frage auf die es keine Antwort gab. Um sich abzulenken überlegte sie, wann sie den dunklen Bruder wecken sollte, oder ob es auch anders ginge. ‚Nein, die Macht muss geweckt werden, die CPU will es wissen und sie wollen Ergebnisse. Ich kann ihn halten und soweit bringen, dass er genau das tut, was ich verlange. Er ist nichts weiter als eine Maschine, C3-15, das darf ich nicht vergessen.’ Ihre Selbstgespräche liefen immer nach dem gleichen Muster ab. Wenn sie sich das gesagt hatte, ging sie in ihr Zimmer, verriegelte die Tür und legte sich schlafen, nicht ohne vorher etwas zur Beruhigung eingenommen zu haben.
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
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Teil wieviel ... ich zähle nicht ...
Alex musste einige Tage in dem Transporter ausharren, bis endlich ein Telepath bei ihm vorbeischaute. Sie ließen sich absichtlich Zeit, um ihn mürbe zu machen. Er fand es unbegreiflich, dass sie ihn nicht zur Befragung nach Sunflower brachten. Stattdessen war noch immer an die Karosserie des Wagens gekettet.
Elend fühlte er sich, ausgetrocknet und am Ende. Zweimal am Tag brachte ihm jemand einen Napf mit Wasser. Sie stellten es einfach neben ihn auf den Boden und gingen wieder. Die ersten Male hatte er alles verschüttet, mit am Rücken gefesselten Händen war es schwer, an die Flüssigkeit zu gelangen. „Helft mir doch“, versuchte er zu sagen, doch er brachte nur ein klägliches Krächzen zustande. Um an das Wasser zu kommen musste er sich weit nach vorne beugen, was seine Arme schmerzhaft nach hinten und oben zog, dann zur Seite neigen und vorsichtig mit dem Mund der Schüssel nähern. So konnte er mit viel Glück an das Wasser heran und trinken, es war mehr schlürfen oder lecken. Aber es gelang ihm nicht jedes Mal, wenn er den Napf umstieß, musste er durstig bleiben.

Die Telepathin betrachtete ihn mit hochgezogenen Augenbrauen, wie er sich mit der Flüssigkeit abmühte. Als sie dachte, er hätte jetzt genug, stieß sie den Topf einfach mit dem Fuß weg. Dann zog sie ihn, an den noch immer sehr kurzen, Haaren in die Höhe und schaute ihm tief in die Augen, in denen Tränen der Wut standen.

„Wer bist du und was hast du vor? Und komm mir ja nicht mit irgendwelchen Lügenmärchen!“, herrschte sie ihn an.
„Ich bin Professor Doktor Alexej Ingmar Smirnov, Vorsitzender des archäologischen Vereins und Gastdozent …“, begann er müde mit leiser Stimme zu sprechen.
„Ich kenne deinen Namen! Ich will, dass du sagst, dass du ein Terrorist bist!“
„Ich bin Alexej Ingmar Sm…“, wieder wurde er unterbrochen.
„Du bist ein Terrorist! Sag es und ich kann dir die Sondierung ersparen.“
Alex schüttelte verneinend den Kopf. Das würde er nie sagen. Sicher, nach Ansicht des Regierungsapparats, war jeder Regimegegner ein Terrorist, aber er hatte nicht vor, jemanden zu töten oder zum Töten aufzufordern.
„Also, noch einmal, wer bist du?“
„Alexej Ingmar Smirnov, Doktor der Geschichte …“
Wütend geworden weitete sie ihr Bewusstsein und drang in seine Gedanken ein. Er schrie auf, als sie versuchte in den Erinnerungen zu suchen. Es dauerte nicht lange und auch die Telepathin atmete schwer und musste sich setzten. Um sich besser konzentrieren zu können, griff sie an seine Stirn und versuchte es noch einmal. Das einzige, das sie herausfand, waren sein Name und seine Titel, sonst nichts. Ebenfalls erschöpft und zornig zog sie sich zurück. Alex war fix und fertig, Blut tropfte aus seiner Nase und den Ohren. Er konnte nur noch stoßweise atmen, aber er war standhaft geblieben, hatte nichts verraten, seine Gedanken fest in der Hand gehabt, sie wie einen Schatz gehütet und verteidigt mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Jetzt war er froh, dass die Frau aufgegeben hatte. Die Ruhepause, die man ihm gönnen würde, das wusste er, würde nicht lange währen.
So lag er jetzt auf der Seite, die Arme nach hinten oben gestreckt und versuchte wieder zu Atem zu kommen.

„Das war nur ein kleiner unbedeutender Sieg“, sagte die Frau. „Den Krieg hast du nicht gewonnen, Terrorist.“ Sie drehte sich um und verließ den Wagen. Draußen rief sie nach dem Hauptmann, der sofort erschien.
„Ich brauche den Helikopter und zwar prompt. Fordern Sie ihn umgehend an. Bei dem da komme ich mit der normalen Sondierung nicht weiter. Da muss ich andere Geschütze auffahren, um an Antworten zu kommen.“
Der Hauptmann reagierte sofort und wies einen Unteroffizier an, Verbindung mit der CPU aufzunehmen. „Was ist mit der anderen Flüchtigen?“, fragte er dann.
„Sie suchen weiter. Hier irgendwo muss sie sein, weit kann sie ja nicht gekommen sein. Ziehen sie einen engeren Suchradius. Die ist im Wald, ich kann sie beinahe fühlen. Aber es ist wie bei dem da drinnen, da ist etwas, das meine Suche hindert. Verdammt“, sagte sie und rieb sich die Stirn. Sie hatte Kopfschmerzen. Telepathische Arbeit war anstrengend und wenn es ein Eindringen gegen den Willen des anderen war, war es noch einmal so schwer.
„Sie wurden uns als die beste Telepathin empfohlen und als solche auch zur Verfügung gestellt. Warum klappt es nicht? Sind Sie vielleicht nicht so gut, wie wir annahmen?“ Der Hauptmann war beleidigt, weil sie ihn herumkommandierte und an seiner Fähigkeit zweifelte. „Das können Sie nicht beurteilen. Maßen Sie sich keine Kritik an meiner Arbeit an!“
„Wie Sie meinen, Frau Rozier“, sagte der Einsatzleiter, drehte sich um und ließ sie stehen.

Eine Stunde später war der Hubschrauber eingetroffen. Alex wurde hineingezerrt und Emilie Rozier setzte sich neben ihn.
Als sie bereits einige Minuten in der Luft waren sagte sie: „Schöne Grüße von Doktor Landon. Edita ist eine Freundin von mir.“


„Nein!“, schrie Brigitt und starrte auf den abhebenden Hubschrauber. Schon wollte sie ihm nachlaufen, doch Ron hielt sie zurück, sein Plan hatte sich eben in Luft aufgelöst.
Uff,
fast unerträglich, wohin Du mich mitnimmst, doch ich bin gefesselt und will es gar nicht anders!

*schock*laf
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****ra Frau
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Weiter geht's ... ein Stück hinab in die Dunkelheit
„Komm, schnell weg hier. Die werden jetzt ausschwärmen“, drängte der ehemalige Inlandschützer und zog sie am Arm weg. „Als erstes brauchst du jetzt wirklich was zum Anziehen. Und dann müssen wir einen neuen Plan machen. So ein Mist auch.“ Er schimpfte die ganze Zeit über, während er Brigitt, die sich heftig sträubte, wegzerrte.
„Jetzt ist Alex weg. Alle sind weg. Ich bin ganz alleine“, flüsterte sie und konnte ein Schaudern nicht unterdrücken. Niemals war sie zuvor derart von der Familie abgeschnitten gewesen. „Blödsinn“, sagte Ron. „Du bist nicht alleine. Außerdem werden wir wieder einen Plan schmieden. Ich kann gut Pläne schmieden, du wirst schon sehen.“
Dann liefen sie weiter in den Wald und warteten. Zuerst war es nötig, dass Brigitt Kleidung bekam. Das wollten sie auf die gleiche Weise machen, wie sie es schon einmal versucht hatte, aber diesmal etwas radikaler. Ron tat es leid, den Mann niederzuschlagen und an den Baum zu binden, aber er sah keine andere Möglichkeit. Er war ihnen vom Lager aus gefolgt und sie hatten ihn erst bemerkt, als er schon Meldung gemacht hatte. Schnell zog Brigitt seine Sachen an, sie waren viel zu groß, Ron hatte vorher noch die Kennung herausgetrennt. Immer am Fluss entlang bis sie den Waldrand erreichten, liefen sie. Dort hielten sie an, um sich zu orientieren. In der Ferne konnten sie die mächtige Skyline von Sunflower erkennen. „Dort sind alle die ich liebe“, sagte Brigitt im Abendrot. „Und jetzt gehe ich auch dorthin.“
„Ja, wir gehen in die Höhle des Löwen.“ Ron grinste. Er freute sich, weil ihm dieses alte Zitat eingefallen war. Die letzten paar Tage hatte ihm Brigitt einiges zum Nachdenken gegeben. Sie hatte von Eumeria erzählt, als wäre es das grässlichste Gefängnis überhaupt. Am Anfang war er empört darüber gewesen, dann war ihm nach und nach aufgegangen, dass sie recht hatte. Die Elite, die Senatoren und Fabrikanten, hatten allesamt eine viel höhere Lebenserwartung als der Rest der Bevölkerung. Sie verwalteten auch alles Geld, das im Umlauf war und gaben nur wenig Kredite her und wenn, dann nur zu horrenden Zinsen. Dem Volk wurde Bildung bis zu einem gewissen Grad ermöglicht, war sogar kostenlos. Studieren durfte hingegen nur der Elite-Nachwuchs, deshalb war es auch so erstaunlich gewesen, als Alex in die Universität aufgenommen worden war. Brigitt hatte Ron weiters von den Gen-Labors erzählt, wo Menschen gezüchtet werden sollten und an ihnen Versuche unternommen wurden. Er hatte das alles nicht glauben wollen, es nicht wissen wollen. Dann hatte sie gelacht und gesagt, sie werde ihm jetzt den größten Witz aller Zeiten erzählen. Er konnte nur mit offenem Mund starren, als sie sagte: „Die Gedanken sind frei.“

Nun starrten beide in den Sonnenuntergang und wussten nicht, wie sie über die weite Ebene in die Stadt gelangen sollten. Hinter sich hörten sie die Soldaten des Inlandschutzes näher rücken und vor ihnen war keine Deckung.
Brigitt straffte sich, dann lächelte sie, strich sich das Haar aus der Stirn und sagte: „Langsam und gleichmäßig jetzt – los! Wir rennen!“ Früher war sie oft gelaufen, sie war eine gute Läuferin, aber ob sie die Strecke bis zum Stadtrand schaffen würde, bezweifelte sie. Es war einen Versuch wert. Einmal war sie fünfzig Kilometer in einem durchgelaufen, das würde sie wieder schaffen müssen.

Vor ihnen flog eine Drohne, es war unvermeidlich gewesen, dass ihr Entkommen aus dem Wald bemerkt wurde. Trotzdem hielten sie das Tempo bei. Es hatte keinen Sinn, sich jetzt schon zu verausgaben.

Langsam rückten die Häuser näher, Fabriken waren am Stadtrand zu erkennen. Hinter sich hörten sie die Einsatzwagen des Inlandschutzes. Jetzt beschleunigten sie doch ihren Schritt. Brigitt änderte die Richtung und hielt auf ein Fabrikgebäude zu, das sich nur wenige hundert Meter von ihnen entfernt befand. Sie legten ihre ganze Kraft in einen letzten Sprint.



„Scheiße, Mist verdammter! Lasst mich los! Ich bin der Sohn von Robert Nielsson, er stammte von hier! Lasst endlich los, ihr …“ Eine Hand traf klatschend seinen noch offenen Mund. Mit der Schnelligkeit einer Schlange biss er zu. Der Mann stieß einen zornigen Schrei aus und schlug ihn mit einem Stock. Daraufhin wurde Sven ruhig und er wurde ebenso wie die anderen abgeführt. Die Leute des Untergrunds, waren in den letzten zwanzig Jahren mehrfach von den Eumeriern angegriffen worden und viele Siedlungen wurden von der Sauerstoffzufuhr abgeschnitten, was einen unbändigen Hass auf Eumeria zur Folge hatte. Jeder Kontakt zur Oberwelt wurde verboten.
Sven fand sich mit den anderen in einer Kammer wieder. Sie waren eingeschlossen.
„Na das war ja ein toller Schachzug. Wir sind von der Schlachtbank entkommen und direkt ins Feuer gesprungen“, sagte James und rutschte an der Wand zu Boden.
„Wenn ich nur wüsste, wie Vaters Freund heißt, dann hätten wir vielleicht einen Fürsprecher.“
„Ich glaube nicht, dass das was bringen würde. Die sind voller Hass auf uns“, entgegnete Celia.
Die Kammer, in der sie sich befanden, war klein und die Decke niedrig. Wenn Sven die Hand ausstreckte konnte er sie berühren. Er fühlte abgebröckelten Stuck und Spinnweben. Feiner Putz rieselte herab, als er mit der Hand darüber fuhr. „Lass das bitte“, sagte James, der von dem Staub bedeckt wurde. „Entschuldige, ich höre schon auf. Ich wollte mich nur ablenken.“

Die Untergrundbewohner hatten sich versammelt und überlegten, was sie mit diesen sonderbaren Gefangenen machen sollten. Mehrheitlich waren sie dafür, die drei einfach zu erschießen und sie in einen Graben zu werfen oder sie gleich in den Abgrund zu stoßen und sich die Munition zu sparen.
„Das können wir nicht machen! Habt ihr den Jungen gesehen? Er sieht aus wie einer von uns. Was ist, wenn er wirklich der Sohn von Robert ist?“, verschaffte sich einer, den sie Will nannten, Gehör.
„Du glaubst wohl jedem. Gerade du müsstest wissen, was diese Monster von oben mit uns gemacht haben!“, rief der Bürgermeister.
„Und wie ich das weiß! Ich weiß auch, dass ich ohne die Hilfe zweier bestimmter Eumerier heute nicht mehr am Leben wäre und fünf von uns auch nicht. Wo sind Annika, Sybilla, Philipp und George? Und wer wird sich die Mühe machen und Rieke befragen, die ja nicht mehr laufen kann?“ Will sprang auf, stemmte die Hände in die Hüften und funkelte jeden einzelnen an. Er wusste, dass Eumeria viel Leid über sein Volk gebracht hatte, aber er sah nicht ein, dass er dafür jemand anders als das System verantwortlich machen sollte.
„Ich bin dafür, dass wir mit dem Jungen reden“, sagte Annika, die seit ihrer Gefangenschaft in einem oberirdischen Labor blind war. „Was sagt mein Bruder dazu?“
Phillip wand sich. Er war noch immer voller Hass und Abscheu gegen die Oberweltler, wie er sie verächtlich nannte. Diese Einstellung teilte er mit der Mehrheit der Untergrundbewohner.
So diskutierten sie eine lange Zeit dahin und kamen auf keine Einigung. Will und Annika verließen aufgebracht die Versammlung, als sie nur noch Beschimpfungen ernteten.
„Was jetzt, Anni?“
„Pah! Die sind ja alle verrückt!“, rief sie aufgeregt. „Bring mich zu ihnen!“
Nun versuchte Will, sich herauszureden, wenn auch halbherzig. Schließlich gab er nach und brachte sie zum Gefängnis. „Was hast du vor, Anni?“, fragte er, als sie vor der Tür standen und den jungen Wächter um den Schlüssel baten.
„Die Tür bleibt zu. Erst wenn ich vom Bürgermeister die Erlaubnis erhalte, werde ich aufschließen“, sagte er streng.
„Ach Terry, ich will doch nur einen Moment mit dem Jungen reden“, entgegnete sie und wandte ihm ihr Gesicht zu. Auch wenn sie keine Augen hatte, wirkte sie auf die meisten, als könnte sie sehr wohl etwas erkennen. Mit den Jahren hatten sich ihre anderen Sinne geschärft und die Leute hatten Respekt vor ihrer Scharfsichtigkeit entwickelt.
Sie hielt solange ihr Gesicht auf seines gerichtet, bis er nachgab. Für Will war das jedes Mal ein Schauspiel. Er kannte den treuherzigen Ausdruck, der sich um ihren Mund und den Augenwinkeln breitmachte, wenn sie etwas wollte, das ihr verwehrt wurde. Die Weigerung dauerte nie lange, so auch diesmal.
„Will muss draußen bleiben“, brummte er, als es ihm schon unbehaglich wurde. Dieser Ausdruck in ihrem Gesicht war wie eine Strafe für diejenigen, die ihr etwas verweigern wollten. Fast jeder gab deshalb Annika nach und ihr wurden viele Dinge erlaubt, die andere nicht hatten oder tun durften.
Jetzt schloss Terry die schwere Tür auf und sagte: „In fünf Minuten hole ich dich wieder heraus und wenn was ist, dann klopfst du. Ich will es nicht auf mein Gewissen laden, wenn dich diese verdammten Oberweltler töten.“
„Du brauchst dir wegen nichts die Schuld zu geben, Terry. Es ist mein Wunsch und ich übernehme die Verantwortung dafür, also spare dir dein Gerede.“
Er schob die Tür auf und brachte Annika in die Kammer.

Eine Welle der Angst schlug ihr entgegen und sie keuchte auf.
„Ich möchte mit dem reden, der gesagt hat, dass er der Sohn von Nielsson ist“, sagte sie.
Sven trat vor und erstarrte als er in ihr Gesicht blickte. Ihn schauderte, weil die Ärzte das auch mit ihm vorgehabt hatten. Celia legte ihre Hand beruhigend auf seine Schulter. Seit einiger Zeit nahm sie seine Gedanken beinahe mühelos wahr. Jetzt war er nicht nur erschrocken, sondern auch erschüttert. Er konnte die fremde Frau nur anstarren.
„Ich bin Annika Palmer“, sagte sie und streckte ihre Hand zum Gruß nach vor. Sven ergriff sie automatisch, dann fragte er: „Was willst du von mir?“
„Was ist mit Robert? Ist er wirklich dein Vater und wie kann er an der Oberfläche überleben? Sie sagen, dass er uns verraten hat, stimmt das? Aber was am wichtigsten ist, seid ihr Spione?“
Sven begann nun zu lachen, als er all diese Fragen hörte, dann wurde er schnell wieder ernst. „Robert Nielsson war mein Vater, er ist tot, wurde von der Armee getötet und wir sind keine Spione. Wir sind der Polizei mit knapper Not entkommen. Kaum denken wir, dass wir jetzt in Sicherheit sind, rums, der nächste Hammer und wir sitzen hier fest!“, Sven redete sich warm. Endlich konnte er seinen Frust artikulieren. „Es ist doch einfach nicht zum Aushalten! Da versuchen wir meinen Bruder zu retten und selbst nicht geschnappt zu werden und schwups, kommen wir von einer Falle in die nächste. Mir reicht es langsam! Überall sind die Menschen gleich dumm. Du kannst deinen Leuten sagen, dass wir nur durchgehen wollten und … ja, das war’s dann auch schon. Vielleicht hätten wir euch noch um Wasser und Nahrung gebeten, aber mehr nicht.“ Er atmete laut aus und fühlte sich plötzlich leer. Celia stellte sich neben ihn, sie hatte noch immer die Hand auf seiner Schulter. James stand hinter den beiden. Wenn Annika sie sehen hätte können, dann wäre das Bild bedrohlich gewesen. So nahm sie nur wahr, wie sie enger zusammenrückten und sich leise unterhielten. Es herrschte eine Vertraulichkeit unter ihnen, die Annika ausschloss. Sie konnte es nicht verhindern, dass ihr ein Seufzen entfuhr. Danach sagte sie: „Ich wollte nur vermitteln, Will lassen sie nicht zu euch, der ein guter Freund von Onkel Robert war. Vielleicht ist der Mehrheitsbeschluss doch richtig und ihr seid gefährlich.“
„Will! Ja genau, das war der Name!“ Sven klopfte sich an die Stirn und fuhr weiter fort: „Wenn ich doch nur besser aufgepasst hätte, als Vater von seinem zuhause erzählte. Oft hat er nicht gerade darüber geredet, aber ich fand es langweilig, das Leben in der Dunkelheit. Aber ich weiß, dass er einen Will erwähnte und Mutter hat ihn auch mehrmals erwähnt.“
„Wer ist deine Mutter?“, fragte sie nun erst recht neugierig geworden.
„Agnes Lindstrom.“
„Nein! Doch nicht die, die uns mit Onkel Robert befreit hat, wobei ihr Freund gestorben ist? Alle hier wollen das anders auslegen, denn kurz nach unserer Befreiung wurden wir das erste Mal angegriffen und das ist dann eine lange Zeit immer wieder passiert. Es wurden zwar keine Menschen mehr entführt, aber sie haben uns von der Luft abgeschnitten. Wir haben Phasen großer Sauerstoffknappheit hier unten und immer mehr Leute sterben“, führte sie aus, wobei sie kerzengerade stand, keine Bewegung vollführte und die Arme ganz fest an die Seite gepresst hielt. Sie wirkte wie jemand, der seiner Gefühle nur Herr werden konnte, wenn er sie fest verschlossen hielt und der Körper diente als Gefäß.
Sven und die anderen beiden waren betroffen von ihrer Aussage. Er wollte gerade etwas sagen, als die Tür aufgedrückt wurde und Terry hereinstürmte.
„Annika! Raus jetzt! Das hat lange genug gedauert. Es sind Spione und basta!“, damit fasste er sie am Arm und wollte sie hinausziehen. Durch die Berührung war sie aus ihrer Erstarrung erwacht und sie pflückte die Hand von ihrem Arm als wäre sie ein lästiges Etwas. „Ich war noch nicht fertig“, sagte sie eisig.
„Du bist fertig“, herrschte er sie an und jetzt packte er sie mit beiden Händen und zog sie rückwärts aus der Kammer.
„Nein!“, rief sie und auch Sven schrie. „Annika! Ich habe die Wahrheit gesagt, ihr müsst uns glauben. Ich will doch nur zu meinem Bruder und sehe keinen anderen Weg als diesen.“
Niemand hörte auf ihn und die Tür verschloss sich mit einem endgültigen Klick.
„Verdammte Mistkerle“, schrie Sven und hämmerte gegen die Tür. „Wenn wir wirklich böse wären, dann wärt ihr schon tot! Hört ihr! Wir hätten euch vernichten können, jederzeit!“
Jetzt erholte sich auch James von seiner Erstarrung und er sagte: „Celia, wenn du nicht zu müde bist, kannst du die Tür öffnen?“
Sie lächelte in der Dunkelheit: „Es wird mir ein Leiches sein, James. Es ist ein einfaches Schloss.“
Vorsichtig tastete sie sich vor, griff mit ihrer Fähigkeit hinaus ins Türschloss und die Tür schwang mit einem Knarren nach innen auf.
„Und jetzt werden wir zu der Versammlung gehen“, bestimmte James. „Es ist an der Zeit, hier einige Dinge klar zu stellen.“ Jetzt war es am Wächter zu starren. Er lief ihnen händeringend nach und fluchte dabei, dazwischen rief er: „Stehenbleiben! Das könnt ihr nicht machen! Ihr seid Gefangene!“
Sven, der den Schluss bildete sagte: „Halts Maul und komm mit.“ Er war richtig wütend geworden, weil hier anscheinend keiner Willens war, auch nur ansatzweise zuzuhören.


Alex konnte nichts mehr sagen. Er war noch immer erschöpft nach dem Gedankenkampf.
„Sie hat es so gedreht, dass ich dich befragen konnte. Mittlerweile hat sie noch eine andere Position, wenn du weißt was ich meine.“
Alex schüttelte den Kopf, er wusste nicht, was sie meinte.
„Sie ist Cheftelepathin des Inlandschutzes. Wie sie das geschafft hat, ist mir ein Rätsel, aber sie hat mir den Auftrag gegeben, dich zu holen und das habe ich gemacht. Warum zum Kuckuck hast du nur das dumme Mädchen mitgenommen?“
Er verstand nur die Hälfte von dem was sie sagte, es war einerseits zu laut in dem Hubschrauber und andererseits fiel es ihm schwer, sich zu konzentrieren. Es schien alles keinen Sinn zu ergeben. Warum sollte Edita in so eine Position vorgerückt sein und was war der Inlandschutz? Davon hatte er noch nie etwas gehört. Es musste eine höchst geheime Organisation sein, sonst wäre in den Medien darüber berichtet worden und sie hätten nicht zur Tarnung die normalen Armeeuniformen.
„Ich bin zu alt dafür“, murmelte er. „Was macht ihr mit Brigitt, wenn ihr sie findet?“ Seine Frage ging im Rotorenlärm unter, aber er hatte sowieso keine Antwort erwartet.

Der Flug kam Alex wie eine Ewigkeit vor, in Wirklichkeit dauerte er nicht einmal eine Stunde. Brigitt und er waren der Stadt näher gewesen, als sie gedacht hatten. Sie landeten auf einem hohen Gebäude. Die Fesselung wurde gelöst und er aus dem Flugobjekt gezerrt. Es fehlten ihm der Wille und die Kraft sich zu wehren, es hätte auch keinen Sinn gemacht. Er schüttelte nur die Hände ab, die ihn wieder fesseln wollten und sagte zu Emilie Rozier: „Ich komme freiwillig mit, erspart mir das.“ Sie nickte den Soldaten zu und sie ließen von Alex, hielten sich aber in Bereitschaft.

Er wurde in einen hell und freundlich eingerichteten Empfangsbereich geführt, wo ebenfalls jede Menge Soldaten Aufstellung bezogen hatten. Dort musste er warten. Gerne hätte er sich gesetzt, müde wie er war. Er fühlte wie seine Knie wackelten und sein Gehirn schien aufgrund des Flüssigkeitsmangels Pirouetten zu drehen, die Ohren lieferten die Melodie dazu. Dann wurde alles schwarz um ihn.

Die Schwärze blieb, als das Bewusstsein zurückkehrte. Alex versuchte sich zur Seite zu drehen und er merkte, dass er wieder festgebunden worden war. ‚Warum müssen die mich immer fesseln? Sehen die denn nicht, dass von mir keine Gefahr ausgeht und ich sogar zu schwach bin, um mich auf den Beinen zu halten?’ Diese Fragen geisterten ihm im Kopf herum und bildeten eine Endlosspirale, die keine Antworten brachte, sondern neue Fragen aufwarf. ‚Hoffentlich ist Brigitt in Sicherheit. Armes Mädchen, warum habe ich sie nur mitgenommen und dann allein gelassen?’ Wieder eine sinnlose Frage, die sein Denken einen Kreistanz aufführen ließ.
„Bewirtet ihr eure Gäste nicht?“, fragte er schließlich und seine Stimme krächzte dabei, war kaum verständlich durch die Trockenheit und Taubheit der Zunge und des gesamten Rachenraumes. Lange Zeit bekam er keine Antwort, auch damit hatte er gerechnet. Langsam wurde es heller um ihn herum und er sah, dass er sich in einem beinahe weißen Raum befand. Viel konnte er nicht erkennen. Vor ihm befand sich ein Fenster, durch das jetzt Sonnenlicht drang und ihn blendete. Die Wand neben ihm war weiß, die auf der anderen Seite auch. Worauf er lag, konnte er nicht sagen, er fühlte nur die Gurte, die ihn festhielten. Auch sein Kopf war an die Unterlage geschnallt. Kein Geräusch war zu hören, es war eine unheimliche, fast grabartige Stille, die ihn umfing. Sie wurde nur durch das gleichförmige Ticken einer Wanduhr unterbrochen, die er nicht sehen konnte.

Er erschrak als die Monotonie durch ein weiteres Geräusch unterbrochen wurde und musste mit Bestürzung feststellen, dass es sein eigener Atem war, der pfeifend seine Lungen verließ.
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****ia Frau
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