Entscheidung im Regen
Entscheidung im RegenIch war im Regen unterwegs zu einem wichtigen Termin. Auf meinem Weg ließ mich plötzlich etwas innehalten. Ich konnte keinen Schritt mehr machen, so entsetzt war ich über das, was ich da sehen musste.
Der Regen prasselte auf mich nieder und ich konnte mich nicht durchringen etwas gegen diese Ungerechtigkeit zu unternehmen. Gegenüber befand sich eine Polizeistation, aber ich wagte nicht, mich zu bewegen. Die Angst gegen ein Gesetz zu verstoßen war noch größer als mein Gerechtigkeitssinn. Mein Gewissen sagte mir, dass ich etwas tun müsse und trotzdem blieb ich stehen und beobachtete, wie die Regentropfen in den Pfützen tanzten.
Wütend auf mich selbst, weil ich so unentschlossen und ängstlich war, tat ich einen Schritt nach vor und hielt dann erschrocken inne. Endlich würde es Hilfe geben, denn aus der Polizeiwache trat ein Mensch in Uniform.
Lässig schlenderte er herüber und fragte im amtlichen Tonfall: „Probleme?“
Ich war stumm und starr, fühlte mich auf dem Rücken treibend wie ein toter Fisch im Wasser. Endlich erkannte der Polizist mein Dilemma und er gab mir die Erlaubnis weiterzugehen, nicht ohne vorher noch zu sagen: „Dieses Schild müssen wir noch genderfree machen. Manchmal staut es sich hier vor dem Schutzweg etwas.“
Erleichtert atmete ich auf, warf noch einen letzten Blick auf das weiße Männchen im blauen Hintergrund und lief rasch weiter.
(c) Herta 4/2010