Mutter
Was für ein kleines Wort für so eine große Sache. Mutter. Sie begleitet und durch unser ganzes Leben. Ob wir das wollen, oder auch nicht.
Meine Mutter ist recht… speziell. Seit ich denken kann, wirft sie mir vor, ich hätte sie nie geliebt. Schon als Baby nicht. Da frage ich mich, kann denn ein Baby anders, als seine Mutter zu lieben? Oder ein Kleinkind? Es gibt Kinder, die werden misshandelt und lieben ihre Mutter dennoch. Nein, meine Mutter hat mich nicht misshandelt oder missbraucht. Jedenfalls nicht so.
Obwohl – auf ihre ganz spezielle Art und Weise hat sie es getan. Nein, nicht mit Prügeln und auch nicht sexuell. Aber ich war ein Werkzeug für sie. Ich hatte als ihr persönlicher Glücklichmacher zu funktionieren. Ich sollte ein Abbild sein, von ihr. Leider war ich das ganz und gar nicht. Oh, ich sah so aus, wie ein Kind auszusehen hat, ihrer Meinung nach. Blond und blauäugig. Aber damit hatte es sich auch schon erledigt. Sie sah mich in Rüschenkleidern und Paillettenpullis, während ich Opa-Unterhemden und Latzhosen vorzog.
Von meinem ganzen Wesen her entspreche ich nicht ihren Vorstellungen. Ich habe gute Freunde. So was kann sie nicht verstehen. Besuch ist lästig und macht nur Dreck und Arbeit. Ich aber liebe es, Besuch zu haben. Je mehr, desto besser. Sie findet das schrecklich von mir. Findet mich völlig aus der Art geschlagen.
Sicher sie macht sich auch Sorgen um mich: „Kind, ich kann das gar nicht verstehen, dass Du so gänzlich untalentiert für alles bist!“ Oder: „Was, du bist schon wieder krank? Was hast du denn schon wieder falsch gemach?“
„Nein, Mutter, ich mache nichts falsch. Gar nichts. Ich bin nur einfach mal erkältet. Das passiert halt gelegentlich. Aber danke für deine warmen Worte.“
„Dass du immer gleich aggressiv werden musst! Aber so warst du ja schon immer. Nie hab ich einen Dank dafür bekommen, was ich alles für dich getan habe. Du hast mich noch nie geliebt. Du bist genau, wie dein Vater!“
Ja, so schleppe ich meine Mutter mit mir mit.
Und jetzt bin ich selbst eine. Eine Mutter.
Ob ich es wohl besser mache?
Ich will es hoffen. Für meine Kinder.