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Das WandernSeine Stiefel setzten ihn Fuß vor Fuß.
Seine Beine und seine Füße folgten ihnen willig und selbstbewusst.
Na, ja, selbstbewusst jetzt gerade nicht.....
Aber er ging weiter. Durch den Schnee, durch den Regen.
Immer kräftiger schritt er aus, obwohl er nicht mehr gut gehen konnte.
Niemand bemerkte es, weil er es so gut verstecken konnte, dass er gehbehindert war.
Es kostete ihn die doppelte Anstrengung, aber er ging immer weiter.
Felder.
Flussdurchquerungen.
Eis und Schnee.
Regen und Matsch.
Trockene Wege, die staubten.
In Stiefeln, barfuß und in
Wanderschuhen.
Irgendwann einmal würde er vielleicht irgendwo ankommen. In einer Stadt z.B., in der er leben könnte. Geld genug hatte er, um in einer Stadt zu leben, ja.
Aber das wollte der Wanderer nicht!
Eine Stadt!
Das war für ihn so etwas, wie ein „Knast“.
Dafür war er nicht mehr geeignet.
Dafür war er zu alt.
Zu lange hatte er davon geträumt, Ruhe zu finden.
Die hatte er gefunden, als er als ganz junger Mann mit einem Freund gezeltet hatte.
In den Bergen.
Und im tiefsten Winter.
Minus 15 Grad, und die Gaspatronen, die man zum Kochen brauchte, mit in den Schlafsack genommen, damit das Gas nicht einfror.
Damals.
Der alte Mann lächelte, als seine Wanderstiefel ihn Fuß vor Fuß setzten.
So lange sie das taten, fühlte er sich noch nicht alt.
Seine Schritte lenkten sich einer Stadt zu.
Er kannte sie nicht, aber er begann, sich nicht mehr richtig wohl zu fühlen.
Es fühlte sich an, als ob es etwas wärmer werden würde auf seiner Haut, aber das war Einbildung. In seinem Inneren wurde etwas fühlbar kälter.
Der Wanderer erreichte eine Bushaltestelle am Rande der Stadt, auf die er sich zubewegt hatte. Lustig, wie sich die Schulkinder balgten und ihre Freude am Leben hatten. Der Wanderer beobachtete eine Schneeballschlacht um sich herum, ja er beteiligte sich sogar lebhaft an ihr.
Die Kinder fanden das lustig.
Erwachsene nicht.
Nein, er nahm nicht den Bus, er ging weiter.
Nahm den Weg in die Stadt.
Immer weiter.
Seine Außenhaut und sein Rucksack waren noch immer von Schnee bedeckt. Er war so gut ausgerüstet, dass seine Körperwärme nicht nach außen drang und die Kälte nicht in seine Kleidung.
Und trotzdem fröstelte es ihn ein wenig.
Und immer ein wenig mehr, ja näher er der Stadt kam.
Die Stadt.....
Es roch immer mehr nach Stadt!
Auf dem Weg seiner Stiefel begegnete ihm eine Katze.
Groß und schwarz, aber auch nicht schwarz, weil sie der Schnee teilweise bedeckte. Ihre Blicke begegneten sich halb, so wie man sich ansieht, als wüsste man voneinander. Der Blick der Katze verschwand in einer Hecke.
Irgendwo dahinter war ihr Zuhause...
Der Wanderer näherte sich der sich der Stadt immer mehr. Und immer weniger wohl fühlte er sich. Die Autos wurden mehr, und alles andere um seine Stiefel und seine Wahrnehmung herum wurde mehr.
Immer MEHR!
Schließlich erreichte er die Mitte dieser Stadt.
Künstliche Sonnen, die ihn blendeten.
Im Gegenlicht: Scheinwerfer, die durch die Gegend rasten.
Andere Menschen.
Hektisch auf der Suche nach irgend etwas.
Alle schauten auf eine Art „Schokoladentafel“, die ihnen wichtig war.
Eine Straßenbahn war so voll, dass es einem regelrecht übel werden konnte, wenn man sich vorstellte, dort auch noch hinein zu müssen.
Jemand rempelte ihn an.
Er nahm es gar nicht wahr, ging einfach weiter.
Auch dieser Mensch hatte eine „Tafel Schokolade“ in der Hand, wie die anderen.
Der Wanderer hatte den Eindruck, als hätten viele von den Menschen um ihn herum nasse oder kalte Füße.
Sie bewegten sich so komisch, genau so, als hätten sie nasse oder kalte Füße.
Das verstand er nicht.
Es gab doch so wundervolles Schuhwerk, in dem man trocken blieb und niemals fror???
Und was sie alles mit sich herumschleppten, das verstand er erst recht nicht.
Handtaschen, Plastiktüten, Beutel, viel zu kleine Rucksäcke.......
Dabei war es so einfach!
Alles, was man selbst in seinem Alter und mit seiner Gehbehinderung nicht notfalls auch über die Alpen tragen konnte, das
BRAUCHTE
man doch einfach nicht!
Lippgloss, Haargel, Designerjeans, Armani - Klamotten, Handcreme, Föhn, Kamm, Make-Up, Rasierer, Goretex, Instagramm, Lebensversicherung, Latex, schicke Schuhe, 500 PS, Überwachungskameras, eine Putzfrau, Geld, Parfum.........
Was man tatsächlich brauchte, waren:
Ein Rucksack, ein Zelt, ein warmer Schlafsack.
Wasserdichte Kleidung, ein paar Wanderschuhe, die ihren Namen auch zu Recht trugen, und ein Paar vernünftige Klamotten.
Einen Kocher vielleicht, wenn man zu blöde war, Feuer zu machen.
Eine Notfallausrüstung mit dem „Großen Roten Kreuz“ darauf.
Ein paar Müsliriegel, ebenfalls für den Notfall.
Ansonsten halt ein wenig
„Camping - Gerödel“.
Und ein bisschen was zu essen.
Alle sahen sie ihn aber ein wenig blöde an, diese Menschen in der Stadt.
Sie hatten halt keine Ahnung von dem, was man wirklich benötigt.
Aber alsbald schritt unser Wanderer über einen Markt.
Am Ende dieses Platzes war eine Bühne aufgebaut.
Mit Stühlen und Mikrofonen....
Viele Menschen standen davor irgendwie hirnlos herum.
Ein paar von ihnen hatten Hunde dabei.
An Leinen.
Einen von ihnen hat er heimlich mit den Resten eines Müsliriegels gefüttert, als jemand bereits von der Bühne herunter schrie:
„Es muss Schluss sein mit.......
….. wir müssen endlich anfangen damit, dass.....
…....... niemals darf
(dies oder jenes)
…............. geschehen!“
Das ging ohne Unterlass so weiter.
Ohne Sinn.
Ohne Inhalt.
Der Wanderer schälte sich höflich aus der Gruppe dieser Menschen heraus. Aufgrund seines Rucksacks war das gar nicht so einfach, weil er die Nähe der Menschen zu stören schien, die sich eng zusammengedrängt hatten.
„Migration“ hörte er jemanden über das Mikrofon, als seine Stiefel ihn weitertrugen.
Und Worte wie:
„Ende“
Und „Alternative für irgend etwas“ war auch dabei, als er sich sicheren Schrittes wieder weiter und weiter von diesem Ort entfernte.
Unter seinen Stiefeln knirschte es.
Im gefrorenen Schnee.
Hatte er vergessen, sich für diese Gesellschaft angemessen anzuziehen?
Oder hatte er es vielleicht versäumt, mit Umstehenden die gerade angesagte Handcreme auszutauschen???
Darüber und über noch Vieles mehr hat der Wanderer nachgedacht, als es sich einen Platz zum Schlafen suchte.
„Nachrichten“ :
Am Morgen des 26. November wurde eine unbekannte Person von einem Gemeindearbeiter in einem Zelt tot aufgefunden.
Laut polizeilichen Ermittlungen wird nicht von Fremdeinwirkung ausgegangen.