Eine kleine Weihnachtsgeschichte
Eine kleine Weihnachtsgeschichte - oder eine ganz nicht so ganz stille NachtIch blicke aus dem Fenster in den Innenhof, dort herrscht ein emsiger Besucherstrom. Die meisten sind bepackt mit Geschenken, Gebäck und prall gefüllten Taschen. Eilenden Schrittes steuern sie auf den Eingang des Gebäudes zu. Auf den Stationen herrscht geschäftiges Treiben. Die Besucher wollen noch schnell ihren Angehörigen einen Besuch abstatten, ihnen das Christfest so schön wie möglich machen. Sie in der Hoffnung schwelgen lassen, zumindest Ostern wieder vereint Zuhause feiern zu können.
Aber nicht in den Räumlichkeiten meiner Kurzzeitbleibe. Denn meine Mitbewohner, ich eingeschlossen sind entweder freiwillig hier, oder aus dem Wunsch heraus der Einsamkeit zu entfliehen. Im besonderen dem Jährlich wiederkehrenden Turnus der Vorweihnachtszeit. Einem Staffellauf gleichend. Viermal Stabübergabe bei der der letzte Stabwechsel in den Heiligen Abend finalisiert. Oder der Zieleinlauf Das Christfest selbst bedeutet. Es wabert nicht der Duft von Plätzchen, Glühwein, Punsch oder Tannenbäumen im Raum. Auch nicht das Odeur eines Gänsebratens mit Knödeln, nach einem Entenbraten mit Beilagen. Die Räume weisen keine Dekorationen auf die irgendwie an das Geburtsjubiläum von Jesus erinnern. Keine vom Vorweihnachts-Burnout gebeutelten Gesichter um mich herum. Viele der Leute hier auf der Station sind einsam und auch alleine. Sie haben keine Angehörigen oder Freunde mit welchen sie Feierlichkeiten, genießen können. Vor allem an Weihnachten. Sie haben die Nase voll vom diesem Zauber in den letzten Wochen eines Jahres. Familien rücken näher zusammen, man besorgt seinen Liebsten Präsente, in den Medien wird das Fest der Liebe hoch gejubelt und der Konsum an gekurbelt. Das Fest der Liebe ist für sie eine Schmach. Sie fühlen sich als die Verlierer in diesem Spiel.
Heute empfinden wir uns als eine Familie die etwas gemeinsam hat. Bei Klängen zu AC/DC, Getränken, die so überhaupt nichts mit Weihnachten zu tun haben, lassen wir uns es gut gehen. Keine getragenen Weihnachtslieder die Frieden oder Stille proklamieren. Die einzigen Türen und Tore die heute weit geöffnet sind, sind die Türen auf den Stationen. Mit der Ausnahme der geschlossenen Abteilung. Später versammeln wir uns ums Feuer. Angefüllt mit Happyleptika. Das Brennmaterial war in seiner vorigen Funktion das Fortbewegungsmittel von Santa Claus. Schließlich benötigt er bei den Frühlingshaften Wetterkapriolen den Schlitten schon seit Jahren nicht mehr. Eines der Zugtiere dreht am Spieß über den Flammen. In der Kirche nebenan stimmen die Menschen das Weihnachtslied der Weihnachtslieder an.
Als ich den letzten Satz der letzten Strophe höre, werde ich nachdenklich. Wer ist der Retter der nahe ist? Robin Hood? Superman, Lucky Luke, Winnetou? Nicht überall ist diese Nacht heuer heilig und still. In anderen Gebieten unserer Welt fallen Bomben, es sterben unschuldige Menschen, Anarchie und Terror bestimmen den Alltag. Die kleinste Motivation Frieden wieder herzustellen wird mit Gewehrsalven nieder gestreckt.
Wir hingegen singen aus voller Kehle die Lieder die aus den Boxen röhren. Sie haben nichts mit der Glücksseligkeit und Melancholie des Weihnachtsbrauches zu tun. Wir, das sind keine Anhänger der Blasphemie oder Kirchengegner. Wir sind einfach nur vom Glauben abgefallen. Wollen heute aber nicht alleine sein, zumindest einen von 365 Tagen im Jahr. Was bei uns heute fallen könnte ist höchstens das Glas aus dem man trinkt. Dafür steigt die Stimmung kontinuierlich. Der Duft von Rentier Rudolphs am Spieß kross brutzelnden Kollegen ist allgegenwärtig und steigert den Hunger auf ein saftiges Stück Fleisch. Wir feiern noch lange, bis zum Hahnenschrei. Am nächsten Tag geht man auseinander, aber nur für kurze Zeit. Denn an Silvester, ist die Station wieder für uns reserviert.
Das ist auch gut so.