Wer zuletzt lacht steht noch nicht fest
Wer lacht zuletzt steht noch nicht festWie vom Wahnsinn gebeutelt, komme ich mir bisweilen vor, oder anders ausgedrückt, wie vom Irrsinn gestreift, überholt und schlussendlich besiegt. So oder ähnlich erging es mir heute. Was heißt hier heute – der tägliche Nonsens übt seinen Druck aus, und was für einen! Wie viel Bar da auf einen niederdrücken, das lässt sich nicht ermessen, es würde auch keiner wissen wollen.
Also, dieser Irrsinn hat Methode, denn hätte er die nicht, dann wäre es der blanke Hohn gegen die Menschen, die ich betreue. Verarscht werden die ohnehin, auf jeder Linie und nach Strich und Faden, die Betreuten und die Betreuer gleichermaßen. Aber man darf ja nichts sagen, sonst ist man gleich unsozial, nicht zu verwechseln mit asozial, das ist was anderes und hat mit ungewaschenen Haaren zu tun, nein darauf achten wir schon, dass die Leute gut gepflegt sind. Aber –
jetzt kommt es, das Aber! Wehe wir verlangen etwas von den Sozialstellen, etwa eine Erhöhung der Einsatzstundenzahl oder einen Pflegeheimplatz, weil es mit der Betreuung zuhause nicht klappt! Mensch, dann stehen wir dumm da, aber wie! Es ist Irrsinn mit Methode – denn diese Leute, wie zum Beispiel meine Klienten, die werden früher oder später ohnehin sterben – die Sozialstelle hofft früher, damit sie sich den Heimplatz sparen kann, denn meine Klienten sind unterste Unterschicht, arme Schlucker, uralt und gebrechlich, leider ohne Heimplatz und mit Angehörigen, die heillos überlastet sind und völlig uninformiert von Pontius zu Pilatus rennen und froh sind, wenn ihnen jemand sagt: „Um irgendwann einmal einen Heimplatz zu bekommen, müssen sie sich anmelden und am besten bei allen Heimen gleichzeitig, sonst gehen Sie unter. Machen Sie es am besten sofort, ich gebe Ihnen die Telefonnummern. Nein, tut mir Leid, ich kann das jetzt nicht für Sie machen, denn ich muss schon weiter eilen. Auf wiedersehen, morgen um die gleiche Zeit und passen Sie auf sich auf.“ Ratsch, auf die Tür, rums, zu die Tür und weg – rein ins Auto, durch den Stadtverkehr zum nächsten Klienten, auf einen Parkplatz hoffen und der Wahnsinn beginnt von vorne. Was bin ich? Pflegerin oder Sozialarbeiterin? Wahrscheinlich keins von beiden – ich würde es bei nüchterner Betrachtung im hellen Sonnenschein als dumm bezeichnen.
Nun ja, dumm ist vielleicht auch nicht die ganz richtige Bezeichnung, es existiert eigentlich kein passendes Wort für noch immer hoffende und engagierte Leute in der Pflege, besonders der mobilen.
Über kurz oder lang werden wir wahrscheinlich wegrationalisiert werden von slowakischen und ungarischen Betreuerinnen, die 24 Stunden für 60 Euro oder weniger pflegen und betreuen. Die drücken jetzt schon unsere Gehälter und wir dürfen uns dann noch mit deren Einschulung im Heim der Klienten, plagen. Toll! Also, ich weiß schon, warum ich meinen Beruf so mag – man lernt ungarisch und slowakisch.
Qualität hat keinen Stellenwert mehr, Hauptsache billig und der Wahnsinn hat System und das System heißt Budgetlochstopfen.
Am liebsten wäre es denen, die die Renten auszahlen und die das Budget sanieren wollen, das werden die in tausend Jahren nicht schaffen, da gibt es vorher noch einige Währungsreformen, wenn wir alle noch vor der Pension auf der ewigen Liegewiese unseren Platz einnehmen. Natürlich fein säuberlich registriert und keine Kosten mehr verursachen, eventuell noch als Sondermüll, aber das betrifft ja dann nicht das Rentensystem.
Hauptsache billig – ich fürchte, mich hat der Wahnsinn bereits überholt, eingekreist und lacht mir nun als Sieger mitten ins Gesicht. Na und – ich kann auch lachen und wer zuletzt lacht, das steht noch nicht ganz fest.
(c) Herta 5/2010
Ich weiß, es ist keine Kurzgeschichte im eigentlichen Sinn, also entschuldige ich mich bereits jetzt für diesen Text - in welches Genre fällt das eigentlich? Seelenstrip ist es ja nicht. Wutausbruch? Nun, könnte man auch sagen, aber nein, ich bin nicht zornig. Ach, ega, wer eine Bezeichnung weiß, möge sie mir nennen.
Herta