Enigmatische Inkantation
© Nisham 2010Dumpfe Trommeln hallen durch die nächtliche Strasse. Fahle Straßenlaternen erhellen kaum die schattenreiche Dunkelheit. Und Schatten bewegen sich von Haus zu Haus. Vorsichtig, mehr tastend als hastend, doch immer zum Klang der dumpfen Trommeln.
Die Nacht schreitet voran und die dunkeln Schatten folgen dem fahlen Licht, rhythmisch im Takt der Trommelschläge. Die werden lauter, deutlicher. Aus der großen Lagerhalle ohne Fenster, mit verschlossenen und verriegelten Laderampen. Hier ist es lauter. Deutlich lauter. Das Trommeln steigert sich, wird schneller und die Schatten bewegen sich schneller, strömen zu einem schmalen Spalt in der seitlichen Wand. Schwere Vorhänge verhindern einen direkten Zugang. Hände tasten fast blind, zerren und schieben. Einen Vorhang, einen zweiten, einen dritten…
Endlich in der Halle. Ohrenbetäubende Trommel füllt die leere Halle. Die Klänge füllen die Halle, als wären hier tausende von Paletten gestapelt. Greifbar. Spürbar. Packend und betörend.
Dann diese Stimme, leise, kaum zu hören und doch so anders als die dumpfen Trommelschläge. Eine Stimme, die so schneidend ist, wie eine Klinge aus ewigem Diamant. Eine Stimme, die dich öffnet, nachdem dich die Trommeln betäubt haben.
Harte, dumpfe und dröhnende Trommeln. Eine Stimme, so klar und scharf.
Eine Inkantation, die aus der Zeit stammt, wo die Zeit nicht war. Eine enigmatische Stimme, die verzaubert, verfremdet, entfernt, auflöst
Schatten strömen herein, verteilen sich und lösen sich auf…
Was soll das? Wohin führt das? Und vor allem: wer tut das?
Wer ist diese Trommel? Wer ist diese Stimme? Wo sind die Trommeln? Wo ist die Stimme? Überall und nirgendwo. Und immer mehr kommen, strömen durch die schmale Lücke in der Wand, schlängeln sich durch die schweren Vorhänge, ziehen in die Halle und lösen sich auf.
Schatten in einer Welt der dunkeln enigmatische Inkantation.
Und nun kommst du. Hand in Hand mit mir. Wir sind dem Trommeln, dem dumpfen Klang gefolgt. Immer weiter, hingezogen, wie von einer magischen Hand, die uns nie mehr loslassen wird. Gefangen im Banne der Schattenwelt im fahlen Licht. Und wir sind die Letzten, denn nun graut am Horizont das erste Zeichen des neuen Tages.
Doch wir schaffen es, noch rechtzeitig die Samtbarrieren zu durchqueren, dem lauten und doch dumpfen Trommelschlag entgegen zu ziehen.
Mitten drin, in einer Welt voller unsichtbarer Schatten stehen wir, umhüllt von einer unglaublich gläsernen Stimme, einen Teppichboden aus dumpfen Trommelschlägen unter den Füssen.
Wir lösen uns nicht auf. Nein! Die Trommelschläge werden leiser, entfernen sich, die enigmatische Stimme verflüchtigt sich in ihren zeitlosen Inkantationen und wir bleiben da, in einer Halle voller Dunkelheit, in einer Welt voller Schatten, die keine sind.
Nur du und ich. Nicht wissend was war. Nicht wissend was ist, Und nicht wissend was kommen wird.