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Die Pun-Heilerin

nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Treväsh – Der Bruch
Valmidea fühlte, wie sie sich aufzulösen begann und ihr Wesen in Induro strömte. In diesem Moment störte es sie nicht. Sie wollte es sogar. Die wilden roten Blumen schrien ihr Verlangen immer lauter hinaus und berührten selbst die Krüppelbüsche, die sich im Takt der wilden Vereinigung zu wiegen schienen. Ihr Seufzen vermischte sich mit dem Stöhnen der Liebenden und Jarhag wusste noch immer nicht, wie er dem Einhalt gebieten konnte. „Manlokka“, sagte sein Geist, aber nichts geschah. Er versuchte es erneut, immer wieder, aber die Gedanken erreichten weder seine Stimmbänder noch den Mund. Da sah er, wie sich Valmidea wild aufbäumte, so als wollte sie sich gegen die Gier stemmen und er ließ seine Gedanken abermals laut rufen: „Manlokka! Manlokka! Erwacht doch endlich oder wir gehen hier zugrunde!“ Kurz, nur einen Lidschlag lang lösten sie sich von einander, aber es genügte Jarhag um eine weitere Warnung zu rufen: „Manlokka!“ Da richtete sich Valmidea zitternd auf. Sie rollte von Induro herunter, dessen Manifestation sich als Nebel aufzulösen begann und zurück in den Körper des sterblichen Mannes kehrte. Tief war der Atemzug den Jarhags Lungen taten und langsam kehrte wieder Leben in seine erstarrten Muskeln.
Valmidea kauerte unterdessen weinend unter dem Strauch und schalt sich selbst eine Närrin, weil sie nicht besser achtgegeben hatte.
Die Nacht hüllte sie ein und es war kalt geworden. Schnell zog sie sich an, schlang die Arme um die Knie und lehnte sich an die knorrigen Zweige. Avashna Valmidea merkte einen Wandel an sich selbst. Ein Teil von ihr sehnte sich unerwartet nach Induro, seiner Wildheit und der uralten Vertrautheit zwischen ihnen. Jarhag bemerkte das und es bekümmerte ihn. Wie ein kleiner Stachel, kaum merklich und doch vorhanden, bohrte sich die Eifersucht in ihn. Das Gefühl der allumfassenden Liebe wich. Aber er erkannte auch, wie stark er selbst war. Er würde Induro besiegen können und seinen Körper zurückgewinnen. Nur das durfte jetzt zählen. Erst danach konnte er sich um seine Gefühle für Valmidea kümmern. ‚Val, er hat sogar einen Kosenamen für sie. Wie lange kennen sie sich wirklich?’ Induro vernahm diese Gedanken und lächelte darüber, dann dachte er scharf: ‚Was, es gibt dich noch immer? Du bist ganz schön stur. Ja, Val und ich, wir kennen uns eine Ewigkeit. Halte dich zurück oder es wird ihr schlecht ergehen.’
Eng umschlungen kauerten sie unter dem seufzenden Busch und warteten, dass die Nacht verging. Jarhag hatte sich zurückgezogen. Für eine direkte Konfrontation mit Induro fühlte er sich noch nicht bereit. Aber die Stunde nahte.

Währenddessen trübte Staub die Sonne in Gründland und Hass die Herzen der Menschen. Kriege wurden heftiger geführt, Streitsucht saß in den Köpfen der Umidar. Sogar kleine Kinder wurden davon erfasst. Das Flammenschwert ließ ihnen gerade Zeit, sich von den Wunden zu erholen bevor es einen erneuten Streich führte und Chaos rollte heran.

Nur eine kleine Ahnung dieser Unordnung in der Welt drang bis zu Jarhag. Doch auch darum konnte er sich jetzt nicht kümmern. Das Schwert lag nicht mehr in seiner Macht. Er musste warten und hoffen, dass sie die neue Waffe führen würde.

Die Sonne hatte das Land noch nicht erhellt, da wanderten sie bereits weiter. Induro drängte, er fühlte sich bereit, die Macht der Steine herauszufordern. Doch der Weg war noch weit.

Nach Manlokka fühlte sich Jarhag kurze Zeit in einer Hochstimmung, doch nun wich es einer schier bodenlosen Einsamkeit. Er betrachtete wie Valmidea und Induro Hand in Hand einher schritten und über ihre gemeinsame Vergangenheit sprachen. ‚Lass mich raus’, drängte er, doch Induro ignorierte ihn geflissentlich. ‚Du willst mir alles nehmen – meinen Willen, meinen Körper und nun auch noch die Liebe Valmideas.’
„Mein Guter, das alles habe ich doch längst“, antwortete der Gott herablassend. „Dein Wille und dein Körper sind in meiner Hand. Du kannst nichts tun, wenn ich es dir nicht erlaube. Und was Valmidea angeht …“ Vielsagend brach er ab und ließ das Schweigen für sich reden. Jarhag zog sich zurück, doch Induro hatte etwas Neues entdeckt. Er ließ den Geist des Mannes durch die Augen in die Welt schauen und er freute sich daran, wie Jarhag litt.

„Willst du meine Partnerin werden, Val? Du weißt schon, so wie früher: wir teilen die Arbeit und dann unsere Körper.“
Darüber dachte sie eine Weile nach. Das Angebot war verlockend und sie kannte Induro. Er war der Mächtige, der Vater der meisten niederen Götter und sie beide hatten eine lange, starke Verbindung geführt. Ohne etwas zu sagen, griff sie nach seiner Hand und drückte sie leicht. „Ich werde dir später antworten. Erst lass uns unsere Aufgabe bewältigen.“
Induro lächelte abermals und es wurde breiter als er die Bedeutung ihrer Worte bedachte.
Schweigend schritten sie nun zwischen den welkenden roten Blumen und den seufzenden Krüppelbüschen einher. Das Steppengras unter ihren Füßen knackte wie brechendes Glas, doch keiner achtete darauf.
„Wie hast du die Blumen zum Welken gebracht?“, fragte Valmidea schließlich, wobei sie ihn erstaunt anblickte. Einem ersten Impuls folgend hätte er ihr beinahe die Wahrheit gesagt, doch er konnte sich gerade noch bremsen und tischte ihr eine Lüge auf, die sie bereitwillig glaubte. Und tief in seinem Versteck sagte Jarhag traurig und beständig: „Manlokka – erwache, kalte Seele.“ Der Weg nach Uballa war frei.

Je länger sich Valmidea und Induro unterhielten, desto fremder fühlte sich Jarhag. Er war lediglich ein geistiges Gepäckstück, nutzloser Ballast. Das war es, was ihm Induro immer wieder zuflüsterte.
„Was hat dich an diesem elenden Schmied so fasziniert oder überhaupt daran, als Sterbliche zu leben?“ Induro klang ehrlich interessiert, so war es auch. Er wollte mehr über Jarhag erfahren.
Auch jetzt dachte Valmidea eine Weile über die Frage nach. „Ich weiß es nicht genau“, begann sie endlich langsam zu sprechen. „Zuerst war es eine Strafe, du weißt schon, dafür, dass ich dich verließ. Dann lernte ich Jarhag kennen und die Strafe wandelte sich in eine freudige Übung. Du weißt, was Mutter danach versuchte, doch Jarhag hat sie vertrieben.“
„Und deshalb bist du bei ihm – es ist ein Schuldgefühl. Er hat dich gerettet und nun meinst du, das hätte dich zu irgendetwas verpflichtet. Sei nicht dumm, Val. Du bist frei! Sieh es doch so, du bist eine Göttin, wenn auch nur eine kleine und eher unbedeutende in der Hierarchie, aber dennoch … keine dieser Sterblichen, die sich so leicht manipulieren lassen.“ Auch darüber dachte sie lange Zeit nach. Immer wieder blickte sie Induro an und Jarhag glaubte zu erkennen, wie sich Valmidea von ihm entfernte.

Ganz für sich in seiner einsamen Nische dachte er bitter: ‚Ich werde sie nicht halten. Sobald ich meinen Körper wiederhabe, gehe ich weg. Alleine, wenn es sein muss. Wie konnte ich auch so vermessen sein und denken, sie würde mich lieben?’
‚Ja, wie konntest du nur?’, höhnte Induro.

Mehrere Tage schritten sie durch die Stöhnende Ebene, das Wasser war zur Neige gegangen, da fanden sie endlich eine Oase. Jarhag hatte sie entdeckt und Induro darauf hingewiesen, denn das Schwert zeigte nur den Zielpunkt der Reise an. Es brauchte weder Wasser noch Nahrung. So pulsierte es jetzt unruhig in der Scheide und versuchte sich zu befreien. „Ruhig Schwert, wenn wir unsere Körper verlieren, dann hast du niemanden, der dich schwingt“, sagte Induro und das Schwert verharrte still an seiner Seite.

Müde schleppten sie sich unter die hohen Federbäume, deren weite blau schimmernde Federblätter ein Dach bildeten. „O wie schön“, flüsterte Valmidea ehrfürchtig, nachdem sie ihren Durst an einer Quelle gelöscht hatte und an die samtige Rinde eines Federbaumes gelehnt saß. Es war tatsächlich ein erhebender Anblick und nur wenigen Sterblichen war es bislang vergönnt, den zweiten Himmel zu betrachten. Treväsh wurde die Oase genannt, der Ort des Brechens. Hier wurden Versprechen gebrochen, Bündnisse nicht mehr eingehalten, Freundschaften verwandelten sich und Herzen brachen. Aber der zweite Himmel entschädigte mit seiner Schönheit dafür. Valmidea betrachtete die Federn, die leicht im Wind zu flattern schienen und eine leise, sanfte Melodie sangen. Ihre Bewegungen schienen wie Wolken zu sein, die über einen azurblauen Himmel zogen. Die Wiese unter ihr war von einem satten Grün, wie frisch gemalt und dennoch ehrlich und von fester Substanz.
Treväsh war nicht böse aus sich heraus. Jeder, der hierherkam, brachte den Bruch bereits mit sich, war erledigt durch den langen Marsch in der Hitze und dem ewigen Seufzen der Krüppelbüsche. Wessen Herz hier stark blieb, der war es wert, ungebrochen und als Einheit weiterzugehen.
Jarhag haderte mit sich und seiner Liebe für Valmidea. Er fragte sich, ob ihr Gefühl für ihn ebenso stark war. Schon sah er sie im Geiste mit Induro fortziehen und ihn als lebende Leiche zurücklassen. ‚Nein schrie alles in ihm, das ist eine Lüge! Hör nicht hin! Die Bäume wollen dir das weismachen.’ Doch er hörte nicht auf sich selbst, sondern gab sich dem Zweifel und dem Selbstmitleid hin.

Valmidea ihrerseits dachte nichts mehr. Sie fühlte sich leer und frei, ungebunden an die sterbliche Hülle. Induro neben ihr erkannte die Veränderung und trieb den Keil weiter. Der Mondstein in ihrer Tasche weinte. Doch auch das merkte sie nicht.

Sie verbrachten den restlichen Tag und auch die ganze Nacht in der Oase, versorgten sich mit Trinkwasser und Nahrung. Die Früchte der Federbäume waren schmackhaft und es gab reichlich davon.
Am nächsten Morgen füllten sie ihre Vorratsbeutel und die Wasserflaschen, dann zogen sie weiter. Das Schwert hatte ungeduldig gewartet und nun trieb es sie vorwärts.
Herta,
Du wirst auch mir langsam unheimlich. Diese Tiefe und Sprachgewalt, die Menge, an Ideen und Weisheit, die da aus Dir nur so heraussprudelt.
Ich fasse es nicht!
Angetan und auch ein bisschen neidisch genieße ich jedes Wort von Dir!

gradseltenoase *spitze* laf
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Da haben wir wohl, was solche Geschichten anbelangt, eine große Entdeckung unter uns. Wirklich beeindruckend, liebe Herta!

(Der Antaghar)
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
O, ich danke euch ... *rotwerd* *danke*


Derzeit habe ich nichts anderes zu tun, weil ich ans Haus gefesselt bin - also Zeit für viele Fortsetzungen *fiesgrins*

Das mit der Sprache ist schon schwierig, denn wie mich Antaghar weiter vorne hingewiesen hat, muss ich auf moderne Worte verzichten und nicht immer fällt mir das passende ein. Ich hoffe doch, ihr weist mich wieder daraufhin, wenn mir so ein Fehler unterläuft. *g*


*blumenschenk* Herta
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Der Mondstein
Immer weiter hasteten sie und stetig, wenn auch kaum merkbar, näherten sie sich der Grenze zu Uballa. Die Krüppelbüsche wurden weniger, dafür nahm die Zahl an Findlingsbäumen zu, die sich breit aus der braunen Landschaft erhoben und olivgrüne bis graue Farbflecken in den Himmel zauberten.
„Bald schon werden wir unser Ziel erreicht haben. Nur noch wenige Tagesmärsche und das Zentrum von Uballa liegt uns zu Füßen“, sagte Induro eines abends. Sie ließen sich am Stamm eines Findlingsbaums nieder und schlugen ihr Nachtlager auf. Valmidea nickte stumm. Sie wusste, was das zu bedeuten hatte – eine Entscheidung. Die Kreuzung der Sterblichen und der Götter, dort musste sie ihren Weg finden, ohne jede Hilfe. Sie fühlte sich einsam. Dann betrachtete sie Induro. Immer weniger kam der alte Jarhag durch und sie erkannte seine Augen nicht mehr, die sie traurig musterten. Er seufzte tief auf. ‚Diese Last wird dir keiner abnehmen können, meine geliebte Valmidea’, murmelte er und zog sich zurück. Trotz seiner Traurigkeit merkte er, wie sich sein Wille zu siegen, stählte. „Manlokka – es ist noch in dir“, flüsterte ihm jemand zu, lachte und verschwand wieder. ‚Danke Meliosh Lichtfänger, aber ob das genügt?’ Treväsh wirkte nach und der Riss wurde tiefer, je weiter sie gingen.

Ihr inneres Selbst bäumte sich auf, wollte sich gegen die Macht stemmen, die sie hinwegzuspülen drohte. Eilig kramte sie in der Tasche nach dem Mondstein und konnte ihn nicht finden. Panisch suchte sie danach, kontrollierte jede ihrer zahlreichen Taschen. Schließlich fand sie ihn, halb aus einem Loch in der Hosentasche gerutscht. Fest barg sie ihn in der Faust, dann suchte sie einen sicheren Platz dafür. Induro war ihr hastiges Tasten nicht unbemerkt geblieben. Erstaunt beobachtete er sie. Als er ihr erleichtertes Aufatmen hörte, fragte er: „Was hast du, Val? Hattest du etwas verloren?“ Die Fragen klangen eisig, doch stellte er sie mit einem Lächeln im Gesicht. Valmidea glaubte kurz, Falschheit in seinen Augen zu entdecken. Doch dann war es wieder weg und sie meinte, sich getäuscht zu haben. „Nichts“, entgegnete sie trotzdem hastig. Plötzlich hatte sie den Eindruck, niemandem mehr trauen zu können. Vorsichtig ließ sie den Blick über die Landschaft gleiten, den Stein noch immer fest umklammert. ‚Irgendetwas stimmt hier nicht. Jarhag, bist du noch da?’ Entsetzt stellte sie fest, schon seit einigen Tagen nicht mehr an ihn gedacht zu haben. Wenn sie in sein Gesicht sah, sah sie nicht den Schmied sondern Induro lächeln. Es war auch Induro, der sie an der Hand hielt und Induro, mit dem sie nachts das Lager teilte. Ihr sterbliches Herz begann zu rasen, als sie sich der Bedeutung bewusst wurde. Es durfte nicht geschehen, dass sie Jarhag vergaß, denn sonst würde sie ihn für alle Zeiten verlieren. Dennoch nahm sie die Hand, die ihr Induro entgegenstreckte und ließ sich von ihm weiterführen. Den Mondstein verbarg sie in einer anderen Tasche und oftmals tastete sie danach. Schmerzlich war die Erinnerung an Melioshs Worte und schmerzlich die Erinnerung an ihre Liebe zu Jarhag, die sie gebrochen zu ihren Füßen liegen wähnte. Dann blickte sie in Induros Angesicht und wusste nicht mehr, was sie tatsächlich empfand. Die Macht des Gottes schwoll unheilvoll an. Sie fühlte sie ebenso in sich gedeihen. Nicht wissend, wie sie sich entscheiden sollte, ging sie weiter und die Last empfand sie als immer schwerer.
Unterdessen schritt Induro munter aus. Das Schwert lag jetzt vollständig unter seiner Kontrolle. Es war ein Vernichtungswerkzeug, das ihm den Weg zur absoluten Macht ebnen würde. Nur dieses blütengetränkte Eisen war in der Lage die Kraft der Namenlosen zu beugen. ‚Bald ist es soweit Schmied und du gehörst ganz mir, wie der Rest dieser Welt.’ Die Gedanken des Gottes kreisten einzig um seine Herrschaft und den Sieg über die Namenlose. ‚Ich hoffe, du siehst das Unausweichliche ein und gibst freiwillig auf.’
‚Hoffe weiter, Induro. Solange noch Feuer in der Esse glüht, werde ich weitermachen’, antwortete Jarhag von seinem Versteck aus. Seit sie Treväsh verlassen hatte, wagte er sich nicht mehr hervor. Dennoch wusste er, dass seine Zeit bald gekommen sein würde. Dafür brauchte er alle Kraft, so zog er sich wieder zurück und versuchte die Provokationen des Gottes zu überhören. Er wagte es nicht einmal mehr, einen Blick durch die Augen auf Valmidea zu werfen, so sehr zog er sich zurück.

„Was ist das für ein sonderbarer Stein, den du mit dir führst?“ Erschrocken wandte sich Valmidea zur Seite. „Wie bitte?“, fragte sie stotternd.
„Der Stein in deiner linken Hosentasche. Was hat es damit für eine Bewandtnis? Du hütest ihn wie einen Schatz.“ Sein Blick wurde hart und er hielt sie fest, zwang sie, ihm in die Augen zu schauen. Nervös schlug sie die Lider nieder. Sie konnte diesen forschenden Ausdruck nicht ertragen. Das Feuer in den Pupillen loderte in wilder Gier, nur war es diesmal nicht das körperliche Verlangen, das ihn voranpeitschte. Ihn gelüstete nach der greifbaren Macht und er wusste jetzt, Valmidea verbarg etwas vor ihm. Grob packte er sie an den Oberarmen und zog sie dicht an sich. „Du sagst mir jetzt, was das für ein Gegenstand ist, oder ich sauge deine kümmerliche Energie gleich jetzt aus.“ Panisch versuchte sie sich aus seinem Griff zu winden, dem harten Blick auszuweichen, der sich in ihre Gedanken bohrte und dort nach einer Antwort suchte, die sie ihm nicht geben wollte. Sie stöhnte unter dem eisernen Griff, wand sich und bettelte um ihr Leben. Dann als er immer fester zupackte und sein Griff sie nun am Atmen hinderte, gab sie ihm den Stein. Ein befriedigtes Lächeln zog seine Mundwinkel in die Breite. „Warum denn nicht gleich so, Val. Du weißt, dass du mir nicht entgehen kannst.“ Erschöpft und weinend sank sie zu Boden. Dort blieb sie verzweifelt sitzen, während er triumphierend den Stein betrachtete. ‚Nein!’, schrie auch Jarhag, ‚Valmidea!’ Er versuchte etwas zu tun, sich im Körper zurechtzufinden, etwas zu erkennen und fand sich einer erdrückenden Macht gegenüber. Sein Wille war zum Erlahmen gekommen, nachdem sie den Stein aus der Hand gegeben hatte. Nun sah er keinen Sinn mehr zur Gegenwehr und ergab sich dem Willen des Gottes.

Das Gras änderte sich, es wurde üppiger und vereinzelt wuchsen schlanke Klangbirken in die Höhe, die sanft im Wind schwangen. Aus ihren Hölzern ließen sich wunderbare Flöten fertigen und auch andere Musikinstrumente, deshalb ihr Name. Jarhag dachte daran, dass einer seiner Onkel ein Instrumentenbauer gewesen war und einmal über seine sonderbare Wanderung zu den Klangbirken berichtet hatte. Damals war es ihm unglaubwürdig, ja sagenhaft erschienen, nun sah er sie selbst und staunte. Er erinnerte sich nur noch vage an die Erzählung des Onkels, aber er wusste noch, dass sich hinter den Birken das Tiefe Tal erstreckte – Uballa.
Induro zwang ihn durch die Augen zu schauen, dabei verhöhnte er ihn und zeigte seine eigene Stärke. Das Schwert wurde immer ungeduldiger, es zerrte an der Hand, die es hielt. Es spürte das Ziel der Reise nahen.
„Induro, gewähre mir noch eine Rast“, bat sie müde. „Du hast alles, was du wolltest. Es ist niemand hier, der dir das streitig machen könnte.“ Resigniert ließ Valmidea den Kopf hängen und wartete. Induro überlegte eine Weile, dann entschied er, ein Nachtlager könne nicht schaden.
Unter einigen Klangbirken breiteten sie die Decken aus und aßen die letzten Vorräte aus der Oase. „Morgen werden wir nichts mehr davon brauchen. Also, iss dich ruhig satt“, meinte er gönnerhaft und lächelte vielsagend.
„Du meinst, es ist meine Henkersmahlzeit.“
„Das auch, Val. Aber du wirst nicht sterben. Du wirst danach mir gehören, wie alles andere hier auch.“ Er machte eine weitausholende Geste. Über ihnen rauschte das helle Laub der Birken. Ansonsten war es nun still. Kein Insekt ließ sich hören. Nicht einmal das Leuchten der Sterne konnte die aufkommende Dunkelheit durchbrechen. „Ah! Das ist die Zukunft – unsere Zukunft, Val. Avashna und Induro – Dämmerung und Dunkelheit, Feuer und Schwert.“ Er lehnte sich zurück, genoss die Stille als Vorbote des Sturms. Valmidea sagte nichts dazu, sie wusste, er hatte recht. Nichts würde ihn nun noch aufhalten können. Jarhag war besiegt und sie hatte nicht die Kraft, dem alten Gott zu widerstehen.

‚Hör auf dir selbst Leid zu tun und hör mir zu!’, brüllte jemand in seinen Gedanken. Es war Meliosh. ‚Ich habe die Mondkönigin, Uzinara, befragte. Du wirst die Kraft haben, wenn es soweit ist.’ Dann war er weg. Jarhag deutete es als Zeichen, dass er nicht allein stand. Es würde sich ihm ein Weg offenbaren. Aber er wünschte sich so sehr mit Valmidea sprechen zu können, ihre zarte Haut zu fühlen, seine Lippen auf ihre zu legen und ihren Atem zu trinken. Er wollte in ihren Blick eintauchen und darin versinken. Aber alle diese Wünsche musste er hintanstellen. So verstärkte er seine Anstrengung und versuchte sie zu erreichen, auch wenn er fürchtete, sie würde sich nichts mehr aus ihm machen. ‚So lange ich lebe, werde ich sie lieben – über den Tod hinaus, das habe ich mir geschworen’, sagte er sich. Dann verstärkte er seine Kraft und schob den Geist langsam hinaus. Es war ein eigenartiges Gefühl, ohne Körper zu sein und er musste sehr kämpfen, um seinen Standpunkt zu halten. Dann dachte er an Valmidea und war vor ihr. Er langte mit einem Gedankenarm zu ihr und schaffte es tatsächlich, sie zu berühren. Ob er es schaffte, seine Mitteilung zu überbringen, wusste er nicht. ‚Ich liebe dich’, dachte er, dann musste er sich zurückziehen. Es war kalt in diesen Ebenen der Körperlosigkeit, das hatte er nicht gewusst. Schnell stieg er durch die Augen wieder in sich hinein und versteckte sich.
Valmidea fühlte eine Berührung und einen kleinen Gedanken, wie einen Kuss. ‚Jarhag’, dachte sie. ‚Du lebst noch.’ Dann konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten. ‚Ich werde dich nicht verlassen.’ Induro neben ihr lachte leise, als er sie weinen sah.
Die Nacht schlich dahin und wich einem klaren, kalten Morgen. Die Sonne erhob sich in einem Meer aus Gold und Rot über dem Kegel des Maalista-Vulkans, der über der Wüste Släf aufragte und drohend Rauch ausspie. Selbst das Land war im Krieg mit sich selbst.
Induro streckte sich. Danach packte er seine Sachen zusammen und herrschte Valmidea an, sich zu beeilen. Das Schwert war beim ersten Sonnenstrahl aus der Scheide gefahren und deutete ungeduldig auf die Abbruchkante zum Tiefen Tal. Ein Abstieg noch und sie waren in Uballa, wo sie die Eiligen Steine erwarteten.
Valmidea beeilte sich. Das Gefühl der Dringlichkeit hatte nun auch sie befallen. ‚Wo immer du bist, Jarhag, ich werde nicht von deiner Seite weichen.’
Flotten Schritts lief Induro voran, das Schwert hatte er wieder in die rote Scheide verbannt und begann bald mit dem Abstieg. Es war ein gefährlicher Weg aus losem Geröll. Weit unter sich konnten sie die Steinkreise sehen, die Majestät dieses Ortes strahlte sogar bis in diese Höhe.

Die Dämmerung war schon weit fortgeschritten, als sie endlich die Talsohle erreichten. Einige Male hatten sie Halt machen müssen, weil der Weg verschüttet war oder sie nicht sicher waren, welche Abzweigung sie nehmen sollten, denn manche dieser Pfade führten in die Irre und leiteten den unachtsamen Wanderer in Geröllwüsten oder finstere Höhlen, aus denen es kein Entrinnen gab. Das war der Schutz der Steinkreise. Einen anderen hatten sie nicht. War einmal ein Wanderer bis zum Tal vorgedrungen, waren sie so gut wie schutzlos.

„Endlich“, seufzte Induro.
„Lass uns bis zum Morgen warten“, schlug Valmidea vor. „Der Abstieg war anstrengend. Auch wenn die Zeit drängt, unsere Körper brauchen Ruhe, sonst wirst du dein Vorhaben nicht bewerkstelligen können.“
Nach längerem Überlegen und ärgerlichem Brummen gab er schließlich nach. Sie richteten ihr Lager in der Nähe einer kleinen Quelle. Dort versorgten sie sich ein letztes Mal mit Wasser, wie sie dachten.
Während Induro träumte, wuchs die Kriegslust der Menschen. Er säte Grausamkeiten und Hass, schürte Angst und trieb die Leute voran, immer mehr zu wollen. Gelächter begleitete seine Träume, denn die Namenlose war nicht untätig geblieben. Ihre Blumen der verderblichen Lust machten jene nieder, die unvorsichtig genug waren, in das Land der Tautänzer zu fliehen.

Valmidea tastete des Nachts mit ihren Gedanken hinaus und suchte Jarhag, doch der hatte sich weit zurückgezogen und sammelte seine Kräfte. Sie fühlte lediglich eine warme Umarmung. Dann griff sie in ihre Tasche und fasste fest nach dem warmen Mondstein. Eine tröstliche Ruhe breitete sich in ihr aus und sie pries sich selbst für ihre Voraussicht, einige Kieselsteine in der Tasche zu tragen.
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****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Die Eiligen Steine von Uballa
Früh am nächsten Morgen bebte das Schwert in seiner Scheide. Es wollte gezogen werden. Sein Durst verlangte danach, gestillt zu werden. Unheilvoll ragte der Knauf aus dem Rot der Scheide. Induro griff danach. Mit einem Zischen fuhr es heraus und drohend hielt er es der Morgensonne entgegen. „Heute ist mein Tag!“, rief er. Das Schwert summte zustimmend.
Er wartete nicht auf Valmidea sondern schritt sogleich zum ersten Steinkreis. Hier tanzten die kleinen Steine des täglichen Wandels und woben ihr Muster in den Morgen. Mächtig schwang das Schwert und mit einem Jauchzen durchtrennte es die wandelnden Steine.
Der Tag hielt an. Die Sonne verharrte auf ihrer Bahn und stieg nicht über die Dämmerung hinaus. Avashna erwachte. Als die Steine in stummer Pein am Boden lagen, machte er sich auf zum nächsten Kreis, sie stellten die Gezeiten dar. Auch diese Steine hieb das Schwert mühelos entzwei. In ihrem Steinblut lagen sie am Boden, Kies unter Kies und nicht mehr voneinander zu unterscheiden. Ein Seufzen fuhr durch die Tanzenden, als er sie lachend zerstörte und die Meere stillstanden.
„Manlokka – erwache Geist“, sagte sich Jarhag. Er wiederholte diesen Satz in einem lauten Singsang und langsam wuchs die Kraft in ihm. Der Schmied dehnte sich aus und begann seinen Körper zu füllen. Zuerst blickte er aus den Augen und ließ sich nicht mehr vertreiben, dann fuhr er in die Arme und gab ihnen von seiner Kraft. Die Kraft des Hufschmieds war enorm, denn niemals hob ein Pun freiwillig einen Fuß. Dann ließ er sich in seinem Herzen nieder und gab ihm den alten Rhythmus zurück. Es schlug nun im Takt des Lebens. Dann fasste er nach den Beinen und zwang sie, stillzustehen. Als er stand, drang er in die Eingeweide vor, verharrte dort und zügelte den Zorn. Erst dann streckte er sich und es begann der eigentliche Kampf – der um sein Leben. Die Waffe, die er geschmiedet hatte, war er selbst und sie setzte er nun ein, denn niemand anders war da, der sie führen konnte. Er trat mit seinem ganzen Wissen über das Leben, die Geburt und den Tod Induro gegenüber. Der erschrak vorerst über die Willensstärke des Mannes, dann zog er sich zurück, denn er fühlte eine größere Gefahr nahen.

Währenddessen beeilten sich die restlichen zehn Steinkreise, neue Muster zu bilden, damit sie die der anderen Kreise aufnehmen konnten und die Welt nicht zugrunde gehen musste. Sie bewegten sich in vorgegebenen Abläufen, nur viel schneller als gewöhnlich, um die Zeit aufzuholen, die in den ersten Schrecksekunden angehalten worden war. Ihr Stampfen und Kreischen war ihre Musik, zu der sie die schweren Füße bewegten und die Welt drehte sich erneut.

Valmidea wusste zuerst nicht was sie machen sollte. In ihr stritten Avashna Valmidea und die sterbliche Valmidea um die Vorherrschaft. Avashna verlangte nach Induro und ihrem Recht als Unsterbliche, während Valmideas Sehnen Jarhag galt und der Rettung der Welt. „Die Kreise dürfen in keinem Fall vernichtet werden“, sagte sie schließlich kalt und brachte damit Avashna zum Schweigen. So ging sie endlich auf Induro los, zerrte ihn weg von den Steinen und merkte nicht, dass sie in Wahrheit bereits gegen Jarhag kämpfte. Induro hatte seinen Geist in einen der Steine gelegt. Das Schwert unterdessen sang sein Lied der Vernichtung allein und köpfte den nächsten Stein, der seufzend zu Boden sank und barst. „Nein!“, brüllte Jarhag und fand ein Echo in Valmidea. Er gab ihr eine Ohrfeige, die sie einen Moment zur Besinnung brachte, dann ging sie erneut auf ihn los während Induro sein Werk vollendete.

Plötzlich hielt alles still. Der Wind, der die Wolken über den Himmel trieb, der Sand, der von den Hängen rieselte, die Gedanken – alles war stumm. Die Steine hörten auf, ihren Tanz zu weben und die Welt stand. Sie verharrte am Abgrund, als sie kam. Sie war überall und nirgends und ihr Erscheinen war Dunkelheit. Das Schwert fiel klirrend zu Boden. Durch den Laut aufgeschreckt, bewegten sich die Steine langsam, beinahe tastend vorwärts. Zögerlich waren ihre Schritte, aber sie tanzten weiter. Ohne Hast schoben sie sich durch das Geröll und schichteten das Leben neu auf.

Jarhag hob Valmidea hoch und hielt sie fest umklammert, dabei flüsterte er unentwegt: „Manlokka, befreie dich. Manlokka! Ich liebe dich! Tashinweiaä. Tashinweiaä, Valmidea.“ Endlich gab sie ihre Gegenwehr auf und starrte ihn erstaunt an. „Jarhag, du bist es. Ich fürchtete …“ Sie sprach nicht weiter, klammerte sich fest an ihn und sog seinen herben Duft ein. Er war wieder er selbst. Doch wie lange würde das so bleiben? Induro hatte angedroht, seinen Körper zu übernehmen, wenn er die Macht der Steine und der Mutter gebrochen hatte.
„Dunkelheit zieht auf. Wir müssen uns beeilen“, flüsterte er. Damit ließ er Valmidea bedauernd zu Boden und fragte weiter: „Was machen wir ohne den Stein?“ Doch sie lächelte und fischte ihn aus ihrer Tasche. Hell leuchtend, wie ein kleiner Stern lag er in ihrer Hand, brachte das Blut unter der Haut zum Glühen und rings um sie erhellte sich langsam die Dunkelheit. Kalishna musste weichen, denn in diesem Stein waren Licht, Dunkelheit, Liebe, Hass, Leben und Tod vereint. Er strahlte gegen die Ewigkeit an und lehrte sie das Fürchten. Dieser kleine Kiesel in der Hand des Kleinen, sanften Todes brachte die Mutter zum Zittern.
Abermals fuhr ein Beben durch die Erde und brachte die Zeit zum Halten.
Induro drehte sich zu ihr um, die Namenlose manifestierte sich als Windhose und fuhr durch die Steine, dass sie in einem wilden Durcheinander zum Liegen kamen. Dann lachte sie und während sie lachte, begannen in dieser Steinwüste die roten Blumen zu wachsen und zu blühen. Überall, wo ihr Gelächter den Boden traf, spross ihre ungebändigte Lust in die Höhe und riss die Welt aus dem Sternengefüge.
Berge zerfielen zu Staub, Vulkane ergossen ihre Lava in einem wilden Strom irrer Befriedigung in die trostlos gewordene Landschaft und brachten mit Induros Hilfe weiteres Verderben. Denn nun wandelte auf der Welt das Chaos. Taplindo war erwacht. Einzig Chatar hielt sich zurück und wartete ab, wer als Sieger in diesem Krieg der Götter hervorgehen würde.

Da standen Jarhag und Valmidea inmitten der zerfallenden Steine. Sie hielt den hellen Mondstein in die Höhe und hoffte auf ein Wunder.
Heilige
Punika, erlöse uns!

Bibber *schock* laf
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Willst du ...
eine schnelle Erlösung oder darf ich es noch ein wenig mehr in die Länge ziehen *fiesgrins*


*tipp* und *gruebel* Herta
Das Seltsame ist,
dass ich beim Lesen ein Gefühl von Schnelligkeit, von Getriebensein empfinde, fast schon quälend. Wie kurz vorm Orgasmus. Und den will man ja auch lieber rausziehen solange es geht.... *smile*
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Ich sehe schon, wir verstehen uns *smile*
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Ulurash – Der Untergang
Hell und verzweifelt strahlte er gegen die Finsternis. Valmidea fühlte sich wanken, da stand Jarhag hinter ihr und stützte sie. „So geht es nicht“, flüsterte er. Er merkte, wie der Blumenduft seine Sinne zu benebeln begann und nur mit Mühe konnte er seine Hände davon abhalten, Valmidea die Kleider vom Leib zu reißen. Vor unterdrücktem Verlangen bebend drückte er sein Gesicht an ihren Hals. „Manlokka“, war das letzte Wort, das seinen Mund verließ, dann wurde er mit Stummheit geschlagen. Aber sein Geist dachte das Wort weiter. Kurze Zeit verschaffte es ihnen Erleichterung und sie konnten sich wieder auf die Aufgabe konzentrieren. ‚Tashinweiaä, Jarhag. Tashinweiaä Umidar’, dachte Valmidea, Tränen der Anstrengung rannen über ihr Gesicht, denn auch ihre Stimme war mit dem Eintreffen Taplindos erloschen. Höher reckte sie den Arm, versuchte Entschlossenheit in die Bewegung zu legen. Doch schon merkte sie, wie sie müde wurde. ‚Induro!’, schrien ihre Gedanken. ‚Wenn du Gefühle für mich hast, dann hilf mir!’ Der Gott wandte sich ihr nun etwas mehr zu und betrachtete sie einen Moment wie sie von Mondlicht gekrönt in all dem Chaos stand und sich nicht zu rühren wagte. Er selbst war in der Dunkelheit nicht zu erkennen, einzig ein helleres Glühen zeigte, wo seine Augen waren. Fest fasste er nach dem Schwert, zog seine Gedanken daraus zurück und gab sich selbst eine feste Form. „Hier, Schmied!“, brüllte er gegen das Tosen an. „Fang! Es gehört dir!“ Mit der vollen Kraft des Gottes wurde das Schwert gegen den Sturm geworfen und genau in Jarhags Hand landete es, summte zufrieden. Nun legte Jarhag seine in Gedanken geschmiedete Waffe in die aus Eisen und sie wurde stärker.
Induro drehte sich erneut um, wandte sich dem Zentrum des Wirbelsturms zu und hielt nur wenige Meter davor. „Minlokkana, zeige dich mir“, sagte er leise, breitete die Arme aus und die Dunkelheit wurde von seinem Feuer erhellt. Doch noch war sie nicht so weit, sich zu zeigen. Einzig ihre roten Augen glühten herab aus den Wolken des Sturms.
Jarhag hob das Schwert und machte einige unsichere Schritte auf die Blumen zu. Er wusste, was er zu tun hatte. Langsam senkte er die Klinge und sie fuhr leise zischend durch das Meer aus duftenden Blüten. Ein Stöhnen und Jammern hob an, eine Flüssigkeit, wie rotes Blut besudelte ihn, verbrannte seine ungeschützte Haut, doch er machte weiter.
„Val! Hilf ihm, leuchte ihm den Weg zu uns!“, brüllte Induro, der nicht wusste, warum er die Seiten gewechselt hatte. Langsam, fast widerwillig kam sie seiner Aufforderung nach. Die Knie wollten sich nicht beugen und die Füße nicht den blutigen Weg gehen. „Mach schon! Oder willst du lieber gleich untergehen? Das lässt sich schnell erledigen!“ Drohend richtete er einen Zeigefinger auf sie. Da tat sie den ersten Schritt und das Licht folgte ihr, bildete einen Schweif aus Mondglanz und peitschte die Finsternis fort. Während sie sich vorwärts quälte, fällte Jarhag weiter die Blumen und dachte das Wort des Erwachens.

Die Göttin schwang sich hoch und warf ihre Macht auf Uballa. Findlinge wurden hochgeworfen und schwebten wie Federn um die Wolke der Göttin. Unter ihr stand Induro in menschlicher Gestalt. Weiter hinten kämpften Jarhag und Valmidea gegen die Betörung der Blumen und Taplindo rauschte durch die Welt. Er kümmerte sich nicht um den Kampf, noch nicht.

„Minlokkana! Geliebte, zeige dich mir!“, rief er abermals, streckte die Arme und seine Finger wurden zu Feuerpeitschen. Das schwarze Haar umwehte ihn, wob einen Mantel der Macht in den dunkler werdenden Himmel. Blitze zuckten um ihn. „Minlokkana! Wir werden Eins!“ Doch sie gab nicht nach, verstärkte den Sturm und die Steine flogen Induro um den Kopf. Er hatte ihre ganze Aufmerksamkeit. Die Herausforderung war angenommen. Induro lächelte.

Noch war sein Arm nicht müde und die Kraft seiner Gedanken trieb ihn vorwärts. ‚Manlokka! Erwacht ihr Steine, erhebt euch und webt das Leben!’, dachte er mit jedem Hieb. Das Schwert dürstete nach mehr und immer schneller zog es ihn vorwärts. Jarhag versuchte nicht einmal mehr, es zu bremsen oder gar aufzuhalten. Es wäre ein sinnloser Versuch und würde zuviel Energie verbrauchen. So stürmte er weiter, den erstorbenen Kampfschrei noch auf den Lippen fühlend. Er konnte nichts mehr erkennen, einzig rot und schwarz füllten sein Gesichtsfeld und drangen in seine Gedanken, umhüllten ihn mit ihrer samtigen Weichheit, während das Schwert durch die Blumen fuhr und weder Freund noch Feind zu kennen schien. Es durchtrennte jede Masse, die sich ihm in den Weg stellte. ‚Manlokka!’

Der Mondstein wog schwer in der Hand und das Licht wurde schwächer. Langsam folgte sie Jarhag den Weg tiefer in das Tal hinab, hin zum großen und letzten noch bestehenden Steinkreis. Ihn galt es zu schützen, denn in ihm wurde das Leben gebildet. Geburt, Tod und Wiedergeburt zeichneten die Steine in einem immer wiederkehrenden Muster.
Zögernd tat sie einen Schritt nach dem anderen, versuchte Jarhag einzuholen. Der Ruf der Mutter war drängend und der Duft der zahlreichen noch blühenden Blumen verwirrte die Sinne. „Mein Kind!“, hörte sie. „Kehre zurück in meinen Schoß und alles wird vergessen sein.“ Ihre Stimme klang süß und schmeichelnd. Valmidea weinte stumm vor sich hin, biss die Zähne fest aufeinander und stolperte weiter. „Komm, Avashna!“ Sie wurde böse. ‚Niemals!’, dachte sie. Dann fuhr ein Arm aus dem Sturm, packte sie und schleuderte sie zurück. Schwer prallte sie an die Felswand und blieb einen Moment liegen. Der Mondstein war ihr aus der Hand gefallen und lag nur wenige Zentimeter neben ihr. Doch bevor sie ihn erreichen konnte, hatte ihn eine kleine Sturmböe erfasst und fortgeblasen. „Nein!“, schrie Valmidea, rappelte sich hoch und lief erneut auf den Steinkreis zu. Sie merkte es nicht, aber das Leuchten ging nun von ihr aus. Wie ein silberner Pfeil schoss sie aus der Dunkelheit hervor, genau auf den Wirbelsturm zu. Die dunkle Macht betrachtete sie, als wäre sie ein Insekt, dann schlug sie zu. Valmidea fiel.

„Nein!“, brüllte Induro. „Val! Val, steh auf!“ Aber sie rührte sich nicht mehr. Ihr Glanz verblasste langsam in der Dunkelheit und Jarhag beschwor weiter die Macht des Erwachens. „Manlokka“, zuckte es durch seine Gedanken. Blind ging er durch das Meer aus roten Blumen, verschenkte Tod und Vernichtung und konnte dennoch nichts ausrichten. Für jede gefällte Blume traten drei neue an die Oberfläche.

„Jarhag! Schmied, dreimal verfluchter Eisenklopfer!“ rief Induro, drehte sich zur Seite und lief auf den Mann zu. „Stoß mir das Schwert in den Leib“, presste er hervor, als er vor ihm stand. Jarhag starrte ihn entgeistert an. ‚Das kann ich nicht’, dachte er.
„Doch, du kannst, du musst es tun.“
‚Ich will dich nicht töten.’
„Du wolltest es. Vor gar nicht langer Zeit hättest du es mit Genuss getan. Los jetzt! Nicht lange nachdenken! Stoß zu!“
Jarhag ließ sich keine Zeit für irgendwelche Bedenken. Induro war unsterblich, also konnte ihm nicht viel passieren. So hob er denn schweren Herzens das Schwert und stieß es Induro mitten ins Herz. Seufzend sank der Körper zu Boden, bildete eine schwarze Wolke und erhob sich lachend. „Danke, Schmied. Tauch die Spitze noch einmal in mein Blut und dann mach weiter, wo ich dich unterbrochen habe.“ Induro schien seine gute Laune wiedergefunden zu haben, denn er lachte in einem fort, während er dem Untergang entgegenschwebte.
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
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Tothinai - Der Kampf im Inneren
Induro flog hoch, direkt in den Sturm hinein. Lachend ließ er sich verschlingen.
Jarhag unterdessen begann seinen verzweifelten Kampf gegen die wild wuchernde Leidenschaft und gegen Taplindo, der sich nun in das Kampfgetümmel warf und für mehr Verwirrung sorgte, als ohnehin schon herrschte.
Während er das doppelt getränkte Schwert auf die Gegner sausen ließ, wurde er sich bewusst, dass Valmidea nur wenige Schritte neben ihm lag und sich nicht bewegte. Schon wollte er zu ihr eilen, aber das Schwert zog ihn fort, hin zu den Steinen, die es noch zu schützen galt und die bereits von den roten Blumen beleckt wurden, sich an ihnen hochrankten und sie mit aller Macht an der Bewegung hindern wollten.
Kräftig schlug er auf die dicken Stämme der Blumen ein, die mittlerweile so große wie Bäume waren und ihr Duft wurde immer aufdringlicher, machte Jarhag schier wahnsinnig vor Verlangen.

Induro fand sich inmitten der Wolke wieder. Laut war sein Lachen als er sich ins Auge ziehen ließ. Da wurde sie zum ersten Mal unsicher, denn sie fühlte, er war nicht alleine. „Was hast du gemacht?“
„Sei gegrüßt, Mutter und Geliebte. Siehe! Ich bin nicht allein. Wir werden dir deine Grenzen zeigen, damit du wieder zum Wohl der Welt deine Macht einsetzt. Alle haben wir unseren Zweck zu erfüllen.“
„Du hast sie aufgenommen, als ich sie erschlug!“, kreischte die Göttin. „So ist es. Indurovashna bin ich! Der Tod und ich lasse mich nicht mehr vereinnahmen. Alles auf dieser Welt findet sein Ende – irgendwann und es muss jemand da sein, der die Sterblichen auf den Weg zu den Wartehallen führt. Avashna ist die Dämmerung, die Halle der Wiederkehr und Induro der Weg. Also – halte mich nicht auf! Kehre um, denn heute wirst du nicht siegen!“ Abermals manifestierte er in menschlicher Gestalt, größer war er nun, sein Haar war weiß und es umflog ihn wie eine Wolke der Zuversicht. Er hob die Arme und Avashna sang das Lied der Wiedergeburt während unter ihnen Jarhag die letzten Blumen fällte und gegen das Chaos kämpfte. Steine umflogen ihn, trafen ihn am ungeschützten Kopf. Blut tropfte in seine Augen, das dunkle Haar klebte vor Schweiß und Blut. Doch sehen konnte er nichts. Plötzlich hatte er seine Stimme wieder gefunden und er rief laut und vernehmlich: „Manlokka!“ Gerade als er dachte, keinen einzigen Streich mehr führen zu können, sah er einen kleinen Lichtstrahl am Horizont auftauchen. Es war nur ein Punkt, nicht größer als ein Kieselstein, aber er wurde größer. Jarhag starrte darauf. Sein Atem ging schwer. Er fiel auf die Knie, das Schwert krampfhaft festhaltend und erwartete den neuen Schrecken, der auf ihn zukam.

Im Inneren des Sturms fand ein Kampf statt, wie er sich noch nie zugetragen hatte. Die Göttin zog alle ihre Gedanken aus der Welt in diese eine letzte Schlacht. Die Menschen hielten inne, Kampfhandlungen wurden beendet, alles verharrte erwartungsvoll.
Indurovashna lachte noch immer, trotz der Wunden, die seinen Körper bedeckten. „Du kannst mich nicht vernichten, Geliebte, ich bin der Weg und du solltest das Licht sein.“ Abermals schleuderte sie ihm ihre Kraft entgegen, brachte ihn zum Wanken, doch Avashna hielt ihn. „Die Dunkelheit wird die Dämmerung vertreiben“, fauchte sie.
„Wenn es so ist, dann ist es eben so. Aber wie soll dann noch jemand deine Größe erkennen?“, fragte Avashna. Darauf wusste die Göttin nichts zu erwidern, aber sie verstärkte ihren Angriff, zog Indurovashna hoch in die Luft, wirbelte ihn herum und ließ ihn nackt in der ewigen Eiswüste, Glacinidis, zurück. „Auch hier wirst du mich nicht besiegen können!“, rief er, dachte sich einen warmen Mantel und Avashnas Gedanken hüllten ihn in eine flauschige Decke. „Wir sind Eins – ich wusste es. Vom Anbeginn der Zeit an waren wir eins und nur unsere Trennung hat das ganze Leid bewirkt. Die Dämmerung, die Dunkelheit und das Licht – es muss zusammenarbeiten, denn das eine kann nicht ohne das andere sein“, murmelte Induro. „Ja, wir sind vereint. Und was jetzt?“, Avashna Valmidea war nicht ganz sicher, was das alles bedeuten mochte, zu lange hatte sie als Mensch gelebt, um jetzt wieder ihre göttlichen Fähigkeiten zu gebrauchen. „Nun – wir sind Indurovashna, der Weg und die Dämmerung. Dann zeige ich ihr jetzt den Weg, während du mir mit dem letzten Licht des Tages leuchtest.“ Er lachte abermals. Es war ein fröhliches Lachen, so als wäre es ihm egal, was passieren würde. „Minlokkana! Ich werde dir die Augen öffnen, geliebtes Wesen!“, rief er erneut und erhob sich in die Luft.
Mit der Schnelligkeit eines Gedankens befand sich Indurovashna wieder in Uballa. „Ich bin der Weg, du das Licht und die Dunkelheit. Verzichte nicht auf einen Teil deines Wesens. Sieh doch, Geliebte. Ich bin zu dir gekommen.“ Er sprach schmeichelnd, liebevoll und streckte ihr dabei die Hand entgegen. „Ich werde nicht mehr gegen die kämpfen, denn wie könnte ich gegen einen Teil von mir Krieg führen wollen? Du bist mein Atem, Geliebte, wie könnte ich ohne dich sein?“
„Du hast das Gefüge gestört!“, warf sie ihm entgegen.
„Ja. Ich habe es zerstört. Nun bin ich hier, um es wieder gut zu machen.“
Einen Augenblick hielt die dunkle Macht inne und Stille breitete sich über das Tiefe Tal Uballa, einzig die letzten Eiligen Steine bewegten sich noch langsam über den Platz.

Der helle Lichtpunkt näherte sich unterdessen, wurde größer und kam direkt auf Jarhag zu, der blutend am Boden saß. Die jähe Stille beunruhigte ihn und brüllte in seinen Ohren eine unvorstellbare Drohung. ‚Ich kann nicht mehr. Das ist das Ende, ich habe versagt. Valmidea ist tot und ich werde bald neben ihr liegen’, dachte er müde, hob das Schwert zu einem letzten Streich, dann fiel es ihm nutzlos aus der Hand. Beide, Schwert und Schmied hatten ihre letzten Kräfte verbraucht. Mit stoischer Ruhe erwartete er das Kommende, es würde unausweichlich sein und ihn hinwegspülen.

„Manlokka!“, rief jemand mit heller Stimme. „Schau, Schmied, wir sind erwacht!“ Dann war die Helligkeit um ihn und die Mondsinger flatterten in all dem Chaos zwischen den wild in der Luft kreisenden Steinen und brachten sie mit ihrer Melodie wieder ins Gleichgewicht. Dann kamen die Tautänzer und tanzten mit den Steinen, damit sie den richtigen Weg fanden. Zum Schluss trabte das letzte wilde Pun heran, ließ Jarhag aufsteigen und brachte ihn fort. Kurz dachte er an Valmidea, dann schlief er ein.

Im inneren des Sturms herrschte noch Chaos, doch er wurde unsicher, als sich die Göttin zurückzog und ihre Kräfte sich bündelten. Doch irgendetwas tief in ihr, hielt sie zurück, alle Macht auszuspielen und Induro zu vernichten. Die lichte Seite in ihr begann sich zu dehnen und füllte ihren Teil, forderte ihr Recht, gesehen zu werden. „Nicht alles ist dunkel“, flüsterte sie. „Induro?“
„Ja! Bist du bereit, wieder die Drei mit mir zu bilden? Den Tag, die Nacht und den Weg?“
Sie antwortete nicht, aber der Sturm nahm an Heftigkeit ab. Langsam fielen die Wolken in sich zusammen, bildeten kleine Haufen und weinten ihre Tränen zur Erde. Löschten die Feuer mit ihrer Trauer und die Heilung begann.
****ra Frau
2.917 Beiträge
Hulala, komm ja mit dem Lesen kaum mehr nach... nur ein wenig in der *sonne* gebrutzelt und schon türmen sich die neuen Teile auf *gg*

*top*
Wenn ich Schamane wäre,
tärät ich prophezeihen, dass Dein Knie jetzt endlich zur Ruhe kummt....

Hab Dank für diesen brilliantliterarischen Tumult!
Ich werd Dich für den Punizer-Preis vorschlagen.

Olaf
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
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Themenersteller 
Ach du, das Knie brauch ich nicht zum Schreiben *ggg*

Aber du hast recht, die Geschichte neigt sich ihrem Ende entgegen. Ich muss noch auswählen, welches ich nehme (drei Varianten gibt es, wobei eine noch nicht getippt ist.)

Vielen Dank und der Punizer-Preis wäre ja mal eine Besonderheit *smile*


*blumenschenk* Herta
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Minlokkana – Die Heilung (Das Ende)
Jarhag wurde aus dem Chaos getragen, durch die Stöhnende Steppe hinein in den Rotrindenwald. Dort legten ihn die Mondsinger auf ein Bett aus Moos und warteten auf die Tautänzer. Lange Zeit schlief er und sein Geist wanderte auf dunklen Pfaden der Angst. Verzweifelt suchte er nach Valmidea und konnte sie nicht finden. Er watete in einer blutroten, klebrigen Flüssigkeit, die ihn festhielt, seine Seele beleckte, um ihn an dieses Traumland zu binden. ‚Was ist das hier? Taplindo?’
‚Nein, ich bin nicht Taplindo’, antwortete ihm jemand mit seiner Stimme. ‚Ich bin deine Angst, dein Versagen und ich halte dich hier fest.’ Jarhag erstarrte und versank tiefer in dem blutigen Morast. ‚Dann bin ich hier gefangen und werde hier sterben’, dachte er müde. ‚Ich habe versagt – Valmidea ist tot und ich habe den Sturm nicht aufhalten können. Dann ist das wohl das Ende. Wenn sie nicht mehr ist, dann will ich auch nicht mehr sein.’ Und der Sog der Angst wurde stärker, bildete einen Wirbel in den er gezogen wurde.

Indurovashna sank langsam zu Boden. Ein lächeln breitete sich über das knöchern wirkende Gesicht. Dann gab er Valmidea frei und wurde wieder zu Induro. Die Ebene war verheert. Überall lagen zerborstene Steine und verdorrte Blumen. Nichts zeugte hier von Leben. Einzig der mächtigste Steinkreis stand noch und behäbig schritten die Findlinge ihr Muster ab. Sie konzentrierten sich auf den Neubeginn.

In der Welt außerhalb Uballas hörten plötzlich die Kriege auf. Die Menschen gingen nachhause und begannen die Schäden zu reparieren. Das verwüstete Land und die zerstörten Häuser ließen sich wieder aufbauen aber das Leid, das unter den Lebenden angerichtet worden war, ließ sich nicht so einfach heilen. Hass und Missgunst waren noch verbreitet in den Köpfen der Menschen und sie würden weiterhin auf ihren Vorteil bedacht sein und bei nächster Gelegenheit wieder einen Kampf beginnen. Taplindo würde für Abwechslung im einfachen Leben der Menschen sorgen.
Aber nun, begannen sie damit die geschlagenen Wunden zu beheben, denn auch die kalte Jahreszeit nahte und die Menschen brauchten Nahrung und ein Obdach. So halfen sie nun zusammen, bildeten wieder ihre ursprünglichen Sippen und überlebten.

In Uballa verlief die Zeit anders. Jeder der hierher kam, war außerhalb der Zeit. Deshalb war der Ort den Sterblichen verboten.
Langsam öffnete Valmidea die Augen und füllte ihre Lungen mit Luft. Induro reichte ihr die Hand und half ihr auf die Füße. Der Sturm war zu einer kleinen Windhose geworden, der damit begann, die Steine wieder an ihren Platz zu bringen. „Lass uns ihr helfen“, meinte Induro schließlich, als er dem Sturm eine Weile zugesehen hatte. „Ich weiß wo sie hingehören.“ Doch Valmidea hatte andere Sorgen. „Wo ist Jarhag? Ich kann ihn in dem ganzen Durcheinander nicht sehen? Jarhag!“ Suchend lief sie zwischen den Findlingen herum. Induro lief zu ihr und packte sie fest am Handgelenk. „Warte, Val. Wir müssten hier für Ordnung sorgen. Wenn die Steine wieder aufgerichtet sind, dann suchen wir ihn. Vielleicht gibt es ja zwischen dem Geröll eine Spur von ihm.“ Er wollte eigentlich nicht nach dem Mann suchen, aber Valmidea wirkte so verzweifelt. So beschloss er, ihr zu helfen. Ihr Körper fühlte sich müde an, dennoch zwang sie ihn zu gehen und die Steine aufzuschichten.
Sie brauchten lange für diese Arbeit, denn manchmal war es schwer, das Geröll zu überzeugen, an ihren Platz zurückzukehren. Doch mit viel Geduld und Hilfe des kleinen Wirbelsturms gelang es ihnen schließlich doch.
Der Platz war beinahe wieder in seinem ursprünglichen Zustand und die Welt drehte sich in seinen geordneten Bahnen, da stieß Valmidea einen Schrei des Entsetzens aus. „Nein! Nein, lass Jarhag noch am Leben sein!“ Induro lief zu ihr, hielt sie an der Schulter und meinte beruhigend: „Val, wenn er tot wäre, wüsste ich davon und du auch. Du vergisst ständig wer du bist, wenn du in diesem Körper bist.“ Valmidea blickte auf, wischte sich über das Gesicht. Er hatte wahr gesprochen. Sie würde es wissen, wenn ihm etwas zugestoßen wäre. Aber wo war er? Sie hatte nur einen Teil seiner Kleidung gefunden, die wie von Feuer geschwärzt unter einem umgestürzten Findling hervorschaute. Das Schwert lag zerborsten in der Nähe. „Induro, ich muss ihn finden! Was bin ich ohne ihn?“
„Mach dich nicht lächerlich. Du bist du – ob mit oder ohne ihn. Lerne zuerst einmal das, bevor du dich an jemanden bindest.“ Doch dann lächelte er und fügte leiser hinzu: „Ich fürchte, das musste ich auch erst lernen. Aber ich suche ihn für dich. Bewache meinen Körper, ich will mir nicht dauernd einen neuen schneidern müssen und lass den Wirbelsturm in Ruhe.“ Er vergewisserte sich, dass die Felswand hinter ihm feststand und sich nicht bewegen würde, erst dann ließ er sich nieder und schickte sein Selbst hinaus. Gewissenhaft suchte er zuerst die Sphären ab und danach ließ er den Blick über die Welt schweifen. Er sah die Flüsse wieder in den gewohnten Bahnen fließen, wie Berge zur Ruhe kamen und die Menschen ihrer Arbeit nachgingen.
Dann schärfte er seinen Blick und schließlich fand er ihn im Rotrindenbaumwald. „Das wird ein weiter Weg, wenn sie ihren Körper nicht zurücklassen will“, murmelte er. Mit der Schnelligkeit eines Gedankens kehrte er nach Uballa zurück, wo mittlerweile sämtliche Steinkreise ihrer wichtigen Arbeit nachgingen. Zeit schritt erneut voran. Mit einem lauten Aufseufzen, der sich in den Steinen fortsetzte, hatte er seine Aufgabe wieder aufgenommen und schickte die Sonne über den Himmel.

Induro schlug die Augen auf. „Ich habe ihn gesehen. Aber wir müssen uns beeilen. Wenn wir auf Götterart reisen, sind wir schneller“, meinte er. Dann trat das ein, was er befürchtet hatte. Valmidea wollte nicht auf ihren Körper verzichten. „Sei nicht so stur, du kannst dir einen Neuen erschaffen.“ Eine Weile diskutierten sie hin und her, dann stand Induro seufzend auf und ging zum Wirbelsturm. Abermals ließ er sich von ihm einsaugen. Dann streckte er einen Arm heraus, packte Valmidea und zerrte sie hinein. Sie wusste nicht wie ihr geschah, als sie von der Göttin weggebracht wurde. Sie wollte heftig schimpfen und sich wehren, aber Induro gebot ihr zu schweigen. Wie Puppen an der Strippe hingen sie in der Luft. Valmidea versuchte sich panisch irgendwo festzukrallen, wohingegen Induro den Wirbel zu genießen schien. Er flüsterte in der uralten Sprache der Götter und es waren Worte der Zuneigung. „Ich wusste nicht, dass mich die Liebe nicht verlassen hat, als du gingst, Val. Sie nahm einfach eine andere Gestalt an. Warum müssen wir uns auch mit Gefühlen herumschlagen, wie gewöhnliche Sterbliche?“ Als er diese Frage stellte, lachte er herzlich und der Wirbelsturm umarmte sie. Dann wurden sie sanft auf den Boden gebracht, denn in den Wald ging sie in dieser Gestalt nicht. „Danke fürs Mitnehmen!“, rief Induro gut gelaunt. Seit er sich für die Aufgabe als Tod entschieden hatte, fühlte er sich beschwingt und frei. Er warf den Mantel zurück, steckte die Hände in die Hosentaschen und schritt munter pfeifend voran.
„Induro! Wie kannst du nur so heiter sein?“, fragte Valmidea eisig. Ihre Sorge um Jarhag wuchs mit jeder Minute die verstrich. „Wir sind gleich da, Val, Liebes. Du weißt doch, ich kenne den Weg.“
„Hör auf zu lachen, bitte.“
„Ach, lass mir meine Fröhlichkeit. Seit vielen Menschenaltern, habe ich nicht mehr so gut gelacht und mich an meiner Existenz erfreut. Sie sollen mich nicht mehr fürchten. Ich tu doch keinem was.“ Er blieb stehen, hielt sich an einem Baumstamm fest und versuchte seiner Heiterkeit Herr zu werden. „Verzeih, Val. Aber wir sind wirklich gleich da.“ Mit einer energischen Bewegung wischte er sich die Lachtränen von den knochigen Wangen. „Heute ist etwas geschehen, das es noch nie gegeben hat. Sie hat zugegeben, im Unrecht zu sein. Ist das nicht Grund genug, sich zu freuen?“
„Was hast du ihr gesagt?“, fragte sie jetzt doch neugierig geworden.
„Ach, ich habe ihr nur einige Wahrheiten über dich, über mich und über sich selbst erzählt.“
„Was hast du ihr gesagt?“
„Ach, nur, dass ich sie liebe und dich liebe ich auch und sie soll sich mit ihrer Eifersucht nicht so anstellen, weil du, Val, du liebst mich nicht – nicht so wie ich es gerne hätte.“
„Du grollst mir deswegen nicht mehr?“
Eine Weile dachte er darüber nach, vergaß seine Heiterkeit, dann sprach er sehr leise, mehr zu sich selbst: „Nein, jetzt nicht mehr. Ich war dir böse, ich wollte dich verletzten. Nun, das tat ich auch. Aber während unseres Kampfes habe ich Verschiedenes erkannt. Darunter auch, es kommt nicht darauf an, geliebt zu werden, sondern selbst zu lieben. Verstehst du was ich meine? Es hört sich sonderbar an für einen Gott, so zu reden. Ich weiß. Also, wir sind schon da.“
Und wirklich, nur wenige Schritte entfernt sahen sie einen halbnackten Körper auf dem Moos liegen. Ein Mondsinger hielt an seinem Lager wache. Er sprang auf, als er die beiden näherkommen sah. Es war Meliosh Lichtfänger.
„Ihr habt die Dunkelheit vertrieben und uns die Melodie zurückgegeben“, sagte er. „Seid gegrüßt. Doch deinem Freund, Valmidea, dem geht es schlecht. Er will nicht wach werden.“ Meliosh blickte zuerst Valmidea, dann Jarhag an, den Anblick Induros mied er. Doch der lächelte nur und setzte sich zu Jarhag. Er winkte Valmidea zu sich, dann hielt er eine Hand über die Stirn des Mannes und flüsterte etwas in der uralten Göttersprache.
Seine Stimme wurde leiser, kaum hörbar und immer schwerer fiel es ihm, die Worte zu formulieren. Dann nahm er die Hand weg. „Ich konnte ihn erkennen. Er ist auf einer Ebene gefangen, die er sich selbst erschaffen hat. Ich konnte ihm lediglich eine Botschaft übermitteln, ob er etwas damit anfängt, das liegt nicht in meiner Macht. An diesem Ort kann er sich nur selbst helfen. Aber ich werde ihn für dich überwachen, Val.“ Das Feuer in seinen Augenhöhlen loderte nicht mehr so stark, wie noch vor wenigen Minuten. Die Suche nach dem Geist Jarhags hatte ihn sehr ermüdet. Deshalb legte Valmidea nun ihre Hand auf seinen Arm und drückte ihn leicht. „Vielleicht kann Meliosh dafür sorgen, dass unsere Körper Nahrung und Flüssigkeit erhalten? Du siehst müde aus, Induro.“ Ermattet lehnte er sich an den Stamm eines Rotrindenbaums und schloss einen Moment lang die Augen. Abermals sah er Jarhag, der in seinem persönlichen Albtraum festsaß und sich nicht zu befreien wagte, weil er kein Selbstvertrauen mehr hatte. „Es ist doch nicht so schlimm, wenn man versagt“, murmelte er.

Jarhag ließ sich nach unten ziehen. Der Sog wurde immer stärker, je länger er hier verharrte und an seine Verfehlungen in der Vergangenheit und sein Versagen dachte. Da hörte er jemanden reden. „He du, Schmied, es war doch offensichtlich, dass du es nicht schaffen würdest. Du hättest besser mir die Arbeit überlassen. Übrigens – du versagst gerade wieder. Ja, Valmidea denkt nämlich du liebst sie nicht, weil du nicht zu ihr kommst. Übrigens, Schmied, sie sitzt neben dir.“ Dann war die Stimme weg. Jarhag blickte sich um, konnte aber nichts erkennen. „Wie soll ich mich denn hier herauswinden?“
„Stell dich deiner Angst!“, antwortete er sich selbst. Dann begann sein größter Kampf – der gegen sich selbst. Er breitete sein ganzes Leben vor sich aus, all seine Handlungen beleuchtete er. Wie oft er versagt hatte oder nicht geholfen, wo er es hätte können, die Gewalt, die er manchmal ausgeübt hatte. Er hatte oft statt zu argumentieren, die Fäuste sprechen lassen, was ihm im Nachhinein jedes Mal schrecklich Leid getan hatte. Das zwang er sich zu sehen und endlich als Teil seiner selbst anzunehmen. „Es hat mich zu Jarhag Udger gemacht, den der ich heute bin“, flüsterte er.
„Was hast du gesagt? Du musst lauter sprechen, ich kann dich nicht hören.“
Dann schrie er es hinaus. Immer lauter wurde er.
„Ja ich bin Jarhag Udger und ich mache Fehler!“, brüllte er. Plötzlich war er frei, schwebte über dem Sog bevor er wirklich erwachte.
Er öffnete die Augen. Zuerst sah er nur verschwommene Gesichter. Dann erkannte er Valmidea. Er lächelte sie an. Induro beachtete er nicht weiter, sondern richtete seinen Blick auf Meliosh. „Danke, Lichtfänger Meliosh, dass du und deine Leute gekommen seid.“
„Nichts zu danken, Jarhag. Wir haben den Steinen ihre Melodie wiedergegeben, damit wir sie wiederfinden konnten und die Tautänzer tanzen seit heute früh.“
„Das freut mich.“
„Und mich erst. Aber ich muss jetzt gehen. Es wartet viel Arbeit auf mich. Val, willst du es dir nicht noch einmal überlegen?“ Induro sprach leichthin, doch eine Spur von Sehnsucht lag in seiner Stimme. Valmidea dachte lange darüber nach bevor sie antwortete: „Ich bin da, wenn du mich brauchst. Avashna ist noch in dir, sie wird dir das Tor öffnen.“
„Dann sei es so.“ Er wandte sich an Jarhag, grinste breit während er sagte: „Und du, das nächste Mal stichst du etwas besser zu. Es hat nämlich weh getan.“ Er lachte laut als er den Körper abstreifte und sich in den Himmel erhob, wo ihn ein kleiner Wirbelsturm aus sonnengelben Augen beobachtete und dann freudig begrüßte.
„Der Weg, die Dunkelheit und das Licht“, sie sind vereint. Die Dämmerung werden sie selbst erzeugen.“ Valmidea seufzte. Sie nahm Jarhag in den Arm ehe sie weiterredete: „Was machen wir jetzt? Avashna oder Umidar? Wo willst du leben?“
„Was für eine Frage. Dort wo du bist, ist mein Zuhause.“

Ganz leise hörten sie Induro rufen: „Minlokkana – eure Liebe ist ebenso geheilt.“

Umidar bekam die Gelegenheit, seine Wunden zu schließen. Die Eiligen Steine woben Muster in die Ewigkeit, die Tautänzer tanzten am frühen Morgen ihre Liebe zum Land, die Mondsinger machten die Melodie dazu und die Götter kümmerten sich wieder nur um sich selbst. Bis auf Induro, ihm zumindest war nicht langweilig.

Jarhag Udger, der Schmied und Valmidea, die Pun-Heilerin blieben lange bei den Mondtänzern. Dann zogen sie ins Land der Sterblichen zurück, wo sie wieder ihrer Tätigkeit nachgingen. Nur manchmal bekamen sie sonderbaren Besuch, der die Nachbarn ängstigte. Dann legte sich eine kalte Furcht auf das Dorf, die nicht einmal Induros fröhliches Lachen beseitigen konnte.

In diesen Zeiten bildeten sich die drei Kräfte neu:

Der Wandler, die Bewahrerin und der Neubeginn.


Hier endet die Geschichte von Jarhag Udger, den Schmied, der wacker auszog Valmidea zu retten und dabei über die Götter stolperte, nur um selbst zu einem zu werden.


(c) Herta 7/2010
Sooo
viele Erinnerungen wecktest Du in mir, ließest Gefühle aufwallen mit den Namen, den Worten, den Orten, die Du erschufst!
Ich fühle mich von Dir reich beschenkt!

Danke! Olaf
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Oh, ich freue mich
und fühle mich geehrt.

*blume* *blume* *blume*

Aber ich bin froh, endlich diese Götter verlassen zu können, zumindest in der Geschichte, denn in mir, fürchte ich, leben sie ganz gut, wie in jedem von uns. Der Wandler, die Bewahrerin und der Neubeginn - Jarhag Udger, Avashna Valmidea und Induro(vashna) sowie die Mächtige Namenlose - die alle in sich vereint.

Inwiefern habe ich dir mit dieser Geschichte etwas in Erinnerung gerufen?


*herz*lich
Herta
Du hast,
um nur ein Beispiel zu nennen, alle Steine, die ich je gesammelt habe, samt der Landschaft, den Gefühlen dort, die Verbindungen, die ich spürte, wieder in meine Hände gelegt.

Und Du hast all meine inneren Kämpfe, die Verzweiflung und Aussichtslosigkeit, die Zweifel und Hoffnungen und mit dem Schluss auch die Ruhe, die Gnade und die Fähigkeit mir (teilweise) selbst zu verzeihen wachgerufen und mich damit ermutigt.
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Nochmals: Ich bin beeindruckt! Und mir geht's wie Olaf - ich fühle mich beschenkt.

Danke, liebe Herta! *roseschenk*

(Der Antaghar)
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Ich fühle mich geehrt, durch eure Anerkennung.

Ihr wisst ja nicht, wie schwer es mir gefallen ist, das so zu schreiben - nicht nur die Sprache - sondern auch die ganzen Gefühle (damit einhergehend noch etwas Selbsterkenntnis - viel Selbsterkenntnis) die ich heraufbeschworen habe.


Mir selbst zu verzeihen fällt mir sehr schwer. Ich kann es meistens nicht. Und ich bewundere jeden, der das zuwege bringt.

Über kleine Fehler kann ich hinwegsehen - aber ich kenne meine Mängel nur zu gut, deshalb stehe ich immer mit einem Bein in der Falle, die ich für Jarhag hier kreiert habe. Es ist ein mir bekanntes Szenario.

Aber nun ist Schluss mit den Selbstanalysen. Es gibt auch schöne, nette Seiten, die darf man nicht vergessen *g*

Ich danke euch *blumenschenk* und ich freue mich, dass euch meine Geschichte gefällt, sehr sogar.

Huch ... ich muss erst einmal runterkommen

Herta
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