Kein Titel
das hab ich gestern geschrieben. Ich hab einfach losgeschrieben und es wurde eine Art Salat. Ich weiß nicht so recht. Es sind ein paar gute Sätze drin, aber ich weiß nicht, ob es halbwegs rund ist..
Das Gedicht beginnt mit einem Satz, der gar nichts sagt.
Stumm, mundtot, vielleicht fail, vielleicht nur faul. Vielleicht dumm. Vielleicht schlau. Vielleicht naiv. Vielleicht gemein. Vielleicht perfide. Vielleicht aus gutem Grund. Vielleicht in böser Absicht.
Er steht da, der Satz, als ob man ihn gar nicht explizit platziert hätte. Als ob man ihn einfach mal abgestellt hätte, um später was anderes damit anzustellen. Oder, als ob man einfach nur zum Müll gewollt und unterwegs die Lust verloren hätte. Der Lust verlustigt. Ist das nicht lustig? Was heißt schon Lust? Wer geht zum Beispiel schon mit Lust zum Müll? Wer hat denn Bock da drauf? Wer sagt zum Beispiel, wenn ich Feierabend habe, wenn ich die Wäsche gemacht habe, oder wenn ich mit dem scheiß Kram hier fertig bin, den zu erledigen das Leben, erstaunlicherweise mich zu nötigen im Stande ist, dann gönn ich mir was. Ich schau mir dann gechillt eine Episode meiner Serie an, trink einen Cappuccino MIT aufgeschäumter Milch und geh dann léger und chillig zum Müll. In meinen Lieblingsklamotten! Ach, ich freu mich so drauf!?
Keine Sau macht das. Alle hassen das. Alle hassen das Anheben der Mülltonnendeckel, wenn sie versuchen die Luft anzuhalten. Alle hassen das Reinstopfen der, mutmaßlich undichten, Mülltüten. Und alle fürchten den Ekel schon der allerkleinsten Berührung, die sich ergeben könnte.
Alle hassen auch das Deckelzumachen, während sie immer noch die Luft anhalten und dabei an ihre Grenzen kommen. Alle hassen die Luft, die aus der Tonne strömt, wenn der Deckel zugeht und alle wollen sie wegspringen wie Bruce Willis vor einer Explosion wegspringt, können es aber nicht, weil sie a) Beobachter befürchten, b) nicht Bruce Willis sind und c) nicht die Luft so lange angehalten haben und deshalb einen tiefen Zug von dem Müllduft eingeatmet haben. Jetzt taumeln sie angewidert und hassen den Müll, die Luft, ihre Lunge und sich selbst sowieso. Schon alleine wegen dieses Moments, aber auch einer ganzen Reihe anderer Gründe.
Auf den Müll! Jemand wollte den Satz auf den Müll werfen, eventuell oder möglicherweise, was auch immer dir wahrscheinlicher erscheint. Und dieser jemand hat aber dann, offenbar auf halbem Wege, entschieden, den Satz einfach wo hinzustellen und dann einfach wegzusehen, wegzugehen, als ob der Satz vielleicht ein halbleergetrunkener Durstlöscher mit Zitroneneistee wäre, weil die immer halbleer wo stehengelassen werden. Vielleicht. Vielleicht ein Schabernack. Ein Gag, ein Witz. Eine Unbeholfenheit. Eine Unbedachtheit. Eine Unverfrorenheit.
Er steht ganz am Anfang. Für jeden zu sehen. Das Erste, was man sieht, das Erste, was man liest. Auf den ersten Blick möglicherweise überraschend und charmant; vielleicht. Auf dem dritten Blick allenfalls etwas verlegen. Als ob der Satz wüsste, dass er eigentlich auf den Müll gehörte und er es einem glücklichen Zufall zu verdanken habe, dass es nicht so weit gekommen war. Als ob er aber auch gleichzeitig wüsste, dass der Zufall gar kein so glücklicher war. Als ob er wüsste, dass ihn einfach niemand zum Müll tragen wollte. Als ob er wüsste, dass er von so geringer Bedeutung war, dass niemand sich so viel Mühe machen wollte, diesen weiten Weg zu gehen. Nicht mal das also!
Ihn einfach dahingestellt und fertig. Er war nicht so übel oder nervig oder sonst im Leben ein Arschloch. Das hat niemand gesagt, warum kommst du gerade auf sowas? Nein, weil er einfach nichts taugt oder jemals was taugen konnte. Weil er ohne Belang ist. Weil er leer ist. Innerlich. Ausgehöhlt. Lieblos gestaltet. Das sieht jeder. Jeder sieht auch, dass er nichts sagt. Er hat keinen, gibt keinen und ergibt auch keinen Sinn. Jeder weiß das. JE-DER.
Jeder außer den Kulturpharisäern vielleicht, den Arschlöchern, die sich in den Geilerien und bei Lesungen stets und stetig das Kinn kitzeln, weil sie in allem Sinn finden. Das müssen sie. Sie müssen den Sinn finden, um einen Sinn zu haben. Um zu punkten. Das Spiel nämlich, das Kulturpharisäer spielen, beruht auf dem Punkten. Daher ist das Punkten von so großer Bedeutung. Daher sind sie so wichtig, die Punkte. Ohne Punkte stehen die Kulturpharisäer dumm da. Buchstäblich.
Kulturpharisäer. Die, die Kluges sagen müssen, um zu gelten, und daher permanent am Überlegen sind, was sie Kluges sagen können, jetzt und später und bei den erwarteten Gelegenheiten. Die, die dich mit falschem Lächeln anlächeln. Die, die sich die Sätze striegeln und richten und zurechtlegen, wie bei einem Kartenspiel, um sie im richtigen Moment auszuspielen, um sich ins rechte Licht zu stellen und nicht ihr Licht unter den Scheffel, wohin deines gehört. Nicht in diesem Spiel. Nicht in ihrem Spiel. Die, die schon ganze Sets an gerichteten Trumpfkartenspielen zu jedem, aber wirklich jedem, gängigen, und erwartbar einschlägigen, Thema parat haben und bei jeder akkurat erscheinenden Gelegenheit ihre Sätze ausrufen, als wären sie die Jungs auf dem Pausenhof, die „Hubraum 8.000 -STICH!!“ rufen. Die Kulturpharisäer finden den Sinn immer, weil irgendwann, irgendwo, nach allen Subtraktionen, Divisionen und Dialysen etwas Nacktes übrigbleibt, das nach der Kunst Nest riecht und einen Sinn ergibt, aus einem Blickwinkel, den man einzunehmen aber bereit sein muss.
Und natürlich verstehen sich auch die Verständnisvollen darauf, alles in Grund und Boden zu verstehen, einschließlich unseres nutzlosen Eingangssatzes. Die, die immer reden wollen. Über alles. Die, die stets glauben, man könne immer reden und immer auch über alles. Und auch noch mit jedem über alles reden und alles über jeden mit jedem bereden. Die, die reden, schon um des Redens Willen und des Sitzens und des Kaffeeundkuchens Willens auch. Die, die immer nicken und mmmmmh sagen und auf allen erdenklichen Weisen ihr Verständnis ausdrücken. Die, die so damit beschäftigt sind, dir zu zeigen, dass sie dich verstehen wollen, dass sie dir gar nicht richtig zuhören, dich nicht wirklich sehen, nicht wirklich verstehen. Dich und worum es dir ging, Die, dich dann mit diesem Unverständnis im Verständnis zudecken; aus Liebe, aber dennoch. Ihr Unverständnis im Verständnis erdrückt dich, dass du glaubst keine Luft zu bekommen und sie lächeln weiter mit ihren großen Augen voll Verständnis und du willst ihnen einfach nur eine reinhauen, mit dem Ellenbogen, und dann wegrennen, bis du nicht mehr kannst!
Und sie hören weiter zu und nicken und sagen mmmmh und ja! und beenden deine scheiß Sätze, auch wenn du dich beeilst schneller zu sein. Weil sie punkten müssen in Verständniszeigen. Weil sie ihre unbezwingbare Bereitschaft unter Beweis stellen müssen, jedem Scheiß, den du ihnen auftischst zuzuhören, weil alles, was jeder Dödel sagt, wichtig ist. Weil jeder irgendwie wichtig ist. Weil es Unwichtiges nicht gibt, weil es unwichtige Menschen nicht gibt, weil sie dich nicht framen wollen, weil sie dich unbedingt inkludieren wollen. Deshalb bist auch du wichtig und der Kack, den du aufs Tapet bringst ist wichtig. Daher zerschneiden und analysieren sie ihn und lecken ihre Finger ab.
Die, die dich anlächeln, mit echtem Lächeln, nicht dem falschen der Kulturpharisäer. Den Verständnisvollen mangelt es nicht an Verstand. Sie haben Verstand und verstanden und lächeln in echt und schauen dich auch so an, dass du es sehen kannst. Sie, die immer, ihre Schuhe ausziehen und ausgetretenen Zigaretten, Weltendreck und Glasscherben zu Trotz ostentativ lieber barfüßig gehen. Durch die Stadt. Zigaretten und Scherben. Und der Welt ganzer Dreck.
Die, die die Schuhe ausziehen und sich, auf der Couch, auf die Füße setzen oder auf den dafür zu knapp geratenen Stuhl im richtigen Café. Und das völlig ungeachtet Anstands oder Zustands ihrer Füße, Zehen, Sohlen oder Socken.
Socken. Wie zum Schwanz kommen wir jetzt von dem Satz, der sinnlos am Anfang stand zu Socken und Stinkefüssen? Kann mir das einer erklären? Hast du das verstanden? Ich nicht. Ich hab einfach nur getippt und du hast gelesen und mehr als die Hälfte überflogen. Gibs zu! Wir kamen auf die Mülltonnen. War’s das vielleicht? War’s der Gestank vielleicht? Gestank prägt. Das wird’s wohl gewesen sein. Ist das der Kreis, der sich schließt? Ist das der Bogen, der von Anfang bis zum Ende reicht? Und reicht er auch? Ist der Anfangssatz jetzt doch nicht so scheiße? Fragst du dich das jetzt echt? Ist vielleicht der Schlusssatz besser? Die sind beide scheiße! Hast du nicht aufgepasst? Das Gedicht endet mit einem Satz, der gar nichts sagt.
.