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Rückblickend betrachtet

nochmal Kaminlesung
****ra Frau
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Themenersteller 
Rückblickend betrachtet
Rückblickend betrachtet

Ich warte an einem Scheidepunkt. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: vorwärts dem Sieg entgegen, wie einst Hannibal Barkas als er die Alpen mit seinen Elefanten überquerte oder Umkehr und die Niederlage eingestehen.
Wie festgefroren stehe ich und blicke tief in mich. Was will ich? Nein, die Frage muss anders lauten. Ich will es nicht, aber ich werde es müssen. Ich werde den Weg weitergehen, auf Knien und Händen rutschend, wenn es sein muss. Ja! Denn es gibt wichtigere Dinge im Leben als die Ehre, das habe ich im Laufe meines Lebens gelernt.
Doch noch kann ich nicht weitergehen. Ich muss erst den Blick zurück wagen, denn er wird mir den Weg nach vorne weisen, mir die Landkarte zum Leben zeigen.

Also setze ich mich endlich, atme tief durch und blicke …

zurück in eine ferne Vergangenheit, so fern, dass man nur noch aus Geschichtsbüchern und Ausgrabungen etwas über sie erfahren kann. Doch ich habe damals bereits gelebt. Es war mein erstes Leben … das erste von vielen und an keines davon will ich denken. Ungeweinte Tränen brennen in den Augen als ich ihn vor mir sehe, der ich war …

Ich war Renatus, römischer Sklave in einer Gerberei. Das sehe ich jetzt und deshalb ist mir auch Hannibal Barkas in so guter Erinnerung geblieben. Jeder redete von ihm und senkte dabei ängstlich die Stimme. Für mich war er ein Held, ein Feldherr, der die Soldaten anspornen konnte, der wusste, was er tat, nicht so wie mein Herr, der nie wusste, was er wollte und mich von einer Ecke zur anderen sprinten ließ und mich dabei ohne Unterlass anbrüllte.
Bereits als kleiner Junge wurde ich an ihn verkauft, Lucius Fabius, ein Gerber in der Nähe von Aquileia. Ich wurde meiner Mutter entrissen, die Sklavin einer verarmten Dame in ebendieser Stadt war. Wer mich gezeugt hat, das weiß ich nicht, ich war vaterlos – namenlos, ein Sklave eben.
Lucius Fabius machte mit seinem Leder gute Geschäfte. Er kaufte die Felle den Jägern und Bauern der umliegenden Dörfer zu einem Spottpreis ab und wir Sklaven mussten sie dann reinigen und enthaaren, bevor sie mit einer Mischung aus Fett, Salz und Mehl eingerieben wurden. Das war anstrengende Arbeit, denn die Felle waren oftmals schlecht abgezogen worden und dann stanken sie, weil noch zuviel von dem toten Tier daran haftete.
Ich weiß noch, wie ich einmal verzweifelt versuchte, mein karges Frühstück bei mir zu behalten und ich trotzdem alles auf ein feines, fast fertig gegerbtes Fell erbrach. Der Herr ließ mich sofort auspeitschen. Er kannte weder Gnade noch Verständnis für die Leute in seinem Haushalt. Auch die Herrin musste oft seine Launen ertragen.

Für das Einsammeln des Urins war ich zuständig. Jeden Morgen musste ich die vollen Eimer holen und in einen Bottich leeren, es stank zum Himmel. Dann wurden die vorbereiteten Felle hineingetaucht und blieben darin. Immer wieder musste umgerührt werden, damit sich die Flüssigkeit gleichmäßig im Fell verteilen konnte. So wurden sie schön weiß und weich. Im Sommer war es die Hölle, es war wie eine Strafe der Götter, wenn man das machen musste. Doch mit der Zeit störte mich der Gestank immer weniger. Nur wenn ich in die Stadt durfte, um zu beten oder ein Opfer darzubringen, wurde mir dieser üble Geruch bewusst.

Eines Tages stieg ich langsam ich zum Tempel hoch. Nur mühsam waren meine Schritte, ich war müde und fühlte mich trotz meiner Jugend als alter Mann, nein, nicht als Mann. Ich weiß nicht, als was ich mich fühlte, wahrscheinlich als Ding, etwas das man benutzt und wenn man es nicht mehr braucht, weiterverkauft. Wenn ich die Kraft gehabt hätte, hätte ich meinen Herrn getötet, nach dem was er mir in der vorangegangenen Nacht angetan hatte.
Nein, daran wollte ich nicht denken. Ich marschierte durch die staubigen Straßen, meine kümmerliche Opfergabe vor mich hertragend. Schließlich kam ich zum Tempel. Es war mir egal, wem er geweiht war, ich glaubte nicht wirklich an sie, denn sie halfen nur den Reichen und Mächtigen. Am Tor hinterließ ich meine Gabe und wollte eigentlich schon wieder gehen, da sah ich einen Priester winken. Es war sonderbar, er schien auf mich gewartet zu haben, zumindest bildete ich es mir ein. Also, ging ich weiter. Ich kniete mich vor die Statue und betete leise: „Ihr Götter, was seid ihr nur für abscheuliche Wesen, dass ihr euch nicht um die Menschen kümmert, die euch anvertraut sind.“ Es war Blasphemie und wenn mich jemand gehört hätte, wäre ich in Schwierigkeiten geraten. Dennoch machte ich weiter, ich konnte nicht anders, ich musste es sagen. „Ihr Götter, die ihr doch so allwissend und weise seid, warum lasst ihr es zu, dass mir mein Herr das einzige nimmt, das mich als Mensch ausweist? Ihr wisst, was er getan hat und warum ich heute hier bin. Wenn ihr ihn nicht von diesem Erdboden tilgt, dann werde ich es tun.“ Zornig sprang ich auf, nahm meine zerschlissenen Sandalen und schmiss sie mit aller Kraft gegen die Statue, danach lief ich panisch hinaus.
Ich versuchte erst gar nicht, mich zu verstecken. Es hätte nichts gebracht. Einem entlaufenen Sklaven gewährte niemand Unterschlupf.
So kehrte ich barfuss und mit hängendem Kopf in die Gerberei am Stadtrand zurück. Schuldbewusst verkroch ich mich zu dem Bottich, der mit Urin gefüllt war und versteckte mich dahinter.
„Renatus!“, hörte ich ihn schreien. „Komm sofort heraus, oder ich lasse die Hunde frei!“ Die Hunde! Daran hatte ich nicht gedacht. Die fürchtete ich, denn sie waren scharf und ließen nichts mehr los, in das sie sich einmal verbissen hatten. Also erhob ich mich langsam und schritt demütig in die Mitte des großen Hofes. Mein Herr stand bereits dort und redeten mit den Männern der Stadtwache. Ohne viele Worte, wurde ich an den Pfahl gebunden. Dort musste ich stehen, bis am nächsten Tag der Priester eine Entscheidung über die Tragweite der Tempelentweihung getroffen hatte. Angeblich hatte ich mit meinem Wurf eine wertvolle, dem Schutzgott der Stadt geweihte Skulptur zerstört.
Am nächsten Tag wurde ich den Hunden zum Fraß vorgeworfen …

Ich weiß nicht, wie oft ich in meinem Leben hingerichtet worden bin, weil ich gegen die Götter und die Obrigkeit gelästert habe … aber nun, geht der Blick weiter …
Hannibal Barkas, der Held aus meinem ersten Leben … ich werde meine Elefanten ebenso über die Alpen treiben, wie du einstmals und erfolgreich sein. Der erste Schritt ist getan und der ist bekanntlich der schwerste.

(c) Herta 5/2010
Ich weiß nicht, wie oft ich in meinem Leben hingerichtet worden bin, weil ich gegen die Götter und die Obrigkeit gelästert habe … aber nun, geht der Blick weiter …

Irgendwie hat mich dieser Satz an einen Roman-Zyklus von Michael Moorcock über das Schicksal des "Ewigen Helden" erinnert...

Den Moment des Entscheidens über den eigenen weiteren Weg
in eine "alte Geschichte" zu kleiden, gefällt mir persönlich gut.
Und die Art, wie Du diese Geschichte erzählst, hat eine lässte
dem Lesenden genug Raum für die Entscheidung, wie tief er/sie
sich in die Geschichte hinein begeben will.

Gut gemacht, finde ich.

LG Dieter
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
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Themenersteller 
Es ist zwar eine eigene Geschichte
aber es passt in die Zeit der punischen Kriege. Mensch, ich habs gerade mit den Römern und den Karthagern *zwinker*

Die Schlacht von Zama


Lasst euch berichten, ihr Durstigen und Hungrigen, von der letzten Schlacht, als wir Hannibal den großen Feldherrn, besiegten. Ich war einer der Legionäre im Heer des siegreichen Cornelius Scipio Africanus. Antonius Lucillius ist mein Name, ihr kennt mich, als Tavernenwirt.

Es war fürchterlich, kann ich nur sagen. Hört nur, wie es war, an diesem heißen Tag. Was heißt hier heiß! Heiß war es dort fast immer. Aber wir, die römischen Veteranen, wir waren das Rückgrat unseres Heerführers. Wir schritten vorneweg, auch wenn wir Angst hatten vor der gegnerischen Infanterie, denn diese war stärker als unsere. Aber wir vertrauten unserem Feldherrn Scipio. Mit lautem Geschrei und Trompetengehall liefen wir aufs Schlachtfeld, ich immer vorneweg, in der ersten Reihe. Die Elefanten des Gegners liefen panisch davon als sie uns sahen und achteten nicht darauf, wen sie niedertrampelten. Doch wir drängten weiter vor, wichen nicht zurück, die Gefahr nicht achtend, denn wir sind Römer!
Ich war im dritten Manipel und wir waren die ersten, die direkt auf den Gegner trafen. So viele Menschen waren es in dem Gewimmel. Um nicht selbst getötet zu werden, droschen wir auf alles ein, das sich bewegte. Ich weiß nicht, in wie viele Körper ich mein Pila rammte. Es rutschte, so blutig war es. Als es schließlich brach, kämpfte ich mit dem Gladius weiter. Noch war ich nicht verwundet und die Schlacht dauerte an. Immer weiter rückten wir vor und drängten die karthagischen Hunde zurück, nicht die Gefahr der übriggebliebenen Kriegselefanten achtend, die unsere Bogenschützen im Visier hatten.

Schließlich nahmen wir sie in die Zange und verfolgten die Flüchtenden, die von den eigenen Reihen aufgespießt wurden, so nahmen sie uns die Arbeit und schmälerten unseren Triumph. Das steigerte meine Kampfeswut noch weiter an. Hier auf feindlichem Boden wollten wir sie besiegen!

Langsam wurde mein Arm müde. Aber wie meine Kameraden, wollte ich nicht aufgeben, rannte weiter auf arfikanischem Boden, der nass vom Blut der Karthager war. Die Sonne brannte auf uns nieder, Gestank und das Geschrei der Verwundeten umgab uns. Es mischte sich mit dem Geschrei der Aasvögel, für die es ein Festmahl gab an diesem Tag.


Endlich durften wir eine Pause machen und beide Seiten zogen sich zurück. Wir versorgten die Verwundeten und ordneten die Schlachtreihen neu. Ich war froh, keine Verletzungen davongetragen zu haben und ruhte mich etwas aus.


Dann trafen die Numider, unsere Freunde mit über sechstausend Reitern, ein und die Schlacht begann von Neuem. Ha! Ihr hättet die Angst in den Augen der Karthager sehen sollen.

Diese verfluchten Iberer, Verbündete der Karthager, hatten riesige Steinschleudern. Um den auf uns fallenden Steinen zu entgehen, bildeten wir die Schildkröte, das war ein erprobtes Mittel und wir gut aufeinander eingestimmt, sodass wir keinerlei Schäden erlitten. Danach kämpften wir mit den Pila. Ich hatte mir das, eines gefallenen Kameraden genommen, er brauchte es nicht mehr, aber ich konnte es umso besser verwenden. So stach ich auf alles ein, das mir feindlich erschien.

Was dann weiter geschah, kann ich nicht mehr mit Sicherheit berichten, denn ich wurde schwer am Bein verwundet und wäre beinahe verblutet, wenn mich nicht ein keltischer Söldner aus dem Dreck gezogen hätte. Ich bin dem Mann auf ewig zu Dank verpflichtet und ich schwor ihm, sollte er getötet werden, seine Familie aufzusuchen und meine Schuld bei ihnen abzutragen. Er lachte darüber, klopfte mir auf die Schulter und stürzte sich wieder ins Kampfgeschehen. Verstehe einer die Kelten.

Unser Feldherr Scipio Africanus führte uns zum Sieg, sodass ich euch in dieser Taverne mit unseren Heldentaten unterhalten kann.

Ja, wir riefen laut und immer lauter: Scipio, Scipio!

Hannibal musste den Vertrag einhalten und Karthago wurde eine weitere unserer Provinzen.

Zum Abschied bekam ich ein kleines Stück Land geschenkt, denn ich hatte in diesem Jahr das Glück meinen Dienst in der Legion beenden zu können. Es war ein heroischer Abschied, besser hätte es nicht kommen können.

Ich bin Antonius Lucillus, Tavernenbesitzer und Veteran der großen Schlacht von Zama.

(c) Herta Lauriacum
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