Das schwarze Schaf
Das schwarze Schaf.Grell schrillen die Sirenen durch die Nacht. Blaulicht zerreißt das Dunkel.
Fred und Harry jagen durch die Straßen der Stadt, fliegen über Kreuzungen hinweg, scheuchen verschreckte Fahrer auf die Seite.
„Worum geht’s?“
„Selbstmord. Hat sich jemand erhängt.“
„Warum jagen wir dann so?“
„Der Job verlangt das.“
Haus gefunden. Der Krankenwagen und der Notarzt sind auch gerade eingetroffen.
Die Beiden hasten die Treppen hinauf. An der Wohnungstür steht der Hausmeister und zeigt stumm in deren Richtung.
Fred und Harry betreten die Wohnung, bleiben im Flur unschlüssig stehen.
„Im Wohnzimmer, immer geradeaus.“ Es ist die Stimme des Hausmeisters.
Sie befolgen den Hinweis, betreten das Wohnzimmer und erblicken den reglos baumelnden Mann.
Harry sieht sich um und entdeckt einen Briefbogen auf dem Tisch.
Er nimmt ihn hoch und liest.
Nachdenklich und mit traurigem Blick reicht er das Stück Papier an Fred weiter.
Dieser liest:
Meine Liebsten.
Ich denke, jetzt ist alles richtig.
Ich hab ständig das Gefühl, irgendjemand anderes sein zu müssen.
Auch dann, wenn ich alleine bin.
Egal, was ich mache, was ich tue, ich bin der Falsche, der dies macht, tut.
Es ist so, als wenn ich jemand anderem, der an meiner statt sein sollte, das Leben stehlen würde.
Es ist so, dass ich jemandem den Platz im Leben geraubt habe, jemand, der im Grunde Vorrecht gehabt hätte, auf den alle gewartet haben.
Einer der besser, richtiger ist als ich.
Alle sehnen sich nach diesem Menschen. Alle warten auf ihn und sind sauer, weil ich es bin, der da ist, der diesen Platz einnimmt.
Ich habe ein schlechtes Gewissen, ich fühle mich schlecht und schuldig, weil ich dies getan habe, weil ich mich vorgedrängelt habe.
Ich bin der Falsche auf diesem Platz. Ich bin nicht gut genug.
Es tut mir leid. Es tut mir so leid.
Bitte verzeiht.
Ich will ihm Raum geben.
Ich trete zurück. Ich ziehe mich zurück.
Bernd