Klick. Klick. Klick. Na und?
© Nisham 2010Diana ist frustriert. Kein „klick.klick.klick.“ begleitet sie heute auf ihrem Gang durch die Stadt. Flache italienische Schuhe. Und nun fühlt sich Diana wieder so klein, wie sie ist. Einsneunundfünfzig. Klein. Leicht zu übersehen. Der Schuhmacher hat ihr soeben gesagt, dass die Reparatur ihrer 11 cm high heels eine teure Sache wird. Edelstahlabsatz. Zerkratzt. Leicht verbogen.
Diana geht wie blind durch die Stadt. Ihre Augen hinter einer Sonnenbrille versteckt, damit ja keiner ihre tränennassen Augen sehen kann. Und kein so geiles „klick.klick.klick.“ begleitet sie. Diana hatte sich so an dieses Geräusch gewöhnt. Und die Schuhe hatten sie nicht nur groß gemacht, sondern auch Männerblicke auf sie gezogen. Und wie!
Am teuren Schuhladen will sie nicht vorbeigehen, doch wie ein Magnet fühlt sie sich dahin gezogen. Vor dem Schaufenster reißt sie sich die Sonnebrille herunter. Drückt sich fast die Nase an der Scheibe platt; wie ein Kind. Da stehen solche high heels. Mehrere Paare, auch in rot. Doch die Preisschilder sprechen eine sehr deutliche Sprache: „Nicht für Diana!“
Frustriert stampft Diana auf. Schiebt die Sonnenbrille zurecht und geht weiter. Den Kopf gesenkt. Ohne wirkliches Ziel. Diese vielen Menschen, die herumlaufen, mit Einkaufstüten bepackt, gehen ihr sehr auf den Nerv. Bald weicht sie in eine kleine Seitengasse aus. Da gibt es nur wenig Menscheln, auch wenig Geschäfte.
Als sie zur nächsten Gassenecke gelangt, sieht sie ein kleines Schaufenster, direkt an der Ecke. Ein kleiner Laden. Aber ein Schuhgeschäft. Ganz neu!
Diana tritt näher, schaut ins Schaufenster. Da stehen nur ein halbes Dutzend Paar Schuhe. Sehr elegante, ja ausgefallene Modelle. High heels allesamt. Sogar mit Plateau, damit der Absatz noch höher sein darf. Diana stutzt: keine Preisschilder. Sie hebt den Kopf und schaut durch die Scheibe in den Laden. Niemand drin?
Sie dreht sich um, will gehen. Da kommt ein Mann aus der Ladentür. „Hallo!“ Erschrocken dreht sich Diana nach der Stimme um. Das darf nicht wahr sein! Dieser Typ!
„Hallo! Möchten sie nicht in mein Geschäft eintreten? Es ist ganz neu, ich habe erst vor wenigen Tagen eröffnet…“
„Verfolgen sie mich?“
„Nein, nein! Als ich sie das erste Mal gesehen habe, da habe ich mir nur angeschaut, was meine zukünftige Konkurrenz bietet…“
„Und das mal auf der Promenade?“ Dianas Ton ist scharf.
„Zufall, nichts als Zufall. Doch bitte, kommen sie herein.“
Diana schaut sich um, zögert ein wenig, doch was soll da schon passieren. Sie folgt dem Mann in das kleine, aber sehr feine Schuhgeschäft.
„Ich liebe Schuhe, extravagante Damenschuhe“, erzählt der Mann und holt gleich einige Kartons von einem Stapel.
„Ich will keine Schuhe kaufen.“
„Nein, sie sollen auch keine Schuhe kaufen, nur anschauen und vielleicht anprobieren…“
Diana setzt sich. Ein wenig resigniert, ein wenig erwartungsvoll.
Und der Mann hat Schuhe! So was von geilen Modellen! Und diese Absätze!
„Sie mögen rot?“ fragt er. Diana nickt nur. Der Mann stellt Diana drei Paar hin. Ein rotes Paar high heels, mit zwei Absätzen aus Edelstahl, die aber unterschiedlich geformt sind. „Die sehen aber komisch aus!“
„Probieren sie die doch an. 36 ist doch richtig?“ Diana nickt und schlüpft in den einen Schuh; sie steht auf, schwankt ein wenig, doch der Mann hält sie am Arm fest. Die sitzen wie angegossen, denkt Diana.
„11 Zentimeter, wie sie schon haben.“
„Hatte, die sind kaputt, zu teuer zum reparieren.“ Diana macht einige Schritte im Laden. Klick. Klick. Klick. Auf diesem Parkettboden hört Diana eines ihrer Lieblingsgeräusche und ein Lächeln erhellt ihr Gesicht.
Diana schlüpft noch in zwei andere Paare. Plateau, schwindelerregend hoher Absatz.
„15 Zentimeter,“ verkündet der Mann.
Diana geht vorsichtig, denn sie fühlt sich in diesen Höhen etwas ungewohnt an. Klick. Klick. Klick. Diana lacht laut auf.
„Gefallen sie ihnen?“
„Ja, ich bin soooo groß damit!“ Schnell hat Diana den Trick raus, wie sie mit solchen Schuhen zu gehen hat, als hätte sie ihr Leben lang nie andere Schuhe getragen.
„Sie sind ein Naturtalent, so wie sie sich in diesen Schuhen bewegen“, meint der Mann, „sie können nicht ahnen, wie oft ich mir Frauen anschauen muss, die solche Schuhe kaufen und dran gehen, als würden sie Biker-Boots tragen.“
Diana setzt sich wieder. Ein tiefer Seufzer entringt ihre Lippen, als sie die Schuhe abstreift.
„Was ist? Drücken die Schuhe?“
„Nein. Die sitzen wie angegossen, doch ich kann mir so was nicht leisten.“
„Sie haben ja gar nicht nach dem Preis gefragt.“
„Muss ich nicht, kann mir’s schon denken.“
„Der Preis ist unwichtig“, sagt der Mann, so dass Diana verblüfft zu ihm hochschaut.
„Unwichtig? Ich versteh nicht.“
„Ich schenke ihnen diese Schuhe.“
„Das kann ich nicht annehmen!“
„Doch, bitte, nehmen sie ein Geschenk an. Ich finde, dass sind ihre Schuhe. Sie gehören jetzt ihnen, weil ich sie nun sowieso niemand anderem verkaufen würde, nachdem ich sie darin habe gehen sehen.“
„Und was erwarten sie von mir als Gegenleistung?“ Diana ist ein gebranntes Kind. Skeptisch. Misstrauisch.
„Nichts. Sie tragen meine Schuhe und das genügt mir. Vielleicht erzählen sie der einen oder anderen Freundin, woher sie diese Schuhe haben, mehr nicht.“
„Sind sie sicher?“
„Ja, junge Frau, sie gefallen mir; sie haben Mut und zeigen es. Und sie können in solchen Schuhen gehen. Das ist der wichtigste Punkt.
Diana steht auf, geht mit nackten Füssen einige Male im kleinen Laden hin und her. Schaut auf den Mann. Schaut auf die am Boden stehenden Schuhe. Dann bleibt sie vor dem Mann stehen.
„OK. Ich nehme ihr Geschenk an, aber sie nehmen meine Einladung zu einem Drink nach Feierabend an. Keine Widerrede.“