Die Akazie von Amanzimtoti
© Nisham 2009Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen. Damals in Amanzimtoti. Ein so wunderschön klingender Name für einen kleinen, unbedeutenden Ort. Ein Städtchen am Meer, mit einem weitläufigen, windgepeitschten Sandstrand. Und am Sträßchen, das zu diesem Strand führte, die Akazie.
Akazien sind da keine Seltenheit. Aber diese Akazie hat mich angelockt. Die Anderen aus der Gruppe sind daran vorbeigelaufen. Ich bin stehen geblieben. Ich wusste auch nicht warum. Konnte einfach nicht weiter gehen. Bin zum Baum hin, habe eine Hand an den Stamm gelegt. Die raue Rinde unter meiner Hand gespürt. Mein Blick hat sich gesenkt. Am Fuß des Baumes lagen kleine Äste und Muscheln. Zuerst dachte ich, die sind da einfach hingefegt worden.
Doch dann habe ich mich gebückt. Weil ich nicht anders konnte. Ich war wie magisch angezogen. Streckte meine Hand aus, doch nein, ich hielt mich zurück, bevor ich irgendetwas berührt, geschweige denn in die Hand genommen hätte. Es ging nicht. Es war, als Stünde da ein unüberwindbares Hindernis zwischen meiner Hand und den Ästen und Muscheln.
Erst als ich mich hinkauerte. Genauer hingeschaut habe, konnte ich mit meiner ausgestreckten Hand die kleinen Äste berühren, die Muscheln. Und da habe ich es gesehen. Diese Äste und diese Muscheln waren ganz bewusst so hingelegt worden. Sie bildeten ein Muster. Eine Zeichnung. Ein Bild.
Mit meinem Zeigefinger habe ich versucht den Linien der Äste und der ausgelegten Muscheln zu folgen. Habe versucht zu verstehen. Habe nach einer Form gesucht. Einer Erklärung.
Lange kauerte ich da, fasziniert von diesem Gebilde am Fuß dieser Akazie in Amanzimtoti.
Ich habe die Frau nicht kommen hören. Erst, als sie mir leicht auf die Schulter tippte und ich erschrocken herumfuhr, wurde ich ihrer gewahr. Sie sprach mit einer leisen Stimme auf mich ein. In einer Sprache, die ich natürlich nicht versehen konnte. Es war eine alte Frau, in grellbunten Kleidern gehüllt. Sie kramte in ihre Umhängetasche und holte eine Handvoll kleiner Muscheln heraus. Sie deutete mir, meine Hand auszustrecken, so dass ich die Muscheln übernehmen konnte.
Nun kniete ich da, mit einer Handvoll Muscheln. Die Frau sagte noch ein paar Worte, deutete auf die Ansammlung von Ästen und Muscheln und schlurfte davon. Ich sah ihr lange nach. Versuchte zu verstehen, was sie von mir wollte. Was sie von mir erwartete. Sie drehte sich kein einziges Mal um.
Ich wandte mich wieder diesem Gebilde aus Ästen und Muscheln zu. Und meine Hand, in der ich die Muscheln hielt, bewegte sich wie von selbst. Ich legte eine Muschel neben die andere, bildete mit meinen Muscheln eine bogenförmige Linie, die von einer Stelle, wo sich mehrere Äste übereinander kreuzten bis zu Stamm der Akazie führte. Als ich die letzte Muschel ganz dicht am Stamm hinlegte, wusste ich, dass ich das Richtige getan hatte. Ich war nicht einmal überrascht. Denn jetzt sah das Gebilde so aus, wie es aussehen musste. Nur hatte ich das vorher nicht gewusst. Ja, das Gebilde aus Ästen und Muscheln war nun fertig. Was es sollte, was es bedeutete, das war mir weiterhin schleierhaft. Aber ich musste das auch nicht wissen.
Als ich mich erhob und weiterging, auf den Spuren meiner Begleiter, wusste ich, dass es jetzt so war, wie es sein musste. Diese Ansammlung von Ästen und Muscheln unter dieser Akazie in Amanzimtoti.