Die Kunst des Häutens
Der Griff aus Holz ist angenehm weich und liegt vertraut in meiner Hand, schmeichelt ihr mit ihrer Form. Die Klinge aus Damaststahl ist klein, aber scharf. Ein Schauer der Vorfreude läuft mir über den Rücken und hinterlässt ein wohliges Gefühl in meiner Magengegend.Sie sieht mich aus traurigen Augen an. Ich will das nicht! Also greife ich das Messer fester und steche sie ihr aus.
Nun endlich kann ich mein eigentliches Werk beginnen.
Mit geübter Sicherheit ziehe ich ihr die Haut Streifen für Streifen ab. Nicht in kleinen Schnipseln, denn ich bin ja keiner dieser Stümper, sondern in schönen, gleichmäßigen Streifen, die sich auf dem blanken Edelstahltisch zu einem kleinen Haufen aufgetürmt haben. Ein paar der Streifen beginnen sich bereits an den Rändern zu wellen. Ich sollte sie bald entsorgen, bevor sie beginnen, am Tisch anzukleben.
Nun kommt der schönste Teil meiner Arbeit, auf den ich mich am meisten gefreut habe: Die scharfe Klinge zerschneidet ihr Fleisch als wäre es Butter. Mit präzisen, zügigen Schnitten zerteile ich es in kleine Stücke. Ja, so zerlegt gefällt mir die Kleine schon viel besser. Ich habe ihr ihre Identität genommen, sie nach meinem Willen geformt, sie mir Untertan gemacht und werde sie mir einverleiben.
Erst als sie in der Pfanne brutzelt gebe ich mich völlig dem Gedanken an diese Malzeit hin.
Ich liebe Bratkartoffeln.
(c) Rhabia 04-2010