Steppentanz
© NISHAM 2010Warnung!
Das ist eine blutrünstige Geschichte.
Pferdehufe donnern über den trockenen Steppenboden. Die Sonne brennt, ein heißer Wind weht. Das Gras ist schon lange verdorrt. Meine jüngsten Krieger bereiten sich auf den Steppentanz vor. Sie haben es verdient. Es war eine harte und wilde Schlacht, ein schreckliches Gemetzel. Meine tapferen Krieger haben gesiegt, aber zu welchem Preis! Tagelang haben wir die Karawane verfolgt. Den richtigen Ort und Zeitpunkt abgewartet. Und letzte Nacht, als die Karawane hier ihr Lager aufschlug, da war es für mich klar: hier greifen wir an. Im Morgengrauen. Wir haben voll auf Überraschung gesetzt, doch die Karawane war gut gerüstet, gut bewaffnet und kämpferisch. Die Kämpfe von Mann zu Mann waren brutal, so hart, wie ich das schon lange nicht mehr erlebt habe. Es ist furchtbar anzuschauen; die Toten der Karawane liegen überall herum, die Körper zerstückelt, zerschnitten. Blut überall.
Meine sieben Krieger, die ihr Leben heute gelassen haben, haben wir schon beerdigt. Die Verletzten der Karawane haben wir nicht am Leben gelassen, warum denn auch? Einige Tiere haben wir geschlachtet und deren beste Stücke braten auf Spießen am Großen Feuer. Die anderen Tiere haben wir in die Steppe gejagt, da wo sie herkommen. Meine Krieger sind enttäuscht: Keine einzige Frau in der Karawane! Nur die paar Händler, der Karawanenführer und seine Treiber sowie diese bewaffnete Eskorte. Wir haben auch verstanden warum: uns ist ein Schatz in die Hände gefallen: Edelsteine und Gold! Was wir mitnehmen können habe ich verteilt, den Rest haben wir vorhin vergraben.
Nun sind die Gefangenen bald mit ihrer Arbeit fertig. 17 Mann haben überlebt. Zwei Händler, der Karawanenführer, einige seiner Leute und fast ein Dutzend Krieger. Ein jeder hat ein Manntiefes Loch im harten Boden der Steppe ausgehoben. Wer nicht willig war, dem haben einige Schläge mit der Peitsche geholfen. Nun sind wir soweit. Ich rufe meine Männer zusammen. Einzeln stecken wir die Gefangenen in die von ihnen ausgehobenen Löcher. Sie stehen darin, ihre Schultern schauen kaum heraus, als sie eingegraben werden. Nur Hals und Kopf ragen heraus. Einige habe sich gewehrt, geschrieen. Doch meine Männer können damit umgehen und lassen sich nicht provozieren, zu sehr freuen sie sich auf den Steppentanz. In gleichmäßigen Abständen, jeweils etwas seitlich versetzt ragen nun 17 Männerköpfe aus dem Steppenboden. Schweiß perlt über die Gesichter. Niemand schreit mehr; die Lage ist ja eh hoffnungslos. Einige scheinen zu wissen, was sie erwartet, andere nicht. Sie denken, wir lassen sie hier, verdursten, verrecken. Verzweifelt schauen uns weit aufgerissene Augen an.
Meine fünf jüngsten Krieger – sie sind zum allerersten Mal dabei und haben sich tapfer geschlagen, Mut gezeigt und sie sind am Leben geblieben! Sie dürfen jetzt den Steppentanz eröffnen, das ist ihre Initiation zum vollen Kämpfer nach geschlagener und gewonnener Schlacht. An Stöcken haben sie kleine Holzpflöcke befestigt. 17 kleine Ledersäckchen mit Sand gefüllt und zugenäht. Nun legen sie einem jeden im Boden vergrabenen Verlierer so einen kleinen sandgefüllten Ledersack auf den Kopf. Einige schütteln sich, werfen das Säckchen ab, doch ein paar Ohrfeigen lassen sie ruhig werden. Die beiden Händler betteln und schreien mit weit aufgerissenen Augen, nicht wirklich ahnend, was nun auf sie zukommt. Der Karawanenführer und seine Treiben wissen nur allzu gut Bescheid. Sie sind ruhig und hoffen, dass es schnell vorbei ist. Meine Krieger haben ihre Pferden gesattelt und sich der Reihe der Köpfe im Boden entlang hingestellt. Sie lachen, scherzen und ich denke, da wird auch wieder gewettet. Ich habe damit kein Problem, meine Sache ist das nicht. Noch einmal schärfe ich meinen Jüngsten Kriegern ein, was ich und wir alle von ihnen erwarten. Sie alle haben die Geschichten vom Steppentanz tausendfach gehört, doch nun sind sie zum ersten Mal dabei und dürfen den Tanz tanzen!
In schnellem Galopp reiten sie hintereinander her, fünf junge, wagemutige Reiter; ein jeder schwingt seinen Holzstock mit dem Pflock am Ende, Wirbelt das ungewohnte Teil durch die Luft. Gellende Schreie erfüllt die Steppe. Die Sonne brennt, die Pferde wiehern und galoppieren. Zuerst einige Male haarscharf an den aus dem Boden ragende Köpfen vorbei. Ich gebe ein Zeichne, die Reiter kommen zu mir, bleiben stehen, Warten auf mein Signal. Scharrende Hufe. Schnaubende Pferde. Und das Wimmern des einen oder anderen Gefangenen. Ich hebe meinen Arm und lass ihn fallen. De erste Junge Krieger reitet los im vollem Galopp auf den ersten Kopf zu. In hohem Bogen schwingt er seinen bepflockten Stock, schwingt ihn nach unten und trifft genau des Ledersäckchen, das in hohem Bogen davonfliegt. Der darunter steckende Kopf bleibt unberührt; nur die Augen des Mannes drohen aus den Augenhöhlen zu purzeln. Die zuschauenden Krieger johlen vor Vergnügen und beklatschen den Erfolgreichen Schlag. Dann schicke ich den zweiten Reiter los; auch er schafft es, nur das Säckchen zu treffen. Doch mein dritter junger Krieger zögert einen winzigen Augenblick nur, und der Pflock trifft den Kopf. Mitten ins schreckerstarrte Gesicht! Der Kopf zerplatzt, wie eine überreife Wassermelone. Das ist Anfängerpech; es wird gepfiffen und gejohlt. Drei Nächte lang wird er Nachtwache schieben müssen. Doch auch das gehört zum Ritual. Meine jungen Krieger schaffen jeder 3 Durchgänge, ohne einen Kopf zu treffen. Das ist gut so. doch nun wollen auch meine anderen Krieger Spaß haben und so geht der Steppentanz erst richtig los. Hier spielen sie um die Wette, schlagen nicht nur von der Seite zu, sondern versuchen es, den Stock vorne unter dem Hals des Pferdes zu schlagen. Einige meiner Krieger sind da wahre Akrobaten. Ein toller Tanz! Die Schreie der Eingegrabenen verlieren sich im Hufgetrappel und in den Schreien meiner Männer. Die Köpfe besten fast du noch aus weit aufgerissenen Mündern und hervorquellenden Augen! Und ab und zu platzt ein Kopf, weil der ausgeführte Schlag einen Bruchteil zu tief war. Die Belohnung nach einer hart gewonnenen Schlacht. Und die Vergeltung für unsere sieben Mitstreiter, die ihr Leben heute gelassen haben. Nach und nach zerplatzen die Köpfe. Ein grausames Schauspiel, dieser Steppentanz. Doch das Leben in unseren endlosen Steppen ist rau, hart und wir müssen immer wieder zeigen und beweisen, dass wir die Stärksten sind, dass sich alle vor uns fürchten müssen. Dass es besser ist, sich schnell zu ergeben, als den Kampf gegen uns zu suchen. Denn unsere Strafe heißt: der Steppentanz.
Später, nachdem das gebratene Fleisch aufgegessen worden ist, und die Sonne ein wenig von ihrer brennenden Kraft verloren hat, reiten wir davon, den verwüsteten Schauplatz der Schlacht so hinterlassend, als Warnung für alle Anderen. Wir reiten in die untergehende Sonne, den heißen Steppenwind im Rücken.