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Eingestellt

Eingestellt
Langsam aber sicher macht sich in Julia eine nicht mehr zu ignorierende Aufregung breit.
Vor fünf Tagen endlich hat sie ihn in die Finger gekriegt. Vier lange Wochen lauerte sie jeden Tag dem Briefträger auf, diskret natürlich, hinter der Panoramascheibe.

Ungeduldig riss sie den festen Umschlag aus reinweißem Bütten, den ein traditionsreiches Logo zierte, auf. Sie überflog den Text noch im Treppenhaus:
»... beglückwünschen Sie ... engere Auswahl ... Einstellungsgespräch ... 18.06.2010, 10 Uhr ... freuen uns auf Sie ... Hochachtungsvoll ...
Junkers, Junior Manager ...«


Um wirklich erholt und ausgeruht zu diesem für sie so wichtigen Termin zu erscheinen, ist sie kurzfristig für einige Tage auf ihre Lieblingsnordseeinsel gefahren.
Kein TV, kein Handy, kein Stress.

Heute also wird sie denen zeigen, was sie kann.

Noch sitzt sie in ihrer mittelmäßigen Wohnung versunken im antiken Ohrensessel, der ihr Zuflucht in allen Lebenslagen ist. Heute sieht sie nicht den tiefroten Samt, streicht abwesend über die Struktur und verliert sich in köstlichen Tagträumen:

Wenn ich den Job bekomme, dann kann ich endlich in das ersehnte Loft umziehen. Ein Arbeitszimmer plus Bibliothek müssten dann auch drin sein. Und ein Pool. Ein paar Fitnessgeräte sind einfach ein Muss.
Alles minimalistisch, zeitgemäß designt, klar strukturiert und funktionell.


Funktionieren ...
Das wird dann ihr neues Arbeitsterrain sein: Alles daran setzen, dass es mit der Produktion wieder besser funktioniert. Nähmaschinenfertigung, Arbeitsabläufe timen, Materialplanung, Maschinenauslastung, Pausenzeitenregelung, Drei-Schicht-System, hauptsächlich Fließbandarbeit, in der Mehrzahl Frauenarbeitsplätze.
Als Lehrling saß sie selbst einmal dort.

Dann hatte sie sich doch noch für ein Studium entschieden. BWL.
Ein Jahr Amerika folgte, danach Australien, Japan.
Einigen Unternehmen hat sie helfen können, andere haben sich selbst sabotiert.
Da konnte auch sie nichts mehr tun.
Sie weiß was sie kann.
Sie versteht ihr Handwerk.
Sie macht keine Fehler.
Keine groben jedenfalls.

Auf die richtige Einstellung kommt es an, wenn man im Gespräch bleiben will.
Und die hat sie: Überstunden sind für sie genau so selbstverständlich, wie keine Kompromisse beim Dresscode.
Sie bleibt ihrer FRAU treu:
Fleißig - Robust - Angenehm - Unterhaltsam.

Bisher hat sie mit dieser Strategie noch immer einen Fuß in die Tür bekommen. Ihre High Heels öffnen sie dann ganz.
Wenn sie erst einmal drin ist im Vorstandszimmer, steht sie ihren MANN:
Mutig - Aktiv - Nonchalant - Nachdrücklich.
Bis hin zum femininen Businessanzug mit schmaler Krawatte.

Sorgfältig kleidet sie sich an und ordert sicherheitshalber ein Taxi.
Vor dem Unternehmensportal geht sie noch ein wenig auf und ab. Checkt ihre innere Liste der Erfolg versprechendsten Punkte.

Jetzt fährt sie gesammelt und entschlossen in die 12. Etage. Vorfreude beginnt sich in ihr auszubreiten. Sie hat ein gutes Gefühl.
Die dezente Vorzimmerdame geleitet sie zu der lederbeschlagenen Tür, klopft kurz, lässt sie eintreten.

Herr Junkers erwartet sie stehend und mit zusammengelegten Händen hinter seinem beeindruckenden Schreibtisch:

»Frau Meissner-Herwarth, Sie sehen wirklich blendend aus!
Ich will nicht viele Worte machen. Unsere Entscheidung ist vorgestern gefallen.

Wir konnten Sie in den letzten Tagen nicht erreichen, aber Sie haben sich, so darf ich annehmen, seit Sie sich für die Stelle als Produktionsleiterin in unserem Hause bewarben - und insbesondere auch gestern und heute - sicher umfassend über unser Unternehmen informiert. Und es wird sie deshalb nicht überraschen, auch wenn es noch nicht bis in die Börsennachrichten durchgedrungen ist:

Wir werden sie einstellen.

Die Produktion.«



© Gud_Rune 06/2010
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Oh je - dumm gelaufen ...

Da kommt Spannung auf, man denkt das wird was und dann der große Hammer, echt Gudrune *top*


Herta
Na ja...
Das ist eine der Geschichten, die ich sehr gerne angefangen habe zu lesen.

Und ich habe gerne weitergelesen.

Aber mit dem abrupten Schluss bin ich nicht wirklich einverstanden. Die Entscheidung steht eben freischwebend im Raum.

Fazit: Bis auf die letzten drei Sätze eine sehr schöne Geschichte.
@RavenFox
Vielleicht hilft dir das Ganze zu verstehen, wenn du dich in die Lage der Frau hineinversetzt. Es ist ihr Fehler gewesen, die letzten Tage nicht erreichbar zu sein (Nordseeinsel ohne Handy), sie ist einfach nicht auf dem neuesten Stand, in ihrer Selbstüberschätzung (siehe oben: sie macht keine Fehler) unterläuft ihr ein absolutes NoGo: Sie meint, den Job schon zu haben, wird nachlässig. Und die Ereignisse überholen sie. Tragisch. Aber so ist das Leben.

Der vorletzte Satz: »Wir werden sie einstellen.« wird sich für sie rein akustisch so angehört haben: »Wir werden Sie einstellen.«

Ja, und nach dem letzten Satz: »Die Produktion.« ist wirklich Schluss für sie dort in der Firma, noch ehe es überhaupt angefangen hat.

Da braucht es keine Worte mehr. Oder?
Nein, nein,...
...liebe Rune.

Bitte nicht die eigene Geschichte interpretieren, oder erläutern. Entweder sie wirkt sofort, oder die Geschichte und der Leser passen wohlmöglich nicht zusammen.

Dies schmälert nicht den Wert deiner Geschichte. Es zeigt lediglich, dass ich den Zugang dazu nicht gefunden habe.

!b
@RavenFox
*roseschenk*

Versteh dich schon! Konnt blos meine Klappe wieder nicht halten ...
mmmm...
Das kenne ich irgendwoher. Für meine Frau habe ich deshalb auch schon ein neues Kosewort gefunden:

Vuvuzela. *troet*
meine Güte - - -

tja, frau sollte keine Hähnchen braten die noch nicht gerupft sind *lol*
also, so wie das geschrieben steht, ist das Ende erst einmal missverständlich:
zwar ist das "sie" klein geschrieben, aber "die Produktion" ist ja fast wie eine Unterschrift gesetzt.
Besser wäre es: wir habe uns leider entschlossen, etwas anderes einzustellen - und zwar die Produktion.

Ansonsten eine gute Nachzeichnung des inneren Vorbereitungsvorgangs .-)
Einfach genial mit den Worten "gespielt"!
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Mir gefällt die Geschichte (auch wenn ich Deine Stärken, liebe gute Rune, immer noch mehr im märchenhaften Bereich sehe).

Und die sprachlichen "Spielereien" sind ja bewusst verwirrend präsentiert, denke ich mal - aber für mich nachvollizehbar verwirrend. Zumal sie in wörtlicher Rede vorkommen - und so kann jemand durchaus reden wie dieser Mann.

(Der Antaghar)
**********ichke Paar
41 Beiträge
Nachdem ich jetzt auch hinter die Bedeutung des Endes gestiegen bin, muss ich sagen, dass mir die Geschichte gut gefällt. Zuerst war ich ziemlich verwirrt und ich muss tangocleo zustimmen, "die Produktion" liest sich wie eine Unterschrift. Ich dachte erst, dass sie für die Produktion eingestellt wurde, da sie ja dort auch mal als Lehrling gearbeitet hat. Das wäre ja auch ein ziemlicher Dämpfer gewesen. Aber nach dem zweiten Durchlesen wirds klar und der Effekt wird dadurch vielleicht sogar noch besser.

LG Sinn&Sinnlichkeit
Sorgfalt beim Lesen
Es passiert uns allen mitunter, dass wir uns von unserer Phantasie hinreißen lassen, etwas anderes anzunehmen, als wirklich da steht in den Geschichten. Interessant, nicht wahr?

Wie kann denn die Wortgruppe »Die Produktion« eine Unterschrift sein? Unterschriften werden von Personen geleistet, oder nicht?
Und wie wichtig die richtige Rechtschreibung bei Deutung und Verstehen der jeweiligen Geschichte ist, zeigt der vorletzte Satz, dessen Sinn sich völlig ins Gegenteil wandelt, je nachdem ob das »sie« groß oder klein geschrieben ist.

Und interessanterweise lässt eine weitere Leerzeile (im letzten Abschnitt), das Ganze auch inhaltlich anders wirken, als wäre es hintereinander weg geschrieben worden.

Danke für eure kritischen Anmerkungen.
Liebe Rune...
Sorgfalt kannst du beim Lesen von Kurzgeschichten nicht voraussetzen. Diese lasse ich vielleicht bei Verträgen walten, aber eine Geschichte soll mich berühren und fesseln; vielleicht auch zum Nachdenken anregen. Und eben Abwechslung sein.

Also lese ich schneller, um den Fluss der Geschichte gleich mit erfassen zu können. Das Spielen mit sekundären Textmerkmalen, wie der Absatzgestaltung nimmt man dannnur noch intuitiv wahr.

Auch lese ich äußert ungerne Geschichten zweimal kurz hintereinander. Dann fange ich an zu analysieren und beginne, Fehler zu suchen. Dies wiederum zerstört die Intention, die der Schreiber verpackt hat. Also muss mich die Geschichte bereits beim ersten Mal erreichen.

Deshalb bin ich der Meinung, dass es Sache des Autors ist, eine Geschichte bereits so anzulegen.

Und so bleibe ich auch bei meiner Meinung, dass die Geschichte - mit Ausnahme der Formulierung des Schlusses - sehr gut ist.

!b
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Man kann über den Schluss der Geschichte streiten, ihn auch kritisch sehen und ihn möglicherweise im ersten Eifer falsch lesen.

Aber eigentlich kann "Die Produktion" schon deshalb keine Unterschrift o. dgl. sein, weil es in einer wörtlichen Rede vorkommt: Da sagt ihr doch der Herr Junkers. Und keiner kann in einer wörtlichen Rede unterschreiben ...

Aber @ Gud_Rune hat uns alle natürlich ein wenig mehr als nötig in die Irre geführt, indem sie es von der Form her so geschrieben hat wie eine Unterschrift. Und das ist ihr denn ja auch gelungen. Stünde da z. B.:

... noch nicht bis in die Börsennachrichten durchgedrungen ist: Wir werden sie einstellen - die Produktion.«,

dann wäre es klarer, das Wortspiel bliebe erhalten und wäre immer noch originell.

(Der Antaghar)
@Antaghar
So ist es, lieber Antaghar.

So:
... noch nicht bis in die Börsennachrichten durchgedrungen ist: Wir werden sie einstellen - die Produktion.

wäre es eindeutiger gewesen, da habt ihr, du und die anderen, völlig Recht!

Nuja, nächstes Mal!

Liebe Grüße an alle hier

Gudrune
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