Come on
„Wer sagt eigentlich, dass die Vergangenheit generell tatsächlich blöd ist, nur weil man mit ihr vielleicht gerade mal nicht klarkommt? Nur weil sie einem justament die Schuhe verkehrtherum angezogen hat, damit Mensch vielleicht besser rückwärts anstatt vorwärtslaufen kann, um sich rückblickend die Augen aus dem Kopf zu weinen, weil X, Y, Z sich damals über dieses, jenes, sell oder über Bell mit A ungünstig geäußert hat und einige Zicke-Men-Tucken desderwegen veranstaltet hat?“
Mir geht die Puste aus, und ich muss Luft holen.
„Au … und leider ja.“
„Zicke-Män-Ficken haben die damals wirklich angestellt. Oder eher Pisse-Men-Schrullen?“
Das ist mir nicht mehr so genau erinnerlich geblieben. Oder vielmehr erinnere ich mich Null-Komma-gar-nicht daran. Aber egal. Ich bin dafür einfach noch zu grün hinter den Ohren gewesen. Damals als ich noch an den Märchenprinzen geglaubt habe. Denjenigen, der mich dann auf seinem weißen Ross mit sich fortführen sollte und es schließlich doch nicht getan hat, …
„Aber eins weiß ich heute schon. Das Rad der Zeit ist nicht der Rat der Zeit, und dennoch weint mein Regenbogen salzige Wassertropfen, wenn er den Schotter der Straße gen Freiheit überspannt, um mich auf meinem Weg zu geleiten. Wohin auch immer ich eben gehen will.“
„Jahahahaaaaa, mein Dornröschen hatte es damals schon schwer, will ich meinen, weil eine Erbse nicht für immer die Allround-Wohlfühl-Matratze schlechthin bedeuten kann. Denn irgendwann drückts halt schon. Da kann Mensch sich noch so gut mit Bequemlichkeiten einrichten und abfedern und pudern und pämpern. Irgendwann drückt es doch die kleinste Kleinigkeit durch. Da hilft dann selbst die beste High-end-Post-Mortem-Lagerung nicht mehr.
Das kann ich hiermit im Schweiße meines Angesichtes mit dem Blut meiner bisherigen Lebensstrapazen bestätigen. Denn ich bin längst keine Prinzessin mehr und ein Prinz von und zu wollte ich im Leben nicht werden …“
Aber was sage ich, ich sehe mich, dir die Sternlein vom Himmel holen und denke noch: „Verdammt, was das nun wieder werden wird mit meinem armen, hohlen Kreuz? Denn dir zum Kreuze kriechen, weil mich die Hexe geschossen hat, mag ich am Ende auch nicht.“
Und dann schlägt die Demut zu und lässt mich erbeben im Feuer meines Flammenfrusts. Denn in mir ruht der Drache meiner Lebenslust, und ich will fliegen und fliegen über Stock und Stein und Himmel und Erde und Hölle, nur damit ich keinen leeren rechten Platz mein Eigen nennen muss und die hoffnungsvoll Angebetete keine hoffnungslos Angebetete mehr bleiben wird.
Und dann erleide ich schon wieder eine Atemnot und japse wie ein alter Mann nach Luft.
„Scheiße aber auch, die Erkenntnis-Bandwurm-Sätze sind wieder mal lang und atemraubend schwer zu verdauen …“
Ich muss lachen, denn auf meiner bröckeligen Mauer sitz die kleine Wanze und lauert auf eine gute Gelegenheit, mir was zu husten. Doch den Gefallen kann und werde ich ihr noch nicht tun, denn just in diesem Augenblicke sehe ich meine Raupe Nimmersatt. Und schlau, wie ich nun heute bin, lasse ich sie ziehen. Denn sie ist der Schmetterling von morgen.
Und so summe ich das „So-long kleine Nimmersatt“ vor mich hin.
„Auf dann, bis bald, mein zukünftiger Schmetterphant. Noch bist du voll haarig und monströs im Fressverhalten. Doch bald gewandest du dich schillernd bunt graziös und bist dann der Bote des Paradieses auf Erden.“
So fläze ich mich in diesen späten Altweibersommertagen tief in meinen Ohrensessel hinein und zähle die Weben meiner Hausspinnen auf meiner Terrasse. Doch bald ist auch dies wohl wieder vorbei und dann ist das Chaos meiner Liebe nicht mehr fern.
Dann bade ich wieder in den Lichtungen ihrer Wälder und hole ihr gern, wie sollte es auch anders sein, die Sternlein vom Firmament herab. Egal ob mich dann die Hexe plagt oder mir die Maus die löchrigen Socken klaut. Eben weil ich dann Gewähr bei Fuß stehe für das emotionale Stelldichein mit meinem Leben.
© CRSK, LE, 10/2024
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