Auf den Neubeginn
@ http://www.joyclub.de/my/1205222.tangocleo.html hat mich heute mit ihrer tollen Geschichte Kurzgeschichten: Wiederbelebung zu einer eigenen Urlaubsgeschichte inspiriert. Auf den Neubeginn
Es war so weit, der Urlaub nahte. Sie konnte es kaum erwarten, endlich auszuspannen. Müde schleppte sie sich durch die Tage, zählte sie, später die Stunden, schließlich die Minuten. Nur langsam verstrichen sie, dann war es so weit und die Ferien begannen.
Wie es ihre Art war, hatte sie sich nicht viel vorgenommen, sie wollte zuhause bleiben und sich so richtig ausruhen. Bereits am ersten Tag schlief sie länger als gewöhnlich, um genau zu sein, es waren fünf Minuten. Dann hielt sie es nicht mehr aus und um genau fünf Minuten nach fünf Uhr sprang sie aus dem Bett, ging duschen und machte Kaffee. Damit ging sie auf den Balkon. Dieses Stück Freiluftwohnraum war ihr Heiligtum. Nur wenn es zu stark regnete, frühstückte sie in der Küche. Jetzt saß sie nahe am Geländer und sah dem erwachenden Tag zu, er versprach schön zu werden. Auch die Straße wurde belebter. Der Bäcker von gegenüber schob die Läden hoch, in der Backstube war er aber schon seit drei Uhr morgens. Sie hörte ihn jeden Tag, außer Sonntag. Jetzt trat er aus der Tür, stellte einen Plakatständer an seinen Platz und winkte ihr freundlich zu. Das war ein tägliches Ritual. Fröhlich grüßte sie zurück, lächelte und genoss den ersten Urlaubsmorgen. Gerade schickte sich die Sonne an, über die Häuserreihen zu wandern und kitzelte ihre Wangen mit ersten warmen Strahlen. Sie genoss es, nicht eilen zu müssen, einfach gemütlich und ohne Termine, in den Tag hinein zu leben.
So war es ganze zwei Wochen lang. Am letzten Urlaubstag beschloss sie, etwas zu ändern. Diese Monotonie war einerseits beruhigend, einlullend im Wiegenlied scheinbarer Sicherheit und Geborgenheit, auf der anderen Seite war es langweilig, es gab weder Herausforderungen noch Perspektiven. Gegen ihre Gewohnheit saß sie in der Küche und grübelte. Der Kaffee schmeckte bitte, aber sie merkte es nicht, zu sehr war sie in Gedanken versunken.
Langes Läuten an der Tür schreckte sie aus ihren Überlegungen. Sie stand auf, ging in den Flur und betätigte den Öffnungsmechanismus. Sie dachte, der Zeitungsausträger hätte den Schlüssel vergessen. Kaum saß sie wieder, schrillte es erneut und es wurde zusätzlich geklopft. Sie war erstaunt, denn um diese Zeit bekam sie nie Besuch. Eigentlich kam nur sehr selten jemand zu ihr. Sie war nicht der Typ, der leicht Freundschaften schloss. Ein Blick durch den Spion ließ sie zurückschrecken. Es war der Bäcker von gegenüber! ‚Was will der nur?’, dachte sie. Ein neuerliches Pochen ließ sie automatisch öffnen. Da stand er nun, mit einer Tüte in der Hand und lächelte schüchtern. „Jetzt bin ich aber froh, dass es Ihnen gut geht“, sagte er tief aufatmend.
„Ah, ja, mir geht es gut, danke“, stammelte sie und wollte hineingehen. Doch er redete schnell weiter: „Ich habe hier frisches Gebäck und weil ich heute nicht im Laden stehen muss, dachte ich, ich schau mal bei Ihnen vorbei und bringe Frühstück mit.“
„Äh, danke.“ Sie öffnete die Tür ein Stück weiter und bat ihn mit einer Handbewegung, einzutreten. Erleichtert folgte er ihr in die kleine Küche, wo es nach angebranntem Kaffee roch.
„Wollen Sie mit mir frühstücken?“, hörte sie sich fragen und war erstaunt über ihre eigene Kühnheit. Mit einem strahlenden Lächeln nahm er das Angebot an und setzte sich an den Tisch. Dann packte er die Brötchen aus, dazu noch Butter und Marmelade und aus der Jackentasche fischte er zwei Piccoloflaschen Sekt.
„Ich heiße Martin“, stellte er sich vor. „Martin Bachmann, Ihr Bäcker von nebenan.“ Ohne seine weiße Bäckerschürze und so aus der Nähe betrachtet sah er nicht übel aus. Er entsprach zwar nicht ihrem Idealbild eines Mannes, aber das störte sie nicht, schließlich wollte sie so einiges ändern in ihrem Leben. Entschlossen, dieses unerwartete Ereignis auszukosten, deckte sie den Tisch neu. Dann sagte sie: „Es freut mich, dich kennen zu lernen, Martin. Ich bin Laura.“ Das Du-Wort nahm er freudig an und er erzählte, dass er jeden Tag auf sie wartete, denn erst dann konnte er den Tag genießen. „Ich hatte heute den Eindruck, etwas würde nicht stimmen“, schloss er, schaute sie lächelnd an, dann hob er sein Glas und sagte feierlich: „Ich möchte mit dir auf etwas anstoßen.“
„Worauf denn?“, fragte sie und fühlte sich überrumpelt von so viel morgendlichem Charme.
„Auf einen Neubeginn, Laura.“ Da musste sie lächeln und sie tranken auf eine neue Freundschaft und den Beginn eines neuen Lebens.
(c) Herta 5/2010