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paradox

paradox
Er hatte es geschafft. Nicht ohne einen Hauch von Selbstgefälligkeit nahm er schwerfällig im Sessel Platz. Ja, er hatte eine Spitzenposition im Unternehmen! Gut – der Preis, den er dafür zahlte spürte er täglich, aber sein Ziel, einst in frühen Jugendjahren gesetzt, hatte er gradlinig und auch siegessicher erreicht. Er war fern seiner Ideale gerückt, hatte seine Ansprüche mehrmals anpassen müssen. Aber wenn die Gesellschaft in seinem Lebenskreis nun sei wie sie sei, musste er sich gefällig bewegen. Seine eigenen Ideale hätten ihn nicht so weit gebracht – große Ideale eines frühreifen Mannes. Niemand kann ihm angesichts dessen Verrat vorwerfen! Und er sich selbst schon gar nicht!

Dann schaute er dem jungen Mädchen, das am anderen Ende des Tisches saß, ins Gesicht. Die Mittagshitze kroch schwül durch das Zimmer. Doch ihr Blick war klar und fesselnd und er spürte, wie er seinen Kopf für einen kurzen Augenblick senkte, so ertappt fühlte er sich von ihr. Sie lächelte.

Er wusste: In ihr schlummern neue Ideen. Bedrohliche Ideen. Sie hatte dieses Alter, in dem der Mensch Veränderung will. Wahrscheinlich war sie bereit, viel dafür herzugeben. Er darf sie nicht wachsen lassen an seiner Seite! Das würde er zu verhindern wissen!

Irgendwann nach Monaten fing er mit dem Kotzen und dem Furzen an. Aus ihm drangen verfaulte Gase in die Welt hinein und ihm war, angesichts seiner eigenen Situation, als symbolisierten diese seine längst überholten Ideen. Angstschweiß brach aus ihm heraus und verhinderte die Rückkehr des einstigen Selbstbewusstseins. Seine Finger wühlten vor lauter Verzweiflung in seinen Haaren, er schaute in den Spiegel und schrie sich selber an. Dann drehte er den Wasserhahn auf und schaufelte das kalte Nass zur Fratze, die er im Halbdunkeln wahrnahm. Seine Knie versagten und er rutschte weinend auf den Boden. Ja, dort - am Boden war er nun angekommen.

Wie nur konnte sie sich um ihn herumschleichen und langsam seine Position einnehmen? Wie nur gelang es ihr, aus seinen einstigen Idealen den Entwurf der Zukunft zu stricken? Ideale, von denen er glaubte, sie hätten keinen Platz in seiner Umgebung. Wie nur konnte es passieren, dass er so weit von sich rückte, seine jugendlichen Überzeugungen beiseite schob? Immer war er bereit gewesen zum Dienen. Immer hatte er getan, was von ihm verlangt wurde - auch, wenn er ganz anderer Meinung gewesen ist. Immer stand er im Dienste der Anderen. Und jetzt wendete sich das Blatt:

Mit einem tröstenden Blick und ihrer sanften Stimme legte sie ihm die Akten auf den Tisch „Bis Morgen bitte auf fünf Seiten zusammenfassen“. Du bist gut drin im Thema. Es wird Dich nur ein paar Überstunden kosten. Wieder lächelte sie jenes Lächeln, das ihn schon damals in die Knie zwang. Erneut senkte er seinen Kopf.

Er hatte abends einen Termin in der Wellness-Oase. Seit Wochen sein letzter Zufluchtsort. Hier fand sein verzweifelter Kampf gegen die Ohnmacht und die große Müdigkeit statt, die sich schleichend in seinem Körper ausgebreitet und dann in der letzten Zelle mit dem Kaliber einer Explosion zugeschlagen hatte. Er wird nicht hingehen können. Wie die Schlangenarme einer Medusa bohrte sie sich in sein Leben und nun auch noch in sein letztes Territorium.

Er starrte auf ihre Beine, zarte Waden in seidigen Strümpfen und flachen Schuhen. An dem Tag als er sie kennen lernte trug sie einen Hosenanzug.

Nach Mitternacht kam er nach Hause und schlief im Anzug auf dem Sofa ein. Seine innere Uhr weckte ihn automatisch. Er hatte sechs Stunden geschlafen. Sechs Stunden, die wie im Flug vorbei gegangen waren: Er fühlte sich nicht ausgeruht. Mühsam kochte er sich einen Kaffee, stellte das Morgenmagazin im Fernsehen an - das Licht schmerzte in seinen Augen.

Nach geraumer Zeit verlangte seine Blase geleert zu werden. Als der Druck unerträglich wurde und er auf dem Sofa hin- und herschubbelte, stand er auf und schlurfte langsam ins Badezimmer. Die Fußbodenheizung, die die Marmorfließen wärmte, versetzte ihm den letzten Stoß. Er schafft es gerade noch in die bodengleiche Dusche und ergoss seinen Strahl in den Designeranzug. Er drehte das warme Wasser auf und stand regungslos unter dem weichen Fluss des Rainshower-Kopfes.

Das Badezimmer war vor kurzem modernisiert worden. Die Fließen hatte er bei einem Italienurlaub zufällig gesehen und die Verschiffung in Auftrag gegeben. Er liebte südländische Eleganz. Er liebte auch das Temperament der südländischen Frauen, ihre feurigen Augen und die schwarzen Haare.

Sie rief zur Sondersitzung in einer Stunde. Sein Anrufbeantworter schallte ihm die Nachricht entgegen. Entkräftet machte er sich auf den Weg ins Büro. Die blonden Locken lagen auf ihren Schultern. Diese steckten in einem frühlingsgrünen Hosenanzug. Sie zitierte seine Ausführungen aus seiner Zusammenfassung vom gestrigen Abend und endete mit dem Satz, eine neue Ära habe zu beginnen, sollte das Unternehmen weiterhin auf dem Markt bestehen bleiben wollen. Derartige Ideen seien nicht zukunftsfähig.

Und plötzlich war es da. Es hatte seine Kehle verlassen und glitt über die Zunge und dann über seine Lippen. Dann stand es mitten im Raum und bebte stark nach. Er wusste nicht, wie es ihm gelungen war, dies nach Außen zu bringen. Gewöhnlich blieb es in seiner Kehle wohnen, ging in seinem Kopf spazieren und suchte sich dort einen Platz, an dem es sich einrichtete. Dieses Mal war es auf sonderbare Weise nach draußen gelangt: NEIN! Dieses Wort hatte die Stille gespalten und als er dies begriff, legte er nach: Seine Ideen seien nicht so einfach vom Tisch zu fegen. Sie wären ein Resultat jahrelanger Beobachtungen und an dem Unternehmen orientiert. Niemand, und schon gar nicht sie könnte dies ignorieren, wenn sie das Wohl der Firma im Auge habe.

Die Geschäftsführung eröffnete eine neue Projektgruppe. Mit einem tröstenden Blick und ihrer sanften Stimme versicherte sie ihm, ihre Ideen und seine Erfahrungen garantierten das Weiterkommen der Niederlassung.

Nicht ohne einen Hauch von Selbstgefälligkeit nahm er schwerfällig im Sessel Platz. Ja, er hatte eine Spitzenposition im Unternehmen! Gut – der Preis, den er dafür zahlte spürte er täglich, aber sein Ziel, einst in frühen Jugendjahren gesetzt, hatte er gradlinig und auch siegessicher erreicht. Er war fern seiner Ideale gerückt, hatte seine Ansprüche mehrmals anpassen müssen. Aber wenn die Gesellschaft in seinem Lebenskreis nun sei wie sie sei, musste er sich gefällig bewegen. Seine eigenen Ideale hätten ihn nicht so weit gebracht – große Ideale eines frühreifen Mannes. Niemand kann ihm angesichts dessen Verrat vorwerfen! Und er sich selbst schon gar nicht!
volatile
*******aum Frau
16.590 Beiträge
Ich mag die Idee des Textes absolut!

Auch das Ende, das in den Anfang greift und den Kreis schließt, gefällt mir.

Aber einige Stellen sind sprachlich nicht ganz sauber. Hier zum Beispiel

Nicht ohne einen Hauch von Selbstgefälligkeit nahm er schwerfällig im Sessel Platz.

ist zu viel "fällig" in einem Satz. Das solltest Du umformulieren.

Das hier

Er war fern seiner Ideale gerückt

klingt gut, ist aber grammatikalisch nicht sauber. "Er hatte sich von seinen Idealen entfernt" oder "er war von seinen Idealen abgerückt" ist korrekter.

Dann der Absatz "Irgendwann nach Monaten..." der hat sich beim Lesen für mich sehr stilbrüchig angehört. Du änderst die Sprache, wirst plötzlich drastischer und direkter. Das kann einerseits eine gute Methode sein, um die Spannung zu steigern, aber Du musst da feiner formulieren und eine Verbindung herstellen zwischen der Szene im Besprechungszimmer und der Veränderung, die in ihm vorgeht. Sonst versteht man nicht, wieso er plötzlich kotzen geht. Beginne den Absatz zum Beispiel mit "Er kämpfte Wochen und Monate und wurde ganz krank darüber. Er fing an zu kotzen und zu furzen." So hast Du eine kleine aber wichtige kausale Verbindung geschaffen.

Hier

und schaufelte das kalte Nass zur Fratze,

würde ich eher formulieren "in die Fratze", nicht "zur Fratze".

Hier

Immer war er bereit gewesen zum Dienen.

würde ich eher "zu dienen" wählen, nicht das Substantiv.

Hier
„Bis Morgen bitte auf fünf Seiten zusammenfassen“. Du bist gut drin im Thema. Es wird Dich nur ein paar Überstunden kosten.

solltest Du alles in die direkte Rede mit einbeziehen, die Anführungszeichen also erst am Ende setzen.

Hier

Er wird nicht hingehen können.
muss es heißen "würde" und nicht "wird".

Hier


Wie die Schlangenarme einer Medusa bohrte sie sich in sein Leben

würde ich schreiben "wie mit den Schlangenarmen einer Medusa bohrte sie sich in sein Leben", so ist das Gleichnis stimmiger formuliert.


Das ist alles, was mir auf Anhieb aufgefallen ist.

Ich hoffe, Du findest mich nicht allzu mäkelig. Wie gesagt, die Idee Deiner Geschichte gefällt mir gut!
Nein, nein
ganz und gar nicht mäkelig, sondern sehr dankbar! *g*

Das sind gute und wichtige Anmerkungen!

LG
Yssa
@Yssabeau
Ja, liebe Yssabeau, auch mir gefällt die Story!

Darf ich auch noch ein wenig mäkeln? Es ist ja nur, weil die Stelle gleich zwei Mal auftaucht und ich eben auch zwei Mal darüber gestolpert bin:
Gut – der Preis, den er dafür zahlte spürte er täglich,

Meiner Meinung nach müsste es grammatikalisch richtig heißen:

Gut – den Preis, den er dafür zahlte, spürte er täglich, ...

Danke und liebe Grüße

Gudrune
Danke
Gudrune! Ich werde den Text sprachlich gesunden lassen *g*

LG
Yssa
volatile
*******aum Frau
16.590 Beiträge
Ups, der war mir glatt durch die Maschen gerutscht. *g*
Sucht
und findet noch, ich will die Änderungen nur einmal machen *gg*

LG
Yssa
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
@ Yssabeau
Weißt Du, wie oft ich meine Geschichten überarbeite, korrigiere und verbessere, wie lange ich an ihnen feile - bevor sie veröffentlicht werden? So etwas braucht nun mal seine Zeit, wenn man mit Liebe daran arbeitet.

Das nenne ich "die Liebe zur Sache" - und so bemerkenswert Deine Story hier auch ist (sie enthält noch so einige Fehler und Schnitzer), so sehr hätte sie auch verdient, dass Du liebevoll und sorgfältig an ihr arbeitest. Du musst da wohl schon auch selbst noch ein paar Mal drübergehen, meine ich.

*g*

(Der Antaghar)
Verzeih,
das sollte mehr ein Scherz sein. Daher auch das lachende Smiley dahinter.

Ich bin für jede Kritik dankbar. Und diese Geschichte hat eine Vergangenheit von einem Tag. Älter ist sie nicht. Umso mehr hat mich das Feedback interessiert.

Ich überarbeite meine Geschichten auch, manche erst nach Monate, einige auch nach Jahren wieder.

LG
Yssa
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
@ Yssabeau
Da gibt's nix zu verzeihen, liebe Yssa!

Ich hab's ja auch nicht "böse" gemeint und schon als Scherz verstanden. Ich wollte nur meine Meinung dazu kund tun - und zeigen, dass selbst gestandene Schriftsteller, die seit vielen Jahren veröffentlichen, immer wieder an ihren Texten arbeiten müssen.

Das erfordert viel Liebe zur Sache und eine Menge an Geduld ... *g* Und dann gibt's ja noch die Lektoren.

Lass Dir bloß Deine Freude am Schreiben nicht nehmen! Und nochmals: Ich finde Deine Stroy bemerkenswert!

(Der Antaghar)
Scherze
Lieber Antaghar,

im virtuellen Schreiben läuft man ja immer so Gefahr, dass Missverständnisse häufig möglich sind. Ok, auch bei FacetoFace-Situationen, aber ich finde, virtuell immer ganz besonders. Und ich gestehe: Ich neige zu flapsigen Bemerkungen.

Du hast ganz Recht: Ein Text lebt und verändert sich und man findet immer noch etwas, was feiner zu formulieren ist, oder schlüssiger. Manchmal ist man selbst auch ganz blind. Manchmal kommt eine zündende Idee viel später. Manchmal findet man keinen Zugang mehr zu seinem eigenen Text. Und man selbst entwickelt sich auch und kann diese Entwicklungen dann wieder nutzen.

Grundidee war, etwas Paradoxes darzustellen und auch die Brüche eines Menschen. Ich wollte schauen, ob das im Rohgerüst aufgegangen ist. Und ich habe mich gefragt, ob es sinnvoller ist, Aktionen zu beschrieben und dem Leser die Schlüsse zu überlassen oder ob es auch möglich ist, die Interpretationen (die Szene im Badezimmer und seine Fragen) schon vorzulegen.

LG
Yssa
volatile
*******aum Frau
16.590 Beiträge
Ja, ich denke, das "Rohgerüst" ist aufgegangen.

Ich finde es sehr eingängig, die Brüche anhand von psychischen und körperlichen Empfindungen eines Menschen zu beschreiben.

Die durch ihre ruhige Art überlegene Frau, die auf ihn gleichzeitig anziehend wirkt.

Sein absoluter Tiefpunkt, vollgepisst im Anzug unter der Dusche.

Das sind gute Ideen, gute Bilder. Die haben aber auch eine präzise Sprache verdient.

Und dahin musst Du noch kommen.

*ja*
Danke
SinasTraum! Das ist alles schon mal sehr gut. *g* Und ja, ich muss tiefer, genauer und eingänger werden an diesen Stellen. Ihr habt da gannnzzzzz Recht *g*

LG
Yssa
1. Überarbeitung
paradox


Er hatte es geschafft. Nicht ohne einen Hauch von Selbstherrlichkeit nahm er schwerfällig im Sessel Platz. Ja, er hatte eine Spitzenposition im Unternehmen! Gut – den Preis, den er dafür zahlte spürte er täglich, aber sein Ziel, einst in frühen Jugendjahren gesetzt, hatte er gradlinig und auch siegessicher erreicht. Er hatte seine Ideale verworfen, seine Ansprüche mehrmals anpassen müssen. Aber wenn die Gesellschaft in seinem Lebenskreis nun sei wie sie sei, musste er sich gefällig bewegen. Seine eigenen Ideale hätten ihn nicht so weit gebracht – große Ideale eines frühreifen Mannes. Niemand kann ihm angesichts dessen Verrat vorwerfen! Und er sich selbst schon gar nicht!

Dann schaute er der jungen Frau, die am anderen Ende des Tisches saß, ins Gesicht. Die Mittagshitze kroch schwül durch das Zimmer. Doch ihr Blick war klar und fesselnd und er spürte, wie er seinen Kopf für einen kurzen Augenblick senkte, so ertappt fühlte er sich von ihr. Sie lächelte.

Er wusste: In ihr schlummern neue Ideen. Bedrohliche Ideen. Sie hatte dieses Alter, in dem der Mensch Veränderung will. Sie hatte Ehrgeiz, sonst wäre sie nicht hier. Seinen Plan hatte er sich schon zurechtgelegt: An seiner Seite darf sie nicht wachsen! Das würde er zu verhindern wissen!

Die folgenden Wochen und Monate waren geprägt von seinem subtilen aber doch energischen Kampf, sie klein zu halten. Er war freundlich zu ihr, unterband aber den Einfluss den sie nehmen wollte, indem er Ihre Vorschläge im Reißwolf verschwinden lies. Er ahnte nicht, dass sie ihn längst durchschaute hatte und ihre Ausarbeitungen auch an anderer Stelle persönlich abgab. Erst ein kleiner, fast unscheinbarer Tipp seiner Sekretärin öffnete ihm die Augen, was gesundheitliche Konsequenzen für ihn hatte:

Er fing mit dem Kotzen und Furzen an. Aus ihm drangen verfaulte Gase in die Welt hinein und ihm war, als symbolisierten diese seinen Untergang. Angstschweiß brach fortan oft aus ihm heraus und verhinderte die Rückkehr des einstigen Selbstbewusstseins. Seine Finger wühlten vor lauter Verzweiflung in ungewollter Regelmäßigkeit in seinen Haaren, er schaute nicht selten in den Badezimmerspiegel und schrie sich selber an. In diesen Momenten drehte er den Wasserhahn auf und schaufelte das kalte Nass in die Fratze, die er im Halbdunkeln wahrnahm. Nicht selten versagten ihm seine Knie und er rutschte weinend auf den Boden. Ja, dort - am Boden - war er nun angekommen.

Wie nur hatte sie es geschafft, um ihn herumzuschleichen und langsam seine Position einzunehmen? Wie nur gelang es ihr, aus seinen einstigen Idealen den Entwurf der Zukunft zu stricken? Ideale, von denen er glaubte, sie hätten keinen Platz in seiner Umgebung. Wie nur konnte es passieren, dass er so weit von sich abrückte, seine jugendlichen Überzeugungen beiseite schob? Immer war er bereit gewesen zu dienen. Immer hatte er getan, was von ihm verlangt wurde - auch, wenn er ganz anderer Meinung gewesen ist. Immer stand er im Dienste der Anderen. Und jetzt diente er auch noch ihr, dabei war zuvor niemand mehr zwischen ihm und der Geschäftsführung gewesen. Er hatte sich so sicher gefühlt in seiner Position, die Anerkennung seines Chefs regelmäßig erhalten. Ja, zuweilen hatte er gemeint eine Seelenverwandtschaft zu verspüren, die ihn insgeheim auf einen weiteren Aufstieg hoffen ließ. Sie waren ein gutes Team!

Er hatte ihr Herantreten an seinen Schreibtisch zuerst nicht bemerkt. Wieder einmal war er mit seinen Gedanken bei sich gewesen. Er schaute sie an. Mit einem tröstenden Blick legte sie ihm die Akten auf den Tisch und ließ mit sanfter Stimme die Arbeitsanweisung folgen: „Bis Morgen bitte auf fünf Seiten zusammenfassen. Du bist gut drin im Thema. Es wird Dich nur ein paar Überstunden kosten.“ Wieder lächelte sie jenes Lächeln, das ihn schon damals in die Knie zwang. Erneut senkte er seinen Kopf.

Er hatte abends einen Termin in der Wellness-Oase. Seit Wochen sein letzter Zufluchtsort. Hier fand sein verzweifelter Kampf gegen die Ohnmacht und die große Müdigkeit statt, die sich schleichend in seinem Körper ausgebreitet und dann in der letzten Zelle mit dem Kaliber einer Explosion zugeschlagen hatte. Er würde nicht hingehen können. Wie mit Widerhaken ausgestattet bohrte sie sich in sein Leben und nun auch noch in sein letztes Territorium.

Er starrte auf ihre Beine, zarte Waden in seidigen Strümpfen und flachen Schuhen. An dem Tag als er sie kennen lernte trug sie einen Hosenanzug.

Nach Mitternacht kam er nach Hause und schlief im Anzug auf dem Sofa ein. Seine innere Uhr weckte ihn automatisch. Er hatte sechs Stunden geschlafen. Sechs Stunden, die wie im Flug vorbei gegangen waren: Er fühlte sich nicht ausgeruht. Mühsam kochte er sich einen Kaffee, stellte das Morgenmagazin im Fernsehen an - das bunte Licht schmerzte in seinen Augen. Nur beiläufig hörte er die neuen Ereignisse, die der Moderator unterhaltend mitteilte. Seine Gedanken drehten sich – wie schon seit Wochen – ausschließlich um seine eigene Befindlichkeit, um die es nicht gut bestellt war. Er sorgte sich um sich selbst, um sein Leben, um seine Errungenschaften. Sein Herz begann zu rasen, wenn er sich die Konsequenzen in dunkelsten Farben ausmalte, die ihre Existenz für ihn bedeutete. Warum nur ist sie plötzlich aufgetaucht? Bislang hatte das Leben es gut mit ihm gemeint, jetzt stellte es ihm diese Frau zur Seite. Wer hatte plötzlich beschlossen, gegen ihn zu arbeiten? Seine Ergebenheit war doch eine Belohnung wert! Was nur war passiert?

Der abgeschlossene Konsum des Kaffees riss ihn aus seinen Gedanken, denn er drängte ihn zu urinieren. Doch erst als der Druck unerträglich wurde tippelte er schnell auf Zehenspitzen ins Badezimmer. Die Wärme der Fußbodenheizung, die die Marmorfließen durchströmte, verbündete sich sofort mit seiner Blase: Er schafft es gerade noch in die bodengleiche Dusche und ergoss seinen Strahl in den Designeranzug. Wie in Trance drehte er das warme Wasser auf und stand regungslos unter den weichen Tropfen des Rainshower-Brausekopfes, die sich mit den Tränen auf seinen Wangen vermischten. Langsam glitt er an der Duschwand hinunter, starrte auf seine durchtränkten Männerstrümpfe und begann, sich auszuziehen.

Das Badezimmer war vor kurzem modernisiert worden. Die Fließen hatte er bei einem Italienurlaub zufällig gesehen und die Verschiffung in Auftrag gegeben. Er liebte südländische Eleganz. Er liebte auch das Temperament der südländischen Frauen, ihre feurigen Augen und die schwarzen Haare.

Sie rief zur Sondersitzung in einer Stunde. Sein Anrufbeantworter schallte ihm die Nachricht entgegen. Entkräftet machte er sich auf den Weg ins Büro. Die blonden Locken lagen auf ihren Schultern. Diese steckten in einem frühlingsgrünen Hosenanzug. Sie zitierte seine Ausführungen aus seiner Zusammenfassung vom gestrigen Abend und endete mit dem Satz, eine neue Ära habe zu beginnen, sollte das Unternehmen weiterhin auf dem Markt bestehen bleiben wollen. Derartige Ideen seien nicht zukunftsfähig.

Und plötzlich war es da. Es hatte seine Kehle verlassen und glitt über die Zunge und dann über seine Lippen. Dann stand es mitten im Raum und bebte stark nach. Er wusste nicht, wie es ihm gelungen war, dies nach Außen zu bringen. Gewöhnlich blieb es in seiner Kehle wohnen, ging in seinem Kopf spazieren und suchte sich dort einen Platz, an dem es sich einrichtete. Dieses Mal war es auf sonderbare Weise nach draußen gelangt: NEIN! Dieses Wort hatte die Stille gespalten und als er dies begriff, legte er nach: Seine Ideen seien nicht so einfach vom Tisch zu fegen. Sie seien ein Resultat jahrelanger Beobachtungen und an dem Unternehmen orientiert. Niemand, und schon gar nicht sie könne dies ignorieren, wenn sie das Wohl der Firma im Auge habe.

Die Geschäftsführung eröffnete noch in der Sitzung eine neue Projektgruppe. Mit einem tröstenden Blick und ihrer sanften Stimme versicherte sie ihm vor allen Anwesenden, ihre Ideen und seine Erfahrungen werden das Weiterkommen der Niederlassung garantieren.

Nicht ohne einen Hauch von Selbstherrlichkeit nahm er später, in seinem Büro, schwerfällig im Sessel Platz. Ja, er hatte eine Spitzenposition im Unternehmen! Gut – den Preis, den er dafür zahlte spürte er täglich, aber sein Ziel, einst in frühen Jugendjahren gesetzt, hatte er gradlinig und auch siegessicher erreicht. Er hatte seine Ideale verworfen, seine Ansprüche mehrmals anpassen müssen. Aber wenn die Gesellschaft in seinem Lebenskreis nun sei wie sie sei, musste er sich gefällig bewegen. Niemand kann ihm angesichts dessen Verrat vorwerfen! Und er sich selbst schon gar nicht!
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