Horst-Detlev (Endgültige Lösungen - 2)
© Nisham 2010Horst-Detlev hat die Kinder mit der Großraumlimusine zur Schule gebracht; die Kinder wissen, Papa ist danach wieder einige Tage weg, arbeiten, doch dann sind die Sommerferien und sie werden alle zusammen in Urlaub fahren. Zu Hause parkt er das Auto vor der Garage. Seine Frau, Susanne, hat den Smart schon raus gefahren; sie wird ihren Mann zum Flughafen fahren; sein leichtes Handgepäck liegt schon im kleinen Kofferraum. Drinnen umarmt Horst-Detlev noch mal seine Frau. Sie schauen sich in die Augen, doch sie ist es, die sagt: „Mein Schatz, ich hab ja auch eine solche Lust, doch wir müssen los, sonst schaffst du deinen Flieger nicht, und er ist nicht verspätet, Ich hab noch grad im Internet gescheut.“ Sie küssen sich noch mal innig, dann gehen sie Hand in Hand aus dem Haus, Er schließt ab, und setzt sich auf den Beifahrersitz. Susanne fährt los. Auf der Fahrt sind sie beide still, Horst-Detlev hat nur seine Hand auf ihren Schenkel gelegt, ein Zeichen der Zusammengehörigkeit und der Beruhigung. Ein Kurzer Kuss vor dem Flughafen, ein Griff nach seiner Tasche und Horst-Detlev verschwindet im Terminal. Raschen Schrittes geht er zu seinem Check-in Schalter; alles geht schnell und Problemlos, auch die Sicherheits- und Passkontrolle. Am Gate wird er bevorzugt behandelt – erster Klasse Passagier.
Nach einem langen Flug, wo Horst-Detlev sich entspannt und auch geschlafen hat, tritt er frisch und gut gelaunt aus dem Flughafen, alle Kontrollen und Formalitäten zügig erledigt. In der Ankunftshalle wird er wie geplant von einem Mann erwartet, genau bei einem bestimmten Getränkeautomaten. Er hat den Mann noch nie gesehen, außer auf einem Foto; dennoch begrüßen sie sich, als wären sie alte Freunde. Der Fremde übergibt Horst-Detlev einen Autoschlüssel und begleitet ihn zum Kurzparking bei einem Seiteneingang und deutet auf eine unscheinbare Limousine, die hier nicht auffällt. Mit einem kräftigen Handschlag bedankt und verabschiedet sich Horst-Detlev, steigt ins Auto und fährt los. Aufmerksam betrachtet er die Verkehrsschilder und nach einigem Zögern befindet er sich auf dem Highway in Richtung Norden. Es dauert mehr als drei Stunden, bis er am Rande einer Kleinstadt von dem Highway runterfährt und nach einer halben Meile, das etwas heruntergekommene Motel findet. Er findet bald die Nummer 77, parkt davor, nimmt seine Reisetasche und geht zur Tür des Motelzimmers, legt seine Hand auf die Türklinke; nicht verschlossen. Er tritt ein. Etwas schäbig die Einrichtung, doch sauber. Horst-Detlev schaut auf die Uhr, seufzt kurz auf; er zieht sich aus und stellt sich unter die Dusche, dann legt er sich ins Bett und schläft augenblicklich ein. Als sein Handy klingelt, wacht er sofort auf, „Hallo?“
„Alles wie geplant, der Zeitplan stimmt, “ sagt eine Stimme am anderen Ende. Sofort wird aufgelegt. Horst-Detlef atmet auf, blickt auf seine Uhr, lächelt. Er denkt an seine Kinder und seine Frau. Ein wohltuender Gedanke; und – wenn alles klappt, warum sollte das diesmal nicht? – wird er schon bald wieder im Kreise seiner wohlgelittenen Familie sein. Geduscht und angezogen tritt er in den frühen Morgen. Draußen ist es klar, ein schöner Tag, doch noch ist es recht kühl. Vor seinem Motelzimmer steht die Limousine nicht mehr, sondern ein etwas ungepflegter Van, mit einer Aufschrift für ein Unternehmen, das sich mit Elektrizität beschäftigt. Der Schlüssel liegt auf dem rechten Hinterreifen. Er schließt die Schiebetür auf. Drinnen, eine recht unordentliche Werkstatt, mit allerhand Werkzeug und Material, unter einer Werkbank findet er eine Plastiktüte mit gültigen Ausweisen, diversen Kreditkarten und einem Bündel Geldscheine. Hinter der Werkbank, in eine lange Hülle gesteckt tastet Horst-Detlev kurz sein Arbeitsgerät ab. Alles scheint in Ordnung, also setzt er sich ans Steuer und fährt los.
Nach kurzer Fahrt hält er vor einem Schnellimbiss und geht frühstücken. Touristen, Vorbeifahrende und einige Einheimische sitzen an den Tischen, die schon bessere Zeiten gesehen haben. Er bestellt sich ein Frühstück; alles in Ordnung, doch der Kaffee ist nicht nach seinem Geschmack, viel zu dünn, doch was soll’s. Er schaut einige Male auf seine Uhr, denn von nun an spielt der Zeitfaktor eine wichtige Rolle. Er hat es nicht eilig, bezahlt und fährt dann los, weiter in Richtung Norden, auf einer Landstrasse mit wenig Verkehr. Es ist eine ländliche Gegend, mit viel Landwirtschaft. Er achtet sorgsam auf die Schilder um die Abzweigung nicht zu verpassen; und doch wäre er fast daran vorbeigefahren, denn das Schild mit dem Hinweis steht etwas schief in der Landschaft und ist mit Zahlreichen Schusslöchern durchsiebt. Gerade noch schafft er die Kurve. Die schmale asphaltierte Strasse wandelt sich bald in einen Feldweg. Nach kurzer Fahrt endet dieser Feldweg direkt an ein Start- und Landebahn, an dessen anderem Ende einige Häuser stehen, die jedoch einen recht verfallen Eindrucke machen, wie Horst-Detlev das mit einem Blick durch ein Fernglas bestätigen kann; nur etwas weiter zur Seite, auf einer leichten Anhöhe, seht eine Art überdimensionierter Bungalow.
Ein wenig Abseits der Landebahn steht ein Strommast, an dessen Fuß eine Kasten mit Verteilern steht. Genau daneben parkt Horst-Detlev seinen Van, das Heck genau in Richtung Flugpiste ausgerichtet. Der Boden ist betoniert, sauber. Er vergewissert sich, dass da keine sichtbaren Spuren zurückbleiben werden. Aus dem Van holt er eine Leiter, die er an dessen Seite befestigt, damit er auf das Dach steigen kann. Da befindet sich eine Art Container, dessen Seite und das hinter Teil sich aufklappen lassen. Eine Schaumstoffmatte liegt darin, sonst nichts. Im Van öffnet Horst-Detlev die lange, gepolsterte Hülle und nimmt daraus eine lange schlanke und doch nicht ganz so leichte Waffe heraus. Aus einem Seitenfach holt er ein Magazin und aus einer weiteren Kunststoffschachtel, Patronen. Es und nicht alltägliche Patronen. Sie sind nicht aus Metall, sondern aus einem synthetischen Material; auch das Geschoss. Im Feuer verbrennen diese Geschosse ohne wirklich Spuren zu hinterlassen. Sorgsam füllt er sieben Stück davon in das Magazin, schiebt das Magazin in die Halterung der Waffe und lässt es mit einem Knacks einrasten. Ein Blick auf die Uhr – kein Problem. Da klingelt sein Handy. Eine sms: „on time“.
Horst-Detlev nickt zu sich selber, steigt aus dem Van und schiebt mit einem Handgriff die Waffe in den Container auf dem Dach des Vans. Er wirft einen sorgsamen Blick in die Runde, schaut noch einmal durch das Fernglas, doch auch im oben liegenden Bungalow rührt sich nichts. Er steigt auf das Dach des Vans und legt sich in den Container, die Waffe vor sich. Er klappt an ihr ein kleines Zweibein heraus, dessen Füße er an der Kante des Containers in zwei dafür vorgesehene Öffnungen einrastet. Er legt die Waffe an, schaut durch das Zielfernrohr. Er wird nur wenige Sekunden haben. Er weiß, dass der zu erwartende Flieger genau über den verfallenen Häusern auftauchen wird, um gleich zur Landung anzusetzen.
Alles ist bereit, er liegt bequem und atmet nun tief und gleichmäßig durch. All seine Sinne sind angespannt. Draußen ist es sehr ruhig, kaum ein Geräusch zu hören, in der Ferne ein Vogel, eine Grille, sonst nichts. Ein Blick auf die Uhr. Es kann nur noch Minuten dauern.
Horst-Detlev entspannt noch einmal all seine Muskeln, doch dann legt er die Waffe an, richtet sie genau auf den Punkt, wo das Flugzeug erscheinen muss. Ein Auge durch das Zielfernrohr gereichte, das andere offen um ein größeres Sichtfeld zu haben. Er wartet. Atmet ruhig.
Und dann ist es da! Das Motorengeräusch hört er im selben Augenblick, wo die Maschine über den Häusern auftaucht, etwas höher als er dachte. Ruhig richtet er das Fadenkreuz auf die Frontscheibe der zweimotorigen Propellermaschine. Sein Finger am Abzug wird weiß, er fühlt den Druckpunkt, und genau in dem Augenblicks wo die Maschine nur noch ganz wenige Meter über der Landbahn schwebt, drückt er ab, in schneller Folge gibt er drei Schuss ab. Die Frontscheibe zerplatzt, das Flugzeug scheint an Höhe gewinnen zu wollen, doch dann knallt es mit der Nase voran auf die Landebahn. Ein Knirschen und Kreischen und Bersten, Metall und Kunststoff, Motorengeheul und dann die Explosion. Das auf der Landebahn in seine Richtung schlitternde Flugzeug – nein, das ist es nicht mehr, es ist schon ein Wrack – geht in Flammen auf und auf halber Entfernung zu ihm kommt das Inferno zu stehen. Da hat keiner überlebt. In Ruhe entfernt Horst-Detlev das Magazin aus der Waffe, löst den Behälter, der die ausgeworfenen Hülsen auffängt, klappt das Zweibein ein, legt die Waffe neben sich,. Er steigt die kurze Leiter herunter. Schaut zum Haus auf der Anhöhe; kein zeichnen von Menschen, also war niemand zu Hause, wie ihm gesagt worden war. Er holt die Waffe aus dem Container und lässt sie in der Transporthülle verschwinden, verstaut alles hinterher Werkbank. Klappt den Containerdeckel zu, räumt die Leiter weg, steigt ein und fährt davon, als eine dunkle Rauchsäule in den Himmel steigt, das Wrack immer noch brennt. Zügig, doch ohne Hast fährt er den Weg zurück, den er gekommen ist; als er auf die Landstasse biegt herrscht kein Verkehr. Er fährt nun in Richtung Süden. Als er rechts zum Fenster herausschaut, sieht er in einiger Entfernung die dunkle Rauchwolke. Er fährt weiter, hält sich ans Geschwindigkeitslimit.
Nach einer Stunde Fahrt auf der Landstrasse hält er an einer Tankstelle an. Ein Mann steht an einen japanischen Sportwagen gelehnt; wenige Meter davor bleibt Horst-Detlev stehen, ergreift seine Tasche und steigt aus, den Motor nicht einmal abstellend. Der Mann nickt ihm zu, geht zum Van, steigt ein und fährt los, noch bevor Horst-Detlev in den Sportwagen eingestiegen ist. Am frühen Nachmittag erreicht er den internationalen Flughafen. Wie ausgemacht stellt er den Wagen auf einem bestimmten Kurzzeitparkplatz ab, legt den Schlüssel auf den hinteren linken Reifen und geht ins Terminal.
Einchecken, Sicherheitskontrolle, Passkontrolle. Alles Reibungslos. Er hat vor dem Abflug genügend Zeit ein ordentliches Essen in einem schicken Restaurant einzunehmen, mitsamt zwei Gläsern ausgesuchten Weines. In der ersten Klasse dieser Fluggesellschaft lassen sich die einzelnen Sitze zu richtigen Betten umfunktionieren, und mit einem Vorhang abtrennen. Tief schläft Horst-Dieter durch fast den ganzen Flug.
Nach der Landung geht alles schnell; es ist recht früh am Morgen, doch Susanne erwartet ihn mit den Kindern, die ihn stürmisch begrüßen, als hätten sie ihren Papa wochenlang nicht gesehen. Ja, alles ist bereit für den Urlaub! Sie können gleich los, ohne noch nach Hause zu gehen. Das nennt sich Timing.
Und Horst-Detlev weiß, Susanne hat heute früh den Umschlag mit dem Bargeld gefunden, einen Teil davon in den Safe im Haus gepackt, den Rest als Urlaubsgeld mitgenommen. Susanne weiß, dass ihr Mann für die Firma „Endgültige Lösungen“ arbeitet und da auch Partner ist, doch weiß sie genau, was er tut? Was sein wirklicher Beruf ist? Susanne liebt das Leben und diese Annehmlichkeiten, die nur für Geld zu haben sind… Und sie liebt ihren Mann und ihre Kinder.