Pappbecher Prinzessinnen
Werden die meisten Kaffees von Frauen getrunken?Auf jeden Fall die in Pappbechern, die „Coffee to go“.
Vielleicht, weil Frauen mehr als Männer auf dem Sprung sind?
Männer nehmen eher einen Espresso – der ist auch aus einer Tasse schnell getrunken.
Frauen mögen die Milch und den zarten Schaum eines Caffè latte – zusammen mit einem vollen Tagespensum ergibt es eine umfassende „Run-and-Coffee-Diät“.
Am frühen Morgen halten sie an Bahnsteigen mit den dampfenden Bechern ihre Hände warm, während sie auf Züge warten. Sind sie im Abteil, wird der Becher vorsichtig platziert. Dann wird Make up aufgelegt, eventuell die Maniküre nachgeholt, telefoniert oder gesmst, auf den Knien ein Laptop oder ein Buch, in den Ohren die Kopfhörer des i-pod.
Am Zielbahnhof gibt es Kaffee-Nachschub, bevor sie in die U- oder Straßenbahnen stöckeln.
So tauchen sie aus den Tiefen der Stationen ins Morgenlicht auf. Zum dick um den Hals geschlungenen Schal tragen sie auch an bedeckten Tagen eine Sonnenbrille, haben große Taschen umgehängt, schicke Einkaufstüten in der Hand und schon wieder das Telefon am Ohr. Dabei muss eine Hand für das Balancieren des Pappbechers frei bleiben. Nicht immer einfach, der Auftritt der erfolgreichen, viel beschäftigten Berufstätigen: Pefektes Make up, schimmernde Lippen zu lässiger Frisur, leicht gehetzter Blick zur Cover-Girl-Silhouette.
Manche kaufen den Pappbecher erst jetzt. In einem der schicken Coffee Shops, meist amerikanischer Herkunft, wird für´s Büro oder den Laden noch schnell ein Kaffeegemisch erstanden; wer es sich leisten kann nimmt sich ein Croissant, einen Bagel oder wenigstens den Salat für die Mittagspause mit. Andere gönnen sich dazu eine Zigarette noch in der Morgensonne, bevor sie in den No-Smoking-Areas des Tages untertauchen - mit einem Pfefferminzbonbon im Mund, sugar free.
Die knapp bemessenen Mittagspausen bieten dasselbe Bild.
Nach 19h ändert es sich: Nun gehen sie nach Hause, die Läden werden geschlossen, die Büros sind verlassen, die Züge wieder voll, doch die Hände ohne Becher, dafür volle Einkaufstüten oder Terminpläne für den nächsten Tag.
Die Prinzessinnen sind müde, das Make up hat sein Strahlen eingebüßt, wie sie ihren Schwung. Vielleicht freuen sie sich jetzt auf ein Glas Wein, das Bellen ihres Hundes oder das Lächeln eines Mannes - oder nur ein warmes Bad und ein stilles Bett.
Die Mülleimer der Innenstadt sind randvoll mit Pappbechern - im Mondlicht glitzert noch ein wenig Lippenstift an ihren Deckeln - wie eine Erinnerung oder ein Versprechen.
©tangocleo 2010