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Eisland

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****ia Frau
22.263 Beiträge
Themenersteller 
Eisland
Draußen weht noch immer der eisige Winterwind den Schnee über die Felder. Die Schneeglöckchen ziehen ihre kleinen Köpfchen ein und verharren ungeöffnet, während sie auf die wärmende Sonne warten.
Hier drinnen, wo ich ganz bei mir bin, ist es längst Frühling. Und ich habe Mühe, das für mich zu behalten, den Frühling zurückzuhalten. Würde ich jetzt vor meine Tür treten, die Sonne, die Wärme und das Grün würden das Land überziehen.
Aber noch ist es nicht so weit. Noch muss die Erde ruhen, muss schlafen und sich erholen vom Jahreslauf. So wie auch ich meine Kräfte noch sammeln muss, um den Winter zu bezwingen.
Doch es liegt schon so ein unbändiges Sehnen in der Luft. Die ersten Krokusse trotzen dem Eis und die ersten Lämmer werden geboren. Noch sind sie allein und ohne meinen Schutz. Zu früh drängten sie nach außen. Nur die Starken unter ihnen werden überleben.
Und auch ich sehne mich nach der Welt, nach den Blumen, dem Duft der feuchten Frühlingserde, den munter gluckernden Bächen, dem Vogelgezwitscher, dem emsigen Summen unzähliger Insekten, den Strahlen der Sonne, die ich um die Mittagszeit beinah hören kann. Und ich fühle meine Kräfte wachsen, seit die Sonne an Yul wiedergeboren wurde.
Noch harre ich aus, bis ich stark genug bin. Bis die reinigenden Flammen entzündet werden, so wie ich die Herzen der Menschen entflamme, auf daß sie dichten, singen und sich lieben.

Der Winter war dieses Jahr besonders hart. Inzwischen war es schon April geworden und noch immer war das Land von Eis und Schnee bedeckt. Viele der Alten und einige der Kinder waren bereits gestorben. Fast alle anderen waren krank. Sie husteten und so manchem fielen die Zähne aus. Die Vorräte gingen zur Neige. Aber das ganze Land war noch immer fest im Griff des Winters und in Kälte erstarrt. Lange würden sie nicht mehr überleben können. Die ersten Lämmer waren bereits geboren. Aber ihre Mütter waren nicht stark genug und hatten nicht ausreichend Milch und so verendeten sie.
Er hielt sich die Ohren zu, denn er konnte das klägliche Rufen nicht ertragen. Ebenso, wie er das Weinen seiner kleinen Schwester nicht ertragen konnte. Die Mutter war vor wenigen Tagen gestorben und so gab es auch für den Säugling keine Milch mehr.
Der Vater saß Tag für Tag nur noch mit glasigen Augen am Feuer. Ab und zu legte er ein Scheit nach und er, Erik, sorgte dafür, dass das Holz im Langhaus immer vorhanden war. Ja, Holz und Feuer, das hatten sie noch. Aber keine getrockneten Beeren mehr, kein Fleisch und auch kaum noch Getreide.
Wenn die Kälte draußen es zuließ, ging er hinaus um unter der dicken Schneeschicht nach Moos zu graben, das sie dann kochten.
„Vater, sag mir, wann der Frühling kommt!“
„Erik, der Frühling wird wohl nicht mehr kommen. Leg noch Holz nach! Und dann lass uns schlafen, so wie das Land schläft, um nicht mehr zu erwachen.“
„Das ist allein deine Schuld, Sven Gunnarson!“ hörte Erik die Großmutter zischen. Er konnte sie kaum verstehen, so keuchte sie und jeder Atemzug wurde von einem Hustenanfall begleitet.
Der Vater erstarrte und sagte mit hohler Stimme und leeren Augen: „Halt dein ketzerisches Maul, alte Hexe. Wir legen unser Leben in die Hand des Herrn, so, wie der Priester es uns aufgetragen hat. So kommen wir ins Himmelreich.“
In dieser Nacht hielt der junge Erik seine Ahnin im Arm, als diese ihre letzten, schmerzhaften Atemzüge tat. Und fast unhörbar flüsterte sie ihm zu: „Er ist nicht stark, dieser neue Gott am Kreuz. Er ist zu schwach für unser Land! Such die alten Götter!“
Hurra!
Die ist Spitze, die fast schon- noch nicht Geschichte!

auchzuschwach *bravo* laf
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Jaaaa ...
ich schließe mich Olaf an *bravo*
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Von Inhalt und Aussage her so richtig "mein Ding"! Und sehr schön erzählt!

(Der Antaghar)
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****ia Frau
22.263 Beiträge
Themenersteller 
herzlichen Dank, an die Leserschaft meiner g'spinnerten Ergüsse!
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****ia Frau
22.263 Beiträge
Themenersteller 
Eisland... es bleibt kalt
Längst ist es Zeit, dass ich hinausgehe in die Welt. Doch das Tor ist mir versperrt. Kein Feuer, das da brennt um meine Ankunft vorzubereiten. Keine Flamme, die mir den Weg durch die Finsternis weist.
So harre ich aus und schlafe in der warmen Dunkelheit der Erde. Meine Zeit wird kommen. Irgendwann.

Erik bedeckte die Leichen mit Schnee. Begraben konnte er sie in dem tief gefrorenen Boden nicht. Seinem Vater steckte er ein kleines Holzkreuz auf den eisigen Grabhügel. „Vater unser, der du bist im Himmel…“ und seiner Großmutter legte er die Münzen für den Fährmann auf die toten Augen „und große Mutter in der Erde. Wann werdet ihr gemeinsam ein Reich begründen, in dem es Frühling werden kann?“
Im fahlen Licht des nahenden Morgens brach er auf. Die Seinen, seine Sippe, ließ er zurück. Verdammt zum Sterben. Doch auch wenn er, der jetzt das Familienoberhaupt war, bliebe, sie würden sterben. Der Tod war immer eine sichere Sache.
So machte er sich auf, auf einen Weg ins Ungewisse. Er ging, wohin ihn seine kleinen Füße trugen. Oft stolperte er mehr, als dass er ging. Doch immer hielt ihn die Sehnsucht nach dem Frühling aufrecht.
Wie viele Tage er ging, wer mag das wissen? Wie viele Nächte sich sein kleiner Körper in der Kälte zusammenrollte und erschöpft einen Schlaf schlief, der dem Tode fast gleich kam?
Er kaute die Flechten, die er auf Steinen fand und das Moos, das er aus dem Schnee grub. Seine Begleiter waren die Sehnsucht, die Sterne und das unablässige Heulen des eisigen Nordwindes, der sein grausiges Lied sang.
„Wenn mich doch nur der Fenriswolf endlich verschlingen würde!“ sagte er sich ein ums andere Mal. Doch die Erinnerung an seine Sippe, an seine toten Eltern, die Großmutter und die kleine Schwester ließen ihn weitergehen.
Des Nachts träumte er von einem Land, das frei war vom Eis. Grün und satt zogen sich die Weiden der fetten Schafe über schier endlose Hügel. Adler kreisten über den Fjorden und Wein wuchs an den Hängen der Berge. Über all der Pracht thronte die Sonne um für jene, die unter ihr gingen, Leben zu spenden.
Des Morgens erwachte er kalt und hungrig und nur sein kindlicher Glaube war noch Antrieb, ihn auf den kleinen Füßen zu halten.
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Eine kalte
Geschichte schön weitererzählt. Ich friere mit dem kleinen Erik mit und hoffe, dass er die Sonne findet.

Danke *blume*

Herta
*sonne* *sonne* *sonne* *sonne* *sonne* *sonne*

*liegestuhl* *schwitz* *faechel* *ventilator*
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****ia Frau
22.263 Beiträge
Themenersteller 
es wird noch kälter...
Im Schlaf bemerke ich eine Anwesenheit, die mich unruhig werden lässt. Aber noch ist es nicht an der Zeit. Der Gennungagap ist nicht passierbar. Noch gibt es keine Brücke für mich über die gähnende Leere zwischen Feuer und Kälte. Es ist, als hätte der Fenriswolf die Sonne verschluckt und wolle sie nicht mehr ausspucken. Aber das scheint nur so. Ich schlafe nur. Und sammle meine Kräfte.

Zitternd vor Kälte strauchelte Erik mehr, als dass er ging. Den Hunger spürte er schon lange nicht mehr. Das Gefühl von Sattsein und Wärme war in unwirkliche Ferne gerückt. Aber noch immer schleppte er sich voran, ohne zu wissen, wohin.
Irgendwann waren die Kräfte des zähen, kleinen Körpers aufgezehrt und er konnte sein letztes Stolpern nicht mehr auffangen. Er landete mit Händen und Gesicht in eisigen Nadelstichen. Aber das spürte er nicht mehr. Viel zu abgestumpft war sein kleiner Körper vom Hunger und der Kälte.
Mit einem Mal waberten fließende Lichter in wogenden Farben vor ihm. Sie sahen aus, wie ferne, flammende Welten, wie ein Band zwischen diesem und dem zukünftigen Dasein. Wie eine leuchtende Lohe flammte das Licht am Himmel auf, aus der sich Schwäne erhoben, ihre Flügel schlugen, um das Eis von ihnen abzuschütteln. Im nächsten Moment sah er am Himmel die Seelen junger Frauen im Tanz, sah die Vereinigung von Morgenröte und Nordwind, wie sie sich wiegten in geheimer Zwiesprache.
Das alles geschah stumm. Aber er wusste, er musste weiterziehen, musste die Reifriesin Angerboda suchen, um diesen Fimbulwinter zu beenden.
Und so rappelte er sich auf und ging weiter, immer weiter gen Norden.
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Mich friert schon so ... und bei dir wird es immer kälter in der Geschichte.

Wenn ich könnte würde ich dem kleinen Erik etwas *sonne*
schicken - aber auch hier lässt sie sich nicht blicken.


*frier* Herta
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****ia Frau
22.263 Beiträge
Themenersteller 
Eisland... das Ende
Wenn die Tore sich doch nur endlich öffneten! Die Welt wartet schon zu lange auf mich. Bald muss eine Entscheidung fallen, sonst behält der Frost die Oberhand. Doch allein bin ich hier machtlos gefangen.

Woher er die Kraft zum Weitergehen nahm, das wusste Erik nicht. Aber immer weiter trieb es ihn. Irgendwann war er so weit im Norden, dass kein Licht mehr den Tag erhellte. Immerwährende Dunkelheit umgab ihn. Und dunkel wurden auch seine Gedanken. Er achtete nicht mehr auf seine Schritte, war völlig gefangen in seinem Trott und hatte inzwischen aufgegeben, sich zu Fragen, ob er seine Aufgabe überhaupt bewältigen könne. Er ging nur noch weiter, weil es nichts anderes zu tun gab. Und als er beinah alle Hoffnung aufgegeben hatte, sah er in der Ferne einen Feuerschein. Erst glaubte er, dass wieder seltsame Lichter am Himmel ihm eine bessere Zeit vorgaukelten, doch der Feuerschein blieb unverändert und stetig am Horizont und so ging er darauf zu. Beinah schon hatte er vergessen, wie es sich anfühlte, nicht zu frieren.
Endlich gelangte er an eine Höhle, in deren Eingang das rufende Feuer brannte. Mit einem letzten Seufzer der Erleichterung sank er in sich zusammen, war nur noch wimmerndes Kind, das ohne Beistand allein und krank in der kalten Fremde war.
Er erwachte in der warmen Umarmung einer riesigen Frau. Wie einen Säugling hielt sie ihn in ihren mächtigen Armen und sang Lieder für ihn, die über seinen Schlaf wachen sollten. Als sie bemerkte, dass er wieder bei sich war, lächelte sie ihn an und setzte ihn sanft neben sich auf ein dickes Schaffell.
„Hier, trink die warme Ziegenmilch, die wird dir wieder Kraft geben!“
Als er wieder zu Kräften gekommen war, schaute er sich verwundert um und fragte die Frau, wer sie sei.
„Wer ich bin, das weißt du nicht? Du hast mich doch gesucht! Ich bin Angerboda. Die Mutter von Hel, die Mutter der Midgardschlange und des Fenriswolfs.“
„Wenn du weißt, dass ich nach dir gesucht habe, Angerboda, dann weißt du auch warum! Warum wird es nicht mehr Frühling? Warum stirbt die Welt?“
„Weil die Menschen nicht mehr glauben, Erik! Sie vollziehen die Rituale nicht mehr!“
„Und was muss ich tun, Angerboda? Was kann ich tun?“
„Entzünde das Feuer. Singe die Lieder der Wiedererweckung. Und… töte mich! Töte mich, auf dass mein Blut die Erde hier tränke. Erst dann wird der Gennungagap, die Brücke zwischen Feuer und Eis, wieder frei und der Frühling kann erwachen. Töte mich!“
„Dich töten? Aber du hast mein Leben gerettet!“
„Wer die Welt retten will, muss Opfer bringen. Töte mich und vergrabe mein Herz hier unter einem Stein. Dann werde ich im Herbst wieder erwachen.“
Er tat, wie sie ihm aufgetragen hatte. Er entzündete das Feuer, sang die Lieder und unter heißen Tränen stach er der Frau sein kleines Messer bis ins Herz. Das Blut ergoss sich über den Boden, so, wie ihr Leben aus ihr heraus floss. Als die Frau lächelnd ihren letzten Seufzer getan hatte, schnitt er ihr das warme Herz aus der Brust und vergrub es unter dem Stein. Er gedachte seiner Lieben, die er begraben und der Sippe, die er in der größten Not verlassen hatte. Und er weinte viele Stunden tränenlos bis er in einen tiefen Schlaf sank, der ihn in eine Traumwelt führte.

Das Tor ist geöffnet. Nun endlich kann ich hinaus in die Welt. Es werde Frühling!

nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Es wird ...
Frühling, gerade noch rechtzeitig. *sonne*

Danke, dass du sie fertig geschrieben hast. Eine sehr mythologische Geschichte, könnte fast eine alte Sage sein.

Gefällt mir *top*

Herta
Die Höhle kenn ich selbst...
Und mir fällt dazu Tobacco Road von Eric Burdon ein.
Bisschen anders, aber auch Gänsehaut, wenn man es übersetzt.

*guru* laf
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****ia Frau
22.263 Beiträge
Themenersteller 
yes it's home, yes
the only life I've ever known
and the lord knows
how much I loathe

danke olaf, für diese erinnerung!
Du hast MICH erinnert!
Selber danke!

"We want something more than your eyes....."

meine Lieblingsstelle
und

Mother Earth is waiting for you....

"And you boys and some of you girls try to get back in a hole all your life long...."

Gänsehaut pur!!!!
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****ia Frau
22.263 Beiträge
Themenersteller 
so ist das manchmal
wenn man ein höhlentier ist...
*g*
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