Frau Wenndann
Bei ihr zu Hause hieß es: Wenn du mithilfst, dann haben alle was davon.
Wenn du besser lernst, dann wirst du mal was.
Wenn du brav bist, dann bekommst du Nachtisch.
Wenn du so rumläufst, dann landest du in der Gosse.
Wenn du immer Widerworte gibst, dann hast du es schwer im Leben.
Sie hörte:
Wenn ich nicht mitmache, dann liebt man mich nicht.
Wenn ich nicht gut genug bin, dann bin ich nichts wert.
Wenn ich nicht lieb bin, dann verhungere ich.
Wenn ich nicht zeige, wie ich bin, dann überlebe ich.
Wenn ich nicht sage was ich denke, komme ich besser zurecht.
Sie spürte genau, dass irgendetwas falsch war daran.
Gut gemeint und trotzdem nicht gut für sie.
Sie wollte später so vieles anders machen.
Heute sitzt sie in der Stube und spielt mit dem Sohn ein altes Spiel, das sie ein wenig verändert hat:
Wenn du nichts Richtiges isst, dann kannst du krank werden.
Wenn du deine Jacke nicht zu machst, dann kannst du dich erkälten.
Wenn du soviel fern siehst, dann kannst du verblöden.
Wenn du Abschuss-Spiele spielst, dann kann das deine Gewaltschwelle senken.
Und er antwortet:
Was ist »was Richtiges«? Wenn ich nicht Pizza essen würde, dann wüsste ich nicht, wie lecker die ist.
Wenn ich gut drauf bin, lasse ich gern die Jacke offen, weil mir dann warm ist.
Wieviel ist »zu viel«? Wenn ich nicht so viel fern sehen würde, dann könnte ich dir auch nicht alles über Japan erzählen.
Wenn ich nicht diese Spiele hätte, dann würde ich meinen Schulfrust nicht los.
Sie schauen sich an. Lächeln.
Sie sagt: Ich bin platt, was du alles weißt, freut mich. Bin stolz auf dich, Großer. Aus dir wird mal was. Was auch immer.
Er meint: Was gibt´s denn zu essen, Mudder? Knufft ihr auf den Arm und beginnt vom Theaterklassenstück zu erzählen. Und von Mareike.
Wenn sie nicht dieses Spiel hätte, dann hätte sie vieles nicht gelernt.
Wenn sie es nicht spielen würde, nach neuen Regeln, dann wäre nicht so viel Liebe um sie.
Wenn. Dann.
© Gud_Rune 04/2010