Kleinststadtimpressionen 1-3
Hallo, liebe schreibende Gemeinde!Anbei werfe ich Euch den ersten Teil meiner Kleinststadt-Trilogie zum Fraße vor.
Ich schrieb sie vor zwei Jahren unter dem Einfluss des Kulturschocks, der einen unvermeidbar ereilt, wenn man sein Großstadtleben gegen ein eher provinzielles Dasein eintauscht und das Single-Leben gegen Partner- und Mutterschaft.
Es sind keine klassischen Kurzgeschichten, es sind eher... Episoden?
Gebt dem Kinde den Namen, den Ihr bevorzugt.
Ich starte mit Teil 1, die anderen beiden Texte folgen später.
Ich hoffe, Ihr fühlt Euch ein wenig unterhalten.
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1: Zickenterror am Ententeich
Seit einiger Zeit wohne ich – mit jeder Menge babypausenbedingter Tagesfreizeit – irgendwo im nordrhein-westphälischen Kleinststadtidyll.
Fünf Gehminuten von meinem Haus entfernt gibt es einen Park. In diesem Park: einen Teich. Der Teich: bevölkert von einer Mädelsgang. Einer Gruppe ausschließlich weiblicher Enten mit wohlgenährten fetten Kleinststadtentenärschen. Den Mädels geht es hier prächtig. Nicht so wie diesen armen, ausgemergelten, humpelnden, zerzausten, vom Leben im Dreckwasser gezeichneten Großstadtenten, die ich aus Hamburg kenne. Nönö, die Mädels hier haben ein feistes Leben. Denn am Ufer des Teichs stehen ein paar Bänke, auf denen jeden Tag Omis und andere Mütter wie ich - mit Babys und Tagesfreizeit - sitzen und sie mit Brotresten füttern.
Heute nun war ich auf dem Heimweg von einer ziemlich anstrengenden Einkaufstour mit Kinderwagen und komme an diesem Teich mit diesen Bänken vorbei. Ich denke, och, könnste Dich ja mal setzen und eben einen Schluck trinken, bevor Du weitergehst.
Ich setze mich also, angle die Flasche mit der Apfelschorle unten aus dem Einkaufsnetz des Wagens, wo sie neben den anderen gekauften Lebensmitteln liegt, und hebe besagte Flasche an die Lippen.
Dann sehe ich sie.
Sie nähern sich von rechts, von vorne, von links. Halbkreisförmig kommen sie auf mich zu. Sie rotten sich zusammen. Sie blicken nicht freundlich und fast scheinen sie die Flügel vor der Brust zu verschränken und zu sagen:
„Ey Dooh (=Du), hömma, was wird das denn hier??“
Ich darauf, leicht verunsichert: „Mädels, immer schön locker im Schritt, ok? Ich will hier nur sitzen und meine Schorle trinken. Darf ich? Ja? Danke.“
Ich trinke. Über die Flasche hinweg sehe ich, wie der Halbkreis sich enger um mich zusammenzieht. Ich lasse den Arm sinken. Wenn Enten Augenbrauen hätten, dann schwöre ich, hat die eine besonders fette da eben eine emporgezogen. Sie muss die Anführerin sein…
„Dooh, hier so einfach abhängen und Limo saufen is nich, ok.“
Ich, resigniert: „Ok Mädels, was wollt Ihr?“
Die Dicke, breitbeinig: „ Gib Brot.“
Ich: „Sorry, hab ich nicht. Nächstes Mal, versprochen. Ich komm hier öfter vorbei.“
Sie: „Nix nächstes Mal. Ich seh doch die Tüte. Gib. Brot.“
Ich: „Nee nee, das sind frische Vital-Brötchen vom Bäcker. 55 Cent das Stück. Mit Omega-3-Fettsäuren und so. Die geb ich Euch nicht. Die ess ich selber.“
Sie rücken näher. „Du scheinst nicht zu verstehen, Süße. Gib her den Stoff.“
Sie hocken mir inzwischen fast auf den Füßen und irgendwie bekomme ich auch Angst, dass sie meinem Sohn was tun.
Ich finde es zwar absurd, aber ok.
„In Ordnung. Also gut. Eins könnt Ihr haben. EINS. Aber bitte nett teilen.“
Ich zupple etwas hektisch die Tüte aus dem Netz, das Brötchen aus der Tüte, und beginne, es in Stücke zu zerpflücken. Die entenärschigen Weiber stürzen sich wie die Hyänen darauf. Beißen sich gegenseitig, treten aufeinander herum… unglaublich. Der reinste Zickenterror.
Und vor allem: sie treten auch auf MIR herum! Sie zerren mit ihren Schnäbeln an meinen Hosenaufschlägen und eine beißt mich sogar ins Bein. Aufsteigende Panik auf meiner Seite. Ich zerfleddere das Brötchen schneller.
Als es ganz und gar verteilt ist, hebe ich hilflos die Hände und sage: „Alles alle. Sorry, das war’s. Und im Grunde hattet Ihr nicht mal das verdient, so wie Ihr Euch aufgeführt habt.“
Da höre ich es rascheln. Ich sehe mich um und da zerrt doch die besonders fette Anführerin mit ihrem feisten Entenschnabel an meiner Brötchentüte!?!
Un-glaublich. Es reicht.
Ich springe auf und wedele mit den Armen. „Hey! Jetzt ist aber Schluss. Ich lass mich doch hier nicht am hellichten Tag von einer Gruppe fetter halbstarker Weiber abziehen!“
Ich hüpfe und scheuche. Doch es bricht nicht etwa Unruhe oder Angst aus unter den gefiederten Gangmitgliedern. Achselzuckend (haben Enten Achseln??) und murmelnd „Loss, lass uns verduften, die Alte hat nix mehr…“ drehen sie sich um und watscheln gemächlich Richtung Wasser.
Sowas. Was man sich hier alles bieten lassen muss.
Copyright © Sina S. 2008