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Eine Fiktion

nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Eine Fiktion
Eine Fiktion

Müde wanderte sie durch die leergefegte Stadt. Es war heiß, der heißeste Tag des Jahres, so hieß es früher immer, wenn die Temperaturen auf über 36 Grad Celsius gestiegen waren. Nun war es noch heißer. Der Asphalt flirrte in der Hitze und die Stahl- und Glaswände der einsamen Hochhäuser leiteten die Sonnenstrahlen auf sie nieder. Sie suchte den Schatten an den Wänden und wollte sie dennoch meiden, denn auch sie strahlten Hitze ab.

Erst vor einem Tag hatte sie ein Shuttle in dieser Geisterstadt abgesetzt. Hier war das ehemalige Regierungsviertel und nahebei hörte sie das leise Murmeln eines Flusses, Traisen hatten die Menschen ihn einmal genannt. Das war aber lange her.

Nun ging sie durch eine zerschlagene Tür. Hier musste eines der Massaker stattgefunden haben, als die Bevölkerung durchdrehte und selbst das Militär klein beigeben musste, um nicht alle umzubringen. Vorsichtig stieg sie durch die Öffnung und blickte sich um. Hier war es um einige Grade kühler als draußen und sie atmete erleichtert auf.
„T’Bel, ich bin im ersten Gebäude“, sagte sie durch einen Kommunikator, der an ihrem Handgelenk befestigt war. Sie wartete auf keine Antwort, sondern ging weiter. „Keine Spuren von Leben“, gab sie weiter durch.
„Hier auch nicht A’anae“, kam endlich eine Antwort. Ihr Forschungspartner war in der Stadt, die einmal Vienna oder Wien genannt wurde. Auch dort war es nach dem weltweiten Zusammenbruch des Wirtschaftssystems zu starken Unruhen gekommen. „Ich kann hier keinerlei Spuren von Leben entdecken, sogar die Pflanzen sind weg“, sagte er weiter. A’anae nickte, wohl wissend, dass er sie nicht sehen konnte.
„Ich gehe weiter, T’Bel“, sagte sie schließlich und beendete die Kommunikation. Vorsichtig schlich sie durch die leere Halle.
Sie fand nichts, das ihr Interesse geweckt hätte und ging in einen anderen Bereich. Hier waren früher die Büros der Abgeordneten gewesen und ihrer Assistenten. Pressekonferenzen wurden hier vorbereitet und es wurde über das Wohl des Landes entschieden, das sich nicht immer mit dem Wohl oder den Wünschen der Bevölkerung deckte. Gerade in dem Jahr, bevor die große Katastrophe hereinbrach, fanden in diesem kleinen Flecken Wahlen statt. Irgendeine unbedeutende Person, sollte ein unbedeutendes Amt ausfüllen und so tun, als wäre es wichtig.

A’anae verstand nicht, wie das System funktioniert hatte, dafür hatte sie noch zuwenig Daten erhoben. Ein Kollege forschte in einem anderen Kontinent, wo sich Ähnliches, aber in größerem Rahmen, ereignet hatte.

Die Menschen hatten ihr gesamtes Hab und Gut, ihre Zukunft verspielt in einem Spiel, das sie ebenso wenig verstanden, wie A’anae die Demokratie und andere Staatsformen.

Sie ging weiter, aber alle Räume waren leer. Sie fand nicht ein Papierfetzelchen, das irgendeinen Aufschluss über die weitere Tragödie gegeben hätte. Nun öffnete sie die Kommunikation wieder. „T’Bel, ich kann hier nichts finden. Nur leere Räume. Es sieht aus, als wäre hier alles vernichtet worden – nein, nicht vernichtet, so gründlich kann niemand arbeiten. Es ist unheimlich.“ Eine Gänsehaut begann sich über ihren Körper auszubreiten und sie fröstelte in der Hitze. „Ich weiß“, kam es zurück. „Hier ist es genauso. Ich denke, wir werden bald Schluss machen. Wann sollte dich das Shuttle wieder abholen?“
„Erst in drei Erdumdrehungen“, antwortete sie düster.
„Vielleicht kannst du eine Mülldeponie finden und entdeckst dort etwas, was uns einen Hinweis darauf gibt, wie die Menschheit und sämtliche Lebewesen vom Erdboden verschwunden sind. Irgendwo müssen sie doch geblieben sein. Niemand löst sich einfach so in Luft auf.“
„In Ordnung. Ich sehe mich vorher hier noch um“, bestätigte sie und ging weiter. Jeden Schritt den sie tat fand sie deprimierender. Nur Glas und nackte Wände, sonst nichts.
Dann ging sie hinaus und hinunter zum Fluss. Im Flussbett fand sie das erste Anzeichen der Menschheit, eine Plastiktüte war unter einem Stein hängen geblieben und hatte die Zeiten überdauert. Der Schriftzug war verschwunden, auch die ehemals rosarote Farbe war einem einfachen Weiß gewichen. Entschlossen, diesen Fund zu bergen, nahm sie ihre Ausrüstung vom Rücken, suchte nach einer Bergungstasche und watete ins Wasser hinaus. Sie war erstaunt, weil das Wasser nicht kalt war, es war fast kochendheiß. Deshalb arbeitete sie rasch und bugsierte den Fund in den hermetisch verschließbaren Beutel. Dann wollte sie wieder aus dem Wasser steigen, als ihr Blick an einem weiteren Stein hängen blieb. Dort schien sich auch etwas festgekrallt zu haben. ‚Ist das lebendig?’, fragte sie sich und ging hin. Wieder nahm sie einen Beutel und bückte sich.
Ein Tentakel schoss hervor und zog sie mit sich. Ihr Schrei wurde nie gehört.

Sie erwachte in einem Traum aus Erde, alptraumhafter Erde. A’anae hatte den Eindruck in einem robusten Erdmantel zu stecken. Langsam begannen sich ihre Augen an das dämmrige Licht zu gewöhnen und sie fokussierte das Gebilde vor ihr. Das schien ein Lebewesen zu sein – oder irgendetwas, das sich bewegen und denken konnte.
„Wo bin ich hier?“, fragte sie schließlich
„Im Reich der Erde. Ich werde alle tilgen, die auf mir wandeln und mich zerstören“, antwortete das Wesen und A’anae fühlte, wie der Mantel um ihren Brustkorb fester zusammengezogen wurde. Erschrocken schnappte sie nach Luft. Dann begann sie damit, ihre Lungen zu dehnen und blähte den Brustkorb. Ihre Rasse war durchaus imstande einen Ring aus Eisen, der um die Brust geschlungen war, nur mit der Kraft der Luft und der Lungen zu brechen. Aber die Erde war unerbittlich und härter als Stahl.
„Wir sind keine Geschöpfe dieser Welt“, presste A’anae schließlich hervor. Es war Gelächter, das ihr antwortete. „Es ist dir gleichgültig, nicht wahr? Na schön, aber lass mich vorher noch eine Warnung durchgeben, dass alle Lebewesen aller Universen diesen Sektor meiden sollen.“
„Das hättest du wohl gerne, Kind der Sterne.“ Die Stimme klang weniger feindselig und A’anae hatte den Eindruck, als wollte es seine Geschichte erzählen.
Tatsächlich, nach einigen Minuten, in denen A’anae langsam ein Problem mit der Atmung bekam, begann das Erdwesen zu reden. „Ich musste es tun. Sie haben alles zerstört, angefangen bei den fleischlichen Mitbewohnern, dann die auf Chlorophyll basierenden und schließlich haben sie sich ganz tief in mich hineingefressen und alles genommen, das ich brauche, um hier das Leben im Gleichgewicht zu halten. So ist es eben gekommen, gerade nach dem Jahr, als hier die Hölle los war. Die Menschen begannen sich aus irgendeinem unerfindlichen Grund selbst abzuschlachten – es scheint, wegen irgendwelchem wertlosem Papier, haben sie das gemacht. Es kümmert mich nicht, wer gut oder böse ist, wer recht oder unrecht hat, wer stark oder schwach ist. So habe ich gehandelt, lange hat es gedauert, bevor die Menschen begriffen, was wirklich los war.“ Das Wesen lachte grässlich, es klang als würden Steine und Erde einen Abhang hinabzurollen und ins Wasser plumpsen. A’anae hörte gespannt zu. Das war also das Geheimnis der Vernichtung. Wäre sie nicht so eingeschnürt gewesen, hätte sie sich jetzt vor Begeisterung etwas aufgebläht und zu glühen begonnen. So stellten sich nur ihre blauen Fühler auf und berührten sich an den Spitzen.
„Ja, sie dachten, dass sie die Erwärmung selbst verursachten. Aber so war es nicht. Ich habe so reagiert, wie jedes Lebewesen auf einen Krankheitserreger – ich bekam Fieber. Sie haben wie die Wahnsinnigen nach einer Lösung gesucht, dann sind sie alle Irre geworden und haben begonnen, sich wieder einmal selbst abzuschlachten. Als die meisten dann tot waren, habe ich sie geholt, jedes Lebewesen habe ich hier in meinem Reich erstickt und in mich aufgenommen. Ich bin die Menschheit und alle Lebewesen auf ihr, wenn du so willst. – Und nun, wird es Zeit, dass ich auch dich aufnehme.“
A’anae dachte angestrengt nach, was das für sie jetzt zu bedeuten hatte. Dann lächelte sie. „Du machst einen Fehler, wenn du mich absorbieren willst, denn meine Struktur besteht auf der Basis von Tertenium, einer Substanz, die auf der Erde nicht vorkommt und es auch nie wird. Vielleicht verträgst du mich, vielleicht auch nicht.“
Das Wesen lockerte jetzt das Band um sie und zog sich verunsichert zurück.
„Was wollt ihr hier?“
„Wir sind Forscher und wollen herausfinden, warum hier alles bis auf die siliziumhaltigen Dinge verschwunden sind. Nun hast du es mir erklärt und wir könnten alle wieder friedlich von hier verschwinden und unsere Erkenntnisse zuhause aufarbeiten. Was hältst du davon? Lässt du mich gehen? Wenn sie mich nicht finden, werden hier immer mehr Terteniumwesen erscheinen und die Erde noch mehr verseuchen.“ A’anae hatte sehr bestimmt gesprochen und abermals den Brustkorb gedehnt. Jetzt ging es leichter, der Panzer gab etwas nach. Das Erdwesen schien zu überlegen, dann gab es A’anae mit einem Ruck frei und sie fiel mit einem lauten Schrei in den Fluss, dass es nur so spritzte. Hastig sprang sie auf und sprintete ans Ufer. Sie setzte sich auf einen Stein und wrang ihre Fühler aus, dann schüttelte sie sich und aktivierte den Kommunikator. „T’Bel, ruf sofort den Shuttle, wir müssen hier umgehend weg, keine Verzögerungen – sonst geht es uns so wie den auf Wasser basierenden Wesen, die hier gelebt haben. Ich erkläre dir alles an Bord.“
In ihr herrschten Freude und Furcht, sie stritten um die Vorherrschaft und schließlich siegte die Angst. Noch nie hatte sie sich vor irgendetwas gefürchtet, aber das sprengte den Rahmen des Normalen bei weitem.

Drei Erdstandardstunden später saß sie im Sternenflieger und berichtete von ihrem Erlebnis.
„So? Bist du dir sicher, dass es so war?“, fragte T’Bel skeptisch. Sie nickte, was mehr Eindruck machte, als wenn sie noch einmal alles genau erklärt hätte. Er dachte darüber nach und sagte dann: „Die Erde hat sich also Fieber verordnet, um alle Eindringlinge zu tilgen. Interessant. Wir sollten diese Erkenntnisse zuhause genauestens analysieren.“

Sie dockten an den Sternenkreuzer und nur wenig später verließen sie das Sonnensystem.

Das Erdwesen hockte in seiner Höhle und wusste nicht, wie es das begonnene Chaos wieder loswerden sollte. Einmal entfesselt kann sie sich selbst nicht mehr stoppen.
Es muss seinen Lauf nehmen ...

(c) Herta 3/2010
Herta gnadenlos
for Literatur-Nobelpreis!!!!!!! *ja*
volatile
*******aum Frau
16.590 Beiträge
Naja, also soooo weit würde ich jetzt vielleicht nicht gehen. Ein wenig Star Trek, ein paar Vulkanier-Namen, dazu ein wenig I-am-Legend-Szenario...

Das Rad wurde hier nicht neu erfunden, aber die Lektüre unterhält.

Inklusive Tentakel. *g*
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
@ SinasTraum
Man muss ja nicht ständig das Rad neu erfinden, wenn es schon jemand gemacht hat *zwinker*


@ Olove: *rotwerd* Danke


Herta
Profilbild
****ia Frau
22.263 Beiträge
Mal wieder ein echtes, düsteres, hertianisches Szenario!
Ich find's Klasse!
volatile
*******aum Frau
16.590 Beiträge
Man muss ja nicht ständig das Rad neu erfinden, wenn es schon jemand gemacht hat


Ständig nicht, klar. Wenn man allerdings den Nobelpreis anstrebt, dann schon... *zwinker*
Profilbild
****ia Frau
22.263 Beiträge
Also Sina, ich fürchte, Du hast da etwas gründlich Mis(t)verstanden.
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
*haumichwech*

na sowas - du nimmst mir das Kompliment von Olove doch nicht übel?

Ich habe nie behauptet so etwas anzustreben, also muss ich nicht immer und überall das Rad neu erfinden - das wäre ja eine mühselige, unnütze Arbeit. Außerdem wurde jeder Gedanke schon einmal gedacht und schwirrt herum, um wieder irgendwo zu landen und ein neues Kleid zu bekommen.

*sonne*Herta
Das war MEIN
Gedanke, der sich übrigens nicht nur auf diese Geschichtte bezieht, sondern meine Begeisterung für die unbändige Schaffensfreude und unglaubliche Qualitätssteigerung Hertas, die sie hier im letzten halben Jahr gemacht hat, zeigen soll.
Dass ich ab und an genüsslich zu leichten Übertreibungen neige, haben wol schon manche hier bemerkt. Ich hoffe, das wird mir auch weiterhin verziehen ;-))
volatile
*******aum Frau
16.590 Beiträge
Ach Quatsch, ich nehme hier gar nichts übel! Wieso denn auch. *g*

Ich habe doch selbst geschrieben, dass ich den Text durchaus gern gelesen habe.

Mein einziger kleiner Kritikpunkt war, dass mir die Szenarien alle ein wenig SEHR bekannt vorkamen. Das mag aber auch Selbstverschulden sein, ich bin nun mal ein Sci-Fi-Junkie.

Also bitte meine Frotzelei richtig verstehen: sie war gar nicht so bierernst gemeint. Genau so wenig wie die spontane Nobelpreisverleihung von olove!

*zwinker*
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Die Erde liegt im Fieber, völlig leergeräumt von allem Leben, einzig leblose Dinge und heißes Wasser sind noch übrig. Kaum spürt sie Leben, holt sie es und will es vernichten - gleich einem Körper, der Krankheitserreger vernichtet.
Dann habe ich noch die derzeit aktuellen wirtschaftlichen und politischen Vorgänge in diese fiktive Geschichte gepresst.

Ich kann keine Verbindung mit anderen Geschichten erkennen. Es ist natürlich deine Sache, wie du eine Geschichte liest.
volatile
*******aum Frau
16.590 Beiträge
Ok.

Ich merke, Du bist doch etwas angesäuert, weil es von mir keinen uneingeschränkten Applaus gab.

Das tut mir leid. Oder auch wieder nicht, denn dafür stellen wir unsere Texte doch hier nicht rein, damit es daraufhin dann zwei Seiten Begeisterungsrufe gibt und sonst nix... oder?

Merke: Kritik ist seltenst persönlich gemeint. Wenn doch, dann ist sie unsachlich und nicht ernst zu nehmen.

So, und jetzt mach ich diesen hier *schweig* und halte mich raus.
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Angesäuert bin ich nicht. Ich verstehe nur nicht, wo du eine Verbindung zu anderen Geschichten siehst.

*gruebel*


Nachsatz: Kritik nehme ich immer gerne an, aber ich muss sich auch nachvollziehen können.
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Dann will ich mich auch mal etwas übertrieben äußern:

Wer ist Stephen King? Ich kenne nur noch Herta ...

Der ist auch so ein Vielschreiber und bringt immer düstere Werke, aber ich glaube mehr und mehr, liebe Herta, dass da irgendwas aus Dir raus will ... nur was?

Wie auch immer - auch diese Geschichte hat ihre Ecken und Kanten und ist sicher nicht das "neu erfundene Rad" (und für den Nobelpreis reicht's noch nicht ganz), aber sie hat es in sich.

Was du in einem Jahr hier für eine Entwicklung hinter Dich gebracht hast (nicht zuletzt auch durch unser aller Kritik), das hat schon Respekt verdient.

Meine Hochachtung, gnä' Frau!

(Der Antaghar)
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Ohne eure Kritik hätte ich nicht so viel gelernt und ich hätte es nie gewagt, Neues auszuprobieren und schon gar nicht brutale, fantastische Geschichten *ggg*

*danke* euch dafür.


Irgendetwas muss sicher raus aus mir, nur was, das hat sich mir noch nicht erschlossen - ist aber vielleicht auch nicht so wichtig. *g*
Die Arbeit des Raderfindens, die überlasse ich gerne anderen, die mehr Talent dazu haben.


Liebe Grüße
Herta
Profilbild
****ia Frau
22.263 Beiträge
Schraub... zeichen... zimmer... plan...
ich arbeite gerade ganz hektisch an einem komplett neuen Rad, Herta.

Stell Dir vor:
Es wird ne runde Sache! *haumichwech*
Dann will ich mich auch mal ein wenig angetrieben äußern.

Ich ringe der Geschichte auch nicht gerade viel ab. Die Szenerie ist gekonnt beschrieben, aber auch per se spannend. Sie lässt eine Reihe von Fragen offen; zum Beispiel, wieso eine vergilbte Plastiktüte von Interesse sein kann. Oder, wieso intelligente Wesen dieses Kalibers Demokratie und andere Staatsformen nicht verstehen. Aber das sind nur scheinbar wichtige Fragen, da es vordergründig eher um den Transport einer Idee zu gehen scheint; die organismustypische Fieberreaktion auf einen sich erwärmenden Planeten übertragen. Diese Idee ist toll. Ich finde sie allerdings plakativ umgesetzt. Ich fühle mich durch Sätze wie „Irgendeine unbedeutende Person, sollte ein unbedeutendes Amt ausfüllen und so tun, als wäre es wichtig.“ ein bisschen für dumm verkauft.
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Danke interzone, das nenne ich konstruktiv, damit kann ich was anfangen.

Aber für dumm verkaufen will ich niemanden *g*


LG Herta
Profilbild
****ia Frau
22.263 Beiträge
zu plakativ?
ich weiß nicht...
es ist eine kurzgeschichte.
das ist einfach komprimierter, als wenn man die story auf 500 seiten langsam daherkommen lässt.
Plakatives Darstellen hat nach meinem Dafürhalten nichts mit der Länge eines Textes zu tun. Es ist eine grundlegende Herangehensweise, Ideen in Zeilen zu fassen.
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Ich habe
diese Geschichte jetzt noch einmal überarbeitet (zum 1000. Mal). Daran schreibe ich schon länger herum als an "Eumeria" *faechel*

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Eine Fiktion

Es war heiß. Der heißeste Tag des Jahres, so nannte man es früher, wenn die Temperaturen auf über 36 Grad Celsius gestiegen waren. Nun war es viel heißer. Der Asphalt flirrte und die Stahl- und Glaswände der einsamen Hochhäuser leiteten die Hitze weiter.

Erst vor einem Tag war A’anae von einem Shuttle in dieser Geisterstadt abgesetzt worden. Nun befand sie sich im ehemaligen Regierungsviertel und sie hörte nur das leise Murmeln eines Flusses. Vor langer Zeit wurde er Traisen genannt.

Sie stieg durch eine zerschlagene Tür und blickte sich vorsichtig um. Hier war es um einige Grade kühler als draußen, so atmete sie erleichtert auf.
„T’Bel, ich bin im ersten Gebäude“, sagte sie durch den Kommunikator, der an ihrem Handgelenk befestigt war. Sie wartete keine Antwort ab, sondern ging weiter. „Keine Spuren von Leben“, flüsterte sie.
„Hier auch nicht A’anae“, kam endlich die Antwort. Ihr Forschungspartner war in der Stadt, die einst Vienna oder Wien genannt wurde. „Ich kann keinerlei Spuren von Leben entdecken, sogar die Pflanzen sind weg“, sagte er. A’anae nickte, wohl wissend, dass er sie nicht sehen konnte.
„Ich gehe weiter“, sagte sie schließlich und beendete die Kommunikation. Langsam schlich sie durch die leere Halle.
Sie fand nichts, was ihr Interesse geweckt hätte und ging in einen anderen Bereich. Hier waren die Büros der Abgeordneten gewesen. Pressekonferenzen wurden hier vorbereitet und es wurde über das Wohl des Landes entschieden, das sich nicht immer mit den Wünschen der Bevölkerung gedeckt hatte.

A’anae verstand nicht, wie das System funktioniert hatte, dafür hatte sie zuwenig Daten. Ein Kollege forschte in einem anderen Kontinent, wo sich Ähnliches, aber in größerem Rahmen, ereignet hatte. Die Menschen hatten ihr gesamtes Hab und Gut und ihre Zukunft verloren in einem Spiel, das sie ebenso wenig verstanden, wie A’anae die Staatsformen der Erde.

Alle Räume waren leer, nicht ein Hinweis, der Aufschluss über die weitere Tragödie gegeben hätte. Nun öffnete sie die Kommunikation erneut. „T’Bel, hier ist nichts. Nur leere Räume. Es sieht aus, als wäre alles vernichtet worden – nein, nicht vernichtet, so gründlich kann niemand arbeiten. Es ist unheimlich.“ Eine Gänsehaut begann sich über ihren Körper auszubreiten und sie fröstelte in der Hitze. „Ich weiß“, kam es zurück. „Hier ist es genauso. Ich denke, wir werden bald Schluss machen. Wann sollte dich das Shuttle abholen?“
„In drei Erdumdrehungen“, antwortete sie düster.
„Vielleicht kannst du eine Mülldeponie finden und entdeckst dort etwas, das uns einen Hinweis darauf gibt, warum alles Leben verschwunden ist. Niemand löst sich einfach so in Luft auf.“
„In Ordnung. Ich sehe mich hier noch etwas um“, bestätigte sie und suchte weiter. Außer Glast und nackten Wänden fand sie nichts.
Dann ging sie hinaus und zum Fluss. Im Flussbett entdeckte sie das erste Anzeichen einer Zivilisation. Eine Plastiktüte war unter einem Stein hängen geblieben und hatte die Zeiten überdauert. Entschlossen, diesen Fund zu bergen, nahm sie ihre Ausrüstung vom Rücken, entnahm eine Bergungstasche und watete ins Wasser hinaus. Es war fast kochendheiß. Deshalb arbeitete sie rasch und bugsierte den Fund in den hermetisch abschließbaren Beutel. Dann blieb ihr Blick an einem anderen Stein hängen. ‚Ist das lebendig?’, überlegte sie und ging hin. Sie nahm einen weiteren Beutel und bückte sich. Da schoss ein Tentakel hervor und zerrte sie in die Tiefe. Sie hatte nicht einmal Zeit, einen Notruf abzugeben. Dann wurde sie verschlungen. Erde und Steine verbissen sich in sie, zerrten an ihren Fühlern und den Extremitäten. Sie wurde verschlungen in einem Alptraum aus Erde und in Ton gepresst. Abrupt stoppte der Fall und sie fand sich in einem höhlenartigen Gebilde wieder. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an das dämmrige Licht und sie erkannte vor sich ein Gebilde. Es schien ein Lebewesen zu sein – oder irgendetwas, das denken konnte.
„Wo bin ich?“, fragte sie.
„Du bist in mir, in der Erde. Ich werde alle tilgen, die auf mir wandeln und mich zerstören“, antwortete das Wesen und A’anae fühlte, wie der Druck auf ihren Körper erhöht wurde. Erschrocken schnappte sie nach Luft. Dann begann sie damit, ihre Lungen zu dehnen und blähte den Brustkorb. Ihre Rasse war durchaus imstande einen Ring aus Eisen, der um die Brust geschlungen war, nur mit der Kraft der Luft in den Lungen, zu brechen. Aber die Erde war unerbittlich und härter als Stahl.
„Wir sind keine Geschöpfe dieser Welt“, presste sie hervor. Gelächter antwortete ihr. „Es ist dir gleichgültig, nicht wahr? Lass mich eine Warnung an die Lebewesen aller Universen durchgeben, damit sie diesen Sektor meiden.“
„Das hättest du wohl gerne.“ Die Stimme klang nun weniger feindselig und A’anae hatte den Eindruck, als wollte es seine Geschichte erzählen.
Tatsächlich, nach einigen Minuten begann das Erdwesen zu reden: „Ich musste es tun. Sie haben alles zerstört: die fleischlichen Mitbewohner und die auf Chlorophyll basierenden. Schließlich haben sie sich in mich hineingefressen und alles genommen, was ich brauche, um das Gleichgewicht zu halten. Sie führten Kriege – es scheint, wegen irgendwelchem wertlosen Papier. Es kümmert mich nicht, wer gut oder böse ist, wer recht oder unrecht hat, wer stark oder schwach ist. Sie begriffen nicht was los war.“ Das Wesen lachte grässlich. A’anae hörte gespannt und ängstlich zu. „Ja, sie dachten, dass sie die Erderwärmung selbst verursachten. Ich habe so reagiert, wie jedes Lebewesen auf einen Krankheitserreger – ich habe die Keime zerstört. Sie haben hektisch nach einer Lösung gesucht, und begannen, sich selbst auszurotten. Dann habe ich sie geholt, jedes Lebewesen habe ich in mich aufgenommen. – Und nun, wird es Zeit, dich aufzunehmen.“
Trotz ihrer Angst keimte in ihr eine Idee, wie sie entkommen konnte. „Du machst einen Fehler, wenn du mich absorbierst, denn meine Struktur besteht aus Tertenium, einer Substanz, die auf der Erde nicht existiert. Du wirst mich nicht mögen.“
Das Wesen überlegte und fragte dann: „Was sucht ihr hier?“
„Wir sind Forscher und untersuchen, warum hier alles bis auf die siliziumhaltigen Dinge verschwunden ist. Nun weiß ich es. Wir könnten jetzt weg und unsere Erkenntnisse aufarbeiten. Wenn ich mich nicht melde, werden andere kommen, die mich suchen und dich noch mehr verseuchen.“
Plötzlich gab die Entität A’anae frei. Sie landete im Fluss und sprintete sofort ans Ufer. Auf einem Stein sitzend wrang sie die Fühler aus und aktivierte dann den Kommunikator. „T’Bel, ruf das Shuttle, wir müssen weg – sonst geht es uns wie den Wesen, die hier gelebt haben. Erklärungen an Bord!“

Im Shuttle berichtete sie von ihrem Erlebnis. T’Bel fragte skeptisch nach, doch sie nickte nur und schwieg betroffen. Schließlich meinte er: „Wir sollten diese Erkenntnisse zuhause genau prüfen.“

Die Erde wusste nicht, wie sie das begonnene Chaos beenden sollte. Einmal entfesselt kann sie sich selbst nicht mehr stoppen.
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