Pfeffer & Salz
Pfeffer & Salz, Teil 1 von 3 © GLHeinz, 2024
Pfeffer & Salz
Agentur für
pikante Aufgaben
&
scharfe Lösungen
Das einstmals weiße Schild rechts der Eingangstür zeigte bereits leichte Spuren der Verwitterung und war daher eher ein wenig ansprechendes und so gar nicht werbendes Aushängeschild. Aber es spiegelte ungewollt die wirtschaftliche finanzielle Situation wider, in der die Agentur steckte. Es herrschte Flaute, einfach zu wenig Aufträge für Patrizia Peperon und Samuel Salzstreuer.
Noch leicht verschlafen und unrasiert kam Sam erst kurz vor 11 Uhr ins Büro.
"Na, Pat, gibt es wenigstens heute gute Neuigkeiten für uns", war seine übliche Begrüßung und er erwartete, die Realitäten kennend, keine positive Antwort, daher stellte er die Frage auch gar nicht richtig. Doch weit gefehlt!
"Ja, wir haben sogar endlich mal wieder einen Auftrag!", entgegnete Pat mit funkelnden Augen.
Sam zog die Stirne kraus.
"So, na toll", war seine lakonische Bemerkung. Wer ihn nicht kannte, würde Desinteresse vermuten. Aber das Gegenteil war der Fall: Mit solchen Bemerkungen versuchte Sam seine Aufgeregtheit und Freude zu überspielen; Pat, seine Partnerin, hatte das schon sehr früh durchschaut. "Und?", hakte er nach.
"Naja, einmal das Übliche."
"Ach nein, nicht schon wieder. Obwohl -"
"Ja, genau", fiel ihm Pat ins Wort. "Routine. Immerhin schnell und leicht verdientes Geld."
"Wer ist es diesmal?"
"Frau Claire von Rhein. Sie vermutet, dass ihr Mann sie betrügt."
"Mit der Sekretärin? Mit einer Untergebenen? Mit seiner Vorgesetzten?"
"Nein, mit dem Fahrer, seinem persönlichen Fahrer."
Sam zog die linke Augenbraue hoch und signalisierte damit höchste Überraschung. "Nun, mal was Neues, was Anderes."
"Ja", bestätigte Pat, "unser erster gleichgeschlechtlicher Fall. Aber vielleicht sollten wir uns daran gewöhnen, dass wir es künftig auch vermehrt mit den Beziehungskisten Mann und Mann oder Frau und Frau zu tun haben, das ist ja sozusagen eine Erweiterung unseres Marktes."
"Gut, dann sollten wir mal zuerst unsere Auftraggeberin besuchen", meinte Sam und wandte sich bereits zum Gegen.
"Halt", rief Pat, "so können wir nicht zu ihr gehen. Rasier dich gefälligst vorher, im Gesicht siehst du ja aus wie ein Kaktus auf Urlaub!"
"Hey Patty! Baby, ich will nicht mit ihr schmusen, sondern wir wollen sie nach Details zu unserem Auftrag befragen. Und im Übrigen stehen die Frauen auf meinen Dreitagebart." Er warf ihr eine Kusshand zu.
Pat seufzte: "Nicht alle, Sammylein. Da wüsste ich was von. Aber egal, lasst uns zu ihr fahren." Sie angelte sich den Autoschlüssel vom Schreibtisch und beide verließen das Büro ihrer Agentur.
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Aha, man ahnt es: Pat und Sam betreiben eine Detektei mit dem Schwerpunkt ihrer Arbeit in der Überprüfung und der Überwachung von Ehepartnern. Sie legen sich auf die Lauer, um für ihre Auftraggeber das Fremdgehen des Partners zu beweisen, und sie strengen sich an, um die Treue eines Lebenspartners zu testen.
Der Verdacht, den ihre Auftraggeber oder ihre Auftraggeberin hegte, war oft begründet und konnte von Pfeffer & Salz mit eindeutigen, belastenden Dokumenten belegt werden. Manchmal aber zeigte sich auch die Unschuld beziehungsweise die feste unverbrüchliche Treue des anderen Partners. Da war die Freude dann umso größer.
Die Motive ihrer Auftraggeber waren vielschichtig, die Gier nach Geld durch Scheidung oder der Wunsch nach Rache wegen betrogener Liebe dominierten gegenüber anderen Beweggründen und hielten sich in etwa die Waage.
Die beiden Partner ergänzten sich ausgezeichnet.
Um die Treue der Männer zu testen, war Patrizia Peperon die ideale Verführerin. Sie war mit ihren 35 Jahren für die eine Sorte Klientel eine junge, scheinbar leicht zu knackende Beute, für die andere Gruppe eine attraktive, erfahrene Frau, aber noch nicht zu alt, um es als Mann noch mal versuchen zu wollen; auf jeden Fall bestätigte sie das Ego der Männer. Ähnliches galt für Samuel Salzstreuer, der zwei Jahre jünger war und einen sehr athletischen Körper hatte. Er hatte die Begabung, als äußerst höflicher und eloquenter Gentleman die Frauen jeglichen Alters um seinen kleinen Finger wickeln zu können.
Die beiden nutzten die modernen Techniken der Wearable-Computers, um akustisch und optisch ihre Arbeit gerichtlich verwertbar dokumentieren zu können. Als zusätzliche Sicherheit war der andere Partner mindestens in Rufbereitschaft, um per Funk alarmiert kurzfristig zur Hilfe eilen zu können, meist jedoch war er unmittelbar vor Ort, um zugleich menschlicher Zeuge sein zu können. Der Treuetest wurde dann abgebrochen, wenn sich ihr 'Opfer' nahezu oder gänzlich entkleidet hatte; Pat oder Sam waren dann immer noch bekleidet, wenngleich manchmal auch nur leicht. Beim Abbruch des Treuetests war es immer wieder von Vorteil, wenn plötzlich zwei angezogene Personen (oder eben wenigstens eine) die andere Person mit der Realität konfrontierten.
Die Überwachungen wegen des Fremdgehens führten sie sowieso grundsätzlich immer zu zweit aus. Dies geschah auch aus Gründen ihrer eigenen Sicherheit, denn sie hatten von anderen Detekteien erfahren, wie gefährlich diese Arbeit manchmal sein konnte; teilweise sogar lebensgefährlich. Aber auch hier hatten sie getrennte Arbeits- und Verantwortungsbereiche.
Pat, welche die geschmeidigere und kleinere von ihnen war, schlich sich katzenhaft dicht an den 'Tatort' heran. Weil das in der Dämmerung oder nachts geschah, trug sie meist eng anliegende, dunkle Bekleidung, bewegte sich nahezu lautlos und manchmal praktisch auch in Zeitlupe. Sie hatte sogar herausgefunden, wie sie so die herkömmlichen Bewegungssensoren austricksen konnte. Andererseits war sie in der Lage, aus dem Stand heraus mit einen plötzlichen Spurt zu starten, um zu fliehen. Ihre Devise war, eher vor einer Konfrontation wegzulaufen als sich ihr zu stellen. Man weiß ja nie!
Sam war mehr der Typ für das härtere und bisweilen körperliche Absichern der Szene, trat auch schon mal einem Verfolger gegenüber offen auf und schlug erforderlichenfalls kräftig zu, wenn es für seine Partnerin oder die Gesamtsituation zu brenzlig wurde.
Und natürlich hatten sie mit ihren Namen gespielt, als sie ihr Detektivbüro 'Pfeffer & Salz' nannten.
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Frau Claire von Rhein empfing ihre Besucher auf der Terrasse, wohin sie das ältliche Hausmädchen geführt hatte. Frau von Rhein war allerdings noch älter als ihre Haushaltshilfe, aber rüstiger als diese. Unter ihren weißen Haaren blickten aufmerksame Augen unruhig hin und her. Nach der Begrüßung musterte sie die beiden Detektive wortlos. Als sie ihr Urteil, offenbar zum Vorteil der beiden, gefällt hatte, kam sie gleich zur Sache.
"Sie wurden mir von einer sehr guten Freundin empfohlen und ich möchte von Ihnen wissen, ob mich mein Mann mit seinem Chauffeur betrügt. Hier", sie legte einige Fotos auf den kleinen Tisch, "das sind Fotos meines Mannes, Arno Hubrecht von Rhein, fotografiert auf unserem letzten Gartenfest vor zwei Wochen. Da habe ich bei ihm keine auffällige Begleitung oder besonderen Kontakte bemerkt."
"Die Softwarefirma gehört ihm?", fragte Samuel.
"Nein, es ist meine Firma. Ich habe sie damals aufgebaut, als die Datenverarbeitung noch in den Kinderschuhen steckte und jegliche Aktion pure Pionierarbeit war. Ich war damals die erste Absolventin der Hochschule. Mein Arno ist nur Geschäftsführer meiner Firma, aber er ist ein guter, ein sehr sehr guter Geschäftsführer, aber leider auch ein sehr lausiger Ehemann."
"Und nun fürchten Sie", unterbrach sie Patrizia, "dass er seine Position nutzt und Sie betrügt. Wollen Sie sich von ihm scheiden lassen, bevor er Sie und Ihre Firma in den Ruin treibt?"
"Nein, nein, das wird er nicht machen, denke ich. Er ist, wie gesagt, ein exzellenter Geschäftsführer. Und für die ehelichen Pflichten - nun, die sind nicht so wichtig."
Sie sah dabei Pat einige Augenblicke zu lange schweigend an, dann lächelte sie.
"Warum sollte ich mich von ihm scheiden lassen? Ich habe da meine eigenen Möglichkeiten, meine Bedürfnisse zu – zu erfüllen.
Nein, ich möchte nur Gewissheit haben, möchte wissen, was da seit neuester Zeit läuft. Man hat mir Gerüchte zugetragen, dass er sehr oft mit einem jungen Mann zusammen – ja, wie soll ich es bezeichnen – für einige Zeit aus der Firma verschwindet. Ein Nachteil für das Unternehmen ist da bisher nicht entstanden und den befürchte ich auch nicht. Nein, ich möchte nur für mich persönlich Bescheid wissen. Und da sind Sie mir als professionelles und verschwiegenes Ermittlerbüro wärmstens empfohlen worden. Ich hoffe, Sie enttäuschen mich nicht - ich kann mir das, ihren Referenzen nach, auch gar nicht vorstellen."
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Der Geschäftsführer Arno von Rhein also, und Juan, sein persönlicher Fahrer.
Pfeffer & Salz erkannten seinen Fahrer sofort, obwohl er ihnen nur grob beschrieben wurde. Er trug, quasi als Zeichen seines Berufes, aber vielleicht auch aus anderen Gründen, eine elegante Uniform aus Schirmmütze und Lederanzug. Letzterer lag an seinem schlanken, fast femininen Körper eng an und ließ ihn athletisch und trainiert erscheinen. Diese sportliche Erscheinung wurde durch nicht sehr breite Schultern betont und durch kantig herbe Gesichtszüge gestützt. Die dunklen Haare waren unter der breiten Fahrermütze mit ihrem dunklen Schirm versteckt. Und der Fahrer trug an den Händen dunkle Lederhandschuhe mit langen Fingergliedern. Die Erscheinung wurde abgerundet durch einen lockeren, leicht federnden Gang.
"Toll, typisch schwul", urteilte Sam, "schwuler geht es wahrscheinlich nicht."
In wenigen Sekunden hatte er einen GPS-Peilsender am Fahrzeug befestigt.
Bereits der erste Tag ihrer Überwachung zeigte, dass der Verdacht der Ehefrau wohl berechtigt war. Am Nachmittag ließ sich Herr von Rhein mit der Limousine abholen und, der GPS-Sender zeigte es an, in ein abgelegenes Waldstück fahren. Dort blieb das Fahrzeug längere Zeit, erst nach über einer Stunde kehrte Herr von Rhein in das Unternehmen zurück.
Am selben Tag noch bauten sie mehrere Abhörsender in das Fahrzeug ein, das in der Tiefgarage des Unternehmens geparkt war, aber nicht überwacht wurde. Ein absolut einfaches Spiel!
Im Verlauf einer Woche zeigte sich, dass es immer derselbe Platz war, der für die Nachmittagspause genutzt wurde, allerdings zu unregelmäßigen Zeiten. Recherchen bei den Ämtern zeigten auch, warum gerade hier: Arno von Rhein besaß dort landwirtschaftliche Flächen, die er verpachtet hatte, und er war Jagdpächter und Jagdgenosse für diesen Bereich. Da der Feldweg eine Sackgasse bildete, gab es dort zudem nur sehr selten Spaziergänger.
Die beiden Ermittler bauten ihre Kameras für verschiedene Einstellungen und unterschiedliche Blickwinkel auf, die sie per Funk steuern konnten. In der Nähe des 'Tatortes' bereiteten sie auch für sich einen Platz vor, um sich auf Lauer legen zu können, damit sie bei Problemen mit ihrer Überwachung gegebenenfalls sofort eingreifen könnten und damit sie später auch als direkte Zeugen auftreten könnten.
Am Montag gab es keine Nachmittagspause für Herrn von Rhein.
Dienstags fand eine Konferenz statt, die bis in die Abendstunden dauerte. Frau von Rhein hatte die Detektei darüber informiert, aber auch hinzugefügt: "Wer weiß, ob das auch so stimmt. Vielleicht wollen sie ja auch nur die einschlägigen Etablissements für Herrenliebe besuchen." Doch dem war nicht, es war tatsächlich eine lange, intensive Besprechung im Unternehmen. Weil Pfeffer & Salz Herrn von Rhein überwachten, bekamen sie unbeabsichtigt mit, dass es sich um eine Joint-Venture-Verhandlung mit Investoren aus Asien handelte. Frau von Rhein war eigentlich informiert, aber sie hatte diesen Termin wohl wieder vergessen.
Der Ausflug, den das Ermittlerduo überwachte, fand am nächsten Tag, am Mittwoch, statt. Die Limousine wurde, wie sonst auch, unter den zwei großen Laubbäumen geparkt. Weil einer davon eine Weide mit weit herabhängendem Astwerk und in der Luft sich leicht bewegenden Blättern war, hatte sich die Installation der Überwachungssensoren als sehr schwierig erwiesen. Aber die beiden Profis wurden damit fertig, der Platz war verwanzter als ein räudiger Kater.
Die Limousine hielt, aber nur der Fahrer, der schlanke junge Mann, stieg aus, jedoch nur um gleich wieder in den hinteren Fond einzusteigen. Dort war es weitaus geräumiger als üblicherweise. Die Sitzbank war weiter nach hinten gelegt und gestattete eine größere Beinfreiheit.
Gedämpft ertönte klassische Musik, diesmal Suiten von Edvard Grieg. Die optischen und akustischen Sensoren der Agentur Pfeffer & Salz zeichneten alles auf.
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Ende Teil 1 von 3, Fortsetzung folgt