(A special answer to Lady A.)
„Begegnungen der anderen Art“ „Leutnant Schreiber, sind sie noch über den Sicherheitsüberprüfungen zum Einsatz XY?“, fragte Thomas in die Sprechanlage.
„Ja, Herr Major, stink langweilige Computerarbeit, bisher keine Besonderheiten!“
„Kommen sie bitte rüber, ich habe noch eine Personenermittlung!“
Betont lässig empfing Major Hussen seinen Mitarbeiter. Innerlich war er zutiefst aufgewühlt. Seit dieser Begegnung im Straßencafé, der Pinguin-Bar, am Mittag, schien alles in ihm aus den Fugen geraten.
Ein außergewöhnliches Erlebnis, um nicht zu sagen der anderen Art, hatte das Gefühlsleben des leicht angegrauten, ruhigen Offiziers völlig zerrissen.
„Schreiber, wir suchen eine Frau Mitte 40, grüne Augen, lange braune Haare, fährt einen schwarzen SLK, Kennzeichen habe ich hier notiert, das volle Programm, aber keinen Deckel und kein Aktenzeichen, Bericht nur an mich!“
„Klar Chef! Termin?“
„Vorgestern! Aber keine Überstunden, für sie, versteht sich! Ach so, wir suchen keine gelangweilte Hausfrau, die irgendwie die Kohle von Papsi um die Ecke kutschiert. Alles deutet auf einen gehobenen Bürojob mit Befehlsgewalt hin … Versicherung, Steuer, Verwaltung oder …?“
In der nächsten Stunde lief Thomas unruhig im Zimmer auf und ab.
„Dieses Biest! Ich finde keine Worte … du wirst dich noch wundern! … diese Schmach!“
Dass Thomas von Hussen, seit zwanzig Jahren meist verheiratet mit der Spionageabwehr im militärischen Nachrichtendienst, die letzten sechs ausschließlich, Rachegelüsten frönte, ist schlichtweg falsch. Mit seiner Geheimdiensterfahrung hätte er genug fiese Knüppel gewusst und Kraft seines Amtes auch tatsächlich zwischen die schlanken, langen Beine dieser Frau pfeffern können.
Aber das war nie seine Absicht.
Er ärgerte und schämte sich in erster Linie über sich selbst.
Da war eine außergewöhnliche Schönheit mit kalter Eleganz, aber provozierender erotischer Ausstrahlung, auf ihn zugelaufen … und?
Er blieb untätig.
Als sie sich im Gegenlicht setzte und er erfasste, dass ihr Kleid slip less rasierte Haut bedeckte, war er heiß gelähmt.
„… mutig aufstehen, an seinem Tisch einen Stuhl zurechtrücken, zu einem Eis einladen … handeln, statt konsterniert gaffen!", analysierte er zweckmäßigeres Verhalten.
Spätestens als sie an seinen Tisch trat, ihren intimgefeuchten Finger an seine trockenen Lippen presste und ihn zum Trinken des bespeichelten Kaffees nötigten wollte, hätte er sie festhalten müssen.
Tiefer Augenkontakt und Worte, wie:
„Kaffee hat der Internist verboten, du bist schon Aufregung genug! … lieber ist mir Champagner, direkt aus deinem Mund!“, hätten bestimmt die Situation gewendet.
So oder so ähnlich dachte Thomas. Jetzt!
• * *
„Ich hab’ sie!“
„D u kriegst sie nie! Dich Milchbart raucht sie in der Pfeife und macht danach auf der heißen Ofenkante noch trock’nen kratzigen Priem aus dir!“
Laut äußerte Major Hussen gegenüber dem hereinstürmenden Leutnant:
„Was denn, Schreiber, das ging ja flott!“
Keine zwei Stunden waren vergangen. Schreiber hatte sein Dienstzimmer nicht verlassen, nur am Computer gezappt:
Halteranfrage Ordnungsamt-unpassend;
Bußgeldstelle-Bingo = Zahlbelege /Kontodaten mit Inhalt;
Melderegister = Personaldaten;
Quereinstieg Finanzamt = Tätigkeit, Arbeitsstelle, Einkommen, Familienstand-ledig;
Dann die öffentlichen Suchmaschinen, nach deren Verquickung zu neuen Erkenntnissen noch mal durch alle Instanzen der internen Speicher =
Email und Passworte, Verbindungen, Kontakte …
„Wollen sie lesen oder zuhören?"
„Hören, was ihnen aufgefallen ist … den Rest lese ich allein, sie können dann Schluss machen!“
„Dreimal Sicherheitsrisiko …
… geboren irgendwo in Russland, Reisen nach dort und Nahost.
Arbeitgeber - Anwälte Schnell & Böse, tiefrote Zahlen, kann mir nicht vorstellen, dass sie in naher Zukunft noch mit dem dicken Daimler rumcruist, es sei denn, schwarze Quellen spülen die Kohle ran?" Schreiber reichte Thomas acht Seiten mit Computerausdrucken.
„Und dann das noch!“ Leutnant Sch. zog unter seinem linken Arm eine dicke Mappe hervor und zögerte noch mit der Übergabe.
„Die Dame ist nicht nur Vorzimmerdrachen in der Kanzlei Schnell & Böse, sie schreibt auch noch. Ich habe nicht viel gelesen, verstehe kaum was von Literatur und Schriftstellerei, aber …" „Was denn - aber -? Schreiber drucksen sie nicht herum, sie werden doch sagen können, was ihnen aufgefallen ist!"
Der Leutnant straffte sich, weiter hoch verlegen, vermied er direkten Blickkontakt.
„Die Gute schreibt erotische Geschichten, manchmal bizarr, so gefesseltlastig, sehr BDSM-mäßig … aber auf jeden Fall anhebend, nicht abfallend! Das wäre vielleicht n’e plausible Erklärung für ihren Luxusschlitten!“
Der Angesprochene wurde auch sichtbar unruhig.
„Okay, geben sie her und hauen sie ab, bis Morgen, schönen Feierabend!“
Als Thomas die Mappe durchstöberte, wurde ihm schlichtweg schlecht.
Nicht der Inhalt der Geschichten, die erotische Beschreibung von Dominanz und Unterwerfung, Schmerz und Lust oder Rollenspiele mit Fesselung, ließen ihn erschaudern. Irgendwie machte ihn der Gedanke wehrlos und nackt vor einer Frau, dieser Frau, zu knien sogar an.
Nein er sah sich, wenn nicht übermorgen, so in naher Zukunft in einer ihrer Geschichten wieder. Ob erkannt oder nicht, er würde damit zum Gespött der Menschheit oder zumindest der Dienststelle. Vor sich selbst war er es schon. Das war das Schlimmste.
„Als Volltrottel könnte ich zum Beispiel weltweit unter
http://kurzgeschichten.joyclub.de/forum/t209563.im_cafe.hmtl#4279817
durchs Internet spuken!“
Sie würde seine „Gelähmte Faszination“ in ihrer brillanten Art als offen- mauliges Senilverhalten mit „Spanneranstrich“ literarisch wirkungsvoll vermarkten. Das musste er verhindern.
„… ich muss sie wiedersehen!“
War sich Thomas sicher. Er blickte ehrfurchtsvoll, fast untertänig, auf das ausgedruckte Bild. Schreiber hatte ihr Profil aus dem „JOY“ vergrößert und glanzpoliert bearbeitet.
Es zeigte seine Begierde in eng geschürter Rückansicht mit einer versteckten Peitsche seitlich vor einem Stahlgestell stehend.
Dass er dort angekettet, beim Streicheln einer Gerte um seine Hoden sexuelle Ekstasen erleben könnte, soweit gingen seine Gedanken noch nicht. Aber diese unbestimmte Sehnsucht danach war geweckt.
Thomas entschloss sich den Chef der Feldjäger anzurufen.
„Graf! … womit kann ich Hoheit dienen?“
Der Major hasste, zumindest im Dienst, fernab von den üblichen Treffen in Adelskreisen, so begrüßt zu werden. Seinem guten Offizierskameraden, der es ohnehin nicht wirklich ernst meinte, sah er es nach. Außerdem hatte er ja eine ganz außergewöhnliche Bitte an ihn.
„Die Doro, meine erfolgreich verflossene, wäre verzückt im Kreis gehüpft!“
Nur seine berufständige Abgeschiedenheit von allzu hochadelsgeiler bunter Presse bewirkte, dass die Klebrigkeiten der Scheidungsschlammschlacht nicht detailliert die Öffentlichkeit erreicht hatten. Es gab da unter anderem so eine recht pikante Liaison mit ihrem Reitlehrer. Der vorsorglich so verfasste Ehevertrag verbat ihr, nach einer Scheidung, den Genuss von huldvoller gräflicher Anrede. Als Trostpflaster durfte sie sich aber weiterhin „von H." nennen. Was wesentlich schöner klang, als Dorothea Schneidersitz.
„… egal! Nur gut für mich, den zurückgelassenen Satz Reitgerten kann ich vielleicht, in memoria Dorothea, besser verwenden!“
„Grüß dich Karl, ich hab da ein recht eigenwilliges Anliegen … ich muss zu einer Hochzeit und suche noch nach witzigem Beigeschenk. Ihr habt doch bestimmt im Fundus noch so ein Paar rostige, längst abgeschriebene, Handschellen …?“
„Sicher doch Thomas, wenn sie nicht rosa verpackt oder plüschig ausgeschlagen sein sollen, finde ich bestimmt was. Ich schicke sie dir morgen rüber, erwarte aber keinen Geschenkkarton. Für das entsprechende Interieur musst du schon selbst sorgen!“
„Worauf du dich verlassen kannst, jetzt bin ich fast komplett!“
Der Major raffte die bunte Blattsammlung vom Schreibtisch und verließ die Dienststelle.
Heute Abend musste er noch ein Begleitschreiben entwerfen.
„Nicht irgend so ein Schriftstück!“
„Eine Geschichte anziehend und geheimnisvoll!“, dachte sich Thomas.
Zusammen mit den vierzig dunkelroten langstieligen Rosen, in Handschellen gebunden um die fünf Reitgerten drapiert, sollte sie sein Anerbieten werden.
Eine Einladung, die Lady A. nicht ausschlagen kann!