Klischee
"Hör zu, wir müssen reden". Ich starre dich einfach nur an. Was für ein Klischee. Natürlich weiß ich, dass das nichts Gutes bedeutet. Das tut es nie in all den Filmen in denen dieser Satz fällt.
Wir setzen uns. Für eine Minute starrst du nur in deine dampfende Tasse Tee, bevor du mich anblickst.
"Ich glaube, es ist besser, wenn wir uns trennen. Ich...ich...ich liebe dich nicht mehr, das ist mir nun klar geworden."
Ich kann mir denken, was sie jetzt sieht: einen Typen, der sie nur verständnislos anblickt. Jemanden, der das nicht hat kommen sehen, der überwältigt ist von dem was sie gerade gesagt hat. Doch alles was ich denke ist: 'Das ist wie in einem schlechten Film. Sie reiht hier nur hohle Phrasen aneinander und erwartet dass ich ihr glaube. Oder ist das etwa ein schlechter Scherz? Nun gut, spielen wir mit, machen wir hieraus einen Dialog wie in einem 08/15 Film.'
"Aber warum? Was ist passiert? Wir waren doch immer so glücklich", frage ich mit soviel übertriebenen Emotionen wie ein drittklassiger Schauspieler.
"Es gibt da jemand anderen. Marc. Er...wir kennen uns aus der Arbeit".
Jetzt glaube ich endgültig, dass sie mich entweder verarscht oder ein wandelndes Klischee ist und ich weiß nicht was schlimmer ist. Passieren solche Dinge wirklich?
"Hör zu", sagt sie, "ich mag dich. Aber er gibt mir das Gefühl etwas Besonderes zu sein."
"Aber ich liebe dich doch", sage ich mit irgendwie weniger Enthusiasmus als hätte drin stecken müssen.
"Ich dich aber nicht. Nicht mehr. Hör zu, wir können ja Freunde bleiben. Uns ab und an mal auf einen Kaffeee treffen und reden."
Das tut weh. Diesmal richtig. Offenbar meint sie es ernst, auch wenn die Art wie sie es mir sagt so unglaublich kitschig und niveaulos ist, dass ich mich an dem Gedanken festklammere, dass das alles ein Spiel ist. Sie weiß, dass ich sie so einfach nicht gehen lassen kann und will. Sie kennt mich. Ich bin ein Kämpfer. Ich lasse mich nicht einfach ersetzen. Kampflos vom Feld gehen und dann von der "Nur-Freunde"-Tribüne aus zusehen liegt mir nicht.
"Mach jetzt bitte nichts Dummes und spiel auch nicht den Helden oder den eifersüchtigen Liebhaber", schiebt sie hinterher. Sie hat mich wirklich durchschaut. "Es ist aus und nichts was du tust wird das ändern. Bitte... wenn du mich liebst, dann lass mich gehen."
Ich will schreien, mir die Haare raufen, um mich schlagen. Und plötzlich wird mir klar: Ich will das nicht weil ich sie nicht verlieren will oder weil ich sie zurück erobern möchte. Ich bin so wütend, weil sie nicht wie die Frau die ich die letzten vier Jahre geliebt habe einen Schlussstrich zieht, sondern wie eine Figur aus einer schlechten Sitcom, mit ebenso blöden wie abgedroschenen Phrasen. Die Person mir gegenüber ist auf einmal jemand anderes, ein Ding das ich nicht will, weil es einfach nur aus Oberfläche besteht. Etwas, das nicht den Mut findet eigene Worte zu verwenden sondern sich auf das sichere Niveau eine Telenovela zurückzieht.
"Was sagst du?", will sie wissen, denn mein Gesicht ist eine einzige nichtssagende Maske. Mein Verstand arbeitet auf Hochtouren ohne wirklich zu begreifen was hier passiert. Ich sitze einfach nur da und denke nach, über alles, über Nichts. Möglicherweise ist das ein Schockzustand, wer weiß? Werde ich weinen? Vielleicht, später. Aber was soll man jetzt sagen?
Ich habe grad eine geliebte Person auf zwei Arten verloren. Sie sagt mir, dass sie geht, dass sich zwischen uns alles ändert. Und gleichzeitig hat sie sich mit der Art wie sie es getan hat so weit von mir entfernt, dass ich selbst nicht weiß ob ich sie wiederhaben will. Nicht diesen Menschen. Ich will die alte SIE. Doch mir wird klar, dass sie idas n meinen Augen nie wieder sein wird. Ich blicke aus dem Fenster und beginne leise zu weinen. Denn der Mensch, den ich geliebt habe, ist vor ein paar Minuten gestorben.