Berimbazomba

© Nisham 2010


Nikondo musst du erleben. Erzählen kann ich ihn dir nicht. Die Party ist immer schon voll im Gange, wenn er endlich am Rand der Fläche steht. Da steht er. Den Kopf immer leicht schräg, nein, sogar ein wenig schief, zur rechten Schulter hingedreht. Sein Körper wirkt völlig entspannt. Du hast nie den Eindruck, als würde die Musik ihn auch nur annähernd berühren.

Vor ihm bewegen sich die Massen. Menschen im Rhythmus der Musik, Menschen mit ausgeklügelten Tanzschritten. Und der Rest; die Mehrheit; eine wogende Menschenmenge, die nur meint, die Musik würde sie bewegen…

Und Nikondo steht da. Unbeweglich. Minutenlang. Niemand achtet auf ihn. Nein, das stimmt nicht. Kaum haben Taxa und Sindala gesehen, dass Nikondo sich da hinstellt haben sie sich in seine Nähe begeben. Sie beobachten ihn. Sie beobachten auch sich gegenseitig. Konkurrenz und Liebe zugleich.

Nikondo steht weiterhin da, den Kopf wie gesagt, leicht schräg über die rechte Schulter geneigt.

Die Musik dröhnt. Hämmert. Wie kann man da nur still bleiben, sich überhaupt nicht rühren? Taxa und Sindala bewegen sich beide; wiegen sich perfekt im Rhythmus der Musik; lassen ihre Füße kleine Schritte machen; drehen sich, winden sich. Strahlen über das ganze Gesicht. Die beiden Frauenkörper sind die Musik.

Halt! Ein Zittern geht durch Nikondos Körper. Nur wer ihn gut kennt merkt es. Es ist, als ob die ersten Noten, die ersten Akkorde, die Grundmelodie mit jedem einzelnen Klang durch seinen Körper perlt. Nikondo lässt jeden Ton in seinen Körper eindringen, nimmt ihn auf und lässt ihn wieder los: an den Fingerspitzen, aus den Zehen.

Das Vibrieren seines Körpers wird stärker; der Rhythmus nimmt von ihm Besitz. Zuerst kaum sichtbar, doch nun ja: Es kommt Leben in die Finger, die Hände, die Arme. Dann fängt sein Oberkörper sich zu winden, zu drehen, die Musik zu atmen. Seine Hüften kommen in Schwung, seine Oberschenkel. Und jetzt beginnt Nikondo sich zu bewegen. Sein Körper ist voller Musikperlen und zeigt es auch. Unglaublich, wie die Musik von ihm regelrecht Besitz nimmt. Wie sie in ihm erst richtig zum Leben erwacht.

Taxa und Sindala haben nur noch Augen für ihn. Sie versuchen mit ihren Bewegungen Nikondos auszugleichen. Harmonisch zu ergänzen. Und ja, sie können es; auch wenn Nikondo wie ein Gott der tanzenden Musik sich bewegt. Immer weiter hinein in die Tanzfläche.

Er schaut sich nie um. Merkt nichts von den erstaunten Blicken, den sehnsüchtigen Blicken vieler Frauen; den eifersüchtigen, manchmal gar hasserfüllten Blicken der Männer, die nur Konkurrenz sehen.

Doch Nikondo berührt das nicht. Er lebt die Musik; und die Musik lebt in ihm, durch ihn.

Taxa und Sindala bewegen sich in seiner Nähe. Ab und zu greift Nikondo nach der einen oder anderen Frau; bezieht sie in seine Bewegungen mit ein. Der Mann wird zum Paar, die Frau zum Teil des Mannes.

Mal ist es Taxa, mal Sindala. Neid und Eifersucht kommen da nicht auf; oder werden von den rhythmisch perlenden Klängen weggeschwemmt.

Nikondo ist wirklich der Gott dieser tanzenden Musik. „Berimbazomba,“ hat ihn eine alte, fast zahnlose Frau genannt, die ihm auf die Tanzfläche gefolgt ist. „Der ist es“, hat sie nur gemeint. „Berimbazomba ist jetzt in ihm zu Hause. Und das ist gut so, denn allzu lange hatte Berimbazomba kein zu Hause mehr.“

Und so lange die Musik nicht aufhört, solange hört Nikondo nicht auf. Es ist, als einmal in Bewegung, er keine Kontrolle mehr über die Musik hat, die seinen Körper belebt. Stundenlang. Taxa und Sindala sind fast ebenso unermüdlich, können sich aber ab und zu kurz ablösen. Doch auch sie bewegen sich ohne Unterbruch, solange Nikondo die Musik durch seinen Körper perlen lässt.

Mit welcher der beiden Frauen er heute wohl nach Hause gehen wird? Taxa will nur Nikondos Körper; Sindala hat es auf Nikondos Herz abgesehen…

Und wem gehört nun Nikondo wirkich? Berimbazomba!