Der Liebescode
Wie machen wir das mit der Liebe?Wie gehen wir mit ihr um, damit sie entstehen, aufblühen und bestehen kann?
Mir fiel dazu ein Buch in die Hände (Niklas Luhmann: Liebe als Passion, suhrkamp taschenbuch wissenschaft, 1982) und das hat mich zu folgenden Erkenntnissen gebracht, die natürlich in weiteren Fragen münden.
Die Liebe ist kein Gefühl an sich, sondern eine Art Überschrift, unter der wir Gefühle sammeln, abwägen, bewerten etc, sogar leugnen können.
Zuerst haben wir diese Gefühle, sie machen das Fehlen eines Objekts= Partners spürbar, dann beginnt die Suche nach ihm und einer Kommunikationsmöglichkeit.
Wir entwickeln einen Liebescode. Ein Medium, das die Botschaften der Liebe übermittelt. Das ist die einzige Möglichkeit, dieses flüchtige und schwer zu fassende Phänomen zu fassen.
Luhmann: ...dass der Mensch unter modernen Lebensbedingungen ein spontanes Bedürfnis nach persönlichen Beziehungen und intimer Kommunikation hat. S.70
Wie wird Liebe kommuniziert?
Hat man ein Objekt gefunden, zeigt man sich ihm. Man stellt sich als Person dar (das ist immer nur nur in Ausschnitten möglich, ob bewusst und gewollt oder nicht).
Man öffnet seine persönliche Welt für den anderen, macht ihn zu einem Teil davon, und signalisiert Interesse an der persönlichen Welt des anderen, zu der man gehören will. Erwidert der andere dieses Interesse, ensteht eine gemeinsame Welt, in der die Liebe stattfinden kann.
Liebe wird entweder durch Worte oder in Handlungen kommuniziert.
Ob ein gefühlvolles Gedicht oder eine voll erblühte Rose – der Liebende liest die gleiche Botschaft in beidem.
Der Austausch solcher Botschaften trägt und nährt das Gefühl. Es entstehen Kommunikationsrituale, die beide genießen und pflegen. Dieser Austausch kann schmal gehalten werden, quasi am Existenzminimum, oder exzessive Formen annehmen, die in einem Nichts-als-Liebe gipfeln.
Es ist ein Kampf zwischen Ratio und Passion, manchmal bewusst wahrgenommen und als Spiel begriffen, manchmal außer Kontrolle geratend – je nach Temperament der Beteiligten.
Luhmann: Liebe kann jetzt als eine Art Superpassion dargestellt werden, die alle anderen in ihren Dienst nimmt; oder als Quintessenz der Passion schlechthin. S.75
Wie wird Liebe entfacht und am Leben erhalten?
Zur Liebe gehört auf jeden Fall Vergnügen. Die Kommunikation muss beiden Spaß machen, in einem sehr weiten Sinne ist sie ein Gesellschaftsspiel.
Luhmann: Die Liebe endet, wenn sie kein plaisir mehr bereitet. S. 114
Auch Hindernisse können die Liebe beflügeln. Zum Beispiel die Abwesenheit des Geliebten: bleibt sie in einem zeitlich begrenzten Rahmen, wirkt sie liebessteigernd, wird sie dauerhaft, wird das Liebesfeuer erlöschen.
Zur Intimität der Liebe gehört Sexualität (als Unterscheidung zur Zuneigung in Freundschaft). Es besteht der Wunsch nach körperlicher Nähe und sexueller Begegnung.
Luhmann: ... als gemeinsame Grundlage der Miteinbeziehung des Körperlichen aber bleibt das Ziel, in höheren Formen der Liebe das Heil zu finden. Geschlechtliche Liebe wird durch geistige Liebe überformt. S. 58
Dieser Bereich der wortlosen Kommunikation wurde deswegen auch über viele Jahrhunderte mit Liebe gleichgesetzt, auch wenn der sexuelle Akt durchaus ohne die Überschrift Liebe vollzogen werden kann.
Findet Sexualität aber unter der Prämisse Liebe statt, vermittelt er die Möglichkeit, auch da eine Welt zu schaffen, in der das eigene
Erleben optimalerweise auch das des Partners ist.
Luhmann: Dies liegt nicht zuletzt an der Reflexivität des wechselseitigen Begehrens. Im körperlichen Zusammenspiel erfährt man, dass man über das eigene Begehren hinaus auch das Begehren des anderen begehrt..., S.33
Warum ist Liebe auf Dauer instabil?
Liebe ist ein Paradox: Aus der emotionalen Wucht von Momenten versucht sie Dauer zu destillieren, aus durchschnittlichen Menschen macht sie idealisierte Helden, aus Bagatellen werden einzigartige Besonderheiten, aus Schwierigkeiten und Leid macht sie Genuss – sie ist eine Illusion, die paradoxerweise Realitätsanspruch fordert.
Luhmann: ...dass die Codierung von sexuell basierter Intimität erst außerhalb aller etablierten Ordnung begonnen wurde... vor allem mit dem Eingeständnis der Unvernünftigkeit, der Wahnhaftigkeit, der Instabilität. .... Die auf Liebe begründete Ehe ist das Resultat einer stabilisierenden Systembildung, und der Ausbau von Scheidungsmöglichkeiten das Korrektiv dazu. Es bleibt der Ehe damit selbst überlassen, ob sie halten will oder nicht. S.39
Setzt man die Liebe also in einen geregelten, konditionierten Rahmen, beschränkt man sie. Die romantische Liebe verträgt sich nicht mit Institutionalisierung.
Lumann: Die Liebe beginnt erst, wenn man das, was verlangt werden kann, überschreitet, und ein Recht auf Liebe verhindert, dass sie überhaupt zustande kommen kann. S.84
Verspricht die Liebe zuviel?
Luhmann: Dazu kommt, das sich im bezug auf die Liebe und das Verhalten des Liebenden enttäuschungsanfällige Erwartungshaltungen bilden. S.46
Wir stehen also in dem ständigen und unlösbaren Konflikt, von der Liebe alles, auch das Unmögliche zu erwarten, Grenzen sprengen zu wollen, um uns selbst und den anderen immer wieder zu überraschen – doch unsere Mittel scheinen beschränkt, ebenso wie unser Energiepotential.
Selbst- und Partnerüberforderung ist die Folge.
Luhmann: Die typische Antwort bringt zeitliche Begrenzung ins Spiel: Die Liebe höre zwangsläufig auf und müsse durch gemäßigtere Formen und Verhaltensanpassung ersetzt werden. S.46
Wie ihr lesen könnt, können kluge Bücher uns das Phänomen zwar analysieren helfen, doch ein Patentrezept haben sie auch nicht
Die einzige Antwort scheint also ein mehr oder weniger häufiger Partnerwechsel zu sein, mit dem wir dasselbe Spiel immer wieder und besser zu spielen versuchen.
Ich bin sehr gespannt auf eure Kommentare.
©tangocleo 2010
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