Nur ein Job
Scheiße! Kein Geld mehr auf dem Konto. Kühlschrank leer. Was mache ich nur?Die Kinder brauchen Essen. Und nicht nur einfach Essen, sondern gesundes Essen. Das bisschen, was ich verdiene reicht hinten und vorne nicht. Ein wenig kann ich mein Konto noch überziehen. Aber dann ist Ende Gelände! Und was dann? Wenn ich mir irgendwo von Freunden Geld borge, dann hilft das zwar jetzt, aber ich werde das Geld zurückgeben müssen. Dann fehlt es im nächsten Monat und ich bin am gleichen Punkt, wie jetzt.
Verzweifelt und entmutigt durchsuche ich das Internet erneut nach Stellenangeboten. Irgendwie muss ich doch nebenher noch ein bisschen was verdienen. Und wenn es nur zweihundert Euronen im Monat sind. Das wären eine Menge Vitamine für die Kinder.
Da! „Wenn sie aufgeschlossen sind und gerne telefonieren, dann setzen Sie sich mit uns in Verbindung. Freie Zeiteinteilung ist gewährleistet.“
Das ist es doch. Sich mal informieren kostet ja nichts.
Ja, ich fing dann an, abends, wenn die Kinder schliefen, bei einer Hotline zu arbeiten.
Stundenlang hängt man in der Warteschleife der Moderation, bis ein passender Anrufer kommt: „Clarissa, du bist jetzt aus Hannover, bist 1,50 groß, vollbusig, rothaarig und 51 Jahre alt!“
„Ja, ist ok!“
Und dann hält man den Gesprächspartner möglichst lange in der Leitung. Denn erst ab der dritten Minute wird man bezahlt. Mit dreiundzwanzig Cent pro Minute. Die armen Kerle zahlen 1,85 pro Minute. Den Rest streichen Telefongesellschaft und Anbieter ein.
Drei Minuten können so lang sein, wenn man auf einmal Clarissa, rothaarig, vollbusig, einundfünfzig und aus Hannover sein soll.
Irgendwann geriet ich an einen Gesprächspartner, der gar nicht auflegen wollte. Fast eine Stunde lang erzählte er mir lang und breit, en Detail (schreibt man das so?), wie er seine Freundin vergewaltigt hat. Ich konnte hören, wie er sich dabei befriedigte. Und ich überlegte die ganze Zeit, wie ich das Dreckschwein dazu kriegen könnte, persönliche Daten zu nennen, damit ich ihn anzeigen könnte, bei der Polizei. Aber das tat er nicht.
Das war mein letzter Arbeitstag in diesem Job…