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Die Pun-Heilerin

nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Die Pun-Heilerin
Trotzig stand sie in der Schmiede, das Zaumzeug des kleinen Puns locker in der Hand haltend und funkelte den Mann vor ihr zornig an. Er hatte das Tier zu schwer beladen, nun lahmte es und sein Rücken war wund. Valmidea brauchte nichts zu sagen, der Bauer wand sich auch so unter ihrem harten Blick, als hätte sie ihn geschlagen. Sie war die Pun-Heilerin und ihr Gefährte der Schmied, Jarhag Udger.
„Kannst du es heilen?“, fragte der Bauer nach mehrmaligem Schlucken und den Blick zu Boden gerichtet. Valmidea brummelte vor sich hin, streichelte dem Tier den Kopf, tätschelte die breiten Nüstern, dass es schnaubte und eine lange schmale Zunge herausstreckte, mit der es Valmidea das Handgelenk leckte. „Pfui“, sagte sie geistesabwesend, denn die Zunge war so rau, die zog einem beinahe die Haut ab. Dann nickte sie und schickte den Bauern weg. „Nach fünf Sonnenaufgängen kommst du wieder und holst es ab. Was es dir wert sein muss, sage ich dir, wenn du kommst. Geh!“ Wie von einem Magneten angezogen drehte sich der Bauer um und rannte aus der Schmiede.

„Musst du immer so brummig sein?“, fragte Jarhag grinsend.
„Ja“, kam ihre knappe Antwort. Es machte sie wütend, wenn jemand ein Lebewesen mit so wenig Achtung behandelte, dass es verletzt wurde.
„Du hast ja recht, Geliebte, aber es sind auch unsere Kunden. Wenn keine mehr kommen, dann klingeln keine Münzen in unserem Beutel und wir müssen hungern.“
„Ja“, brummte sie. Dann schaffte sie das Pun in den Stall und begann damit, es gründlich zu untersuchen.

Kurze Zeit später trat Jarhag hinter sie. Er war nur mit einem Lendeschurz bekleidet, seine braungebrannte Haut glänzte vor Schweiß und er strömte Testosteron aus, dass es Valmidea beinahe riechen konnte. „Wie geht es dem Pun?“, fragte er besorgt, dabei umschlang er ihre zierliche Gestalt mit seinen kräftigen Armen. „Sieh dir mal die Hufe an, Schmied“, sagte sie doch sie lächelte dabei. Jarhag nickte. Bedauernd ließ er sie los und wandte sich dem linken Vorderhuf des kleinen Puns zu. „Wer, zu Chatar, hat das Pun beschlagen?“ Jarhag brüllte beinahe. Das Eisen war mit dem Huf verwachsen, was für einen Großteil der Probleme des Tieres verantwortlich war. Valmidea streichelte die Nüstern des kleinen weißen Tieres, dabei murmelte sie beruhigend auf es ein. Schließlich hob das Pun den Fuß. Mit großen roten Augen starrte es auf Valmidea, als wusste es, von ihr war Erleichterung zu erwarten.
Jarhag griff zu einer schmalen Brechstange, diese schob er unter das Hufeisen und hob es an einer Stelle an. Jetzt wechselte er das Werkzeug und die Zange befreite das Pun schlussendlich von seiner Pein. Grünes Blut tropfte aus der Wunde und verströmte einen unangenehmen Geruch. „Wie lange es das wohl schon draufgehabt hat? Chatar soll diesen Verbrecher mit Eidanadeln peitschen!“ Jarhag schrie so laut, dass das Pun scheute und zu tänzeln begann. Valmidea sprach weitere beruhigende Silben in einer unbekannten Sprache, die nur sie beherrschte. Aber sie war auch kein Mensch aus Umidar, sie war nicht einmal von dieser Welt, aber darüber sprach sie nicht. Nur Jarhag wusste es.

Heilerin und Schmied wechselten die Positionen. Dann begann Valmidea den verletzten Fuß zu behandeln. Es dauerte nicht lange, dann war es geschehen. Sie führten das Pun in eine leere Box, gaben ihm Feuergras zu fressen und füllten Wasser in einen Eimer, dann gingen sie zurück in die Schmiede.

Es waren noch einige Tiere zu beschlagen und Jarhag hatte noch andere Aufträge zu erledigen. Valmidea beobachtete ihn, wie er gekonnt auf das heiße Eisen einschlug. Nach einiger Zeit nahm eine Sichel gestalt an. Sie bewunderte seine Fähigkeit, mit dem Metall zu spielen und ihm eine völlig neue Form zu geben. Im Laufe vieler Jahre hatte er diese Gabe perfektioniert.

Als er fertig war, gingen sie zusammen über den Hof nach hinten, wo sie ihren Wohnraum hatten.

„Valmidea?“ Schon den ganzen Tag über brannte eine Frage in ihm. Nun wollte er sie endlich stellen, aber noch immer war er nervös. So ging er zuerst zum Waschzuber und entfernte den Dreck von seiner Haut. Stumm betrachtete sie ihn und wartete. Sie ahnte, dass er ihr eine wichtige Frage stellen wollte, ließ ihm aber wie gewohnt die nötige Zeit. Für sie war Zeit weniger ein Problem als für die Umidar.
Als er so weit war, saß sie am Tisch, auf dem Fladenbrot, Honig und Früchte einen hungrigen Magen erwarteten. Doch erst nachdem er seinen Hunger gestillt hatte, stellte er die Frage.

„Meine Liebste Valmidea, was geschieht, wenn ich gestorben bin? Du bist noch genauso jung und hübsch wie an dem Tag, an dem du zu mir gekommen bist.“ Diese eine Frage hatte sie gefürchtet. „Ich weiß es nicht, Jarhag. Wahrscheinlich wird mich Mutter wieder abholen wollen und irgendeine Seuche auf Umidar schicken. Sie weiß, solange du das blütengetränkte Schwert schwingen kannst, hat sie keine Chance.“ Er blickte sie nachdenklich an, fuhr sich durch das lange graue Haar, dann seufzte er tief auf. „Ich werde es nicht mehr lange können. Sieh, Valmidea, ich bin alt geworden.“

Langsam umrundete sie den Tisch und kniete sich an seine Seite, wobei sie seine rechte Hand in ihre nahm. „Für mich bist du noch immer der gutaussehende junge Mann, in den ich mich verliebt habe.“ Sie klang völlig ernst, denn es war die Wahrheit. Für Valmidea änderte sich nichts. Alles um sie herum erschien ihr so, wie sie es wollte. Beinahe alles, die Zeit auf Umidar konnte sie nicht aufhalten, sie war das letzte alles verändernde Element, das nicht einmal sie selbst aufhalten konnte.

Chatar hatte es vor langer Zeit versucht und war kläglich gescheitert, was ihm einen Platz als Herrscher der Unterwelt eingebracht hatte. Nun musste nur noch Valmidea ihren rechtmäßigen Sitz einnehmen. Doch das wollte sie nicht. Sie wollte bei Jarhag bleiben. Er hatte vor vielen Jahren sein Leben riskiert, um sie zu retten.

Sie überlegte eben was sie für ihn tun konnte, als er sie mit seiner Stimme, die noch immer so rein war, wie vor vierzig Jahren, aus ihren Gedanken riss: „Ich weiß, was du vor hast, Liebes. Mach es nicht. Lass deine Familie aus dem Spiel. Wenn ich gehen muss, dann werde ich sterben. Es ist das Los von uns Umidar, unsere Zeit in diesem Körper ist begrenzt.“
„Aber ich werde dich nicht gehen lassen“, flüsterte sie. „Irgendetwas wird mir einfallen und ich …“
„Valmidea, bitte. Damit machst du es viel schwerer – nicht nur für dich, sondern auch für mich. Sieh es mal so …“ Er betrachtete sie lange und sie erwiderte seinen Blick mit der gleichen strahlenden Intensität, die einst Lamira ausgestrahlt hatte, als sie versucht hatte, ihn zu betören. „Es tut mir Leid“, flüsterte Valmidea, die diese Erinnerung mit ihm teilte.
„Du kannst doch nichts dafür. Bitte nicht um Verzeihung, es ist nicht nötig, war es nie und wird es nie sein.“
„Die Zeit schmiedet uns, Valmidea und du heilst ihre Wunden, ist es nicht so?“
„Du hast Recht.“

Einige Monde zogen ins Land. Ein Pun zum Heilen folgte dem nächsten, dazwischen waren auch Mekah, die keine Milch mehr geben wollten oder Probleme beim Kalben hatten. Allen half Valmidea, und der Schmied hämmerte unterdessen unverdrossen, trotz seines hohen Alters, weiter auf den Amboss. Doch abends fühlte er sich müde und ausgelaugt, alt, ausgehöhlt.

„Die nächste Kaltperiode werde ich nicht mehr erleben“, sagte er eines Abends. Ein starker Husten schüttelte ihn seit Tagen und Valmidea versuchte, ihm mit allen ihr bekannten Mitteln beizukommen. Doch Jarhags Tage auf Umidar waren gezählt. Beide wussten es und so hörte sie schließlich auf, ihm ihre Tränke einzuflössen sondern blieb still an seinem Bett sitzen.

Die Schmiede war geschlossen, alle Puns zu ihren Herren gebracht. Valmidea trug weiß, die Farbe des Todes in Umidar.

Alle Erinnerungen gaben sie sich zum Geschenk. Die zahlreichen Stunden in lustvoller Vereinigung, die sie einander näher gebracht hatten. Valmidea hatte nach ihrer ersten Liebesnacht begonnen, ihre Gedanken mit seinen zu verschmelzen und so konnten sie die Bilder, die der andere in sich trug, sehen. Lächelnd sah sie, was er dachte, als sie sich kennenlernten.

Es war ein heißer Sommertag gewesen und er hatte soeben den Kopf in einen Wasserbottich getaucht. Als er hervorkam, schlug vor ihm ein Blitz ein und Valmidea stand vor ihm. Ein blaues Glühen umgab sie, das sich langsam auflöste und mit der wabernden Hitze verschmolz. Sie hatte ihr langes schwarzes Haar geschüttelt, war sich mit den Händen durch die Mähne gefahren und ein breites Grinsen entblößte eine Reihe strahlender Zähne. Jarhag war nur fähig zu starren. Fast zwanghaft musste er sich daran erinnern, wie atmen funktioniert, dann war es ihm gelungen und das Leben hatte ihn wieder.

Nun lag er blass im Bett, rang um jeden Atemzug, die Lippen bereits blaugefärbt und um die Augen dunkle Ringe.
„Die Zeit braucht einen Schmied“, flüsterte Valmidea, „wie sonst sollte sie alle Wunden heilen können? Was ist die Heilerin ohne den Schmied? Nichts! Was bin ich ohne Jarhag? Nichts!“

Sie hob den Körper des sterbenden Mannes hoch und ging mit ihm hinaus. „Es tut mir Leid, Jarhag. Ich kann dich nicht gehen lassen – kehre mit mir in die Dämmerung zurück, in das Dazwischen – dort wo nichts ist, außer dem Schmied und der Zeit.“ Das blütengetränkte Schwert nahm sie mit, denn niemals sollte es ein anderer als Jarhag in die Hand nehmen.

(c) Herta 7/2010
****ra Frau
2.917 Beiträge
hachja.... ich könnt mich glatt an diesen Luxus gewöhnen, ohne Reisebüro in fremde Welten zu reisen *gg*

herrlich - hertalich

Lys
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Danke *freu*

Das Reisebüro der besonderen Art!

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Ihr Reisebüro
Jippieh!
Bin ich Hertaschmied?
Hab ich dich zu einer Fortsetzung breitgeschlagen!
*spitze* laf
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Olaf, der Hertagedankenschmied.

Es kam so über mich und Valmidea kam bei der anderen Geschichte etwas zu kurz ... so ist sie eben die Zeit geworden *lach*


*danke* *bussi*

Herta
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Tolle Geschichte, liebe Herta!

Aber ein Wort passt hier überhaupt nicht: Testosteron. Mich stört es sogar sehr. In dieser wunderbaren Sprache hat das Wort aus der Moderne nichts zu suchen. Wie wäre es mit "Duft des Männlichen" o. dgl.?

Ansonsten wieder: *top*

(Der Antaghar)
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Du hast Recht *g*

Danke für den wichtigen Hinweis. Ich sag's ja, manchmal bin ich so verbohrt, dass ich die richtigen/passenden Worte nicht finden kann.


Vielen Dank für das Kompliment *blume* *freu*


*blumenschenk* Herta
****ra Frau
2.917 Beiträge
gelllllll - da gibt es eine Fortsetzung? *liebguck*
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Waaaaaas?????

Ich denke nicht. Das ist doch ein schönes Ende der Geschichte.

Aber mein Krankenstand dauert an - und ich kann wegen der Hitze und der Schmerzen nicht schlafen - da überkommt mich dann schon mal die eine oder andere Idee, die sich zu schreiben lohnt. Bis jetzt sind ja schon einige Früchte aus meinen durchwachten Nächten hier gelandet.


*knuddel* Herta
****ra Frau
2.917 Beiträge
dochdochdochdoch.... Olaf und ich sind schon eine(r) mehr wie Du *gg* also überstimmt...

sollst aber nicht unter Schmerzen erneut gebären *troest*
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Das hier ...
ist ja schon die Fortsetzung von dem hier:

Kurzgeschichten: Jarhag Udger, der Schmied

Ist ja bereits ein Zweiteiler *zwinker*

*bussi* Herta
****ra Frau
2.917 Beiträge
weissichdoch - aber jetzt gehts doch erst richtig los... *anbet*

hab mich in meinem *liegestuhl* mit dem Schirmchendrink *cocktail* zurückgelehnt und warte noch auf die Animateurin - hab doch All-Inklusive gebucht *smile*
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Ich muss erst einmal mein Knie trainieren - vielleicht fällt mir beim Schwitzen was ein. Sicher bin ich mir aber nicht - es muss ja Sinn machen und passen. Mir ist jetzt so gar nicht nach Umidar zumute.

*schwitz* *faechel* und jetzt ran an die Gewichte

Herta
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Kalishna - Die Dunkelheit
Kalishna – Die Dunkelheit

Valmidea hatte ihn nach Avashna gebracht. Es war ihre Zuflucht. Das Reich der Dämmerung. Hier gab es nichts – weder Licht noch Dunkelheit und auch keine Substanz. Zeit war das einzige das existierte … auf eine gewisse Art und Weise.

Sie gab ihrem Körper Gestalt anschließend seinem. Sanft strich sie ihm durch das nun wieder dunkle Haar, küsste ihn auf die Stirn, die Augen und hauchte dann zart auf seine Lippen. Der Brustkorb des Mannes begann sich zu heben. Ein Lächeln stahl sich in ihr Gesicht, doch die Besorgnis wich nicht aus ihren Augen.
„Jarhag“, flüsterte sie. Die Lider des Mannes begannen zu flattern und langsam hoben sie sich. Mit der Zunge versuchte er die Lippen zu benetzen. Sie griff in die Dämmerung und hielt ihm anschließend einen Becher Wasser an die Lippen. Das Wasser des Neubeginns, der Geburt und des Todes war es. Etwas anderes gab es hier nicht.
„Wo bin ich?“, fragte er schließlich.
„In Avashna, mein geliebter Jarhag.“
„Also hast du mich doch zu dir nachhause geholt. Was wird jetzt geschehen?“ Der Schmied war unsicher. Einerseits freute er sich, noch am Leben zu sein und wieder jung, doch andererseits war seine Zeit zu Ende gewesen. Niemand wusste, was passierte, wenn man Chatar ein Schnippchen schlug oder Ihr, der großen mächtigen Göttin, deren Namen niemand wusste, weil er zu groß war.

Valmidea blickte ihn besorgt an. „Ich weiß nicht, was sie machen wird. Mutter ist immer so unberechenbar. Aber das blutgetränkte Schwert darf nicht einfach brach liegen. Du musst es weiter schwingen – für Umidar.“ Jarhag starrte auf seine Finger, die sich in der Dämmerung zu verlieren schienen. Unbehagen regte sich in ihm, als er daran dachte, wie dieses Schwert getränkt worden war. Die Blumen schienen geschrien zu haben, als er sie köpfte. Der Kaiser wusste nicht wie ihm geschah, als sich das Schwert wie von selbst in seine Brust bohrte und ihn beinahe halbierte. Die Beklommenheit wuchs, je weiter seine Erinnerung zurückging. Lamira, die Tautänzerin, die von Ihr besetzt gewesen war und die alle nach Blut lechzen ließ. Ein ganzes Volk zitterte vor sich selbst und der Periode des Blutes und der Gier. Eine grenzenlose Lust hatte sich in ihnen zu dieser Zeit breit gemacht – Hemmungslosigkeit, die keine Rücksicht kannte, weder Liebe noch Fürsorge und am Ende drohte der Tod.

Jarhag schüttelte energisch den Kopf. Er wollte diese Bilder verscheuchen, sie Kraft seines Willens aus seinem Hirn verbannen. Aber sie waren da, viel zu lebendig. Es war sein Leben, seine Vergangenheit, seine Taten. Er hatte die Tautänzer von ihrem Joch befreit und anschließend die Wüste Sälf durch den Mord am Kaiser wieder in Gründland verwandelt.

„Was muss ich tun? Was kann ich tun? Warum ich, Valmidea?“, fragte er, die grauen Augen blickten sie verzweifelt an.
„Ich weiß es noch nicht. Aber solange du nicht in der Unterwelt bist, kann Mutter nichts unternehmen. Soll Umidar dem Untergang preisgegeben werden?“
Sie setzte sich zu ihm und die Unsicherheit hüllte beide ein wie ein kaltes Leichentuch.

Lange harrten sie in dieser Umarmung aus und die Zeit in Umidar verstrich.

Endlich, als Jahre ins Land der Sterblichen gezogen waren, regten sie sich. Sie hatten eine Änderung in der Dämmerung wahrgenommen.
Dunkelheit zog auf – Kalishna.

„Sie ist wieder im Land der Umidar“, flüsterte Valmidea. „Wir haben zu lange hier verweilt.“ Schon wollte sie sich erheben, doch Jarhag hielt sie zurück. „Warte, gib mir noch einen Augenblick. Wer bist du wirklich? Du bist nicht die Zeit.“
„Nein, die bin ich nicht. Zeit ist ein männliches Wesen. Ich bin die Dämmerung Avashna Valmidea, die den sanften Tod bringt.“ Demütig hielt sie den Blick gesenkt.
„Deshalb war es dir möglich, mich hierher zu bringen, wo mich Chatar nicht finden kann?“
„So ist es. Chatar holt die Seelen der Verstorbenen, die ich ihm bringe.“
„Wie war es möglich, als dich Mutter vertrieben hatte?“
„Schnell jetzt Jarhag, wir müssen uns beeilen. Ich kann nicht alle Zeit aufhalten, das steht mir nicht frei. Mutter hat die Macht von uns allen, aber es schwächt sie, wenn sie alle Aufgaben übernehmen muss. – Wir müssen jetzt nach Umidar.“ Den letzten Satz sprach sie mit großem Nachdruck. Noch einmal blickte sie ihn aus ihren wasserblauen Augen an, dann materialisierte sie das Schwert, fasste Jarhag an der Hand und sie befanden sich …

mitten in einem Schlachtgetümmel in der Wüste Sälf. Sie standen genau zwischen den Schlachtreihen.
„Wer seid ihr? Geht weg da!“, brüllten die Krieger von beiden Seiten.
„Ich bin Jarhag Udger, der Schmied und das da ist Valmidea, die Pun-Heilerin“, sagte er schlicht, wobei er auf seine Gefährtin zeigte.
„Du bist nicht Jarhag“, behauptete jetzt der Anführer einer Seite, dem der andere zustimmte.
„Beweise mir das Gegenteil, Silvandios Gravenführst“, donnerte der Schmied. Er kannte alle der hier Versammelten. Er war bei deren Geburt zugegen gewesen, hatte sie heranwachsen sehen. „Seid ihr nicht Wurfbrüder? Warum bekämpft ihr euch auf so unehrenhafte Weise und macht das nicht wie richtige Männer unter euch aus? Stattdessen lasst ihr andere für euch in den Tod laufen. Ich dachte immer, das Geschlecht der Gravenführsts wäre ehrenhaft.“ Einen Moment war alles ruhig. Nicht einmal ein Windhauch war zu hören. Alles hielt den Atem an, selbst die Zeit stand still und harrte der Dinge, die vielleicht nicht kommen würden. Dann brandete ein zorniger Wortsturm auf Jarhag und Valmidea ein. Einer beschuldigte den anderen am Tod des Lehnsherrn schuld zu sein.
„Ihr wollt die Wahrheit mit dem Schwert erfechten? Ich sage euch: kümmert euch lieber um das Land, das ihr bestellen sollt. Durch euren unseligen Kampf bringt ihr einzig Verderben über Umidar“, versuchte Jarhag die Streitenden zur Vernunft zu bringen. „Geht nachhause und kümmert euch um euer Land.“

Die Streiter rückten vor. „Valmidea, was machen wir jetzt?“, fragte er. „Warum sind wir überhaupt hier?“ Doch sie antwortete nicht, sie schien erstarrt zu sein. „Valmidea!“ Jarhag wusste nicht, was er nun machen sollte. So zog er schließlich das Schwert und erwartete die Männer. „Nein“, hörte er ihre Gedanken in seinem Kopf. „Kämpfe nicht gegen sie. Bring mich weg. Es ist Mutter – sie hat wieder etwas angestellt.“ Jarhag haderte mit zwei Impulsen. Einer hieß ihn gegen die Männer zu kämpfen, der andere Valmidea so schnell es ging, wegzubringen. Der Erste wurde stärker und wie von Ferne vernahm er dumpfes Gelächter. So steckte er das Schwert in die Scheide zurück, nahm Valmidea hoch und ging mit ihr an den Rand des Schlachtfelds.

„Induro wird kommen“, hörte er ihre Gedanken. „Der, der den Feuertod bringt, der Vater ist er – der Große Tod, während ich der Kleine bin.“ Er legte ihren Körper in das hohe Gras und setzte sich daneben. „Was soll nun werden, wenn Induro hier ist? Er wird das Land mit Krieg überziehen.“
„Nicht nur das. Mutter wird die Ernte einfahren und alle kleinen Nebengötter wieder in sich vereinen. Dann wird die Dunkelheit wiederkehren – Kalishna, die ewige Kälte. Induro und sie werden diese Welt beherrschen.“ Besorgt blickte er sie an. Immer blasser wurde sie, als würde sie selbst sterben. Sie sah so aus, wie damals, als er sie vom Thron des üblen Kaisers geholt und ihn ins Jenseits befördert hatte. Zu der Zeit hatte er das erste Mal gegen die Göttin gekämpft und es nicht einmal gewusst. Jetzt wusste er, worauf er sich einstellen musste. Nur würde es diesmal schwieriger werden. Valmidea hatte die Lider geschlossen. Dunkle Schatten zeichneten sich unter ihren Augen ab. „Sie versucht mich zu holen“, flüsterten ihre Gedanken.
„Kehre in die Dämmerung zurück“, bat er sie. „Ich kann dich hier nicht beschützen.“
„Jarhag, mein geliebter Jarhag. Wir brauchen uns beide. Nur zusammen können wir etwas ausrichten. Aber du hast recht. Ich war unvorbereitet. Beinahe hätte sie mich erwischt.“ Sie versuchte nach Avashna zurückzukehren. Immer wieder, aber etwas schien sie an das Land der Sterblichen zu binden. Schließlich gab sie entkräftet auf.
„Sie hält dich hier fest. Nun, dann müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen. Zuerst einmal ist hier kein guter Ort zum Verweilen. Kannst du gehen?“ Er half ihr hoch und zusammen gingen sie weiter.

Tief hinein in die Wüste Sälf gingen sie. Schon seit zwei Generationen war hier wieder Ödland. Nur die hohen mit spitzen Dornen versehenen Eidabäume wuchsen hier. Eidechsen und Schlangen huschten über den grauen Sand und eine unbarmherzige Sonne brannte alles Leben aus einem unvorsichtigen Wesen. Jarhag und Valmidea waren nicht geschützt. Sie hatten kein Wasser dabei und ständig spürten sie die Macht der Göttin, die ihnen hart auf den Fersen war.

Weiter stolperten sie durch den Tag, die Nacht und den nächsten Tag. Hart nach Norden hielten sie sich, denn sie fürchteten, das Unheil würde wieder von der Verbotenen Stadt ausgehen. Doch niemals sollten sie dort ankommen.
****ra Frau
2.917 Beiträge
aaaaaaaaaaaahhh - *cocktail* schlürf und bequem zurückleg - jaaa, so muss das sein....

wie immer - einwandfrei genial Herta

*kuss*
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Kalishna - Die Dunkelheit (2)
Noch schritten sie tapfer aus und hielten tagsüber der Hitze und nachts der Kälte stand. Sie redeten nicht mehr, hielten sich nur an der Hand des anderen.

Wie bereits viele Jahre zuvor, näherte sich Jarhag Udger dem verfluchten Land der Tautänzer. Ihre Schritte wurden dorthin gelenkt und die Tautänzer hungerten wieder nach lebendigen Wesen, denen sie die Seele aus dem Leib saugen konnten. ‚Gefahr!’, schrie alles in Valmidea, doch sie hatte nicht mehr die Kraft, sich dagegen zu wehren. So wurden sie weitergezogen.

Jarhag merkte ebenso die Veränderung und begann entgegen seiner Gewohnheit zu fluchen. „Ich bin so müde, wie ich noch nie im Leben war und irgendetwas zieht uns zu den Tautänzern“, meinte er als er seiner Wut genügend Ausdruck verliehen hatte.
„Auch ich fühle es und ich merke noch etwas anderes. Es scheint vom Boden auszugehen, direkt aus dem Erdreich zu kommen. Ich hoffe, Yergah ist nicht böse geworden.“ Jarhag schauderte. Sollte sich Mutter Erde selbst erheben und böse geworden sein? Das wollte er sich lieber nicht vorstellen. Trotz ihrer Müdigkeit und der Gefahr, die sie von allen Seiten zu belauern schien, beschleunigten sie ihre Schritte und liefen mitten in das Land der Tautänzer.

Noch bevor sie die Blumen sahen, rochen sie deren betörenden Duft. Nur mit Mühe konnte sich Jarhag beherrschen, Valmidea ging es nicht anders. Kurz hielten sie inne und schauten sich in die Augen. Einen Moment versanken sie im Blick des anderen, und die Gier nahm zu. Jarhag fühlte dieses drängende Verlangen, das er hier schon einmal verspürt hatte, das aber nichts mit Liebe zu tun hatte. „Ich liebe dich“, flüsterte er, umarmte sie heftig und küsste sie, als würde er damit sein Leben retten können. Valmidea erwiderte diese stürmische Umklammerung, riss ihm die Kleider vom Leib und zusammen sanken sie auf das weiche Gras in dem sich sanft und unschuldig die roten Blumen erhoben und mit ihrem Duft die Sinne der auf dieser Welt wandelnden Wesen veränderten. Sie wurden von einer unirdischen Wolllust verschlungen, wie Ertrinkende von der stürmischen See. Hungrig und durstig gaben sie dem Drängen nach und versanken ineinander. Noch nie hatten sie sich in dieser Art und Weise geliebt, hart und unnachgiebig. Nur der eigenen Lust folgend, ließen sie sich treiben und ihre Liebe schien darin Schiffbruch zu erleiden. Da gelang es Valmideas Geist an die Oberfläche zu gelangen und ihre Lust zu bremsen. „Still!“, befahl sie und Jarhag lag ruhig. „Das sind nicht wir. Diese Gier habe ich nie gekannt – weder bei dir noch bei mir.“ Doch ihre Körper waren so ausgehungert und halb verdurstet, dass der Geist der Namenlosen leichtes Spiel hatte und sie erneut mit ihrem Nebel umwölkte. Während ihre Körper zu verdursten drohten und sich dennoch in einer wilden Vereinigung fanden, deren Spirale immer enger wurde und sie zu erdrücken drohte, lag das blumengetränkte Schwert vergessen nur eine armspanneweit von Jarhag entfernt. Es schrie und loderte in einem unheimlichen blauweißen Feuer. Dann erhob es sich, flog auf seinen Herrn zu und durchschnitt den Nebel der seine Seele vom Körper zu trennen versuchte. Ein wildes Kreischen hob an, das sich in Jarhag und Valmidea fortsetzte und auch aus ihren Mündern drang.

Es wurde heller um die beiden, als das Schwert durch die Luft flog und einen Kokon um sie wob. Dann glitt es sanft in Jarhags Hand und das Glühen verschwand.

Langsam verebbte das unheimliche Verlangen und machte einer anderen Art der Begierde Platz, sie war erdiger, natürlicher und kam aus ihnen selbst. So verloren sie sich abermals in einer Umarmung, in der sie wieder zu sich selbst fanden und aus dem Strudel den Kalishna schickte, auftauchen konnten. Während sie sich küssten und ihre Sinne wieder auseinander fanden, hielt das Schwert wache.

Doch nun waren sie Gefangene der Dunkelheit. Kalishna hatte sie der Möglichkeit beraubt, das Land der Tautänzer zu verlassen.
„Wir haben uns selbst eingeschlossen, Jarhag“, flüsterte Valmidea schließlich.
„Wie das?“
„Wir ließen uns von der rücksichtslosen Gier leiten. O, ich bin so müde und durstig.“
„Ich auch. Komm, lass uns sehen, ob wir hier irgendwo einen Bach finden. Mir ist so, als hätte ich das Rauschen eines Flusses vernommen. – Schwert? Kannst du uns hinführen?“ Er glaubte es selbst kaum und wusste nicht, warum er das Schwert gefragt hatte, aber es glitt aus seiner Hand, hielt die Spitze geradeaus und erleuchtete einen Weg. Und wirklich nach einer kurzen Wanderung in diesem glitzernden Kokon kamen sie an einem Fluss an. Ausgetrocknet wie sie waren, dachten sie nicht darüber nach, ob dieses Wasser verhext war, sondern löschten einfach ihren Durst. Erst danach wurde ihnen ihr Fehler bewusst, doch da war es beinahe zu spät.

Lamira lief singend über die Blumenwiese. Noch war es der dunklen Macht nicht gelungen, sie in Besitz zu nehmen. Sie war die älteste Tautänzerin und verwandt mit den Mondsingern, die des Nachts durch die Bäume flogen und die Nacht verehrten. Sie besangen die Schönheit der Sterne und die Klarheit des Mondes. Doch seit vielen Monden schon hörte man keines ihrer anrührenden Lieder zu denen sich in der Morgendämmerung tanzen ließ. So hatten auch die Tautänzer aufgehört zu tanzen.

Lamira fand die Schlafenden eng umschlungen am Ufer des Flusses Talong liegen. „Ich dachte schon, ich würde dich nie wieder sehen“, flüsterte sie, strich Jarhag eine Strähne aus der Stirn, dann küsste sie ihn auf den Mund.
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Ein Genuss ...

(Der Antaghar)
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Die Tautänzerin
Langsam hob Jarhag die Lider. Verschwommen erkannte er Lamira und schrak zurück. Er tastete nach dem Schwert, dann griff er nach Valmidea. Die Tautänzerin folgte mit ihren Augen seinen Bewegungen und sank enttäuscht zurück. „Ich werde dir nichts tun, Jarhag, zumindest nichts Böses. Ich hoffe es zumindest“, sagte sie mit ihrer melodischen Stimme. Doch er traute ihr nicht. Da erhob sich das Schwert und zeigte einen neuen Weg.
„Kannst du Valmidea auch erwecken?“, fragte er schließlich, nachdem er lange und gründlich alle Unwägbarkeiten durchdacht hatte. Lamira schien so zu sein, wie er sie vor vielen, vielen Jahren verlassen hatte, eine Tautänzerin, die tanzen wollte.
Die Tautänzerin zögerte, dann beugte sie sich über Valmidea und hauchte auch ihr einen zarten Kuss auf die Lippen. Langsam kam Avashna Valmidea zu sich.
„Sei gegrüßt Langlebige“, sagte sie zuerst, erst dann wandte sie den Blick zu Jarhag und lächelte. „Sie ist die Langlebige, Königin der Tänzer des Morgenrots, wie sie sich vor unzähligen Generationen nannten. Komm, vielleicht kann sie uns helfen, Mutter zu besiegen.“
Sonderbar gestärkt durch Lamiras Atem standen sie auf und blickten sich an. Alle drei standen für einen Moment still. Das Schwert hing zwischen ihnen wie ein Monument der Wahrheit, dann sank es in Jarhags Hand und schwieg. Also sagte er: „Na schön, solange das Schwert dir vertraut, sind wir Verbündete.“

Eingewoben in ihrem Kokon aus weißblauem Licht folgten sie Lamira, die gekonnt den roten Blumen auswich, tiefer in ihr Reich. Dabei berichtete sie von der Rückkehr der Dunkelheit und wie sich der Rausch nach Seelenblut und Lust wieder breit gemacht hatte. Doch Dank ihrer früheren Erfahrung und ihrer unerwarteten Rettung aus der Falle, konnte sie dem Drängen widerstehen. Nun war sie nicht mehr die offizielle Königin im Reich, eine Geächtete war sie und wurde sie zur Zeit des Vollmonds von jemanden aus ihrem Volk ergriffen, so war ihr Leben verwirkt und sie musste ihre Seele der Andernwelt vermachen.

Doch der Mond war im Zunehmen begriffen. Einige Tage sollten sie vor den Tautänzern noch Ruhe haben, dachten sie voll Zuversicht.

Lamira brachte sie zu ihrem Blumenfels. Hier wuchsen sie nicht, die roten Blumen der magischen Begierde. Einige blaue Flockenblumen und traurige Hängeringe wuchsen aus dem Felsen. Aber man sah dem Ort noch seine einstige Schönheit an. Nun kämpfte er gegen die Übermacht der roten Blumen.

Unterdessen begann in Umidar die Herrschaft von Induro. Er überzog das Land mit Krieg und die Kämpfe wurden immer blutiger und hemmungsloser. Neid und Missgunst zogen ins Land und bohrten sich in die Köpfe der Bewohner. Der Schmied wollte nicht nur mehr Nutzgegenstände machen, sondern Schwerter, besondere Schwerter, in blutgetränkte sollten es werden. Er verzichtete auf die Heilerin, denn ein Toter braucht keinen Heiler. Der Lehnsherr wollte unterdessen immer mehr Land und versuchte es sich auf unredlichem Weg einzuverleiben. Und alle strebten nach Gold, dem Spielzeug Induros, doch es war selten und kostbar, dabei völlig nutzlos für die Sterblichen.
So spielte Induro und keiner der Umidar merkte es. Das Geschlecht der Gravenführsts begann sich auszurotten und nahm sehr erfolgreich einen ganzen Landstrich mit.

„Wir müssen die Mondsinger finden“, meinte Valmidea als sie sich ausgeruht hatten. „Ohne sie könnt ihr nicht tanzen, Lamira Tau Blumenfels.“
„Ich weiß, nur kenne ich ihren Aufenthaltsort nicht.“
„Meliosh Lichtfänger“, murmelte Jarhag.
„Was?“, fragten Valmidea und Lamira gleichzeitig.
„Meliosh Lichtfänger, du musst ihn kennen, Valmidea. Wir waren bei seiner Entstehung zugegen, weißt du nicht mehr.“ Er lächelte vielsagend. Jetzt stieg die Erinnerung in Valmidea hoch und sie schmunzelte ebenfalls. „Er ist einer der Mondsinger. Wenn wir ihn finden, dann …“ Er sprach nicht weiter, denn die Möglichkeit, eines dieser Wesen zu entdecken, war sehr gering. Sie hielten sich tagsüber versteckt und kamen, wenn dann nur nachts heraus. Seit die roten Blumen wuchsen, sah man sie kaum noch. Niemand wusste, wo ihr Aufenthaltsort war.
„Vielleicht kann uns dein Schwert …?“, begann Lamira. Doch das Schwert blieb in der Scheide und rührte sich nicht. Seit sie den Blumenfels betreten hatte, war es nicht mehr hervorgekommen. Manchmal hatte Jarhag den Eindruck, es wollte sich vor etwas verbergen. Über diesen Verdacht sprach er nicht. Auch er hatte das Gefühl, beobachtet zu werden. Es war nicht immer vorhanden, aber es wurde drängender.
„Wir sollten bald aufbrechen. Wohin auch immer“, schlug Valmidea vor und sah sich unbehaglich um. Auch ihr war die Veränderung aufgefallen. „Am besten gleich. Jarhag?“ Sie bekam keine Antwort. Jarhag war weg, ebenso Lamira. Panisch lief Valmidea tiefer in den Felsen hinein. Immer wieder rief sie seinen Namen. Da sah sie ihn vor sich. Wie ein Schlafwandler folgte er Lamira, von der ein betörender Duft ausging. ‚O nein’, dachte sie entsetzt. „Jarhag! Dreh dich um. Folge ihr nicht ins Schlafgemach“, rief sie erneut. Verärgert über den grässlichen Laut hielt er inne, drehte sich kurz um. Da sagte Lamira mit ihrer schmeichelnden Stimme: „Jarhag, komm zu mir.“
„Nein! Lass dich nicht einlullen. Jarhag, wir gehören zusammen. Der Schmied und die Pun-Heilerin! Bitte!“
Jarhag stand zwischen den Frauen und wusste nicht wohin. Die Stimme von unten schmeichelte und lullte ihn ein, so folgte er ihr weiter. Valmidea rannte ihm hinterher. Sie bat ihn bei ihr zu bleiben.
Da drehte sich Lamira um und zeigte ihr wahres Gesicht. „Ha! Ha! Er gehört mir! Ich werde mir seine reine Seele nehmen und das Schwert ist dann ein nutzloses Ding aus Metall.“
„Jarhag!“ Valmidea versuchte sie zu ignorieren, packte Jarhag am Arm und zog ihn wieder hinauf. „Geliebter! Wach auf, bitte, zieh das Schwert, ich kann es nicht.“ Flehend blickte sie ihn an. Lamira lachte immer lauter. „Er gehört doch schon mir. Das Schwert kannst du nicht nehmen. Es ist dir verboten, Metall zu berühren.“ Valmidea hörte nicht auf sie, fester packte sie den Schmied und zerrte weiter. Schritt für Schritt kamen sie den Gang hoch zur Tür. Dann gab es einen Ruck und Jarhag war wieder da. Er hörte das Schwert in der Scheide kreischen. Zornig schrie es und verlangte danach, gezogen zu werden. Der Knauf bebte. Jarhag fasste danach, dann flog es wie von selbst hoch und nahm ihn mit.

Es war das Ende der Tautänzerin, die mit einem Lächeln im Gesicht auf ihrem Bett lag und das Ende nicht kommen sah, so schnell fuhr das Schwert auf sie nieder. Es gab einen grausigen Schrei als die Wesenheit aus ihr fuhr und sich verflüchtigte. „Das war noch nicht das Ende“, hörte er den zornigen Widerhall aus den Tiefen des Felsens hoch dringen.

„Es tut mir Leid, Lamira“, sagte er zu der toten Gestalt. „Eine Tautänzerin weniger, die das Land mit ihrem Tanz erfreut. Schade. Aber wir müssen das Übel jetzt ausmerzen! Valmidea!“
Mit Mühe gelang es ihm, das Schwert wieder in die Scheide zu stecken, dann rannte er zurück, fand Valmidea an die Tür gepresst. Abermals zog er das Schwert und es zerschnitt den Felsen als wäre es Butter.

Sie stürzten aus der Höhle. Das Schwert wob abermals einen Zauberkokon und führte sie weg von diesem schrecklichen Ort. Valmidea weinte, Jarhag ebenso.
„Es tut mir Leid, es tut mir so Leid, dass ich getötet habe.“ Er war außer sich über diese Tat.
„Induro ist überall.“
„Valmidea, ich ängstige mich vor mir selbst. Ich empfand Freude, als ich das Schwert in ihre Brust stieß. Freude und eine grenzenlose Befriedigung.“ Müde ließ er den Kopf hängen, während das Schwert in der Scheide einen triumphierenden Laut ausstieß.
„Was war das?“ Valmidea blickte sich alarmiert um.
„Es will töten“, antwortete Jarhag matt. „Ich fürchte, ich werde es nicht mehr lange kontrollieren können, sollten Induro und die Namenlose stärker werden.“
„Dann lass uns Meliosh Lichtfänger so rasch als möglich finden.“

Sie setzten sich unter einen weitausladenden Rotrindenbaum und warteten auf die Nacht. Die Aussicht einen Mondsinger zu finden, war nachts größer.
„Wir hätten uns Proviant mitnehmen sollen“, meinte Jarhag als die Dämmerung aufzog.
„Wie hätten wir das anstellen sollen?“
Sie hüllten sich abermals in Schweigen, das immer bedrückender wurde. Induro lachte in seinem Sphärenreich.

Plötzlich sprangen sie auf und blickten sich fröstelnd an. Aber nicht die kalte Nachtluft ließ sie schaudern, sondern eine innere Furcht, dass sie nichts würden ausrichten können, um diese Welt vor der gewaltigen Macht der Götter zu retten.
****ra Frau
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kann mich Antaghar nur anschließen

*knuddel*, wie immer Herta - eine tolle Reise *zwinker*
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
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Meliosh Lichtfänger
Doch nicht nur diese Furcht war es, die sie nun vorantrieb. Sie gingen nicht mehr Hand in Hand sondern schritten nebeneinanderher als wären sie zwei Fremde. Das Schwert in der Scheide seufzte. Doch keiner der beiden hörte es. Sie sahen weder die Majestät der Rotrindenbäume noch den Glanz auf den Mondscheinblumen, die nur nachts blühten und deren Blätter sich dem fast vollen Mond zustreckten und bläulich schimmerten.

Jarhag war zu sehr in Gedanken versunken. Er wollte ergründen, was die Freude über den Tod der Frau in ihm ausgelöst hatte. Nicht der Tod an sich war es, das ihn gierig werden ließ, es war die Tat an sich. Das Hineinbohren des Schwerts in das weiche Fleisch, als es den Knochen brach und auch das Herz durchstieß. Ja, das hatte ihm Befriedigung verschafft. Er schüttelte sich in Erinnerung daran, doch ein leichtes Grinsen verunstaltete sein Gesicht und ließ es zu einer Fratze der Gewalt werden.

Sie hingegen war bei ihrer Mutter, der Namenlosen. Nur ihr Körper schritt in der Nacht einher, friedlich neben Jarhag und er merkte nichts. Valmidea versuchte zu erkennen, was sie vorhatte. Aber die Dunkle ließ sich nicht durchschauen. So sehr sich Valmidea auch bemühte, sie sah nichts weiter als eine abgrundtiefe Hässlichkeit auf sie zufahren und böse lachen. „Ihr werdet gegen mich nichts ausrichten können. Beide seid ihr in meiner Hand. Macht euch nichts vor, Valmidea. Du bist schwach und er ist tot.“ Grausam war das folgende Gelächter und es brachte sie erneut in den Körper zurück.

Mittlerweile hatten sie die gefährliche Blumenwiese hinter sich gelassen und drangen in ein Waldstück vor. Dornenranken wanden sich an seinem Saum und wollten sich nur widerwillig öffnen lassen. Da zog Jarhag abermals das Schwert und er achtete nicht der lauten Schreie der Pflanzen, als er sie durchtrennte. Wütende Ranken peitschten um seine Beine und versuchten ihn zu Fall zu bringen, aber das Schwert schnitt auch sie entzwei. Beide, Mann und Schwert, lachten. Erst jetzt bemerkte sie die Veränderung, die ihrem Gefährten widerfahren war.

„Jarhag, was ist mir dir? Du ängstigst mich“, sagte sie leise. Doch er antwortete nicht, ließ lediglich ein Brummen hören und stapfte voraus in den dunklen Wald.
Valmidea wollte nach ihm greifen, ihn zum Halten zwingen, doch er schüttelte ihre Hand ab.

‚Was ist mit ihm? Und was ist mit mir? Noch nie verspürte ich diesen Zorn auf ihn. Wohin ist die Liebe verschwunden?’, dachte sie als sie auf seinen Rücken starrte. ‚Vielleicht hätte ich ihn doch den Weg aller Sterblicher gehen lassen sollen’, überlegte sie weiter. Von weither hörte sie höhnisches Gelächter. Die Namenlose.
„Das ist dein Werk“, flüsterte Valmidea. Dann verdrängte sie alle Gedanken aus ihrem Kopf, versuchte sich leer zu machen wobei sie Jarhag nicht mehr aus den Augen ließ.

Er unterdessen fühlte eine Macht in sich wachsen, die er so noch nie gekannt hatte. Das Schwert gab ihm diese Bedeutung, es gab ihm Kraft. Doch ganz tief in seinem Selbst, vergraben unter diesen Gedanken der Herrschaft, war noch ein kleiner Kern des wahren Jarhag. Winzig schien es unter dieser drohenden Person zu sein, die Schwert schwingend und gedankenlos Leben raubte.

So stapften sie jeder in ein Gespinst eigener dunkler Ängste gehüllt durch den nachtfinsteren Wald. Solange bis Jarhag anhielt. „Ich kann nicht mehr“, flüsterte er heiser. „Ich bin müde, wie kein Schmied sein sollte, der eine Arbeit vor sich hat.“ Damit fiel er auf das weiche Moos und rührte sich nicht mehr.
Die Beherrschung des Schwerts kostete ihn immer mehr Kraft.
Valmidea ließ sich neben ihn nieder, legte den Kopf in die Hände und schluchzte leise. Wo war all die Liebe hinverschwunden? Irgendwo in ihr musste sie noch sein. Sie war da, nur hatten Dunkelheit und Angst einen festen Panzer um sie gelegt.
„So werden wir Meliosh nie finden“, flüsterte sie.

Die Nacht zog weiter und die Dämmerung nahte. Jarhag bewegte sich nicht. Das Schwert in der Scheide summte leise vor sich hin. Befriedigt. Aber schon jetzt dürstete es nach weiterem Blut. Es war hungrig. Es war gierig. Seine Macht wuchs und Induro gelüstete danach.

Das Summen lullte Jarhag ein. Es sang ein Schlaflied, das Lied des Ewigen Kriegers, der niemals müde wurde und dessen Schwertarm aus Stahl geschmiedet war. Doch Jarhag war keiner dieser Sagenkrieger. Er war – er wusste es nicht. Er war wiedergeboren.

Valmidea saß an einen der mächtigen Bäume gelehnt und versuchte sich zu beruhigen. Den ganzen Weg über hatte sie eine Unruhe in sich wachsen gefühlt, die sich nicht alleine mit Angst beschreiben ließ. Es war mehr. Etwas war im Gange, etwas Größeres, als sie sich vorstellen konnte.

Müde rieb sie über die Augen und versuchte sich zu konzentrieren. Etwas hier in der Nähe hatte sie übersehen, etwas, das Furcht in ihr auslöste. Doch sie konnte es nicht erkennen. ‚Jarhag’, dachte sie traurig. ‚Warum wendest du dich ab?’ Doch sie wusste die Antwort bereits. Er war nicht mehr der Jarhag Udger, den sie vor vielen Menschenaltern kennen und lieben gelernt hatte. Jarhag Udger, der Schmied war tot – das hier war Jarhag, der Schwertkämpfer.
Abermals rieb sie über die Augen. Sie dachte, sie hätte etwas gesehen, einen Lichtstreifen in der Dunkelheit unter den Bäumen dahin gleitend.
„Meliosh? Mondsinger? Nashaanaheä?“, fragte sie flüsternd die raschelnden Blätter.
„Keshidoo Avashna heä“, antwortete ebenso leise eine Männerstimme. Und sanft glitt ein Mondsinger von einem Baum. Er war beinahe nicht zu erkennen so gut verschmolz seine Kleidung mit der Umgebung. Einzig ein paar strahlendgelbe Augen funkelten aus dem dunklen Gesicht, das sich schmal in der Dunkelheit abzeichnete.
„Te Avashna Valmidea. Meliosh Lichtfänger?”
“Du hast ihn gefunden. Es tut gut, die alte Sprache zu hören. Sei gegrüßt Avashna Valmidea. Lichtfänger Meliosh heißt dich willkommen.“
„Welch ein Glück. Wir brauchen Hilfe“, begann sie sofort und bedachte nicht, dass die Mondsinger ein anderes Empfinden für Wichtigkeiten hatten.
„Ich weiß, für dich drängt die Zeit, aber es ist nur ein Augenblick. Kalishna ist zurückgekommen und mit ihr Induro. Ich fühle sie bereits seit einer Weile. Aber mit Hast lassen sich keine Lieder fangen. Lass uns eine Weile schweigen.“ Elegant hob er sich in die Lüfte und machte einige Schwünge. Die Luft um ihn herum sang und vibrierte. Erst als die Rotrindenbäume deutlich zu erkennen waren, ließ er sich im Gras zu ihren Füßen nieder. Jarhag schlief noch immer. Doch der Luftgesang hatte Valmidea beruhigt. Eile war von Nöten, aber Hast würde sie am Denken hindern.
„Sie hat dich zu einer Sterblichen gemacht“, stellte er ruhig fest.
„Deshalb konnte ich das Tor im Fels nicht öffnen. Ich ahnte es, wollte es aber nicht glauben.“
„Sieh, hier habe ich ein Geschenk für dich.“ Er öffnete einen kleinen silberfarbenen Beutel und entnahm ihm einen weißen Stein, den drückte er in ihre Hand. „Der machtvolle Mondstein. Er wird dich beschützen und leiten. Ob er dir am Ende Rat geben kann, das weiß ich nicht zu sagen.“
„Meliosh, wohin sollen wir gehen?“
„Das Schwert wird euch die Richtung weisen. Du musst ihm helfen und treu zu ihm stehen, ganz gleich was er auch anstellen wird. Es wird eine harte Prüfung für euch werden, die ihr vielleicht nicht bestehen werdet.“
„Rede nicht in Rätseln.“
„Ich weiß doch nicht mehr, Avashna Valmidea. Heshinadanheä. Sei gegrüßt Morgen – ich muss gehen.“ Damit erhob er sich hoch in die Luft und verschmolz mit dem satten Rot der Blätter.

Lange betrachtete sie den Mondstein, dann verstaute sie ihn in einer der zahlreichen Taschen und versuchte Jarhag zu wecken. Als sie sich umdrehte, bemerkte sie einen Beutel neben dem Baum. Er enthielt haltbare Vorräte und leichte Decken. „Danke Meliosh Lichtfänger, du hast mir Licht gebracht in meine Dunkelheit. Ich denke, jetzt kann ich den Weg etwas besser erkennen.“ Ein Lichtblitz zeigte ihr an, dass er sie verstanden hatte.
****ra Frau
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und wenn es ein Gegenmittel für Hertamanie gibt - ICH will es nicht *smile*
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****ra Frau
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Du bist lieb

ich fürchte, diese Geschichte wird wieder überlang ... hoffentlich nicht langweilig.
(und ich hoffe, ich halte die Sprache durch)

*prost* Herta
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****ra Frau
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Induro - Die Übernahme
Tagelang waren sie bereits wieder unterwegs. Die Bäume boten ihnen Schutz vor der sengenden Hitze. Yergah hatte sich erhoben und das Land mit Dürre überzogen. Doch die Rotrindenbäume hielten der Trockenheit noch Stand. So zogen sie schweigend dahin, das Schwert, Jarhag und Valmidea. Es wies den Weg, nach Nordwesten zogen sie, entlang des Talong. Solange sie ihm folgten, würden sie keinen Wassermangel leiden.
Am dritten Tag hielt Valmidea diese Stille zwischen ihnen nicht mehr aus und sie sagte: „Jarhag, warte bitte.“ Ungehalten hielt er inne, wandte sich aber nicht nach ihr um. „Was ist?“, fragte er barsch.
„Was ist los mir dir?“
„Nichts ist los. Die Not treibt uns, du weißt das besser als ich.“
„Ich brauche eine Rast“, versuchte sie es erneut. Aber er hielt sich an das Tempo des Schwerts und ging weiter.
„Jarhag! Kennst du keine Rücksicht mehr?“
„Ach halt den Mund und folge dem Weg, der uns gewiesen wird. Du hast mich nicht sterben lassen und nun musst du damit leben.“ Dieser Vorwurf traf sie hart. Viele Menschenleben hatten sie zusammen kommen und gehen sehen, sie beim Sterben begleitet und auf dem neuen Weg die Hand gehalten, damit sie keine Furcht haben mussten.
Melioshs Worten Eingedenk, sich von Jarhags dunklem Wesen nicht erschrecken zu lassen, schritt sie weiter. ‚Ich muss zu ihm halten, sonst haben wir keine Möglichkeit, die aufkommende Dunkelheit zu besiegen. Keiner weiß, wo ihr Zentrum liegt. O Jarhag, wo ist all die Liebe hingeflogen, die ich für dich empfand?’, überlegte sie traurig während sie vorwärts stolperte hinein in die Dunkelheit und das Ungewisse.

Abrupt hielt er an. Valmidea merkte es nicht und stieß mit ihm zusammen. Doch auch das schien er nicht zu bemerken. Sie umrundete ihn und wollte ihn eben abermals ansprechen als sie ein Geräusch aufschreckte. Es kam von hinten und von den Seiten. Sie schauderte. „Ein wildes Pun. Bitte, töte es nicht“, flehte sie weinend, als sie sah, wie Jarhag das Schwert hob und in Position ging. Alles in ihm schrie, er sollte das Tier am Leben lassen, doch der Wille des Schwerts war fester. Ein Teil Induros war in das Metall gefahren und hatte sich dort festgesetzt. Nach und nach nahm es auch Jarhag gefangen und entzog ihm langsam aber beständig den freien Willen. ‚Hilf mir!’, wollte er rufen, doch da war es bereits zu spät und das Schwert sauste auf den Kopf des vorbeilaufenden Puns. Sein Herz weinte, während sein Mund lachte und es waren nicht seine Worte, die er sprach: „Sieh! So wird es mit allem Leben geschehen, das sich mir widersetzt.“
Valmidea stürzte auf das gefallene Pun zu, nahm seinen Kopf in die Hände und streichelte sanft seine noch warmen Nüstern. „Kehre heim und berichte“, flüsterte sie, dann ließ sie das Tier los und starrte fassungslos auf den lachenden Mann. „Ich kenne dich nicht mehr“, sagte sie hart.
„Trotzdem wirst du mit mir kommen.“ Seine Stimme klang ihm selbst fremd in den Ohren und er wollte abermals um Hilfe rufen, da stahl sich eine einzelne Träne aus seinem linken Auge.
„Ich komme mit, Jarhag. Oder sollte ich dich bereits Induro nennen?“
Ein breites Grinsen entstand um seinen Mund. Er ging auf sie zu, packte sie und küsste sie hart. Schon wollte sie sich wehren und ihn von sich stoßen, da erinnerte sie sich an Meliosh und sie ließ es geschehen.
„Warum tust du uns das an, Induro?“ Statt einer Antwort packte er sie fester und zwang sie zu Boden. Dann wollte er sich an ihr vergehen, doch noch war Jarhag nicht gänzlich unterdrückt. Er merkte, was Induro vorhatte und kämpfte sein Bewusstsein wieder vor. ‚Lass sie in Ruhe!’, brüllten seine Gedanken und der Körper fuhr zurück. „Lauf weg! Ich kann ihn nicht mehr lange aufhalten!“, rief er. Doch sie blieb. „Wir müssen zusammenhalten, Jarhag. Ich weiß, das bist nicht du.“ Tränen liefen ihr über die Wangen und trübten ihren Blick. Jarhag verlor abermals die Kontrolle über seinen Körper und er musste hilflos mit ansehen, wie Induro Valmidea Gewalt antat. „Das bist nicht du“, flüsterte sie immer wieder.
Endlich ließ er von ihr, richtete die Kleidung und ging weiter, als wäre nichts gewesen. Einzig sein gehässiges Grinsen zeigte, dass es ihm Spaß gemacht hatte. „Komm!“, befahl er. „Du wolltest dabei sein. Also sei dabei.“ Im Hintergrund hörte sie die Namenlose lachen. Es wurde lauter.

Valmidea wusste nicht, woher sie die Kraft nahm, das Tempo beizubehalten und ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Manchmal hatte sie den Eindruck, Jarhag würde sie aus diesen fremd gewordenen Augen ansehen, doch es war jedes Mal nur einen Lidschlag lang, dann war er wieder weg. Doch jetzt wusste sie, dass die Liebe noch da war und sie sie bewahren musste, hüten wie einen kostbaren Schatz.

Eines Abends, sie hatten den Wald bereits hinter sich gelassen, als sie für die Nacht Halt machten, wagte sie zu sagen: „Induro, ich möchte mit Jarhag sprechen.“
„Warum? Er ist nicht mehr da.“
„Das glaube ich dir nicht. Lass mich mit ihm reden.“ Induro lachte lediglich. Dann warf er ihr den Beutel mit den Vorräten zu. „Iss! Sieh zu, dass du bei Kräften bleibst, das ist wichtiger als der Schmied.“ Er selbst bediente sich mit den schmackhaften Trockenfrüchten und kaute geräuschvoll darauf herum.
‚Jetzt bin ich wirklich alleine’, dachte sie verzweifelt. ‚Lamira ist tot und Meliosh wird nicht aus dem Wald kommen wollen.’

Jarhag kämpfte unterdessen damit, nicht gänzlich beherrscht zu werden. Immer wieder schaffte er es, einen Blick aus seinen Augen zu machen. Er hasste Induro, der das Schwert vergiftet hatte und nun seinen Körper kontrollierte. Manchmal versuchte er mit Induro zu reden, doch der achtete nicht auf ihn. Jarhag verstand nicht, dass der Gott auf einen menschlichen Körper zurückgreifen musste. Doch es war seit jeher so, dass die niederen Götter nur dann auf der Welt wandeln konnten, wenn sie eine sterbliche Hülle in Besitz nahmen. Induro genoss es, den starken, unbeugsamen Willen des Schmieds gebrochen zu haben. Auch Valmidea wurde schwächer. Ja, wenn sie aus dem Weg war, dann war er der uneingeschränkte Tod – das Verderbnis, das Verhängnis.
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****ra Frau
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Induro - Die Übernahme (2)
Krieg lachte. Seine Macht hatte sich in Släf und dem gesamten ehemaligem Gründland selbstständig gemacht. Dort vernichtete sein Flammenschwert alles Mitgefühl und rodete die Liebe. Die Namenlose sang dazu ihr Lied der ewig dunklen Macht.

Nachts musste Induro ruhen, denn noch war sein Geist nicht wirklich in diesem Körper manifestiert. Um stark zu bleiben, war er gezwungen, sich für einige Stunden in die geheimen Sphären von Kalishna zurückzuziehen. Das war die Zeit, die Jarhag für sich nutzte. Er kämpfte sich an die Oberfläche und versuchte dabei keine Gedankenspuren zu hinterlassen. Am Anfang war es ihm schwer gefallen, nun gelang es ihm immer leichter und schließlich hatte er einen Teil der Kontrolle über seinen Körper zurück, wenn auch nur für kurze Zeit während der Nachtstunden.

Alles um sie herum war still. Nicht ein Windhauch oder Insekt war zu hören. Die Zirpgrillen schwiegen, ein Lachfalter flog kichernd in ihren Kreis, verstummte sofort und fiel zu Boden. ‚O je, was haben wir nur angerichtet?’, dachte er müde. ‚Jetzt oder nie. Ich muss Valmidea erreichen. Irgendwie muss es mir heute gelingen. Die Zeit drängt.’ Entschlossen, nicht aufzugeben, legte er seine gesamte Gedankenkraft in den linken Arm und schaffte es, ihn zu strecken. Sanft berührte er sie an der Schulter. Erschrocken fuhr Valmidea auf und starrte ihn entgeistert an. „Was willst du, Induro?“, fauchte sie.
„Val … Liebe“, presste er mühsam zwischen den Lippen hervor. „Jarhag? Bis du das?“ Dann erkannte sie sein Dilemma und verband ihren Geist mit seinem. Sie kniete neben seinem Körper, nahm ihn hoch und hielt ihn eng umschlungen. Jarhag konzentrierte sich jetzt nur auf Valmidea und die Gedanken, die sie teilten. Stumm weinte er während sie ihn festhielt und ebenfalls die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte. „Ich liebe dich“, sagten seine Gedanken. „und ich bitte dich um Verzeihung. Niemals wollte ich dir wehtun, Geliebte. Er ist zu stark für mich.“
Da hielt sie ihn noch enger an sich gedrückt und flüsterte: „Du bist nicht zu schwach, denn sonst könntest du ihm keinen Widerstand leisten. Ich bin hier und ich werde nicht fortgehen, ganz gleich, was geschieht.“ Dann berichtete sie ihm von Meliosh Lichtfänger und dem Talisman.
„Halte ihn geheim und zeige ihn mir nicht. Ich weiß nicht, wie viel Induro von meinen Gedanken lesen kann, aber je weniger ich weiß, desto besser ist es. Ruh dich wieder aus. Er wird bald zurück sein und ich muss noch alle Spuren meiner Gedanken beseitigen. Valmidea.“ Er kostete den Klang ihres Namens, schmeckte seine Süße und die Fülle der Botschaften, die er übermittelte. „Jarhag, nichts wird meine Liebe zu dir jemals wieder trüben können“, hörte er sie noch sagen, dann hatte er seinen Geist wieder weit ins Unterbewusstsein zurückgezogen und wartete auf die erneute Übernahme durch Induro.

So ging es einige Nächte lang und Jarhag merkte, wie er selbst stärker wurde. Doch auch Induros Macht wuchs und er konnte seinen Geist immer länger in Jarhags Körper halten. So blieben dem Schmied oft nur noch wenige Minuten, um mit Valmidea Kontakt zu halten. Aber noch ließ er sich nicht unterkriegen.

Tag für Tag schleppten sie sich in der sengenden Hitze und sie näherten sich den Eiligen Steinen von Uballa. Diese Steine bewegten sich im Laufe eines Jahres und schichteten sich immer wieder neu auf. Sie ordneten die Welt und derzeit konnten sie sich keine Woche lang ausruhen, denn es wurde auf ganz Umidar gekämpft. Ein Herrscher nach dem anderen wurde niedergerungen und durch einen neuen ersetzt, der sich auch nicht lange halten konnte.

Valmidea schauderte je näher sie sich diesem geheimnisvollen Platz näherten. Viele Sagen rankten sich darum und noch niemals hatte ein sterblicher Fuß das immergrüne Feld betreten, auf dem die Steine ihren Tanz des Wandels vollführten. Sie waren eine Art Brennglas in dem sich der Umschwung brach und dann zu einem Bild gestaltet wurde.
Der Mondstein in ihrer Tasche wurde manchmal kalt und dann wieder heiß. Er spürte die Nähe der Eiligen Steine und es schien ihr so, als würde er gerufen werden.

Doch noch mussten sie die Stöhnende Ebene von Fraiss durchwandern. Hier wuchsen nur spärlich Gras und vereinzelte Krüppelbüsche, die leise im Wind zu seufzen schienen. Wind und Hitze hatten hier alles austrocknen lassen.
„Induro, bitte, ich brauche eine Pause“, bat sie flüsternd. Sie fühlte sich ausgetrocknet und müde. Hunger spürte sie schon lange nicht mehr, er war einer bohrenden Leere gewichen, die sich nur mehr ab und zu in einem Schwindel zeigte. „Bitte, ich brauche zu trinken.“
Nur widerwillig gewährte der Gott die Pause, doch auch sein Körper musste ruhen. In dieser Hitze konnten sie nicht mehr so schnell ausschreiten und er verfluchte Yergah für ihr vorschnelles Handeln, das ihm jetzt ein Vorankommen erschwerte. Stumm reichte er Valmidea den Wasserbeutel, dann trank er selbst und fühlte sich frischer. Es war das letzte Wasser aus dem blauen Fluss Talong. Wenn das ausgetrunken war, dann mussten sie durstig bleiben. Induro war das gleichgültig. Sobald sie die Steine erreicht hatten, würde er den Ritus vollziehen und sich mit dem Körper vollständig vereinigen, dann würde das Schwert gänzlich ihm gehören und er der Herrscher der Welt werden. Dann würde er sich dem nächsten Ziel zuwenden – der Namenlosen.
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****ra Frau
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Manlokka – Das Erwachen
Induro gewährte nur eine kurze Rast. Weiter hetzte er durch die Steppenlandschaft. „Siehst du, Valmidea, ich werde schlussendlich gewinnen. Das Schwert deines Liebhabers hat euch nicht geholfen. Ihr habt es für mich geschmiedet und mir direkt in den Schoß fallen lassen. Eigentlich müsste ich dir danken“, sagte er selbstsicher und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln, das ihr die Tränen aufsteigen ließ. Aber sie schluckte sie heftig weg. Kurz nur hatte sie den Eindruck gewonnen, Jarhag würde vor ihr stehen. Doch dem war nicht so. Schon seit einigen Tagen hatten sie seine Gedanken nicht mehr erreichen können. Entweder er war jetzt gänzlich untergegangen in der Macht des Gottes oder er war bereits zu sehr geschwächt, um sich noch zu bewegen.

Doch Jarhag war nicht müßig gewesen. Er hatte seine Gedankenkraft gesammelt, alles Wissen über die Schmiedekunst zusammengerufen und seinerseits eine Waffe gefertigt, die allerdings nicht von Menschenhand geschwungen werden konnte. Noch war er nicht ganz zufrieden mit seiner Arbeit. So war er ganz konzentriert, doch auch er fühlte, dass sie sich dem Ziel der Reise näherten. Dort würde sich das Schicksal Umidars erfüllen.

Während Jarhag an seiner Waffe arbeitete, trottete Valmidea mit hängendem Kopf Induro hinterher. Immer wieder musste sie sich versichern, wie sehr sie Jarhag liebte, und dass nichts sie trennen konnte. Als sie so dahinstolperte und ihre Gefühle zu ergründen suchte, bemerkte sie nicht, wie sich die Landschaft änderte. Das kurze, braune Steppengras war plötzlich mit Blumen durchwachsen. Rote Blumen. Blumen des leidenschaftlichen Todes. Doch auch Induro bemerkte es nicht, denn er war so sehr mit seinem Sieg beschäftigt, so sah er nicht, wo er ging, sondern ließ sich vom Licht des Schwerts den Weg weisen und das zog ihn unverwandt nach Nordwesten hin zu den Eiligen Steinen von Uballa.

Sie merkten die Veränderung erst, als es zu spät war und er sich mit gierigem Blick zu ihr umgedreht hatte. Während er redete, breitete er die Arme weit aus: „Val, komm zu mir. Sei wieder ein Teil von mir.“ Sie sah die dunkle, große, beinahe hager wirkende Gestalt von Induro durch den sterblichen Körper schimmern und fühlte sich zu ihm hingezogen. Seine Stimme war vor Verlangen heiser und schien Valmidea gefangen zu nehmen. Wie von unsichtbaren Fäden gezogen, ging sie auf ihn zu und sank mit einem Seufzen in seine starken Arme. Rundherum wurde das Rot der Blumen tiefer und aus dem Boden drang ein Aufstöhnen, das durch das Seufzen der Krüppelbüsche überdeckt wurde.
Er zog sie zu sich. Zusammen sanken sie unter einen der zahlreichen Büsche, rissen sich die Kleider vom Leib und fielen wie von Sinnen übereinander her. Valmidea bedeckte ihn mit wilden Küssen, die er feurig erwiderte. Doch es war nicht mehr der Körper des Mannes, der auf diese wilde Gier reagierte, der lag stumm im Gras und rührte sich nicht mehr. Induro manifestierte sich in seiner Gottgestalt, blauschwarzes Haar umspielte das weiße Gesicht als dunkles Feuermeer, das Valmidea einhüllte wie in ein seidiges Tuch. „O Val, wie lange ist es her? Wie viele Zeitalter sind vergangen, seit wir uns das letzte Mal in dieser Form begegnet sind?“, fragte er, doch die Antwort darauf interessierte ihn nicht. Die Lust nach ihrem Körper hatte sich seines Denkens bemächtigt und rührte an ihm. Es war nicht Liebe, es war ein Kampf, in dem sie sich vereinigten und einander die Gewalten des anderen fühlen ließen, denn auch der Sanfte Tod hatte seine Dunklen Wogen nicht fallengelassen. So stürmten die beiden dunklen Wesen nun in einer ekstatischen Vereinigung aufeinander zu und immer mehr versanken sie und wurden zu einer Einheit. Schließlich fanden sie sich in einem wilden Aufschrei, klammerten sich aneinander und die roten Blumen lachten, wuchsen und gediehen.

Während sich Valmidea und Induro in wilder Hast vereinigten, schaute Jarhag nur zu. Er war von dem Blütenduft völlig unbehelligt geblieben. Panisch überlegte er, was er tun konnte, um seine Geliebte von dieser unnatürlichen Raserei zu befreien, die unweigerlich mit ihrem Tod enden musste. Sie würde sich in Induro auflösen und ihr Körper als leere Hülle zurückbleiben, wie er selbst. Diese Angst trieb ihn weiterzumachen. Seine Waffe war fertig, doch so wie sie jetzt war, konnte er sie nicht einsetzen. Er musste sich etwas anderes ausdenken. Weil ihm nichts Besseres einfiel und Valmideas Gestalt immer mehr an Substanz zu verlieren drohte, schickte er einen lauten Hilferuf auf Reisen.

Lange schien es ihm, konnte er nur zusehen und nichts tun, doch da endlich erreichte ihn eine Antwort. Er fühlte sie in seinen Gedanken, denn sehen konnte er nichts. Sein Körper gehorchte noch immer dem fremden Willen und er sah sich nicht mehr Imstande, diesen Umstand zu ändern.
„Manlokka, erwache Geist“, flüsterte die Stimme.
„Wer bist du?“, fragte Jarhag.
„Lichtfänger Meliosh, Mondsinger. Manlokka! Erwache du alter knorriger Baum und befreie dich von der Last der bösen Blumen. Manlokka!“ Nach dieser Anrufung lachte er, dann faltete er seine Hände, machte eine Verbeugung und sagte feierlich: „Heshinadanheä – Sei gegrüßt Morgen. Mit dem Licht mögen die Schatten verschwinden. Achte auf euch Jarhag Udger und merke dir: Manlokka, bringt die Blumen zum Welken.“ Jarhag wollte den Mondsinger noch etwas fragen. Aber der war mit einem Flügelschlag aus seinen Gedanken verschwunden, noch bevor Jarhag eine Silbe denken konnte. Den letzten Hinweis hielt er wie einen Schatz in sich verborgen. Dann erfüllte ihn eine lange nicht mehr gekannte Freude und ein Licht füllte sein Herz. Eine Decke aus Frohsinn und Liebe gewebt, schien ihn zu wärmen. Plötzlich fühlte er sich frei und er sah das Land vor sich ausgebreitet, das unter dem Joch der sich streitenden Götter blutete. Er sah Valmidea, die sich in wollüstiger Gier hingab und nicht wusste, was sie tat. Er sah Induro, dem es nicht anders erging und er sah sich selbst. Dann fühlte er eine grenzenlose Liebe zu allen Lebewesen.

Manlokka – Jarhag war erwacht, nicht der alte knotige Busch unter dem sich Valmidea und Induro heftig liebten.
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