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Das schwarze Schaf

Herbst 2018
***to Mann
4.270 Beiträge
Themenersteller 
Das schwarze Schaf
Das schwarze Schaf.

Grell schrillen die Sirenen durch die Nacht. Blaulicht zerreißt das Dunkel.

Fred und Harry jagen durch die Straßen der Stadt, fliegen über Kreuzungen hinweg, scheuchen verschreckte Fahrer auf die Seite.

„Worum geht’s?“

„Selbstmord. Hat sich jemand erhängt.“

„Warum jagen wir dann so?“

„Der Job verlangt das.“

Haus gefunden. Der Krankenwagen und der Notarzt sind auch gerade eingetroffen.

Die Beiden hasten die Treppen hinauf. An der Wohnungstür steht der Hausmeister und zeigt stumm in deren Richtung.
Fred und Harry betreten die Wohnung, bleiben im Flur unschlüssig stehen.

„Im Wohnzimmer, immer geradeaus.“ Es ist die Stimme des Hausmeisters.

Sie befolgen den Hinweis, betreten das Wohnzimmer und erblicken den reglos baumelnden Mann.

Harry sieht sich um und entdeckt einen Briefbogen auf dem Tisch.
Er nimmt ihn hoch und liest.
Nachdenklich und mit traurigem Blick reicht er das Stück Papier an Fred weiter.
Dieser liest:

Meine Liebsten.

Ich denke, jetzt ist alles richtig.

Ich hab ständig das Gefühl, irgendjemand anderes sein zu müssen.

Auch dann, wenn ich alleine bin.

Egal, was ich mache, was ich tue, ich bin der Falsche, der dies macht, tut.

Es ist so, als wenn ich jemand anderem, der an meiner statt sein sollte, das Leben stehlen würde.

Es ist so, dass ich jemandem den Platz im Leben geraubt habe, jemand, der im Grunde Vorrecht gehabt hätte, auf den alle gewartet haben.

Einer der besser, richtiger ist als ich.

Alle sehnen sich nach diesem Menschen. Alle warten auf ihn und sind sauer, weil ich es bin, der da ist, der diesen Platz einnimmt.

Ich habe ein schlechtes Gewissen, ich fühle mich schlecht und schuldig, weil ich dies getan habe, weil ich mich vorgedrängelt habe.

Ich bin der Falsche auf diesem Platz. Ich bin nicht gut genug.

Es tut mir leid. Es tut mir so leid.

Bitte verzeiht.

Ich will ihm Raum geben.

Ich trete zurück. Ich ziehe mich zurück.


Bernd
ja
Ich hab ständig das Gefühl, irgendjemand anderes sein zu müssen.

das kenn ich auch...dabei heißt das hier "Joy-Club"
aber es ist das richtige Leben...
nur etwas schöner *rotfl*
Erschreckend!
Der Text eignet sich für Nachahmungstäter.......

Ich hoffe doch, du hast diesen Teil damit aus dir rausgeschrieben....

Ein echter Heinrich, was die Kürze und die Wucht angeht.

klatschabersorgenfaltenolaf
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Wuchtig und erschreckend ... packend geschrieben.

*top*Herta
Seit langen wieder mal ne Story die mir richtig gut gefällt...
Eine sehr gute Entschuldigung
Aber Applaus wäre zuviel des guten bei ein so ernsten Thema.
Einfach nur SUBKUTAN...
LG. Mario
Profilbild
****ia Frau
22.263 Beiträge
Huh... das macht mir Gänsehaut...
Verdammt eindringlich geschrieben!
LG
Rhabia
Kurz und knackig. Kein Wort zu viel und jedes am richtigen Platz.
Und dieses Gefühl, am falschen Ort zur falschen Zeit der Falsche zu sein, kommt mir bekannt vor, allerdings in homöopathischen Dosen.

Gudrune
*******iele Paar
11.990 Beiträge
Mitreissend, packend geschrieben ... und trotz des nachdenklichen Themas hattet du noch Platz, mir ein Schmunzel auf die Lippen zu zaubern (... das verlangt der Job ... )

Allerdings hat mich deine Geschichte auch zum Grübeln gebracht ...
Ich hoffe, du hast diesen Text nicht aus deinem Innersten geschrieben.

Bonnie
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Lieber Heinrich!

Das ist vor allem ein wunderbares Lehrstück: Mit knappen und präszisen Wörtern und Sätzen lässt sich oft eine verblüffende Eindringlichkeit schaffen - nicht nur mit einem ausufernden, ausschmückenden und besonders ausführlichen Stil.

Diese spürbare Wucht erzeugst Du nicht nur durch den Inhalt, sondern auch durch den exakt passenden Stil!

Mein Glückwunsch!

(Der Antaghar)
Herbst 2018
***to Mann
4.270 Beiträge
Themenersteller 
Vielen Dank.
Vielen Dank für euer Lob.

Ich muss eure Gedanken erst mal sacken lassen.

Diese Geschichte hat eben doch auch mit mir zu tun.

Doch ist sie für mich, alles in allem, befreiend.
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Dann möge sie heilsam für Dich sein - denn jeder könnte auch schreiben:

Ich will mir selbst Raum geben.

Ich trete zurück. Ich ziehe mich zurück.


Denn viel zu viele lassen sich selbst nicht wirklich leben - sie nehmen sich selbst in einem anderen Sinne das Leben, länge bevor es zu Ende geht: Oft ist es nicht die Frage, ob es ein Leben nach dem Tod gibt, sondern ob es auch eines vor dem Tod gibt.

Und ich begegne vielen, die schon lange vor ihrem Tod tot sind. Die keinen Schritt beiseite gehen, um sich selbst vorbei zu lassen, sich selbst Raum zu geben ... Sie stehen lieber sich selbst im Weg!

(Der Antaghar)
zu Antaghar
das trifft alles absolut zu. Sehr gut ausgedrückt!

Schlecht ist es wenn man in den Dunstkreis negativer Menschen gerät, die sich und anderen gerne im Weg stehen. Und noch schlechter ist es wenn man selbst gutmütig ist und es auch diesen Leuten gerne recht machen würde. Und am allerschlechtesten ist wohl wenn man mit einem solchen Menschen verheiratet ist.
Dann vergeht einem beispielsweise der Apetitt, kann nicht mehr schlafen oder hat Angst vor jedem Tag und jedem Auftritt dieses Menschen. Dann würde man gerne irgendjemand sein, am wenigsten der der nichts recht machen: man selbst.
Doch was soll man dagegen unternehmen? Der andere ist vielleicht krank und kann nicht anders leben als dauernd Menschen anzugreifen und sie nieder zu machen. Das gibt ihm vielleicht die Kraft existieren zu können.
Frohe Ostern aber trotzdem an alle - Gedanken sind Experimentierfelder. Die Philosophie soll uns ja weiterhelfen und nicht zu Boden drücken.
Als
ich erkannte, dass ich den Strick, den ich um den Hals hatte, auch dazu dienen kann, Andere aus tiefen Löchern zu ziehen, bekam ich endlich wieder Luft!

grauenkenntolaf
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