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Der letzte Anruf

*******kly Mann
847 Beiträge
Themenersteller 
Der letzte Anruf
Zum Einstand möchte ich euch etwas Kurzes von mir zum Lesen geben. Ich bin gespannt auf euer Urteil.

==

Der letzte Anruf


Angespannt, nervös, fast ängstlich. Nie zuvor habe ich mich so gefühlt, wenn ich Dich anrief. Niemals zuvor in den acht Jahren unserer Freundschaft.

„Hallo?“ Du scheinst überrascht, meine Stimme zu hören. Überrascht, nach so vielen Monaten wieder von mir zu hören. Überrascht, dass ich an Deinen Geburtstag gedacht habe. Du klingst weit entfernt, viel weiter als die 800km, die uns trennen.

Ich frage Dich, wie es Dir geht. Früher haben wir einander nie gefragt, wie es uns geht. Schon am Klang des ersten Wortes des ersten Satzes erkannten wir, wie der andere sich fühlte. Jetzt kann ich es nicht mehr spüren. Und Du verrätst es mir auch nicht, sondern antwortest mit einer Gegenfrage und wickelst mich ein in Phrasen und Plattitüden.

Minuten vergehen. Wir reden über die Arbeit, Deine neue Wohnung, gemeinsame Bekannte. Doch alles klingt grau, ohne Herzblut, ohne Witz, ohne Magie. Dieses Gespräch könnte ich mit jedem beliebigen flüchtigen Bekannten führen. Ich spüre, wie die Pausen länger, die Themen immer banaler werden.

Ich weiß, dass ich es jetzt sagen oder mich von Dir verabschieden muss. Verabschieden von unserer Freundschaft. Einem Rad, das sich immer langsamer dreht, bis es schließlich mit einem leisen Ächzen zum Stillstand kommt.

Und so sage ich, wie sehr ich Dich vermisse. Und ich spüre zum ersten Mal die bekannte, geliebte Wärme in Deiner Stimme. Du sagst, dass es nicht an mir liegt. Du redest über Deine langen Arbeitszeiten und wie wenig Zeit Du mit Deinem Freund hast. Und dass Freundschaften natürlich noch mehr darunter leiden, wenn schon nicht genug Zeit für die Beziehung ist. Ich gebe Dir recht, obwohl ich nicht weiß, ob Du recht hast. Ich weiß nicht mal mehr, ob Du mir die Wahrheit sagst, oder wenigstens eine humane Variante der Wahrheit.

Es bringt nichts, um eine Freundschaft zu betteln, und so sage ich, dass Du Dich jederzeit melden kannst, wenn Du wieder mehr Zeit haben solltest. Und dass ich nicht sauer bin. Das bin ich auch wirklich nicht. Ich bin enttäuscht und traurig, aber das zu sagen, würde auch nichts ändern.

Du willst mir ein Bild von Dir und Deinem Freund per Email schicken, damit ich auch endlich weiß, wie er aussieht. Ja, das wäre nett, antworte ich. Und wir verabschieden uns.

Keiner von uns beiden sagt „bis bald“...
Das ist sehr nah und direkt. Gleichzeitig mit einer klaren, aber auch wehmütigen Distanz wird das menschlich Widersprüchliche akzeptiert, ohne in selbstbemitleidende Betroffenheit zu driften. Sehr gelungen.
eyes002
******ace Mann
15.981 Beiträge
Gruppen-Mod 
Hoffnung, Melancholie
und Realität sind zwei Waschweiber, die nie zusammen einkaufen gehen werden....

Zwei Lebenskonzepte, die nicht mehr kompatibel sind. Aber das macht jeder durch. Irgendwie und irgendwann. Entscheidend ist, dass man sich nicht zuviel Hoffnung macht........
Aber es ist insgesamt so geschrieben, dass der Leser sich wiedererkennt *g* und das heisst schon was


Tom, der gespannt auf das nächste Werk ist
volatile
*******aum Frau
16.590 Beiträge
Das Gefühl kenne ich...

Wenn man das Gefühl hat, schon am Klang der Stille zwischen den Sätzen zu erkennen, dass der andere nur aus Pflichtgefühl angerufen hat.

Wenn man schmerzlich bemerkt, dass da nur noch Distanz ist, keine Nähe mehr. Dort, wo man sich mal blind, fast ohne Worte verstand und wo einer die Sätze des anderen beenden konnte.

Das ist, als würde man den Verlust noch einmal erleben...

Das sind dann so Telefonate, von denen man sich hinterher fast wünscht, man hätte sie nie geführt.

An diesem Gefühl hast Du sehr elegant entlanggeschrieben. Du hast ein gutes Gespür bewiesen. Vielleicht, nur ganz vielleicht, hätte man die Verlorenheit, diese gefühlte Leere und den Wunsch nach Überbrückung der Distanz noch deutlicher vokabularisieren können.

Aber ich finde es auch so schon sehr gut.

Vor allem ist der Moment gut gewählt für eine kurze Beobachtung, wie sie charakteristisch für eine Kurzgeschichte sein sollte.

Mir geht gerade durch den Kopf, wie es wäre, diese Idee dialogisch, in der direkten Rede, zu verarbeiten...

Ob man damit vielleicht die Distanz zwischen den beiden noch besser hätte herausarbeiten können?
sehr schön auf den Punkt gebracht!
Orange Session
*********katze Frau
8.077 Beiträge
Gefällt mir sehr
Dein Stil ebenso!

Meine Lieblingsstelle:
Ich weiß, dass ich es jetzt sagen oder mich von Dir verabschieden muss. Verabschieden von unserer Freundschaft. Einem Rad, das sich immer langsamer dreht, bis es schließlich mit einem leisen Ächzen zum Stillstand kommt.

Ich glaube, es wird noch so manches Schmankerl von Dir kommen!

LG
Katzerl
volatile
*******aum Frau
16.590 Beiträge
Das ist auch meine Lieblingsstelle! Sie ist direkt unter die Haut formuliert. *ja*
*******kly Mann
847 Beiträge
Themenersteller 
Schon einmal ein Dank an euch für dich wohlwollenden Worten. *g*

Die Idee, die Geschicht rein dialogisch zu erzählen und diese ganz karg nur auf die gesprochenen Sätze der Protagonisten zu reduzieren, ist sicher auch eine sehr gute Möglichkeit. Wenn man den Leser mit dem gesprochenen Wort und der darin enthaltenen Distanz kommentarlos allein lässt, könnte dies auch sehr effektvoll sein.

Ich weiß gar nicht mehr ganz genau, warum ich damals die Du-Form gewählt habe. Ich glaube, es war auch gar keine bewusste Entscheidung. Und ich glaube, es ist bisher auch das einzige Mal, dass ich diese seltene Erzählform gewählt habe.
Sehr guter Einstand, tja wer kennt das nicht... Freundschaft nach einer Beziehung, "negativ" warum sollte alles danach Grün sein - warum! wenn alles davor vergiftet war!
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Richtig gut und realistisch!

Als purer Dialog hätte es womöglich noch mehr Brisanz, wäre vielleicht noch packender, noch direkter ...

Kompliment!

(Der Antaghar)
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