Es geht weiter
Er gab allen Abteilungen Nachricht, dass er die Teamleiter um 1400 Standardzeit, zu sehen wünschte. Anschließend überlegte er, wie er die Truppe von ihrem derzeitigen Kurs auf einen anderen steuern konnte, ohne dass es bemerkt wurde. Er fuhr sich durchs Haar und schnaubte leise. Dafür musste er sich wieder Zeit lassen und gerade die schien ihm davonzulaufen.
Er warf einen sehnsüchtigen Blick auf das Feldbett, das schon jahrelang in seinem Büro stand aber er wagte es nicht, sich schlafen zu legen. Die Angst vor den Bildern war einfach zu groß.
So bereitete er sich auf das für den Vormittag angesetzte Meeting mit der neuen Ressortleiterin für Finanzen vor.
Langsam wurde es heller draußen und die Straßen erwachten. Ganz leise nahm er die Geräusche des erwachenden Lebens um ihn herum wahr. Er hörte seinen Assistenten eintreffen, gerade sagte er: „Mann, ich bin noch müde. Gestern war ein tolles Spiel, hat es von euch jemand gesehen? Ich hatte Karten und war im Stadion – aber der Schiedsrichter war nicht gerade Weltklasse.“ Jack konnte leises Gelächter vernehmen und wie jemand antwortete, aber den genauen Wortlaut verstand er nicht mehr. Dann hörte er ein energisches Klopfen.
„Guten Morgen, Chef“, sagte der Assistent.
„Guten Morgen, Samwald. Wie war das Spiel?“ Jack rang sich ein Lächeln ab und versuchte seine eigene Müdigkeit zu verbergen. Georg „Josh“ Samwald sah seinen Chef an und antwortete: „Ganz gut, Sir. Nur der Schiedsrichter war nicht ganz von dieser Welt – ich denke, den haben sie von der Marskolonie geholt und er war noch nicht ausgeschlafen. Ähm – Entschuldigung.“ Es war im peinlich so persönlich geworden zu sein, normalerweise fragte der Chef auch nicht nach einem Fußballspiel. Soviel er wusste, interessierte der sich nicht für Sport. „Schon in Ordnung, Samwald. Ich hatte danach gefragt. – Bereiten Sie bitte alles für die Besprechung mit der neuen Senatorin vor. Legen Sie alle Dateien bereit. In einer halben Stunde will ich sie hier haben und besorgen Sie mir Koffein. Dann schaffen Sie Iwanov hierher.“ Samwald salutierte, drehte sich um und führte die Befehle aus. Er fragte sich nur, warum er einen Saboteur wieder aus dem Gewahrsam holen sollte und wie es der Chef schaffte, alles über jeden seiner Untergebenen zu wissen. Kopfschüttelnd besorgte er zuerst das Koffeingetränk und gab gleichzeitig eine Meldung an die zuständige Gefangenenabteilung. Manchmal war es verwirrend für diesen eigentümlichen Mann zu arbeiten, der nicht alterte. Er war hart aber auch gerecht und schien keinen Schlaf zu brauchen. Es war nicht das erste Mal, dass er schon vor ihm hier war. Josh schüttelte es kurz, als er daran dachte, als er hier angefangen hatte. Das Erste war gewesen, dass er angebrüllt wurde, weil er etwas vergessen hatte. Kurz darauf hatte sich der Chef auf seine Art entschuldigt und seitdem hatte es nie wieder Grund zur Klage gegeben, von keiner Seite.
Jack genoss das Koffeingetränk und dachte daran, dass Brigitt es immer Kaffee genannt hatte. Die Erinnerung daran ließ ihn lächeln, aber nur kurz. Kaum hatte er ausgetrunken, hörte er schon wie draußen heftig debattiert wurde.
„Kommt rein!“, rief er. Gleich darauf traten der Haftrichter, Samwald und Iwanov ein, die von zwei Wachen flankiert wurde. Alle nahmen Haltung an, nur nicht Iwanov. Sie stand lässig da und grinste Jack breit an. „Ich wusste, dass du mich laufen lässt“, sagte sie statt einer Begrüßung. „Da wäre ich mir nicht so sicher, Iwanov“, konterte er und registrierte, dass ihr Lächeln einfror.
„Chef“, begann nun der Haftrichter. „Wir können Sie nicht freilassen. Die Bestimmungen, Sie wissen ja …“
„Jenkins, keine Panik, das ist alles genau durchdacht. Sie können wieder gehen und auch Sie Samwald und die beiden Wachen nehmen Sie gleich mit. Wir werden sie nicht brauchen, nicht wahr Iwanov?“ Jack lächelte nun seinerseits und die Genannten zogen sich rasch zurück. Seit neunzig Jahren war dieses Lächeln für nahendes Unheil bekannt und wurde dementsprechend gefürchtet.
„Was willst du von mir MacGregor? Ich dachte, ich hätte meine Position klar und deutlich gemacht. Entweder lässt du mich frei oder du sperrst mich wieder weg“, verlangte sie und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Ich will nichts Besonders von dir. Du sollst nur dafür sorgen, dass niemand unbemerkt an mich herankommt – und ich meine damit keine physische Annäherung.“
„Du spinnst.“
„Denkst du? Setz dich Feodora.“ Er wartete bis sie es sich ihm gegenüber bequem gemacht hatte, dann fuhr er fort: „Du weißt, warum du angeklagt werden sollst. Fe, du bist einfach zu gut aber auch etwas nachlässig, sonst wäre ich dir nicht auf die Schliche gekommen. Vergiss für einige Zeit deine eigenen Pläne und arbeite für mich. Du wirst erkennen, dass sich unsere Ziele nur unwesentlich von einander unterscheiden.“
„Aber …“, begann sie und schloss den Mund wieder. Wie sollte sie für ihren Erzfeind arbeiten können? Sie wollte die Telepathenkonferenz aushebeln, sie vernichten und dann den Menschen die Freiheit der Entscheidung zurückgeben. Jack hatte sie geschnappt. Er hatte hinter ihr gestanden, als sie die Bombe platzieren wollte und ihr an die Schulter getippt. Danach hatte er mild lächelnd den Kopf geschüttelt und ihr Handschellen angelegt. Es war eher eine symbolische Geste, denn Feodora konnte kein Eisen halten. Dennoch hatte sie keinen Fluchtversuch gewagt, sie wusste, wann sie verloren hatte.
„Du erinnerst dich sehr gut Fe. Schade, dass du gegen uns gearbeitet hast. Aber jetzt brauche ich deine Hilfe.“
Sie überlegte eine Weile, stand dazu auf und lief im Zimmer herum, dabei machte sie immer wieder „Hm“. Dann wendete sie sich wieder Jack zu und schaute ihn gründlich an.
„Du siehst schlecht aus, alter Mann. Du musst wohl dringend Unterstützung brauchen, wenn gerade ich dir helfen soll.“
„Du bist wirklich der einzige Mensch, Fe, der weder Respekt noch Furcht vor mir zeigt. Erstaunlich und erfreulich.“ Jetzt stand auch Jack auf und ging um den Tisch herum.
„Wir haben nicht viel Zeit, ich werde dir unterwegs alles erklären. – Samwald! Die Unterlagen!“ Damit war er schon halb aus der Tür und nahm den Datenchip entgegen. „Ich bereite mich unterwegs auf die Unterredung mit der Senatorin vor. Wenn Sie mich brauchen, ich bin über Interkom erreichbar.“ Er überließ es Feodora, ob sie ihm folgen wollte. Einen Moment nur ließ sie sich zum Überlegen, dann schritt sie ihm überheblich lächelnd nach. Sie tippte sich an die Stirn, als sie an Samwald vorbeiging, dann musste sie laufen, weil Jack schon am Lift angekommen war.
„Wo geht’s hin, Chef?“, fragte sie, die Stimme von Samwald imitierend.
„Zuerst zu mir und dort wirst du erfahren, was genau du tun musst.“
Am Tor stand noch immer Wilkins, sie sah müde aus.
„Seit wann haben Sie Doppelschichten? Das hatte ich doch schon abgestellt?“, fragte er barscher als nötig. Wilkins stand stramm und schaute geradeaus. „Es hat eine Krankmeldung gegeben, Chef“, antwortete sie und presste die Lippen aufeinander.
„Ihre Loyalität den Kameraden in Ehren, aber Sie vergessen, dass Sie mich nicht belügen können. Wer wurde von der Gedankenpolizei abgeworben?“
Sie entspannte sich und seufzte dabei. „Das weiß ich nicht, Chef. Aber es werden mehr, die kündigen. Die Polizei zahlt plötzlich besser. Was weiß ich, dabei ist die Arbeit hier weitaus interessanter.“
„Verdammt“, brummte er. „Ich werde mich noch heute darum kümmern. Sehen Sie zu, dass Sie genug trinken, dann geht es leichter mit dem Schlafentzug.“
„Ich weiß Chef und danke.“ Sie stand wieder stramm und dachte, dass sie Glück hatte, so einen Vorgesetzten zu haben. Bei der Polizei scherte sich niemand um den anderen.
Feodora Iwanov blieb verwirrt stehen und hört zu. Er schien tatsächlich Probleme mit der Obrigkeit zu haben, wie er bereits angedeutet hatte. Abermals machte sie „Hm“ und folgte ihm zum Wagen.
Beide schwiegen, bis sie in seiner Wohnung waren. Er hatte hier in all den Jahren nichts verändert, die Wände waren hellgrau gestrichen und die Möbel strahlten weiß. Weiche, graue Teppiche bedeckten den weißen Fliesenboden. Jemand anders hätte die Wohnung langweilig gefunden, so war es auch, bis Jack sie mit seiner Persönlichkeit füllte.
„Setz dich, Fe. Ich werde dir nachher zeigen, worum es geht.“
Sie nickte und ließ sich auf das weiche Sofa fallen. Auf dem Tisch lag noch immer das Buch. Ihr Blick fiel darauf und sie pfiff leise. Langsam begann sie zu begreifen.
„Jackie, ich glaube, du brauchst mir nicht mehr alles zu sagen. Soll ich jemanden für dich aufspüren und ausschalten?“, fragte sie, nahm das Buch zur Hand und folgte ihm ins Schlafzimmer. „Oh, entschuldige Alter.“ Eigentlich wollte sie sich wieder umdrehen, aber dann blieb sie wo sie war und beobachtete ihn beim Ankleiden.
„Kannst du dich nicht umdrehen, Fe?“
„Nein, ich habe schon lange keinen gutaussehenden nackten Mann mehr gesehen“, antwortete sie grinsend.
„Feodora! Dreh dich um, verdammt!“, schrie er und verschwand vorsorglich im Bad.
„Ich werde verrückt mit euch Züchtungen. Ihr seid so was von verklemmt was eure Körper angeht. – Jack, ich denke, ich weiß, was mit dir los ist. Es ist wegen diesem Buch hier.“ Wieder war sie ihm gefolgt und wedelte mit dem Roman vor seinem Gesicht.
„Ja, jemand will mich fertig machen“, sagte er und knöpfte die Hose zu. „Komm hinaus hier.“ Schnell schob er sie aus dem Bad. Der leere Rahmen erinnerte ihn an das Bild der letzten Nacht. „Was hast du …?“, mitten in der Frage brach sie ab und sagte nur: „Oh Mann! Das ist aber fies.“
„Du sagst es. Raus hier.“ Er schob sie ins Schlafzimmer und fragte nach ihrer Kleidergröße. Verwirrt nannte sie ihm eine Zahl und er schritt zum Schrank. Ihm entnahm er eine passende schwarze Uniform und befahl: „Anziehen!“
„Was? Bist du verrückt? Ich zwänge mich doch …“, sie brach ab, als sie seinen Gesichtsausdruck bemerkte. Er stand mit vor der Brust verschränkten Armen vor ihr und schaute sie streng an.
Sie räusperte sich verlegen und zog sich dann trotzdem unverschämt grinsend vor ihm aus. „Ihr seid so arm dran, ihr Züchtungen“, stichelte sie. Daraufhin drehte er sich um und verließ das Schlafzimmer. ‚Mist’, dachte sie. ‚Das war zuviel für ihn. Ich darf nicht vergessen, wie alt er in Wahrheit ist. Wer will ihm ans Leder? Ich verstehe das nicht? Er ist zwar ein richtiger kleiner Arsch, aber wenigstens hat er noch menschliche Züge.’ So gingen ihre Überlegungen dahin bis sie fertig angezogen war.
„Sagst du mir jetzt endlich was ich für dich tun soll?“
Er stand auf und legte das Buch weg. Dann sagte er: „Du sollst meine Gedanken vor fremden Einflüssen schützen. Ich weiß, dass du das kannst und ich vertraue dir mehr als allen anderen hier in Sunflower oder in ganz Eumeria.“
Jetzt war sie erschüttert. Sollten diese geistigen Angriffe so schwer gewesen sein, dass er fürchtete sich nicht selbst davor bewahren zu können? Sie konnte es kaum glauben, dennoch schein es die Wahrheit zu sein. „Sie greifen dich an deiner verwundbarsten Stelle an, nicht wahr? Die ist ja bei dir relativ einfach zu finde, Jackie. Nur, du bist so mächtig, dass ich es kaum für möglich halte, dass es wirklich geschieht.“
Er fasste sie an den Schultern und sah ihr fest ins Gesicht: „Fe, das ist kein Spaß mehr, wie das mit dem Sprengstoff. Da geht es um Leben oder Tod und ich fürchte, es steht nicht nur meines auf dem Spiel. Wenn es nur um mich ginge, hätte ich mir schon längst die Kehle durchgeschnitten oder irgendetwas anderes Drastisches getan. Zuviel hängt derzeit noch von mir ab. Du hast gesehen, dass die meine Leute abwerben und meine Position dadurch schwächen wollen. Wenn es ihnen gelingt, dann wird es über kurz oder lang hier zu einem Bürgerkrieg kommen. Meine Leute verhindern gerade noch die schlimmsten Auswüchse des Systems. Wenn das fällt, dann ist es aus mit Eumeria.“ Er atmete tief ein und entließ die Luft mit einem Seufzer, dann ließ er Feodora los und fuhr fort: „Wir fahren jetzt zu einem Meeting mit der neuen Senatorin für Finanzen. Nenne mich dort nicht Jackie, sonst kann ich gleich einpacken, verstanden!“
„Ja, Chef“, antwortete sie knapp. „Ich wusste nicht, dass es tatsächlich so schlecht um euch steht. Was ist das eigentlich für ein Gerücht, dass die Wirtschaft bankrott geht?“
„Kann ich dir das später erklären, Fe? Wir sind schon spät dran und die Lindstroms warten nicht gerne.“
Feodora ging tatsächlich einen Schritt neben und hinter ihm, als sie das Regierungsgebäude betraten. Jack hatte für diesen Anlass einen normalen Anzug gewählt. Er wollte nicht als Chef der Inlandpolizei hier auftreten, sondern als Leiter der Telepathenkonferenz. Aber es machte nicht viel Unterschied, denn auch der Anzug und das Hemd waren schwarz, ebenso die Krawatte, die hellgraue Streifen hatte.
Ihre Schritte hallten im Foyer wider, als sie zielstrebig am Portier vorbeigingen. Der nickte ihnen zu und rief den Aufzug, danach meldete er sie der Senatorin.
„Sei bitte still, wenn wir dort sind. Ich will keinen Mucks von dir hören, sonst landest du wieder im Gefängnis, klar?“ Sie nickte, konnte sich aber ein belustigtes Grinsen nicht verkneifen, weil er sich immer so gewählt ausdrückte. Das reizte sie zu einer etwas derberen Ausdrucksweise, die sie in den äußeren Gebieten Eumerias und in den Stadtrandsiedlungen verwendeten. „Und halte deine Gedanken bei dir, das habe ich eben gehört“, zischte er, als er aus dem Lift trat. „Ja, Chef“, sagte sie und meinte es diesmal ehrlich.
Die Räume der Senatorenfamilie Lindstrom waren erdrückend. An den Wänden hingen Gemälde und Fotografien der Vorfahren und auch diverse antike Bilder, von denen niemand wusste, wie alt sie waren. ‚Brigitt hätte es gewusst’, dachte er als er sie betrachtete.
Brigitt hatte sich mit historischen Artefakten ausgekannt und konnte sie genau datieren und den Wert einer Sache einschätzen, wenngleich für sie mancher Abfall wertvoller war, als der schönste Goldschmuck. Sein Lächeln war traurig, als er daran dachte, wie sie sich immer gewehrt hatte, wenn er ihr ein Schmuckstück schenken wollte. Bald ließ er es ganz und vermied es, ihr sogar seine Aufmerksamkeit zu widmen. Er hatte gemerkt, dass es ihr im Laufe der Jahre immer schwerer gefallen war, ihn zu mögen. Das lag zum Teil an seiner Genmutation und zum Teil an ihrem Heimweh. Einmal hatte er sie begleitet als sie ihre Familie in Ulan Bator besucht hatte. Ihre Brüder Ivo und Sven hatten beide ein erfolgreiches und erfülltes Leben, sie nutzten ihre Kräfte für die Allgemeinheit. Dem Altertumsforscher Alex Smirnov ging es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr so gut. Er saß im Rollstuhl und konnte nicht mehr sprechen, was ihn aber nicht davon abhielt alle auf Trab zu halten und herumzukommandieren.
Keiner war sonderlich traurig gewesen, als Jack vorgab wegen einem wichtigen Termin früher abreisen zu müssen. Brigitt war noch einige Monate geblieben. Damals hatte ihr Jack zum ersten Mal angeboten, dass sie bei ihrer Familie bleiben könne, aber sie hatte abgelehnt und war zu seiner Freude nach der Beerdigung von Alex, zu ihm zurückgekehrt.
In den Räumen der Familie Lindstrom dachte er jetzt voll Wehmut an Brigitts Familie, bei deren Rettung er nicht unmaßgeblich beteiligt gewesen war. Auch Brigitt hatte den Namen der Senatorin getragen, aber auf die Familienbande in Eumeria verzichtet. Sie hatte sich Zeit ihres Lebens als Bürgerin Sibirs gefühlt.
Nur mühsam gelang es ihm, diese Reminiszenzen in den Hintergrund zu drängen. Diese Leute waren schon alle tot und begraben, einzig er wusste noch, was damals vorgefallen war.
Jack straffte den Rücken und ging mit festen Schritten weiter, durchquerte den Vorraum mit der unvermeidlichen Sekretärin und betrat dann das eigentliche Büro der Senatorin. Feodora war noch immer einen Schritt hinter ihm.
„Senatorin, es ist mir eine Ehre“, sagte er und verbeugte sich.
„Ganz meinerseits, nehmen Sie Platz, Herr MacGregor“, sagte sie und ignorierte seine Begleitung. Jack setzte sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch und Feodora stellte sich breitbeinig hinter ihn, die Hände am Rücken. Sie hielt sich ganz gerade und verstärkte nun Jacks mentale Schutzmauern. Eben hatte sie gefühlt, wie jemand in seine Gedanken eindringen wollte und sie konnte ihre Miene nur mit Mühe neutral halten, als sie ihn blockiert hatte.
„Dies ist heute ein informelles Treffen, ohne Inhalt. Ich wollte Sie lediglich kennenlernen“, begann die Senatorin das Gespräch. Aber Jack hatte anderes im Sinn. „Senatorin“, begann er. „Ich muss Sie trotzdem wegen einer finanziellen Angelegenheit sprechen. Dem Inlandschutz gehen langsam die Mittel aus und unser Etat wurde nicht erhöht, obwohl ich darum gebeten hatte. Wie Sie genau wissen, halten wir die Bevölkerung noch ruhig, weil sie wissen, dass wir nicht gegen sie vorgehen. Ich weiß auch, dass die wirtschaftliche Lage, derzeit gelinde gesagt, nicht rosig ist und Sparmaßnahmen notwendig sind. Ich sehe allerdings nicht ein, dass gerade bei der Sicherheit gespart werden muss. Die Telepathenkommission hat Ihnen einen Vorschlag unterbreitet, wie wir die wirtschaftliche Misere überwinden könnten. Ich weiß, dass es ein schwieriges Unterfangen ist, unseren Vorschlag durchzusetzen und ihn auch durchzuführen. Aber ich denke doch, dass es sich langfristig lohnen würde, diese Mühen auf uns zu nehmen.“
„Sie gehen ja gleich in die Offensive, Herr MacGregor“, sagte sie, ohne näher auf seine Ausführungen einzugehen. „Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“, fragte sie milde lächelnd. „Nein danke, Senatorin. Mir wäre es lieb, wenn wir über die finanziellen Mittel für den Inlandschutz reden können.“
Nun blickte sie ihn kalt an. Jack saß sehr gerade vor ihr und erwiderte offen ihren Blick. Er wollte ergründen, wie weit er gehen konnte und wo sie ihre Grenzen hatte, deshalb schickte er jetzt seine Gedanken voraus und tastete sich zu Eveline Lindstroms Geist vor. Diese lächelte süffisant und schüttelte kaum merklich den Kopf. Sofort zog sich Jack zurück.
„Wie Sie sehen, habe auch ich meine Vorkehrungen getroffen“, sagte sie kühl.
„Touché, Madame“, erwiderte er ungerührt. „Dann wäre das für heute geklärt. Ich werde Sie zu den Senatssitzungen wieder aufsuchen.“
Damit hatte er ihr den Wind aus den Segeln genommen und sie starrte ihn nur einen Moment verblüfft an, bevor sie die Maske der Unbeteiligtheit wieder aufnahm.
„Guten Tag, Herr MacGregor“, sagte sie abschließend. Sie vermied es nun, ihm ins Gesicht zu sehen, was er mit Genugtuung registrierte. Er erhob sich und verbeugte sich knapp, bevor er sich umdrehte und bedeutete Feodora, ihm zu folgen.