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Rot - ein Lisa und Lynn Lonely Text - eine Überarbeitung

**********silon
6.622 Beiträge
Themenersteller 
Rot - ein Lisa und Lynn Lonely Text - eine Überarbeitung
Die Frau mit dem Punkt in ihren Händen saß Lynn gegenüber, am anderen Ende des Verhandlungstisches und formte Argumente mit der Geschäftigkeit ihrer Hände Arbeit. Denn diese waren aus Lehm beziehungsweise Ton und konnten gar nichts anderes tun, als dem Los ihrer eigenen Geschicklichkeit zu folgen.
Der Punkt, den diese Frau ihre Eigenheit nannte, war mit roter Farbe angemalt. Sie trug ihn überall mit sich herum. So als sei er ein Omen ihres Lebens. Die Farbe, der Lehm und der Ton bildeten für Lynn eine symbiotische Einigkeit, die er nicht mit Logik erklären konnte. Das faszinierte ihn sehr.
So sehr, dass er schon die ganze Woche darüber nachsinniert hatte und darin noch gar kein Komma oder gar ein punktuelles Ende gefunden hatte. Seine Gedanken kreisten sogar nachts um diese Person und ihre Ausdruckskraft in Rot. Denn er hatte erst kürzlich im Schlaf von ihr geträumt. Und sie sich nicht tagsüber erträumt, sondern tatsächlich eines Nachts ... Oder vielleicht doch auch am Tage ihre Geschichte weitergestrickt? Wer weiß das schon immer so genau.

Doch nun stand Lynn am offenen Werkstor seiner Arbeitsstelle. Zu seinen Füßen drohte die Schwelle der Werkstatthalle durch das sekündlich steigende Regenwasser geflutet zu werden. Denn es tobte sich kurz vor dem Beginn seines Feierabends ein Gewitter über der Stadt aus. Und die wütendste Zelle dieses Wetters schien justament genau über seiner Arbeit zu hängen. So dass sich Lynn fragte sich, wie er trockenen Fußes durch den ständig anwachsenden, knöchelflachen See vor der Werkshalle würde waten können, wo er doch gar keine Gummistiefel angehabt, geschweige denn welche besessen hatte.
Es herrschte ein wildes Diskutieren und Gestikulieren in der Werkstatt und nur wenige blieben dabei so tiefenentspannt wie die Frau mit dem roten Punkt in Lynns Kopf. Sie trichtere ihm beständig das Wissen ein, das ihm bestätigte, dass er als Lurch genau durch diese Wassermassen musste, wenn er ein Frosch werden wollte. Wobei Lynn Lonely den Status eines Märchenprinzess stets und ständig tunlichst zu vermeiden suchte und vorallem vor sich selbst und seinen auserwählten Weiblichkeiten abstritt.
Und so tat er genau das, was er tun musste, um später siegesgewiss nach Hause zu gelangen. Er behielt die Schuhe und Hosen in dieser Situation an und wagte den ersten Schritt ins knöcheltiefe Nass hinein. Sein Herz tat dabei einen Satz nach vorn, als Lynn spürte, wie warm sich der Gewitterregen auf seiner Haut anfühlte.
Auch jubilierte er still vor sich hin, weil er sich daran erinnerte, dass er beziehungsweise Lisa während seiner und ihrer Kindertage nie in Regenpfützen herumgeobert waren. Denn dafür waren er und sie damals einfach viel zu ängstlich, vorsichtig und introvertiert gewesen. Und nun zählte er fast achtundvierzig Lenze und durfte das endlich auch einmal erleben.

Um ihn herum stöhnte und schimpfte das Volk. Doch Lynn war vergnügt und freute sich still darüber, dass es das Leben so gut mit ihm meinte und darüber, dass es überhaupt Leben hieß, was er da gerade erfahren durfte. Er amüsierte sich auch über das unbeschreibliche Gefühl, kleine Bassins oder Aquarien an den Füßen zu tragen und in den eigenen Schuhen mit den Füßen voran im Wasser davon zu schwimmen.

Dann er sprach zu der Frau in seinem Kopf, die den roten Punkt in ihren Händen hielt: „Schau, mir wachsen Schwimmflossen zwischen den Zehen. Ist das nicht drollig?“
Doch die Frau sagte nichts. Sie schwieg und formte aus dem roten Ton ihres Punktes einen alten Mann, der einen Hut auf seinem Haupt trug und einer Herde Schafe um sich herum beaufsichtigte.
„Es fehlen nur noch die Hütehunde“, dachte Lynn und sah plötzlich seine kleine Lisa inmitten der Schafe auftauchen. Sie schien zwischen den ganzen Vliesen aus Ton und Lehm zu baden. Dazumal das Gewitter von oben die Arbeit der Frau mit dem Ton in ihren nun roten Händen ständig ad absurdum führte, so dass es von außen betrachtet fast wie ein kunstvoller Animationsfilm im Zeitraffer-Effekt wirkte.

„Lisa, meine kleine Lisa“, dachte Lynn wehmütig. Sie hatte diese Frau mit dem großen Punkt in ihren nun roten Händen damals nur flüchtig gekannt, obwohl sie Arbeitskolleginnen gewesen waren. Und Lynn nahm just in diesem Augenblick war, wie die Hände der Frau zu bluten begannen.
Blutend ob der Erinnerungen. Blutig ob der vielen Arbeit mit dem Ton. Und Verletzt ob der Tatsache, dass damals niemand diese Welt aus Lehm und Ton und den Terrakotta-Figuren wahrgenommen hatte. Niemand. Bis auf die Frau selbst. Die Frau, die mit ihrem Punkt ganze Miniaturwelten erschuf. Die Frau, die Lisa damals von der ewigen Kämpferin erzählte und ihr schließlich einen roten Schwesterpunkt vermachte.

Lynn wurde blümerant zumute. Er erinnerte sich nicht gern daran, obwohl er die Figuren aus Ton sehr gemocht hatte. Damals, als er noch Lisa gewesen war. Damals, als er noch nicht gewusst hatte, wie man diese roten Punkte wieder auflösen konnte. Selbst heute noch war er sich darüber größten Teils im Unklaren.
Und er betrachtete versonnen seinen Traum von der Frau mit den geschickten Händen. Wie sie Figur um Figur aus Ton und Lehm modellierte und am Ende mit roter Farbe anmalte. Nur bis zum Brennen kam es in seinen Erinnerungen nie. Denn der Regen war im Prinzip immer schneller als ihre geschickten Hände.

Lynn lachte laut auf. Und er verspürte heute, so wie damals, die Hysterie in sich.
Er fühlte, wie sich die Farbe Rot in ihm ausbreitete und am Ende sah er nur noch rot um sich herum. Auch bemerkte er, dass seine Füße sich im glitschigen Schlamm aus Lehm und Ton bewegten. Sie quatschten umeinander und miteinander und verbandelten sich mit dem Handwerk der Frau von damals. Sie verhandelten mit ihr über die Liebe und die Trauer und die Wut und den ganzen Rest dieser Welt und wurden ebenso rot wie der Punkt der Frau, den sie in ihren Händen mit sich trug.

Und dann fuhr Lynn innerlich hoch. Er hatte sich erschreckt, war er doch auf der Toilette sitzend eingeschlafen und hätte dabei fast das Gleichgewicht verloren.
Über die Frau mit ihren Miniaturen von Terrakotta-Figuren und dem roten Punkt in ihren Händen dachte er jedoch noch lange nach. Das fand Anklang in ihm. Und er frage sich, was das alles wohl zu bedeuten hatte? ...

© CRSK, LE, 07/2024

KI-generiert (Copilot), composed mit Affinity Publisher
*******blau Mann
3.624 Beiträge
Ich bin sehr beeindruckt von dem Text. Hab ihn jetzt zweimal gelesen. Er ist elegisch in einer Form, dass er die Zeit anhält unter dem Dach der Werkshalle, unter der Gewitterzelle. Eine Elegie über den langen Weg zu sich selbst, aber in unaufgeregten Worten und schönen Bildern.
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